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Tag eines jüngsten Gerichts
Mit zarter Wehmut sah der President zum Himmel hinauf. Er konnte nicht sagen, wann dieses äußerst eigenwillige Gefühl in seiner Brust zu keimen angefangen hatte. Vielleicht schon ab dem Moment, ab dem die Nachricht gekommen war, dass die Erdlinge die Admiralsflotte zerstört hatten. Hatte er damals schon geahnt, dass es schließlich so weit kommen würde? Vermutlich. In diesem Krieg hatte sich das Blatt gewendet, was in dieser Galaxis vieles bedeuten konnte. Doch alles deutete darauf hin, dass sich die Erdlinge in diesem Falle eine sehr einfache Lösung ausgesucht hatten.
Mittlerweile waren auch das Oberhaupt der Kommission und jenes der Konklave auf der Dachterrasse des gewaltigen Wolkenkratzers erschienen.
"Meine Herren, ich bin dankbar, dass sie sich bereit erklärt haben, mir Gesellschaft zu leisten."
Der Herr der Konklave, ein Greis erdrückt von der Last seiner kostbaren Zeremonialgewänder, brachte ein kleines Lächeln zu Stande.
"Wenn es schon so enden muss, so denke ich, dass es nur recht und billig ist, dass ich dabei an ihrer Seite bleibe, Herr Präsident."
"Es scheint, dass es keinen Ausweg gibt. An sämtlichen Orten, an denen wir Schutz gesucht haben, konnte die feindliche Partei uns lokalisieren. Eine rationale Lösung bietet sich unter diesen Umständen nicht an."
Der Redeführer der Kommission war ein schmächtiges Männchen mit Brille, das permanent den Eindruck erweckte, es suche nach Akten zum Sortieren. Ein Fleisch gewordenes Klischee. Der President fragte sich, ob diese Kreatur momentan überhaupt etwas empfand, wenn sie es jemals hatte. Drückte "Eine rationale Lösung bietet sich nicht an" tatsächlich alles aus, was dem Mann in dieser Situation durch den Kopf ging? Vermutlich ja.
Ab da sagte keiner der drei mehr etwas. Sie erhoben ihr Antlitz gen Himmel, der dicht mit grauen Wolken verhangen war. Schon zeichnete sich ein bläuliches Glühen ab, es schien, als waberten hinter dem Wolkenschleier drei Kugeln aus kaltem Feuer.
Und dann war alles von blauem Licht erfüllt.
Um genau 11 Uhr 25 an jenem Morgen löste sich ein leerstehender Wolkenkratzer in der Hauptsdat des Planeten in eine gewaltige Aschewolke auf. Damit waren die drei wichtigsten Männer des Planeten, das Primärziel der terrestrischen Gegeninvasion, vernichtet worden.
Die Frage war bloß, ob sich die Erdlinge damit zufrieden geben konnten. Selbst die größten Optimisten konnten dies nicht allen Ernstes für möglich halten.
Indes stellte sich die Frage nicht sehr lange. Etwa zwanzig Minuten, nachdem die offiziellen Führer des Planeten ausgelöscht worden waren, begannen terrestrische Orbitalwaffen die wichtigsten wirtschaftlichen Metropolen des Planeten zu zerstören, welche der Kriegsmaschinerie als Nährboden gedient hatten.
Ich erfuhr dies wie alle anderen über das Radio, da alle moderneren Medien des Planeten von den Erdlingen lahmgelegt worden waren. Ich fand es erstaunlich, wie kaltschnäuzig die Reporter ihrer Arbeit nachgingen, war dies doch die größte- und, vermutlich, letzte- Strory in der Geschichte des Planeten. Ich hörte zumindest einen Teil von ihr in einem der kleinen Pubs der Hauptstadt, in welcher ich wohnte. Die Hauptstadt war zu dem Zeitpunkt erstaunlich leer, da viele aufs Land geflohen waren und sich verstreut hatten, um den Todesstrahlen der Invasoren keine allzu leichte Beute zu bieten. So waren die Massen, die sich um die Radiogeräte der Pubs drängten, relativ überschaubar.
"Wir erhalten soeben Berichte aus dem Umland der westlichen Metropole. In der Stadt selbst scheint nichts Nennenswertes mehr übrig zu sein. Das wäre damit die dritte Metropole, welche die Erdlinge ausgeschaltet haben. Wir erhalten zu diesem Zeitpunkt nur noch zweifelhafte Meldungen, es scheint jedoch, als hätte sich die Flotte des Feindes rund um den Planeten in Position gebracht. Vom Weltraum aus dürfte dies ein dramatischer Anblick sein, allein, Satellitenbilder stehen uns nicht mehr zur Verfügung. Wie ich sie erinnern darf sind die letzten unserer Satelliten vor wenigen Stunden zerstört worden, nachdem unsere Repräsentanten ein letztes Mal versucht hatten, Verhandlungen mit dem Feind einzuleiten..."
Nicht ein einziges Mal, seit sich die Niederlage unserer Streitkräfte abgezeichnet hatte, hatten die Erdlinge Interesse an Kommunikation gezeigt. Es hatte etwas zutiefst Verstörendes, an die Stimmen unserer Anführer zu denken, die nutzlos durch den Weltraum hallten, zuerst höflich, dann demütig, schließlich winselnd vor Verzweiflung, während die Gegenseite stumm blieb und ihre Flotte unbeirrt auf unsere Welt zudriftete. Langsam, als wolle sie jeden Augenblick auskosten.
Einige Minuten nach dem Bericht über die Zerstörung der westlichen Metropole kam Leben in die Menge, der ich mich angeschlossen hatte, denn irgendwer hatte die ersten Lichter entdeckt.
Wir hatten am Rande erfahren, dass man sich bei Angriffen mit Orbitalwaffen verstreuen musste, da diese mit Sensoren arbeiteten, die darauf ausgerichtet waren, Lebewesen aufzuspüren, was natürlich umso leichter war, wenn diese Lebewesen sich zusammenballten. Indes machten wir uns auch keine wirklichen Illusionen. Jeder wusste, dass die Waffen der Erdlinge jeden aufspüren konnten. Wenn sie wollten, konnten sie wie ein göttlicher Scharfschütze jede Person auf diesem Planeten ausschalten, ohne den Rest des Planeten sonderlich zu beschädigen. Wollten sie?
Jedenfalls führten diese Überlegungen zu einem, sagen wir, paradoxen Verhalten unsererseits. Auf der einen Seite der Instinkt, sich zu trennen, um keine allzu große Zielscheibe zu bieten, andererseits das Bedürfnis, beisammen zu bleiben, da es letzten Endes alles keinen Sinn hatte. Wenn man den Tod nicht vermeiden konnte, dann doch wenigstens die Einsamkeit. Ich fand in diesen wenigen Minuten mehr Freunde als in meinem ganzen bisherigen Leben.
Als kleinere Gruppe spalteten wir uns von den anderen ab und gingen über die prachtvollen Straßen und Boulevards unserer Hauptstadt Richtung Fluss, wo wir hofften, eine bessere Perspektive auf das zu bekommen, was geschehen würde.
Angst? Sicherlich. Aber Angst hatte einen großen Teil ihres Nutzens verloren. Sie konnte daher nicht mehr in "praktische" Angst, also in Panik ausufern. Dass es allen anderen ebenfalls so ging war offensichtlich. Man konnte unsere Stimmung eher mit mit der in einer Todeszelle vergleichen, die sich über einen ganzen Planeten erstreckt. Unsere Lebenserwartung war gleich null, eine Zukunft gab es nicht. Für keinen von uns. Vielleicht waren wir deswegen so ruhig.
Die Minuten verstrichen, und der Himmel blieb stumm und bewölkt. Das reichte indes nicht, um uns Hoffnung zu geben. Es war nur allzu deutlich, dass es sich um die Ruhe vor dem Sturm handelte.
Da tauchte endlich der erste Strahl auf. Wir entdeckten ihn am anderen Ufer des Flusses. Er war dünn und sah aus wie eine gewaltige Nadel aus Licht.
Wie Blitze in einem Gewitter, so tauchten auch die Todesstrahlen unstet auf, flackerten über verschiedene Teile der Stadt, um wahllos Leben auszulöschen. Die Tatsache, dass die Strahlen selbst keine Geräusche verursachten, machte die Sache nicht besser.
"Es heißt, das einzige Geräusch, was sich machen, ist ein schrilles Kreischen, das du in deinen ZÄHNEN spürst, wenn dich einer erwischt...", sagte das Mädchen neben mir. Es klang beinahe andächtig.
Keiner machte sich die Mühe, die Sirenen in Gang zu setzen, die man nur wenige Tage zuvor überall aufgestellt hatte. Jetzt, wo die Situation da war, die wir alle gefürchtet hatten, wurde uns bewusst, wie unendlich nutzlos sie waren. Und so blieb es auch auf unserer Seite still. Der Punkt war gekommen, da es keine nennenswerte Form der Kommunikation mehr geben würde. Die Geschehnisse würden ohne Namen und ohne Stimme bleiben.
Wir gingen weiter den Fluss entlang. In Gebäuden Schutz zu suchen erschien uns gänzlich sinnlos, zumal wenn wir an den Strahl dachten, der unsere Anführer und alles in ihrer näheren Umgebung pulverisiert hatte.
Und dann trafen auch uns die ersten Strahlen. Ein dicker Mann im Unterhemd machte einer schmalen, blauen Säule Platz, dann einem schwarzen Fleck. Elektrische Spannung sorgte dafür, dass sich die Härchen in unserem Nacken und auf unseren Armen aufrichteten.
Ich sah das Mädchen an, das neben mir lief. Es drehte mir sein Gesicht zu und lächelte wehmütig.
Ich frage mich, ob sie es tatsächlich wusste. Denn im nächsten Augenblick war auch sie verschwunden.
Der nächste Strahl traf einen Mann, der in einem anachronistischen Anflug von Panik das Weite gesucht hatte. Er rannte nicht lange.
In wenigen Sekunden war unsere kleine Gruppe ein ganzes Stück geschrumpft. Dann verschwanden die Strahlen aus unserem Sektor und wurden wieder ferne, stumme Wetterphänomene über anderen Teilen der Stadt. Und vermutlich des ganzen Landes.
Wir schlenderten weiter, bis jemand andeutete, er wolle noch ein letztes Mal den Palmenplatz sehen, jene Stelle, wo sich die drei palmengesäumten Prachtstraßen unserer Stadt vereinten. Dort, wo der Präsident seine größten Reden gehalten hatte, auch die, welche den Beginn des Krieges markiert hatte.
Wir bogen schweigend in die nächste Straße sein, weg vom Fluss und seinem Panorama des wahllosen Tötens.
Ich kann also versichern, dass es absoluter Zufall war, dass wir Zeugen der folgenden Ereignisse wurden.
Als wir nämlich das Rathaus am Palmenplatz erreichten, wurden wir eines Flugobjekts gewahr, dass auf dem Dach gelandet war. Es war das erste Mal, dass ich ein terranisches Schiff mit eigenen Augen sah. Es war plump, glich einem großen, dunkelgrünen Container mit winzigem Cockpit und Stummelflügeln, die kaum mehr als ein stilistisches Element sein konnten. Die Flagge der Erden-Föderation war bereits auf dem Dach des Rathauses gehisst worden.
In stummen Erstaunen blieben wir stehen. Der Platz begann, sich zu beleben. Einige Fahrzeuge fuhren vor, die das Wappen unserer Regierung trugen. Sie blieben jedoch auf der gegenüberliegenden Seite, in vorsichtiger Entfernung zum Landeplatz der Erdlinge. Wir standen verloren vor dem Rathaus, zwischen den Fronten, wie es schien.
Die Glastüren am Eingang des Rathauses sprangen auf, und bis an die Zähne bewaffnete Soldaten der Erdlinge stürmten ins Freie. Als sie unser gewahr wurden eröffneten sie das Feuer. Wir warfen uns auf den Boden, die Gliedmaßen ausgestreckt. Als die Soldaten näher kamen, erschossen sie noch einige weitere von uns aus nächster Nähe. Von unserer zehnköpfigen Gruppe blieben nur ich, ein älterer und ein junger Mann etwa meines Alters zurück.
"Aufstehen! die Scheißhände nach oben!"
Wir gehorchten.
Ich erinnere mich noch genau an das Erstaunen, als ich entdeckte, wie jung die meisten der Soldaten waren. Der Kapitän des Trupps schien sogar jünger zu sein als ich. Er schrie dafür umso lauter. Die Kettensäge, die als Statussymbol an seinem Gürtel hing, sah lächerlich schwer und fehl am Platze aus.
"Soll das hier eine SCHEISS Falle sein?! REDE!"
Er stieß meinen älteren Kameraden mit der flachen Hand gegen die Brust.
"Nein."
"Wie Schön."
Und dann erschoss er auch ihn.
Dann sprang er mich an, warf mich zu Boden, packte mich am Kragen und schüttelte mich, die Waffe an meinem Hals. Er hatte tatsächlich Schaum vor dem Mund.
"Weißt du, worauf wir jetzt tierisch Lust haben? MASSAKER. Wenn du Scheißkerl wüsstest, wie lange ich darauf gewartet habe, einen von euch in die Finger zu kriegen... Lass mal hören, was du zu sagen hast, eh?"
"Ich weiß, dass ihr möglichst viele von uns töten wollt, doch lasst Frauen und Kinder leben..."
Es war natürlich nur ein Winseln. Er nahm meinen Kopf und schlug ihn auf den Asphalt. Einmal, zweimal, dreimal.
"Leben lassen, eh? LEBEN LASSEN?! IHR ARSCHLÖCHER!"
"Wir können eure Toten... nicht wiederbeleben... Aber das Töten muss aufhören..."
"AUFHÖREN?" Und dann, in mein Ohr gehechelt: "Vielleicht fängt es gerade erst an..."
Und genau so deutlich ist es mir in Erinnerung geblieben, dass die Augen dieses Mannes, der beinahe noch ein Kind war, Wasserfälle voller Tränen vergossen, die mein Gesicht fast so stark benetzten wie sein Geifer.
Da erklang ein eigenartiger Signalton, und die Soldaten nahmen Haltung an. Nachdem er mir einen letzten Tritt in den Magen verabreicht hatte, befahl der junge Kapitän seinen Leuten, mich und den anderen Überlebenden beiseite zu schaffen.
Ich bekam erneut die Frontseite des Rathauses zu sehen. Erdlinge in Uniformen und Anzügen waren erschienen. Unter ihnen auch die Vizepräsidentin der Erde, die mit ihrem roten Blazer und ihrer schmächtigen Gestalt etwas sehr Mädchenhaftes an sich hatte. Sie war so nah, dass ich die winzigen Perlohringe erkennen konnte, die ihr Kennzeichen waren. Vizepräsidentin übrigens vor allem deswegen, da wir es uns bei unserem Angriff auf die Erde nicht hatten nehmen lassen, Washington zu sprengen. Sowie einen großen Teil des Kontinents, auf dem es errichtet worden war.
Wie fern das jetzt schien! Und wie groß die Euphorie damals gewesen war. Tod der Erde! Vernichtet China, vernichtet Algerien, nieder mit Wuppertal! Macht die Sahara zur Norm! Auch ich war in diese Freudenrufe mit eingefallen. Damals erschien alles erstaunlich plausibel.
Eine Frau, die ich als unsere Kanzlerin erkannte, eilte quer über den Platz, ein schweres Buch in der Hand. Ich erhaschte einen Blick auf den Titel. Es war die "Bibel", eines ihrer heiligen Bücher, auf welche die Erdlinge so stolz waren und sich dauernd beriefen. Das Buch war in Leder eingebunden, der Titel war in Blattgold. Interessant war auch der Untertitel, den man hinzugefügt hatte: "Fünftes Gebot: Du sollst nicht töten". Es war eine unverholene Bitte.
Die Vizepräsident nahm das bizarre Willkommensgeschenk lächelnd entgegen. Überhaupt wirkte sie eher wie eine neugierige Touristin als wie die Repräsentantin einer Siegermacht.
"Wir haben zahllose weitere Exemplare in Auftrag gegeben, Hochwürden, und werden sie auf dem ganzen Planeten verbreiten."
"Wie zuvorkommend von ihnen. Und was für eine interessante Idee. Wie schön wäre es gewesen, wenn sie ihnen früher gekommen wäre..."
Bis heute kann ich die Ungeheuerlichkeit dieser Szene nicht vergessen. Dieser Kitsch sollte die Erdbewohner dazu bewegen, uns gnädig zu sein? Was wohl beweist, dass zu diesem Zeitpunkt nur die Dümmsten unter uns noch zu hoffen wagten.
Das alles ist jetzt über sechzig Jahre her, was einige für eine lange Zeit halten.
Bei der Planung der Gegeninvasion hatten sich die Führer der Erdlinge darauf geeinigt, ein Drittel von uns zu vernichten und all denjenigen unter den Überlebenden, welche vor Kriegsbeginn wahlberechtigt gewesen waren, die Hände abzuhacken. Außerdem sollten alle unsere alten und neuen Kolonien "gereinigt" werden. Das galt als das Maximum, was möglich war, um das Bild eines gerechten Vergeltungsschlages zu wahren, und das Minimum, das nötig war, um die Bevölkerung der Erden-Föderation zufrieden zu stellen. Ob sie sich tatsächlich an diese Vorgaben hielten, ist schwer festzustellen. Es spricht einiges dafür, dass sie häufig nach Gutdünken vorgingen, was mal vorteilhafter, mal katastrophaler für uns ausfiel.
Die Erde, ihre Kolonien und Verbündeten hatten durch den Krieg 35 Milliarden Tote erlitten, davon etwa zehn Milliarden auf der Erde selbst.
Kurze Zeit nach der Landung teilten die Erdlinge uns mit, dass sie sich entschlossen hatten, die Hauptstadt komplett vom Antlitz des Planeten zu tilgen, da ihr Bestehen zu viele unangenehme Erinnerungen am Leben halten würde. Großzügig wie sie waren erlaubten sie uns die Evakuation, allerdings ließen sie uns dazu nicht sehr viel Zeit, das sie uns nicht mit Samthandschuhen anfassen wollten, wie sie sagten.
Der letzte Überlebende meiner Gruppe wurde während der Evakuierung getötet, als unsere Passierscheine kontrolliert wurden.
Ich erinnere mich noch genau, wie der Soldat -"Scheint alles seine Ordnung zu haben"- sagte, bevor er mit der Kettensäge ausholte und den Kerl von der Stirn bis zum Hosenboden sauber in zwei Hälften zerlegte. Danach ging die Kontrolle weiter, als wäre nichts gewesen. Wir versuchten, die Überreste unseres Kameraden zu ignorieren, während unsere Papiere kontrolliert wurden und wir in den Bus stiegen, der uns weit, weit fort bringen sollte.
Heutzutage wird bei uns gerne gesagt, dass die Art, mit der wir in der interstellaren Diplomatie geschmäht und in den Medien verteufelt werden, eine bodenlose Frechheit sei. Ich bin inzwischen weise genug, bei solchen Anlässen das Schweigen zu wahren.
Ich erinnere mich noch genau an den jungen Kapitän, der meinen Kopf auf den Asphalt geschlagen hatte. Ich erinnere mich an das Gefühl der Ohnmacht, als mir dämmerte, wie hohl Beteuerungen wie "die Vergangenheit begraben, um eine neue Zukunft aufzubauen" und "Indem ihr uns massakriert, seid ihr nicht besser als wir" in den Ohren von jemanden klingen müssen, dessen Welt bei einem hinterhältigen Überfall in Flammen aufgegangen war. Es gibt Dinge, die kann man nicht verzeihen, und noch weniger darf man darauf hoffen, dass sie einem verziehen werden. Ich erinnere mich noch an dieses eigenartige Gefühl, dieses Winseln um Gnade, auf dass man nicht das bekomme, was man verdient. Auf das man nicht den Zorn der Opfer zu spüren bekommt, den der ist das Schlimmste, was es gibt.
Und was lernen wir letzten Endes aus all dem? Gar nichts. Außer, dass auf Schmerz nur noch weiterer Schmerz folgt, und dass wir dankbar sein müssen für jeden Schmerz, der in Vergessenheit gerät. Lasset uns beten, dass wir stets nur die verweichlichte, kurzatmige Gerechtigkeit zu spüren kriegen, und nicht ihre blutrünstige Schwester, deren Antlitz ich in jenem fernen Sommer zum ersten Mal aufflackern sah.