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Tag 1044
Das ist die überarbeitete und erweiterte Version meiner ersten Geschichte.
Tag 1044
Nach meiner Gefangennahme
Unglaubliche schwere lag auf meinen Liedern als das schrille Heulen der Sirene unten auf dem Hof mich weckte. So wie sie schon über tausendmal zuvor schon Alarm schlug, sobald das erste Licht des Tages, am Rande des Horizontes sichtbar wurde.
Licht sah ich schon lange nicht mehr an meinen Horizont. Am Anfang hatte ich sogar Hoffnung. Ich hatte daran geglaubt dass all diese Schrecken irgendwann enden würden und ich wieder nach Hause zurückkehren könnte. Doch mein Zuhause gab es nicht mehr. Mein Zuhause wurde zerstört. Fast alle großen Städte wurden im Laufe des Krieges zerbombt.
Als ich versuchte die Müdigkeit niederzukämpfen und meine Augen zu öffnen zitterte ich. Die wärmende Wolldecke hatte ich bereits zurückgeschlagen. Eiseskälte drang durch das marode Mauerwerk unentwegt in die Baracke. Da machte es keinen Unterschied ob man in der oberen oder unteren Etage war. Kälter war es nur noch in meinen Inneren, das Tag für Tag mehr erfror. Als sich schließlich meine Augen öffneten und ich mich langsam hochkämpfte, sah ich das Grauen meines alltäglichen Lebens. Meines Alltages, an dessen Anfang ich mich nicht mehr recht entsinnen konnte.
Meine Schlafstätte lag im oberen Geschoss einer, zwei Ebenen umfassenden, Baracke. Der heruntergekommene Schlafraum in dem ich mich befand war alt, feucht, kalt und an vielen Stellen marode und baufällig. Da sich das Gebäude faktisch noch im Rohbau befindet, berührten meine nackten Füße den kalten Betonboden als ich mich, auf meiner Pritsche, auf setzte. Doch meine von Schufterei und Quälerei geschunden Füße spürten die Kälte nicht, so wie ich fast nichts mehr fühlte. Meine Füße waren so stark verhornt und mit blutenden Rissen überzogen, dass das Einzige was sie fühlen Schmerz ist. Schmerz in der Seele und in meinen geplagten Körper, war fast das letzte Gefühl was mir zu dieser Zeit meines Lebens geblieben war. Die Pritsche auf der ich nun saß, war verrostet und schmutzig. Von diesen eigentlichen Notliegen, die ihrer ursprünglichen Funktion längst beraubt waren und nun als Dauerlösung existieren standen rund vierzig in diesem fensterlosen Raum.
Es fiel mir diesen Tag wirklich schwer wach zu werden. Das es schwerer als sonst sein könnte aufzustehen hätte ich nicht für möglich gehalten. War doch Müdigkeit und ein stetes Gefühl der Erschöpfung meine andauernden Begleiter dieser Zeit. So zogen sich einige der Mitgefangenen schon ihre Sachen an, da suchte ich noch im Sitzen nach meinen Socken. Löchrigen, hundertmal geflickten Socken aus Wolle, die von den Lageromas gestrickt wurden. Frauen ohne Rechte, mit jedoch ein Fünkchen Würde in sich.
Doch es gab viele Menschen hier die noch weit weniger Gefühlsregungen hatten als ich. Sie waren nur noch wie Maschinen die ihrer monotonen Arbeit nachgingen. So wünschte sich das auch die Regierung. Wen man ins Arbeitslager nach Sibirien schickte sollte dort den Rest seines Lebens damit verbringen den Nachschub für die Front zusichern.
So zwang ich mich Aufstehen. Immer noch träge zog ich meinen Schlafanzug aus. Dieser hatte eine Wäsche und einige Näharbeiten dringend nötig, sowie meine ganze Kleidung. Meine wenigen Habseligkeiten befanden sich in einer Truhe an der Stirnseite meines Bettes. Es waren nur Dinge die zum Überleben unabdingbar sind. Bis auf eine Kleinigkeit, von deren Existenz nie Jemand erfahren durfte. Denn sie würden es mir wegnehmen und somit den letzten Funken Lebenswillen erlöschen.
Ich war grade dabei mir ein Unterhemd, eher ein löchriges schmutziges Stück weißer Baumwolle, anzuziehen als das eintrat was ich vor Müdigkeit vergas. Das Wecken. Alle Männer in dem Schlafraum waren bereits dabei sich ihre Hosen oder Pullys anzuziehen. Alle außer mir. Doch das änderte nichts an der Täglich immer wiederkehrenden Tatsache. Das Tor zudem Raum in den wir schliffen wurde von zwei Wärtern aufgesperrt. Erst in diesen Moment wurde mir klar dass ich zu langsam war. Zu langsam war, mit dem Ausstehen, dem Anziehen und ich nun die Konsequenz zu erdulden hatte. Durch die geöffnete Tür trat ein Mann zwischen vierzig und fünfzig, mit braunen Augen, kahlen Schädel und Schnurbart, der viel zu Wohlgenährt war, als das man ihn als Insasse eines Lagers halten konnte. Aber er war es. Er war der Barackenälteste und lebte auf der unteren Ebene. Sowie all diese Arschkriecher. Verlaub für die Ausdrucksweise. Doch diese sogenannten kooperierenden Häftlinge waren das Letzte. So stand nun Oleg, wie er unter den Häftlingen genannt wurde, er hätte ja sonst was für einen Namen gehabt können, der auf seiner Geburtsurkunde stand, in dem Raum und schaute sich um. Sein Blick war suchend und fordernd zugleich und musterte die Menschen im Raum. Viele hier glaubten zwar selbst nicht mehr, dass sie mehr als eine Sache sind, die man benutzt und dann ersetzt. Ich glaubte das fast auch. Hätte es nicht meinen Rettungsanker gegeben.
Sein Blick glitt über die Männer die sich nun fertig eingekleidet hatten und blieb auf mir ruhen. In seinen Augen stand ein Ausdruck von Freude. Sadistische Vorfreude auf die Handlung die er nun ausführen durfte und ihn schon hunderte Mal erfreut hat. Er kam auf mich zu und eigentlich hätte ich Angst füllen sollen. Doch ich füllte nichts und wartete bis sich mein Blickfeld schwarz färbte und ich das Bewusstsein verlor.
Als ich wieder zu mir kam war es mir fast unmöglich meine Augen zu öffnen. Mein Kopf schmerzte und ich fühlte mich noch elender als sonst. Nach mehreren gescheiterten Versuchen akzeptierte ich die Tatsache dass ich meine Augen nicht öffnen konnte. Also sammelte ich meine Kräfte und konzentrierte mich auf meine Umgebung. Auch wenn in meiner Seele die Empfindungen Tag für Tag mehr starben so waren mir doch noch meine fünf Sinne geblieben.
Ich lauschte angestrengt meiner Umgebung und stellte fest, dass ich die Gebräuche von Fahrzeugen wahrnahm. Im gleichen Moment stieg mir der Duft von Benzin in die Nase. Und erst da fiel mir auf das ich mich bewegte. Allem Anschein nach befand ich mich in einen Fahrzeug. Von weiter weg vernahm ich Stimmen. Deren Worte ich nur undeutlich verstand. Was war nur passiert nach den ich das Bewusstsein verlor?
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, in der ich große Qualen litt, bis das Fahrzeug anhielt. Einige Minuten zuvor hatten die Geräusche in meinem Umfeld zugenommen. Ich hörte vereinzelt sogar Hubschrauber. Nach dem das Fahrzeug stand hörte ich wie der Fahre das Fahrzeug verlies. In diesen Moment kam zum ersten Mal nach langen wieder ein starkes Gefühl in mir auf. Ich war Ratlos. Was würde mich wohl erwarten wenn ich aus diesem Fahrzeug rauskomme? Mir selbst hatte ich schon lange keine Fragen mehr gestellt. Mir war der Verlauf meiner Existenz fast schon komplett egal. Doch als ich die Augen öffnete um zu sehen was mich erwartet wollte ich nur eins, unter keinen Umständen sterben.
Ich sah dass ich mich auf der Ladefläche eines Armeetransporters befand. Wenige Augenbliche nach den ich meine Augen geöffnet hatte sah ich wie die Plane zurückgeschlagen wurde. Ich sah durch meine geschwollen Augen in das Gesicht eines Soldaten. Mein Herz machte Freudensprünge und mein ganzer Körper war wieder mit Lebensfreude gefüllt, als ich das Abzeichen auf der Brust des Mannes sah. Es war das Zeichen der Us-Army.
Spät an diesem Tag nach dem mich die Ärzte untersucht hatten und ich zum ersten Mal nach 1044 Tagen etwas Gutes gegessen habe dachte ich über Dinge nach. Wie sich herausstellte hat die USA eine Großoffensive gestartet. Bei ihren Vormarsch hatten sie das Arbeitslager in dem ich gefangen war befreit. Viele Menschen konnten gerettet werden und wurden zum Stützpunkt gebracht. In der Basis in der ich mich befand befanden sich noch über dreihundert weitere Leute die gerettet wurde.
Meinen Schatz hat man auch gerettet. Das Tagebuch fand man als man die persönliche Habe der Häftlinge durch sah. Ohne dieses hätte ich das Lager nicht überlebt. Es gab mir kraft und die Möglichkeit die Dinge zu verarbeiten.
Heute lässt es mich Bericht erstatten über die Grauen im Lager.