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Taaaalk, talk talk talk, taaaalk

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11.11.2004
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Taaaalk, talk talk talk, taaaalk

Er findet die heißen Scheinwerfer ebenso unerträglich wie die Runde der Mitdiskutanten in der er sitzt.

Deren Vorsitz nimmt die bekannte, vormalige Nachrichten-Moderatorin und vorvormaliges Girlie-Journal-Model, Christiane Sabsen, ein, nun sonntag-abendliche, öffentlich-rechtliche Talkrundenleiterin. Sie stellt gerade die Gäste vor.

Maike-Corinna Hübler-Scheel, eine korpulente, ebenso fürchterlich schwitzende, aber mit freundlichem Dackelblick dreinschauende Abgeordnete der Öko-Bio-Ethno-Partei.

Dr. Hubert Stiefelspitz, denVertreter der demokratisch-sozialistischen Fraktion im Bundestag, ein dürrer, blasshäutiger, mit widerspenstigem Haar geplagter, nervös und zugleich kampflustig von einem zum anderen blickender Mittvierziger.

Natürlich der unvermeidliche Liberale, ein jovial-unverschämt in die Kamera lächelnder Betriebswirtschafts-oder-Jura-Absolventen-Typ namens Klaus-Franz Übelacker, der sich in seinem Sessel bereits breit gemacht hat und seine endlos langen Beine in Richtung der Öko-Tussie ausstreckt.

Einer von den Christlich-Konservativen Mitte, German Speckle sein Name, in unverkennbar schwäbischer Mundart „Grüß Gottle“ nuschelnd, und sich anschließend mit leicht angewidertem Blick seine Mundwinkel mit einem blau-grün gemusterten Taschentuch abwischend. Vermutlich rufen die schwäbischen Zischlaute eine verstärkte Flüssigkeitsabsonderung in seinen Mundwinkeln hervor, welcher er im Verlaufe der Sendung immer wieder mit Hilfe jenes blau-grün gemusterten Taschentuches Einhalt zu gebieten versucht.

Und je einen Vertreter der Arbeitgeber und der Gewerkschaften, Dr. Reinhold Schultbecker-Kleinhasseröder und Robert Frommler, zwei sich äußerlich sehr ähnelnde, sonst aber außergewöhnlich unscheinbare Typen, die die Regie wohl aus dramaturgischen Gründen nebeneinander gesetzt hat, in der Hoffnung auf den einen oder anderen verbalen Schlagabtausch.

Dann ist da noch Herr Bürger, der, der so sehr unter den glühenden Scheinwerfern leidet. Der Bürger wird zuletzt vorgestellt, als Überraschungsgast. Ist ja doch etwas Ungewöhnliches in der aktuellen Medienlandschaft, einen Menschen in einer Talkshow sitzen zu sehen der einfach – nun, einfach er selbst ist. Daher lohnt es auch nicht ihn näher zu beschreiben. Es könnte jeder von uns sein. Mann oder Frau, Rentner oder Arbeitsloser, Jungnazi oder Hip-Hopper. Einer wie der andere. Volk eben, Prolo, Stimmvieh, oder – der Wähler, der ganz genau weiß, was er will und seine Stimme demjenigen gibt, der ihn versteht und auch weiß was er, der Wähler will, und so weiter, und so fort, blablabla. Politikergeschwätz eben.

Alle sehen ihn erwartungsvoll, aber doch etwas von oben herab an. Wart nur Bürgerchen, wir werden dir hier schon beibringen wer das Sagen hat.

Die Schlacht beginnt.

Das Leitthema ist schnell vergessen, es geht sofort um die übliche Selbstdarstellung und Selbstbeweihräucherung der verschiedenen, in ihren Elfenbeintürmen sitzenden und daher den totalen Überblick habenden so genannten Volksverdummer, ich meine Volksvertreter.

Man beginnt mit den üblichen Floskeln, die Moderation reißt kurz das Thema an, welches, wie gesagt, sofort vergessen ist. Man betet seine auswendig gelernten Zahlen herunter, breitet seine Argumente aus, die in tausend anderen Talkrunden, Interviews, Diskussionen mit und ohne Podium und sonstigen Wahrheitsfindungszirkeln schon mehrfach von sich gegeben wurden .Völlig aus dem Zusammenhang gerissenes Zeug, dem Thema nicht zuordenbar, Geschwätz einfach nur, unerträgliches Geschwätz.

Es geht um irgendein neues Gesetz, das heute hätte verabschiedet werden sollen und das natürlich schon im Bundestag und Bundesrat und deren zugeordnete inneren und äußeren Ausschüssen und dieser und jener Konferenz und Expertenrunde, und selbstverständlich auch im Kabinett und der Koalition und dieser Fraktion und jener Opposition und allen -ionen dieser Republik durchgekaut wurde und letztlich doch nicht verabschiedet worden war.

Christiane Sabsen versucht immer wieder, sich mit ihrem bekannt verzweifelten Lächeln Gehör in der Runde zu verschaffen. Vergebens. Jeder, außer Herrn Bürger, meint, seine schon so oft gehörte, gesehene, gesendete, gewendete Meinung kundtun zu müssen.

6,7 Millionen potentielle Wähler sitzen da draußen an den Geräten.

Der Bürger sitzt ruhig und schwitzend da, überlegt, wie er wohl in diese Runde gekommen ist, einzig aufgrund eines Leserbriefes, den ersten übrigens den er je geschrieben hat, und in dem er sich beklagt, dass in den Talkshows nie jemand seinesgleichen , also ein einfacher Bürger, ohne Amt und Mandat, eingeladen würde. Ein Mann oder es hätte seinetwegen auch eine Frau sein können, jedenfalls einwirklicher, kleine Bürger aus dem Volk, ein wahrer Volksvertreter somit.

Und während er noch so grübelt und nachdenkt, auch überlegt was er wohl sagen wird, wenn er denn überhaupt etwas gefragt werden würde, und insgeheim hofft, man würde ihn übersehen und nichts fragen, oder seine Meinung zu einem Thema hören wollen, einem komplizierten Sachthema etwa, von dem er ohnehin nichts versteht, da wird es plötzlich still im Studio und alle Blicke richten sich auf ihn und alle Scheinwerfer und Kameras und die Blicke jedes Gastes und der Zuschauer auf den Bänken im Zuschauerraum und die von 6,7 Millionen Fernsehzusehern und potentiellen Wählern, die da draußen an den Geräten sitzen. Und er hat diese blöde Frage, die Christiane Sabsen an ihn gerichtet hat gar nicht richtig verstanden, weil er so in Gedanken versunken war.

Die Diskussion war bereits geraume Zeit gelaufen, sie hatte bisher ohne ihn stattgefunden. Er war nicht einbezogen worden, man hatte seine Meinung nicht abgefragt, des Öfteren hätte Herr Bürger etwas zu sagen gehabt, aber man hatte ihn nicht zu Wort kommen lassen, hatte ihn ignoriert, hatte ihm das Wort abgeschnitten, ihn abgekanzelt mit kurzen, griffigen Totschlagargumenten. Geschulte Redner, in dutzenden von Rhetorikseminaren gedrillt, gegen einen, der vor Aufregung fast in die Hosen machte und dabei denen da doch mal richtig die Meinung sagen wollte.

Doch irgendwie verknüpft er plötzlich den Gedanken, den er eben gehabt hat mit dem was ihn Frau Sabsen gefragt hat und dem was die bisherigen Redner von sich gegeben haben und beginnt sofort hysterisch drauflos zu brüllen und seine Meinung, unbeholfen und unartikuliert zunächst, zu verbalisieren.

Schließlich ergeht er sich in heftige Attacken gegen die verhasste Funktionärsclique.

„…ihr habt doch alle einen an der Mütze, Wählerbeschiss ist das, ja Wählerbeschiss. Was wisst ihr schon vom einfachen Bürger, von denen auf der Strasse, von den Arbeitern, Arbeitslosen, Rentnern, wer auch immer. Gar nichts….“

Der Sozi versucht, ihm Einhalt zu gebieten, doch der Bürger namens Bürger schreit einfach weiter.

„Unterbrechen sie mich nicht ! Jetzt bin ich mal dran, ich bin ja sozusagen einer aus dem Volk, ja, ich bin das Volk ! Ist doch irgendwie bekannt der Spruch, oder ? Wir sind das Volk, ich bin das Volk, ich bin das Volk !! Ich bin ein Volksvertreter. Ein achtzig-millionstel, aber mehr als ihr hier alle zusammen.“

Nun ist er richtig in Fahrt, die Biotussi lächelt nun unverhohlen ob soviel Volksmutes und zeigt durchaus Sympathie während alle anderen inzwischen eine bedrohliche Position einnehmen, sich teilweise aus den Sitzen erheben. Münder öffnen sich, Worte versuchen sich einen Weg zu bahnen, doch noch dringt man nicht durch zu ihm.

Die Moderatorin hebt eine Hand, mit einem Kugelschreiber, der überflüssig ist, weil sie nie einen Kugelschreiber in der Sendung benutzt, aber es sieht halt intelligent aus. Der Kugelschreiber wackelt zwischen ihren zur Ermahnung erhobenen Fingern, aber sie kann sich, wie üblich, kaum Gehör verschaffen.

„Euch sollte man in ein Grube schmeißen und dann zuscheißen, alle wie ihr dasitzt.“, brüllt Bürger.

Gejaule und Geheule von der Oppositionsbank.

„Also höred se mal, des isch jetz unter unserem Niveau“, näselt der Schwabe.

Unbeirrt fährt Herr Bürger fort, nun da er freie Fahrt hat, freie Rede.

„Ist doch völlig egal ob Opposition oder Koalition oder sonst was, alles der gleiche Dreck. Ihr habt doch zwanzig Jahre lang die Karre so was von in den Dreck gefahren, dass es doch kein Wunder ist wenn die jetzigen Machthaber das nicht mehr auf die Reihe kriegen. Das die zu blöd zum Regieren sind, ist eine Sache, aber dass das der Mist aus zwanzig Jahren Hohl-Regierung ist, eine andere. Diese ganze Scheiß Wiedervereinigung und der Irakkrieg und das Wettrüsten und so weiter. Kostet doch alles unser Geld.„

Protest von der liberalen Fraktion, er bringe da wohl etwas durcheinander, doch ungehört verhallen Bübchens Übelackers Worte.

„Ihr verkauft die Leute für dumm, wenn ihr meint die merken das nicht. Und von wegen Vertrauen. Es gehen ja heute schon nur noch fünfzig Prozent zum Wählen. Das muss man sich vorstellen, fünfzig Prozent der Wahlberechtigten, die, die nicht wählen dürfen, Kinder , Greise, Knastbrüder und Irre gar nicht mitgezählt. Das heißt das sind weniger als die Hälfte vom eigentlichen gesamten Volk, die überhaupt wählen und von denen kriegt ihr vierzig Prozent der Stimmen, also die Regierung kriegt die. Das sind weniger als ein Viertel die euch wirklich wählen. Euch, die Regierung oder nächstes mal eben eine andere Regierung. Völlig Wurscht – rot, blau, grün, schwarz, gelb, braun – alles dieselbe Kacke.“

„Kollege, nun versuchen Sie mal ihre sicherlich begründeten Argumente auf eine anständige Weise.. „, versucht ihm der Gewerkschaftsvertreter, kollegial, wie es eben seine Art ist, beizustehen, allerdings mit müder, gelangweilter Stimme, denn in Wahrheit ist es ihm doch eher peinlich, dass der einer vom Volk ist, vielleicht noch Arbeitnehmer, vielleicht sogar Gewerkschafter? Doch der selbsternannte Volksvertreter lässt sich nun nicht mehr halten.

„Ich rede wie ich will, das ist die Stimme des Volkes. Genau, ordinär aber ehrlich. Lieber zehnmal Scheiße gesagt als einmal Scheiße gebaut.“

Und Herr Bürger steigert sich mehr und mehr in seine Verbalinjurien, verletzt den Roten und beschimpft den Liberalen, geifert über den Arbeitnehmervertreter und beleidigt den Gewerkschafter.

Längst hat er selbst den Faden verloren, nur noch Worte sprudeln aus ihm, Schaum tropft ihm von den Lippen, ebenso wie dem Konservativen, der ihn seinerseits verbal und schließlich auch körperlich zu attackieren versucht.

Die Situation entgleitet der Unterhaltungmeisterin vollends, das geneigte Publikum zeigt sich mehr und mehr begeistert, schlägt sich auf die Seite ihres Volksvertreters, begleitet seine Attacken mit zunehmenden Beifall, während es die Verteidigungsversuche der gewählten Parlamentarier mit Pfiffen und Buhrufen stört.

Herr Bürger, nun auf dem Höhepunkt seines Hasses angekommen, lässt nun endgültig die Sau raus, speit aus was viele denken, sich bisher keiner zu formulieren wagte:

„Irgendwo wird doch wohl noch so ein RAF-Überlebender rumlaufen oder einer von diesen Bin Laden-Typen. Die sollten sich mal euch vorknöpfen. Das wär' mal ein lohnendes Ziel. Gleich sechs auf einen Haufen, da spart man sogar noch Sprengstoff.“

Das Publikum, eben noch laut applaudierend und johlend vor Begeisterung ist augenblicklich still.

„Damit die Prioritäten mal wieder richtig gesetzt sind“, fügt Herr Bürger mit sich überschlagender Stimme hinzu.

Er will fortfahren, doch damit ist er nun einen verbalen Schritt zu weit gegangen.

Alles konnten sie ertragen,
ohne nur ein Wort zu sagen.
Aber wenn sie dieses hörten… (frei nach Wilhelm Busch)

Einzig die Alternative Hübler-Scheel reagiert mit einem mühsam unterdrückten Grinsen, schüttelt dann aber doch aus Solidarität mit der restlichen Politiker- und Funktionärsclique bedenkenschwer das Haupt.

Die Schlacht kommt nun zum Höhepunkt.

Der Liberale springt auf wie ein von einem Gummiband abgeschossenes U-Häkchen und brüllt :

„Das ist ja wohl unglaublich, sie fordern hier öffentlich zu Mord auf…..!!“

Der Konservative hat Mühe zwischen dem schäumenden Speichel, der aus seinem zitternden Mundwinkel tropft, die richtigen Worte zu pressen. Arbeitgebervertreter und Gewerkschafter stürzen in seltener Einigkeit auf Bürger zu und brüllen auch auf ihn ein. Der Sozi solidarisiert sich mit den Kollegen von der Volksvertretung und kommt Herrn Bürger nun ebenfalls gefährlich nahe.

So nahe war der Bürger der Politik nie.

Christiane Sabsen, wie immer heillos überfordert, wenn mehr als zwei Personen gleichzeitig agieren, verliert völlig das Konzept und versucht mit lauter werdender Stimme die Runde wieder zum Sitzen zu bewegen. Man weiß nicht, ob sie das macht, um dem Bürger zu Hilfe zu eilen oder weil sie sich aus dem Sendekonzept gebracht sieht, oder weil es einfach ihre Aufgabe als Moderatorin ist oder warum auch immer.

Jedenfalls platzt dem Bürger jetzt der Kragen und die Angst vor den Angriffen der Politiker auf ihn, den Bürger verleiht ihm die Kraft, plötzlich und völlig unerwartet für das Podium, aufzuspringen und dabei dem, inzwischen auf Nasenlänge an ihn herangekommenen, Liberalen mit seinem hochschnellenden Kopf das Nasenbein zu zertrümmern. Er hört das knackende, knirschende Geräusch des brechenden Knochens, spürt den Zusammenprall an seiner Schädeldecke, doch will nur noch nach vorne, nur noch weg, er spürt sofort etwas Warmes auf seiner Schädeldecke, weiß nicht, ist es sein Blut oder das Übelacker’sche, der inzwischen von diesem unvermittelten Schmerz getroffen, gleichzeitig nach oben und hinten springt, dabei den schwäbisch-konservativen Parlamentarier mit seinen hochgerissenen Armen in den Leib stößt und diesen wiederum zum rückwärtigen Umfallen veranlasst, jener schwergewichtige Mann fällt in die Platte des Glastisches, welche unter lautem Krachen in tausend Scherben zerbirst, ebenso wie die Getränkegläser, welche auf dem Tischchen stehen, und die Scherben des Tisches und der Wassergläser schwirren wie kleine Geschosse auf die umstehenden Personen zu und dringen in die Haut des einen oder anderen, so unter anderem in die Brust der Moderatorin, welche nun fürchterlich kreischt, weil gleichzeitig Blut, wohl aus der Nase des Liberalen oder aus dem Handgelenk des Konservativen auf ihr hell-beiges Leinenkleid spritzt, aber man weiß nicht, ob sie deswegen schreit oder weil sie selbst von einem Glassplitter getroffen ist; Der Bürger wendet sich nun vehement nach rechts in Richtung des Studioausgangs zu, dabei muss er den Arbeitgebervertreter passieren, der sich inzwischen auf der Flucht vor Scherben und Schergen wieder in seinem Sessel verborgen hat, und beim Übersteigen jenes Sessels tritt der Bürger dem Dr. Schultbecker-Kleinhasseröder in den Unterleib und hört in dem Lärm aus Applaus und Pfeifen und Schreien und Johlen, teils aus dem Publikum, teils aus dem Auditorium, und dem Klicken und Surren der Kameras, ein Geräusch wie das Platzen einer Melone – oder wie es eben klingt wenn ein Hoden zertreten wird, auch wenn dies aus Versehen geschieht, und er sieht nur aus den Augenwinkeln, wie dieser sich zunächst schmerzverzerrt in seinem Sitz zusammenkrümmt und vor Pein nicht mehr plärren kann, aber dann plötzlich die Arme hochreißt, diese dem Gewerkschafter mitten auf die Kehle schlägt und jener davon wohl tödlich getroffen nach hinten über den hinter ihm stehenden Sitz fällt und sein Gewerkschafterleben live im öffentlich-rechtlichen Deutschen Fernsehen aushaucht, noch bevor sein Kopf den Laminatfußboden des Studio 1 der Berliner United Film krachend berührt, und der Bürger, dem ultimativen Chaos entfliehend, läuft nun geradewegs auf den Studioausgang zu, dort wo die zwei Sicherheitsleute stehen, von denen einer gerade, während er in sein vor seinem Mund und um seinen glattgescherten Kopf hängendes Mikro irgendwelche Anweisungen brüllt, versucht einen Revolver aus einer versteckten Revolver-Tasche seiner Jacke zu ziehen, dabei vom Bürger gerempelt wird, und sich versehentlich eine Kugel aus seinem dummerweise und unvorschriftsmäßig bereits entsicherten Revolver in die Milz jagt, an deren Verletzung er später versterben wird und somit der zweite Tote innerhalb von zwanzig Sekunden in einer Live–TV-Show werden wird, und der andere ihn mit einem Sympathiebekundungslächeln ansieht und, wie der flüchtende Herr Bürger zu bemerken glaubt, sogar einen kleinen Schritt zur Seite macht, nicht um vor ihm in Deckung zu gehen, sondern um ihm, dem ebenfalls Gequälten aus dem Volke, den Weg nach draußen freizumachen und dieser rennt durch diese Studiotür vorbei an irgendwelchen anderen Fernsehleuten, die das Chaos noch gar nicht einordnen können und ihn daher passieren lassen, ins Freie, raus aus der Scheinwerferhitze und dem Gestank von Schweiß und Blut und Erbrochenem und Abgeordnetenspeichel und dem Lärm und Johlen und Kreischen, und plötzlich steht er allein auf dem Parkplatz des Studiogeländes und er schaudert, vor Kälte und weil er plötzlich den Regen bemerkt, der durch sein Hemd dringt, die Haut kühlt und auch seine Haare benässt und ihm übers Gesicht läuft und auf einmal ist es da ganz ruhig und er hört überhaupt nichts mehr von dem Lärm drinnen, weil die schwere, metallene Tür fällt nun zu und die dicken Betonmauern lassen keine Geräusche mehr durch von dem was da drin gerade geschieht und was Fernsehgeschichte schreiben wird und…

…er steht im Regen und spürt seinen Puls langsamer werden. Sein Atem wird flacher, der Gestank verflüchtigt sich, die Gedanken ordnen sich. Er genießt die kühlende Nässe auf seiner Haut und er wartet, ob er wohl bald aufwachen wird.

Herr Bürger geht langsam in die Dunkelheit zum Parkplatzausgang. Gleich morgen früh, sobald er aus diesem schrecklichen Traum aufgewacht ist, wird er das Bild-dir-gefälligts-eine-Meinung-Magazin kaufen. Da wird er dann lesen, ob das nur ein Traum war, ob er in Erfüllung gegangen ist oder ob es doch wieder nur ein Alptraum war.

 
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Puh, wo fang ich an?
Also erstmal der Titel: der erschlägt einen förmlich, drei mal "Talk" hätte völlig gereicht und Langgezogenes durch Gedrückthalten der entsprechenden Vokaltaste darzustellen ... sorry, aber das geht mE gar nicht.

Dein Text läßt sich sehr schwerfällig lesen. Hm, wie erklär ich das? Zum einen erzählst du nicht wirklich, sondern beschreibst nur, bis irgendwann einmal die eigentliche Handlung anfängt. Du benutzt äußerst viele Adjektive. Somit wertest du quasi schon vor. Das sollte aber dem Leser überlassen sein. Du solltest erzählen, was sie machen, nicht wie sie sind. Das merkt der Leser von allein. Zum anderen ist deine Satzstruktur sehr anstrengend. Krassestes Beispiel: ein Satz mißt bei dir 36 (!) Zeilen. Sorry, aber das ist einfach too much.
Hinzukommen die anfangs ständigen "Superabsätze". Das liest sich nicht flüssig.

Deine Charaktere wirken durch deine Erzählweise (s.o.) sehr platt und leblos, da man einfach nicht wirklich im Geschehen ist. Das wirkt sich sehr negativ auf deine Geschichte aus und auf das Lesegefühl. Am Ende zuckt man einfach mit den Schultern und denkt: "Und?" Verstehst du, was ich meine?

So, das sind erstmal meine Hauptkritikpunkte, was das Stilistische angeht. Man muß, es ja nicht gleich übertreiben ;)
Zur Satire: Also für eine Satire ist mir das nicht überspitzt genug. Es ist eigentlich ne normale Geschichte über jemanden, der das tut (oder auch nicht), was jeder von uns schon mal dachte und gerne getan hätte. Das macht eine Geschichte noch nicht zur Satire. Insgesamt fehlt dem Ganzen einfach der Biß, das Gesellschaftskritische in übertriebener Darstellung und sorry, aber die Pointe ist nun mehr als flach, oder?

Nix für ungut,
Pan

 

Das Leitthema ist schnell vergessen, es geht sofort um die übliche Selbstdarstellung und Selbstbeweihräucherung der verschiedenen, in ihren Elfenbeintürmen sitzenden und daher den totalen Überblick habenden so genannten Volksverdummer, ich meine Volksvertreter.

DAS hab ich oft erlebt.


Der lange Satz geht m. E., weil er eine Reihung darstellt. Dennoch gibt es einige Längen, vor allem die Beschreibungen im ertsen Teil, da könnte man schneller "zur Sache kommen".

Ansonsten fand ich s nicht ganz so schlecht wie meine Vor-Kritikerin ;-)

 

kurzer Nachtrag:

Das Zitat ist ein sehr gutes Beispiel für das Vorherwerten. Genau das ist es, was man beim Lesen denken, aber nicht vorgekaut bekommen sollte. Man hätte es so beschreiben müssen, daß der Leser auf diese Aussage kommt.

 

Hallo

und vielen Dank für eure Kritik.

Was den Titel betrifft, so hatte ich bis kurz vor Beendigung der Geschichte keinen. Der Arbeitstitel "Talkshow" war mir zu banal. Doch beim Durchlesen der Geschichte stellte ich mir das Gegacker von Hühnern vor und versuchte dies lautsprachlich durch das mehrfache talk, talk, talk auszudrücken, ist wohl nicht so gelungen :-(

Bezüglich der langen Sätze und Ausschweifungen, ja, das ist meine Schwäche. Ich werde daran arbeiten.

Nur der eine lange Satz (36 Zeilen - wow - ich hatte gar nicht nachgezählt), damit wollte ich diese Szene, die ja gewissermaßen mehrere Handlungen in fast paralleler Abfolge darstellen soll, überzeichnet und zeitnah darstellen. An der Szene und der Beschreibung habe ich auch lange geknabbert, mir fiel keine bessere Methode ein. Auch mit den Kommata bin ich mir überhaupt nicht sicher, dass die alle an der richtigen Stelle stehen. Kommata sind eine weitere Schwäche von mir ;-)

Pandora, was ich nicht verstehe, was meinst du mit "Superabsätzen" ?

Was ich auch nicht ganz nachvollziehen kann ist deine Aussage, dies wäre gar keine richtige Satire. Zu wenig bissig und zu wenig gesellschaftskritisch. Ich dachte eigentlich, ich hätte zu sehr übertrieben, vor allem im Gebrauch von Schimpfwörtern, etc.? Heisst das ich sollte noch härter rangehen?

Auch was die Verwendung der Adjektive betrifft bin ich etwas anderer Meinung als du, lasse mich aber gerne überzeugen. Ich denke, gerade die Charaktere einer Geschichte kann und sollte man mit Hilfe von Adjektiven genau beschreiben. Ich will ja als Autor auch meine Sicht der Personen und auch der Handlung darstellen. Natürlich soll der Leser sich seine eigenen Vorstellungen machen können. Aber wie kann ich meine Vorstellung "rüberbringen", außer durch Verwendung von Adjektiven?

Ich habe aber trotzdem wieder etwas dazugelernt.

Danke nochmal und Ciao

Resi26

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi,
ok, dann versuch ich mal, mich zu erklären.
1. Superabsatz: normaler Absatz plus weiterer Zeilenumbruch. Das war anfangs bei dir sehr oft, auch nach nur einem Satz oder zwei. Damit reißt du deinen Text in Stücke, wo's eigentl. flüssig weitergeht.

2.Titel: Sorry, aber beim Titel hab ich nicht an Hühner gedacht, sondern nur: Wenn der Text jetzt nicht in Satire stehen würde, würd ich ihn nicht lesen.

3.36-Zeilen-Satz: Das hab ich mir schon so gedacht, aber das erschlägt einen. Ich konnte es nicht lesen. Ich hab mittendrin aufgehört und ab der 34. Zeile weitergelesen. War eh klar, was da abgeht. Kommas sind einige falsch, aber das hab ich außer acht gelassen, weil das die geringste Schwäche im Text ist. Fakt ist, daß du zu viel hintereinander aufgezählt hast, man einfach den Überblick verliert und keine Atempause hat. Ganz normale Sätze wären für das, was du rüberbringen willst, völlig ausreichend und vor allem lesbar.

4.Satire ist es für mich keine, weil die ganze Thematik nicht satirisch ist. Du stellst das dar, was jeder schonmal machen wollte: in einer Talkrunde Amoklaufen. Satire wäre es, wenn die Rollen vertauscht wären. Nur so als Beispiel. Oder die Talkgäste alle nur da sitzen und rumsabbern. Mir fällt jetzt grad nix besseres ein. Aber du charakterisierst deine Akteure an Hand von Adjektiven, wie sie jeder als Zuschauer schon mal empfunden, also nix Übertriebenes. Schimpfwörter machen doch keine Satire. Die Charaktere müssen überspitzt dargestellt werden und ihre Handlungen. Zum Beispiel wenn einer von denen plötzlich nur noch rückwärts spricht. Es ist eindeutig zu spät, um das, was ich meine, in vernünftige Worte zu packen, aber ich hoffe, du verstehst, was ich sagen will.

5. Adjektive: ok, ich versuchs mal mit einem weiteren Beispiel: Stell dir vor, du schaust einen Film, hörst nur Dialoge (viell. auch die Athmo), aber hast kein Bild. Das wär langweilig oder? Und so ist es bei dir, du sagst: "Ich hab da ne Talkshow gesehn. Die Leute warn langweilig, die Moderatorin war ne Pseudointellektuelle und der brave Bürger ist am Ende durchgedreht und hat alle abgeschlachtet... " Du malst keine Bilder. Rabenschwarz hat mal gesagt: "Nur weil du schreibst, daß Blut da ist, ist noch lange keins da." Der Leser muß was sehen, verstehste? Und du mußt ihn selbst sehen lassen, wie jemand ist an Hand seiner Handlungen und Aussagen. So beschreibt eine Geschichte ihre Charaktere. Du kannst schreiben, daß jemand groß ist, blaue Augen hat und gerne liest, aber du kannst keine Charaktermerkmale auflisten, da du so dem Leser die ganze Arbeit abnimmst und deine Geschichte langweilig und leblos machst.

So, ich geh jetzt ins Bett. Ich hoffe, mich verständlich gemacht und dir weitergeholfen zu haben.

lg, Pan

 

mahlzeit!

möchte mich pandora anschließen - das stichwort lautet "show, don't tell!" der text krankt ganz eindeutig an zuviel "tell" und einem krassen mangel an "show". das liest sich eher wie die nacherzählung der eigentlichen geschichte bzw. wie notizen, aus denen man dann mal eine story machen kann. du bringst mich nicht rein ins geschehen, du schilderst einfach nur, wie die geschichte aussehen könnte, wenn du sie geschrieben hättest. dann könnte der anfang vielleicht so aussehen:

"Diese Schweinwerfer sind aber ganz schön grell. Was mach ich eigentlich hier? Alles ist so seltsam. Dabei war es doch nur ein Leserbrief. Mein erster überhaupt. War vielleicht doch keine so gute Idee. Die lassen mich ja doch wieder nicht zu Wort kommen. Und der Typ da ... ist der von den Liberalen oder was? Der hat in der Garderobe die ganze Zeit Schweinkram in sein Handy gequatscht und sich am Sack gekratzt, und jetzt macht der hier auf seriöser Wirtschaftsexperte... was sind das bloß für Leute?" usw.

nur so als winzige anregung. es geht darum, eine atmosphäre zu erzeugen, eine situation und die beteiligten charaktere lebendig zu machen, sie nicht nur wie auf einem RPG-charakterbogen zu beschreiben, sondern agieren und sprechen zu lassen und auf diese weise ihren charakter zu enthüllen. eben "show" statt "tell". vgl. pandoras kommentar.

soviel zur technik. auch inhaltlich muss ich in die gleiche kritik-kerbe hauen: satire ist das nicht. dazu fehlt etwas ganz entscheidendes, nämlich das zusammenspiel von form und inhalt. da die form ja wie gesagt nicht funktioniert, bleibt der inhalt auf der strecke. denn was der prot von sich gibt, ist keine satire. es ist das, was man im grunde an jedem stammtisch immer wieder hört etc. wenn du die talkshow-kultur satirisch kritisieren wolltest, dann müsste dieser text leider grundlegend anders aussehen, bereits in der konzeption.

hoffe, das hilft weiter. ;)

gruß,
horni

 

Hallo Pandora und Horni,

das war jetzt schon sehr deutlich. Aber es hilft mir auf jeden Fall sehr viel weiter. Ich denke, ich weiss jetzt um was es geht. Ich werde die Geschichte jetzt nicht gleich umschreiben, aber vielleicht starte ich irgendwann mal einen neuen Versuch mit einem anderen Thema.

Vielen Dank nochmal

Resi26

 

Also ich fand es eigentlich nicht schlecht. Zumindest hab ich das mit dem Hühnergegacker gerafft :-) Es war auf jedenfall zum schmunzeln. Der Anfang zieht sich allerdings schon sehr.

 

Hiho,
Ich habe die Geschichte durchaus mit einm Grinsen gelesen und fand sie bis zum meiner Meinung nach völlig chaotischen und stark überzogenem Schluss eigentlich ganz lesenswert. Die Sache mit den Adjektiven und den langen Sätzen lasse ich mal aussen vor, da ich nicht so viel von der Materie verstehe. Ich fands schade, dass dein bis zu den Handgreiflichkeiten , eigntlich logisch aufgebauter Text völlig aus dem Rahmen fällt. Auf einmal wird jeder verletzt und die Todesfälle wirken nicht lustig sondern erzwungen um die ganze Szenerie ad absurdum zu führen. Die PAssage würde ich nochmal überarbeiten und vielleicht ein bisschen weniger rastisch aber mehr mit einem Augenzwinkern an die Sache ran gehen.
Meine Kritik ist natürlich nicht das Wort zum Sonntag, bin trotzdemg espannt, wie du das selbst siehst ;)

 

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