Was ist neu

T5R6A6U5Ma

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23.02.2013
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T5R6A6U5Ma

Es ist ein langer, in künstliches Licht getauchter Korridor, flankiert von schweren Holztüren. Auf jeder Tür prangen goldene Zahlen. 113. 114. 115. Sie fliegen seitlich an ihm vorbei ins Vergessen. Schnurstracks geht er auf die Tür am Ende des Korridors zu. Diese Zahl passt nicht zu den aufsteigenden Ziffern. Auf ihr schimmert die goldene Zahl 5665. Seine Hand ergreift den Türhenkel und drückt ihn nach unten. Die Tür schwingt auf, als herrsche ein gewaltiger Sog in diesem Raum. Zum ersten Mal registriert er die blaue Vase mit den gelben Blumen darin. Sie steht auf einem kleinen Tisch vor dem Röhrenbildfernseher, der den Raum in flackerndes Licht taucht. Es läuft eine Dokumentation über Schlachten im Mittelalter. Auf dem Bett liegt eine Frau in roter Spitzenunterwäsche. Sie hat eine rote, lockige Mähne. An der Innenseite ihrer Schenkel sowie auf ihren Bauch klaffen Wunden, aus denen Blut sickert. Die blutdurchtränkte, aufgeworfene Bettwäsche wirkt wie eine Rose. Das Geräusch von rauschendem Wasser dringt aus dem Bad. Er wendet den Blick von der toten Frau ab und geht zur offenen Tür, aus der schwaches Licht dringt. Ein Mann im Anzug steht vor dem Waschbecken, reibt sich die Hände unter dem Strahl. Dann fängt der Mann an zu lachen. Hinter sich registriert er eine Bewegung, schnellt herum. Die Frau, die so tot schien wie eine Schweinehälfte, zuckt epileptisch unter den Wogen des schallenden Gelächters. Ein Schrei dringt aus seiner Kehle, bringt die Scheiben zum Platzen. Eine Wand aus tintenschwarzem Wasser fällt in den Raum, füllt ihn binnen Sekunden und erstickt den Schrei samt Gelächter.

Ihm war heiß. Der Mund war so trocken, als hätte er als Betthupferl einen Eimer Sand gegessen. Erst griff er nach der Wasserflasche neben dem Bett und trank gierig, dann zog er die Schublade des Nachttischschrankes auf und holte das kleine Notizbuch und den Kugelschreiber heraus. Er schlug es auf der Seite mit dem Eselsohr auf und schrieb:
24.07.2013: Blaue Vase mit gelben Blumen steht auf dem kleinen Tisch zwischen Couch und Fernseher.
Direkt unter dem Eintrag vom 19.07.2013, in dem stand, dass auch die linke Wange seiner Mutter aufgeschlitzt war.
Drei traumfreie Nächte hatte er gehabt. Das war gut. Es hatte Zeiten gegeben, in denen ihn dieser Traum jede Nacht heimgesucht hatte.
Er kannte seine Mutter kaum. Sie war vor sechzehn Jahren, als er noch in Windeln lag, spurlos verschwunden. Seitdem hatte er sie nur noch in dem Traum oder auf Fotos gesehen. Die Erinnerung an die echte Mutter, die ihm Gute-Nacht-Lieder vorsang und im Kinderwagen herumschob, verblasste über die Jahre und machte Platz für die aufgeschlitzte Version auf dem Bett.
Angestrengt dachte er nach, erinnerte sich aber an keine weiteren Details. Also schlug er das Buch wieder zu. Ein Blick auf den Digitalwecker verriet ihm, dass es nach zehn war. Er stand auf und blickte auf das Bett. Ein roter Fleck in der Größe eines Golfballes zeichnete sich auf dem Kissen ab. Panisch hastete er ins Bad. Dem Konterfei im Spiegel standen Schweißperlen auf der Stirn, aber da war kein Blut. Kein getrocknetes Blut unter seiner Nase. Kein aufgeplatzter Pickel. Woher kam dieser Fleck? Er drehte den Wasserhahn auf und klatschte sich einen Schwall kaltes Wasser ins Gesicht. Das tat gut, denn es ließ die Nacht weniger real erscheinen. Was jedoch real war, war dieser Fleck, der immer noch da war, als er das Bad verließ.

„Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?“, fragte Werner.
„Na ja, es war ziemlich warm auf dem Zimmer.“
Werner saß in einem der roten Ledersessel im Foyer und blickte ihn über den Rand eines Buches mit dem Titel „Der Golem“ an. Vor ihm auf dem kleinen Holztisch stiegen leichte Dampfschwaden von seiner Kaffeetasse empor.
„Man sieht es dir an. Die Haare stehen ja in alle Richtungen. Du hättest die Klimaanlage anschalten können.“
„Du weißt, dass ich dieses Geräusch hasse. Dieses Surren. Davon werden die Träume schlimmer.“
Das Grinsen auf Werners Gesicht war ein wilder Cocktail aus Spott, Mitleid und Überlegenheit. Mit den weißen Slippern, dem weißen Hemd und den grauen, schulterlangen Haaren wirkte er wie ein strahlender Dämon. „Es sind nicht die Träume sondern der Traum, nicht wahr? Und er wird auch nicht schlimmer, sondern tritt nur öfter in Erscheinung.“
In einer ausladenden Geste deutete er auf den Sessel ihm gegenüber. „Setz dich.“ Dann wandte er sich zu Beate. Die Angestellte saß hinter dem Rezeptionspult und tippte etwas in den Computer ein. „Beate, wärst du so nett und brächtest für Ercan noch eine Kanne Kaffee.“
„Natürlich.“ Sie sprang hastig auf – so hastig, wie es ihre alten Knochen und ihr massiger Körper zuließen - und durchquerte das Foyer Richtung Küche.
Ercan ruckte den Sessel nach hinten und ließ sich in das Polster fallen. „Nein, der Traum wird schlimmer, umso mehr Details ich festhalten kann.“ Ihm wurde bewusst, dass er im Flüsterton sprach.
„Aber das ist doch toll!“, rief Werner aus. „Genau das ist es, was wir doch erreichen wollen. Was hast du diese Nacht neues entdeckt?“
Werner war für ihn da gewesen, als seine Mutter verschwand, hatte ihn großgezogen. Im schwangeren Zustand war seine Mutter aus der türkischen Provinz nach Berlin geflohen. Sie hatte lange Zeit vergebens probiert, schwanger zu werden. Als sie es dann doch wurde, war ihr Mann besessen von der Idee, sie habe ihn betrogen und hatte angefangen, sie zu malträtieren. Auf der Flucht hatte sie sich das Geld für Essen und Verkehrsmittel auf der Straße erbettelt. Diese Geschichte hatte ihm Werner oft erzählt. Sie war nach Berlin gekommen. Ohne Bleibe. Ohne Geld. Eines Tages kam sie in das Foyer gestapft. Die Mitarbeiterin an der Rezeption wollte sie schon freundlich zum Gehen auffordern, als Werner den großen Raum betrat und sie sah. Er hörte sich ihre Geschichte an. Danach bat er sie, in seinem Hotel zu wohnen, bis das Baby zur Welt käme. Danach könne sie für ihn arbeiten. Das tat sie solange, bis sie nach drei Jahren verschwand.
Ab diesem Zeitpunkt war Werner für ihn wie ein Vater gewesen. So hatte er ihm eines Tages auch von dem Traum erzählt. Zuerst hatte er Angst gehabt, Werner würde ihn auslachen, wie er es manchmal tat, wenn ihm bei der Arbeit ein Missgeschick passierte. Doch er hatte sich intensiv damit beschäftigt und versucht, ihm zu helfen.
„Luzides Träumen, das ist der Schlüssel“, hatte er gesagt.
Als der kleine Junge, der er damals noch gewesen war, hatte er ihn aus dunkelbraunen, ja, fast schwarzen Augen fragend angestarrt.
„Das ist die Kunst, Träume in bewusste Bahnen zu lenken, den Traum zu kontrollieren. Ich habe mir diese Technik vor vielen Jahren angeeignet. Ich bin Architekt meiner Traumlandschaft. Wenn du möchtest, kann ich dir zeigen, wie es funktioniert.“
Ercan willigte sofort ein. Architekt der eigenen Traumlandschaft sein. Das hörte sich so fantastisch spannend an. Es war nicht mal so kompliziert, wie er dachte. Alles, was er tun musste, war ein Traumtagebuch, wie Werner es nannte, zu führen und dieses jedes Mal um ein paar neue Eindrücke, die man im Traum erhalten hatte, zu erweitern. Wichtig war, dass man alles sofort nach dem Aufwachen niederschrieb, solange man sich noch in dem nebligen Zustand zwischen Traum und Realität befand und die Erinnerungen noch nicht verblasst waren. Wenn man dieses Buch regelmäßig führe und es ab und zu durchläse, sagte Werner, könne man das luzide Träumen erlernen.
Bisher hatte er den Verlauf des Traumes jedoch nicht ändern können. In Gedanken versunken, studierte er die Linien seiner Handflächen.
„Was hast du gesehen?“, wiederholte Werner.
„Nichts Außergewöhnliches.“ Er schaute von seinen Händen auf. „Nur eine blaue Vase in dem Zimmer.“
„Sie ist ein wichtiges Detail, vielleicht ist sie der Schlüssel. Wenn du dich heute Abend ins Bett legst, solltest du deine Gedanken an dieses Detail heften, während du wegdriftest.“
„Ich will das nicht mehr. Ich will den Traum nicht noch intensiver erleben, ihn lenken. Ich will, dass er verblasst und ganz und gar verschwindet.“
„Das wird er erst, wenn du ihn bewusst verändert hast!“, keifte ihn Werner an. Er war ein sehr stolzer Mann, der leicht außer Kontrolle geriet, sobald man seine Intelligenz in Frage stellte. Die zornigen Züge hellten sich aber gleich wieder auf, als Beate das Foyer betrat und die Kanne Kaffee mit einer Tasse zwischen ihnen auf dem Holztisch ablegte.
„Bitteschön.“
„Danke“, erwiderte Ercan und goss sich ein.
Das Gespräch hatte sich hochgeschaukelt, Emotionen aufkochen lassen. Sie waren nun nicht mehr imstande, alles ruhig und sachlich auszudiskutieren. Also wechselte Werner das Thema.
„Was machst du heute noch, bevor deine Schicht beginnt? Nimmst du noch die U-Bahn und fährst zum Wann- oder Schlachtensee heraus? Draußen herrscht ideales Badewetter.“
Wöchentlich wechselte er zwischen Früh-, Spät- und Nachschicht. Diese Woche musste er um vierzehn Uhr zur Spätschicht antreten. In seiner Schicht bearbeitete er Buchungen am Computer, bediente die Maschinen in der Waschküche oder säuberte die Zimmer. An der Rezeption stand er nur selten, weil er einen stets bedrückten, deprimierten Eindruck machte und sich schon einige Kunden wegen seiner Wortkargheit beschwert hatten.
„Nein, ich werde ein wenig lesen und …“ Er zögerte, nahm einen Schluck Kaffee. „Ein bisschen auf den Saiten des Kontrabasses herumzupfen.“
Werner stieß einen Seufzer aus. „Weißt du, manchmal habe ich richtig Angst um dich. Du wirst immer mehr zu dem, was ich bin.“
„Ach ja? Was bist du denn?“
„Oh, die Frage ist spannend. Lass mich nachdenken." Er fuhr sich mit der Hand durch die grauen Haare. „Ich bin ein alter Kauz, der zwischen den Zeilen tausender Romane und in schemenhaften Traumphantasien lebt, der nichts besitzt außer diesem Hotel mit seinen kalten Wänden. Manchmal kann ich gar nicht mehr unterscheiden was Fiktion und Traum und was Realität ist. Das bin ich.“
Er sah die tiefe Traurigkeit in den blauen Augen. Sie wurden durch die starken Brillengläser in der Größe und Form von Zwei-Euro-Münzen noch vergrößert. „Ich gehe zurück auf mein Zimmer. Danke für den Kaffee.“
Dort angekommen, las er in einem Sherlok-Holmes-Band. Oft musste er zurückblättern und eine Seite noch mal lesen, weil er bestürzt feststellte, dass er keines der gelesenen Worte verinnerlicht hatte. Genervt schleuderte er das Taschenbuch gegen den Wandschrank und nahm den Kontrabass aus dem Ständer, spielte ein paar Notenblätter durch und stellte ihn wieder ab. Alles, was er spielte, hörte sich schief an. Pünktlich begann er seine Schicht, saugte ein paar Zimmer raus, bohnerte den Frühstückssaal und bearbeitete Buchungsanfragen. Es schien ein ganz normaler Arbeitstag zu werden, bis er den Wagen mit sämtlichen Putzutensilien einen Korridor entlangschob und etwas auf einer Kommode stehen sah. Der Anblick traf ihn wie ein Fausthieb. Dort stand die blaue Vase mit den gelben Blumen darin.
Er sah, wie Berta aus einem Zimmer trat. „Berta?“
„Ja? Was ist?“
Er brauchte eine Weile, um die richtigen Worte zu finden. „Hast du diese Vase dort hingestellt?“
„Nein. Die hat wohl Lu in der Frühschicht da hingestellt. Warum?“
„Nur so.“ Er starrte die Blumen einige Sekunden an. „Weißt du, wie diese Blumen heißen?“
„Ja, das ist Johanniskraut. Komisch, dass du mich das fragst“, sagte sie und ein breites Grinsen legte ihr ganzes Gesicht in Falten. „Normalerweise ist dein Handy doch zuverlässiger, was das Beantworten von kniffligen Fragen betrifft.“
Er gab sich Mühe, ihr Grinsen zu erwidern. „Manchmal bin auch ich auf deine Weisheit angewiesen, Berta. Danke.“

Während der Arbeit hatte er die Klimaanlage auf seinem Zimmer laufen lassen, sodass das Zimmer angenehm kühl war, als er es betrat. Er ging zum Regler und schaltete ihn ab. Das surrende Geräusch rückte langsam in immer weitere Ferne. Dann ließ er sich erschöpft in das frisch überzogene Bett fallen. Er stellte sich vor, seine Mutter säße neben dem Bett. Gute Nacht mein Kleiner, sagte sie, träum` was Süßes. Bei diesem Gedanken verkrampften sich Arm- und Schultermuskulatur. Diese Nacht wird eine traumlose Nacht werden, sagte er sich, wusste aber im gleichen Moment, dass dem nicht so war.
Im Licht der Nachttischlampe ging er das Traumtagebuch durch, so wie er es fast jeden Abend vor dem Einschlafen tat. Er las vom Ventilator an der Zimmerdecke, vom expressionistischen rot-schwarzen Gemälde. Schließlich gelangte er zur letzten Seite und las den heutigen Eintrag. Er strich „gelben Blumen“ durch und schmierte in zusammengequetschter Schrift „Johanniskraut“ darüber.
Der Kopf versank immer tiefer im Kissen. Er knipste die Nachttischlampe aus und alles verschwand. Werners Worte drangen in sein Bewusstsein: Vielleicht ist sie der Schlüssel. Ja, irgendeinen Schlüssel musste es doch geben. Er stellte sich vor, alle diese Objekte, die Vase, das Gemälde, diese Traumdetails würden ihn umgeben. Würde ein Blitz den Raum für einen kurzen Augenblick erhellen, befände er sich in Zimmer 5665. Seine aufgeschlitzte Mutter läge neben ihm. Geistesabwesend brabbelte er es immer wieder „Johanniskraut in blauer Vase. Johanniskraut in blauer Vase. Johanniskraut in …“ vor sich hin.
Er zählte die blauen Vasen, die aus dem vierten Stock des Hotels auf den Gehweg fielen und zersprangen. Bald schlief er tief und fest.

Er geht den dunklen Korridor entlang, öffnet die Tür zu Zimmer 5665. Dort empfängt ihn der übliche Wahnsinn. Er zwingt sich, den Blick von seiner Mutter abzuwenden und starrt auf die blaue Vase mit dem Johanniskraut darin. Er tut dies ganz bewusst. Er geht hinüber zum Bad, starrt auf den Rücken des Mannes im Anzug mit dem schwarzen, kurzgeschorenen Haar. Das Lachen übertönt die Erzählerstimme und das Geräusch der sich kreuzenden Schwerter im Fernseher. Doch diesmal dreht er sich nicht nach ihr um. Das Lachen verebbt, bis eine Totenstille den Raum schweben lässt. Der Mann dreht sich zu ihm um, und er blickt in das verjüngte Gesicht von Werner.
Na, erkennst du mich? Seine Lippen bleiben stumm.
Ich bin der Puppenspieler. Ich ziehe an den Fäden. Ich lasse sie tanzen. Sieh es dir ruhig an.
Er ließ den Blick starr auf den Mann gerichtet. Auf dem weißen Hemd unter dem Jackett befand sich Blut. Erneut erfüllt das Lachen den Raum, und wieder bewegen sich die Lippen nicht.
Die Vase ist der Schlüssel. Die Vase ist die Scheide.
Er sieht zu der Vase hinüber. Das Johanniskraut ist verschwunden. Nun ragt der Griff eines Messers über den Rand.
Nun geh schon. Nimm es.
Er tut es, umfasst den Griff fest und zieht das lange Messer heraus. Es ist blutverschmiert.
Und jetzt ramm es mir rein. Ramm. Es. Mir. Rein.
Werners Gesicht flammt direkt vor seinem auf. Er will etwas erwidern, aber als er den Mund öffnet, quillt eine Blase Blut heraus und platzt.
Na mach schon!

Er rammte es sich selbst rein. Jedenfalls hatte er es versucht. Aber es befand sich kein Messer in seiner Hand. So hatte er sich nur in den Magen geboxt. Ihm war furchtbar heiß, die Wände wirbelten um ihn herum, als säße er in einem Karussell. Er sprang geradezu aus dem Bett. Auf dem Kissen erspähte er zwei rote Flecken. Wieder inspizierte er das Gesicht im Spiegel. Wieder fiel ihm keine Wunde auf. Tiefblaue Augenringe zeichneten sich auf dem Gesicht ab. Er war so müde. Hatte er überhaupt geschlafen? Die Gestalt im Spiegel sah ihn fragend an. Werner? War das wirklich Werner gewesen? Was ergab das für einen Sinn? Gar keinen. Ja, Träume waren Träume, Hirngespinste, mehr nicht. Luzides Träumen – er hatte viel darüber gelesen – war immer ein umstrittenes Thema zwischen Traumforschern gewesen. Jedoch war die Erinnerung an den Traum so greifbar wie nie zuvor. Sie war absolut real.
Der Wecker zeigte ihm an, dass es kurz vor zehn war, Zeit für eine Kanne Kaffee.

„Ercan!“, rief Werner, als er das Foyer betrat. Werner saß in dem gleichen Sessel wie gestern und las das gleiche Buch. „Guten Morgen. Wie geht es dir? Hast du gut geschlafen?“
Er antwortete nicht. Die Lethargie breitete sich in ihm aus.
„Setz dich besser. Du siehst blass aus.“ Er deutete auf den Sessel ihm gegenüber. „ Hier steht schon eine Kanne. Du kannst dir einen einschenken, wenn du willst.“ Er sah ihn eindringlich an. „Was ist denn los?“
Seine Zunge fühlte sich an wie ein klebriger Klumpen. Er schluckte ein paar Mal, sagte: „Ich habe wieder geträumt.“
„Ja?“ Neugier beherrschte nun sein Gesicht.
„Diesmal war ich mir bewusst, dass ich träume. Ich habe den Traum gelenkt.“
„Tatsächlich? Sag schon: Was hast du gesehen?“ Werner wollte sich die Tasse Kaffee zum Mund führen, stellte sie aber sofort wieder ab, da seine Hände zu stark zitterten.
„Dich.“ Die Antwort war kurz und vernichtend. Wie beim ersten Mal, als er ihm von dem Traum berichtet hatte, dachte er auch nun wieder, er würde ihn auslachen.
„Setz dich“, sagte Werner ernst. „Reden wir darüber.“
Nun wünschte er sich, er hätte gelacht. Das hätte alles so harmlos erscheinen lassen. Das genaue Gegenteil war nun der Fall.
Er dachte nicht daran, sich zu setzen. „Du warst der Mann im Bad, der Mann, der meine Mutter umgebracht hat.“
„Setz dich. Bitte.“
„Erzähl mir die Wahrheit. Was ist mit meiner Mutter passiert?“
„Ercan“, sagte er beschwichtigend, „ich habe deine Mutter geliebt, glaub mir das.“
„Beantworte meine Frage“, forderte er im kühlen Ton.
„Ich wusste, der Tag würde bald kommen.“ Er schüttelte langsam den Kopf.
„Was für ein Tag?“
„Der Tag, an dem ich meine Schuld bekennen darf.“
Er konnte es nicht fassen. Wie in einem schlechten Film kniff er sich in die Schulter, um zu prüfen, ob er nicht träumte. Er spürte den Schmerz.
„Ich liebte deine Mutter. Und ich liebte dich. Verstehst du? Zuvor habe ich nur für dieses Hotel gelebt. Erbe und Fluch zugleich. Aber dann habt ihr meinen Leben einen Sinn eingehaucht. Es brach mir das Herz, als sie meinte, sie müsse zurück in die Türkei.“ Seine Stimme wurde brüchiger. Zum ersten Mal sah der Mann in Ercans Augen total hilflos und verloren aus. „Ich konnte sie nicht gehen lassen, konnte nicht zulassen, dass sie dich mitnimmt.“
So viel Wahrheit auf einmal konnte er nicht verkraften. Wie vom Körper gelöst, sah er sich dabei zu, wie er Treppen nach oben und durch Korridore rannte. Die Nummern an den Türen folgen an ihm vorbei. 224. 225. 226. Er stieß einen Mann um, der neben seiner Frau laut fluchend zu Boden ging. Ihm war nicht klar, wohin er rannte, bis er vor der Holzkommode innehielt. Nun blies er die Luft so geräuschvoll aus wie die Klimabelüftung in seinem Zimmer. Die blaue Vase stand immer noch auf der Kommode, und in ihr steckte das Messer.
„Die Vase ist der Schlüssel“, keuchte er. „Die Vase ist die Scheide.“

 
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Hallo und Grüß Dich hier, Hacke,


schließlich war er kein verdammter Florist

Was soll das „verdammter“?


schreib

ie


Datum (13.02.2013)

Würde ich ausschreiben, „Eintrag vom 13. Februar“


wenn man bedenkt

bedachte man, ist aber auch so eine ziemlich ausgelutschte Formulierung. Der Satz geht auch ohne: Drei Tage lag der Traum schon hinter ihm. Das war gut, denn schließlich hatte es Zeiten gegeben, in denen er jede Nacht von ihr geträumt hatte.


Der Traum war jedes Mal identisch.

Immer der gleiche Traum.


von beiden Seiten

Auf beiden Seiten, dann entfällt auch die Wiederholung von von.


prangert

prangt in goldenen Ziffern die Zahl


die Finger so dünn wie Bifis

Vorsicht bei solchen Vergleichen. Passen sie nicht zur Stimmung, legst du dich auf den Arsch und die Leute lachen. Gerade bei Horror ist das wichtig.


Klamotten

Kleidung, oder sogar Hosen, Hemden, Unterwäsche.


Eine blaue Vase mit Verzierungen steht auf einem kleinen Tisch – wie er nun wusste.

„wie er nun wusste“ erschließt sich mir nicht.


und somit wären wir wieder am Anfang der Geschichte.

Raus


das Gesicht der Frau zu identifizieren

erkennen


schlägt

schlug


st die Fähigkeit aktiv in den Tr

st die Fähigkeit, aktiv in den Tr


Ich würde erwähnen, wo er das mit dem „luziden Träumen“ her hat


Kein Wunder, dass Freud, der Begründer der Traumanalyse, dieser Art zu Träumen skeptisch gegenüber stand.

Freud hatte dieser Art, zu träumen … Wenn man eine gewisse Allgemeinbildung voraussetzt, profitiert da auch der Text von, wirkt gleich ein bisschen klüger.


Doch das Buch diente zudem dazu

Für „doch“ und „zudem“ sehe ich keinen Grund.


Fast jedes Hotel der Stadt hatte er bereits nach dem Zimmer 5665 durchkämmt

Er hatte in fast jedem Hotel der Stadt danach gesucht.


Ein letztes Hotel stand noch auf seiner Liste. Hotel Alodeo.

Ein letztes Hotel stand noch auf seiner Liste. Das Alodeo. Allerdings fände ich es eleganter, bei „fast“ mit dem Erklären aufzuhören und weiterzumachen mit „Das Alodeo lag ...“


schön warm

warm


während sein Zimmer einem Fleck der Antarktis glich

Auch wieder ungeschickter Vergleich, viel zu viel.


Bär zu steigen. Bär hieß seine Katze.

Bär zu steigen. Der müde Blick des Katers folgte ihm uninteressiert …


Unter seiner Boxershorts ragte sich eine Morgenlatte gen Decke. Es erwies sich oft, als problematisch, die Toilettenschüssel zu treffen, wenn er davorstand und versuchte seinen steifen Penis nach unten zu drücken, aber diesmal nicht. Er war zufrieden mit dem Ergebnis, nicht allzu viel daneben gezielt zu haben und spülte. Seine Blase war nun leer, und der Positive Nebeneffekt war, dass sein Penis nun wieder auf seine nackten Füße starrte. Er putzte sich die Zähne, sprühte Deo unter die Achseln und zog sich an. Dann ging er aus dem Haus und aß den selbstkreierten Toast mit Schinken, Käse und Gurkenscheiben.

Ich witzel ja auch manchmal zu mir selbst so rum, dass man John Rambo, Michael Myers und Captain Kirk nie auf dem Klo sieht. Das ist lustig, weil das eben auch einen Grund hat, warum man das nicht sieht. Klar, glaubwürdige Figuren müssen auch mal kacken. Aber es muss schon irgendwie aus der Geschichte heraus gerechtfertigt sein, sonst bist du irgendwann bei: Er fuhr im ersten Gang an, wechselte in den zweiten, dann in den dritten. Bei siebzig schließlich in den vierten.


menschenverlassen

Unglückliche Eingenkreation. Menschenleer.


in einem anderen Wagon

einen


Das Hotel besaß einen kleinen Vorgarten in dem ein paar Bänke am Rande des Kieswegs standen, der größtenteils mit Schnee bedeckt war. Es handelte sich bei dem Hotel um einen Altbau, nur die Schiebetür, die sich automatisch auftat, als er hineinging, wirkte modern.

Wenn Dinge irgendwas besitzen, ist das sprachlich unschön. Er sah an dem gotischen Gebäude hinauf. Die Wasserspeier grinsten. Mit dem Schnee in seinen Augen schien es, als spuckten sie auf ihn herab. Die automatische Schiebetür wirkte deplatziert, wie ein Tablet-PC in der Hand eines Greises.


Das kleine Foyer besaß

Und dann zweimal hintereinander!


Aber mit den Sesseln ist es ja bekanntlich wie mit dem Wein.

Raus


Dennis hatte den Anzugträger, der sein Gewicht ständig vom linken Bein auf das rechte und dann wieder auf das linke verlagerte, hinter ihm noch gar nicht bemerkt, bis er Dennis eine Hand auf die Schulter legte.

Zweimal Dennis. Und erzählerisches Problem. Bisher ist alles Dennis' Perspektive, da brichst du aus. Warum weiß er, was der macht, wenn er ihn noch gar nicht bemerkt hat?


„Entschuldigen Sie“, sagte er, „aber wenn sie doch gar kein Zimmer benötigen und dieses mysteriöse Zimmer, von dem Sie sprechen, nicht existiert, warum rauben Sie dann unsere Zeit. Ich muss in zwanzig Minuten auf einem Seminar sein und muss vorher noch ein Zimmer in Anspruch nehmen.“

Dialoge üben, am besten Leuten auf der Straße zuhören. „Entschuldigung, aber wird das heute noch was? Andere Leute haben hier in der Stadt nämlich zu tun, wissen Sie?“


Dafür konnte der arme Rezeptionist doch nun wirklich nichts.

Raus


„Verpiss dich, Kleiner.“

Das ist mir zu heftig, das glaube ich nicht.


Dann fahren sie doch im August an den Ballermann, dachte der Rezeptionist.

Perspektive.



Warum ist er plötzlich der Prot? Hat fast was von David Lynch, ist aber unbeabsichtigt, schätze ich.


Ein Versuch seinen Kollegen aus den Fängen der alten Dame zu befreien.

Ein Versuch, seinen Kollegen aus den Fängen der alten Dame zu befreien.


zog daran wie beim Tauziehen damals im Sportunterricht

wessen Unterricht?


Mit dem rechten Bein versuchte Dennis sein ganzes Gewicht

Mit dem rechten Bein versuchte Dennis, sein ganzes Gewicht

Diese ganze Situation da, wie das ausartet, das ist alles viel zu viel. Aus dem, was zuvor passiert, geht das nicht logisch hervor.



geeilt


Todschlag

Tot


In keinem verfluchten Hotel der Stadt, existierte dieses Zimmer, dachte er.

Raus


spürte wie sich der Wahnsinn von hinten an ihn heranschlich

Raus. Lieber seine Gedankenwelt beschreiben und dabei zu völlig wirren Formulierungen und Schlussfolgerungen greifen.


bat ihm

ihn


einen uniformierten Glatzkopf

einem


m es höflich auszudrücken - wir reden hier immerhin von einem Hüter des Gesetzes

Raus


„Dieser Herr Kraus ist ein aufgeblasenes Arschloch.“
„Dazu kann ich nichts sagen.

:lol:


„Wollen sie was von Burger King“, fragte ihn der dicke Polizist. „Wir fahren noch schnell durch den Drive In.“

Die Szene würde irgendwie zu Big Lebowski passen.


Zimmer 13 ist so ein Topos, sollte wohl jeder Horrorschreiber mal ran. Trotz des noch unsicheren Stils – schräge Formulierungen und Dialoge – fand ich das bis zur Hotelszene auch nicht unspannend (das Palaver mit der Morgenlatte sollte raus, das führt echt zu gar nix). Dann allerdings wird alles sehr wirr, Perspektivsprünge hier und da, und die Pointe habe ich gar nicht geschnallt. Muss allerdings auch sagen, dass ich zum Schluss immer unaufmerksamer gelesen habe, weil so viel eher Bizarres und Belustigendes passiert, das die Stimmung verhunzt. Grundlegend schief finde ich auch: Wie kommt er eigentlich zu dem Schluss, dass sein Traum mehr ist als ein Traum, auch wenn er sich ständig wiederholt? Wenn ich jede Nacht von einer Frauenleiche im Tigerkäfig träume, warum sollte ich mich dann auf den Weg zu den Zoos dieser Welt machen? Es sei denn, ich weiß von mir selbst, dass ich irgendwie mediale Fähigkeiten habe oder so etwas. Könnte man vielleicht noch einbauen. Und dann straffen und auf Kalauer abklopfen, absichtliche und versehentliche. So als erster Überarbeitungsschritt.

Ach so, und das „luzide Träumen“ führst du mit ziemlich viel Tamtam ein. Im weiteren Verlauf der Geschichte sollte dem dann auch irgendeine besondere Bedeutung zukommen.

Grüße
JC

 

Hallo Proof,

Danke, dass du den Text gelesen und dich so ausführlich mit ihn auseinander gesetzt hast. Ich muss gestehen: Zimmer 13 habe ich noch nie gesehen, bin ein Kind der 90er und schaue mir lieber aktuelle Blockbuster mit Aliens und lieblichen Vampiren an :D Aber ich kenne Stephen Kings Kurzgeschichte Zimmer 1408. Mit dem Erzählen einer Horrorgeschichte über ein Hotelzimmer, habe ich das Rad wohl kaum neu erfunden, das war mir klar. Das bei dieser Nummer kein Fünkchen Grusel auf den Leser überspringt, wurde mir schon beim Schreiben bewusst. Deshalb hagerte ich auch mit der Rubrik. Vielleicht versuchte ich den Mangel an Grusel, durch Dialogwitz und abgedrehte Handlungen zu ersetzten. Hat wohl nicht so gut funktioniert, was?
Ich habe den Text überarbeitet und so gut wie alles beherzigt, was du mir an konstruktiver Kritik gegeben hast. Ich habe auch etwas ganz grundlegendes durch dich gelernt. Fast jede Passage, unter die du "Raus" geschrieben hast, wollte ich beim Korrekturlesen auch schon rauswerfen, hatte mich aber schon zu sehr in diese kleinen, süßen Füllwörter und -sätze verliebt. Also merke: Töte deine Lieblinge, sobald du einmal an ihnen gezweifelt hast.
Das mit dem ludziden Träumen hab ich gestrichen, da es mir jetzt auch völlig unwesentlich vorkommt. Vor ein paar Tagen hatte ich einen Artikel darüber gelesen und daraus hat sich die Idee entwickelt.
Mit der Beschreibung von Dennis´ Morgenritual wollte ich auf eine spaßige Art zeigen, wie sehr ihn dieser Traum aus der Bahn geworfen hat. Abgebrochene Ausbildung, vermüllte Wohnung.
"Dann verstehen Sie es, wenn ich ihnen sage, dass ich einen Alptraum lebe."
Das sagt Dennis zu der alten Frau. Er ist nicht mehr dazu in der Lage, eine klare Linie zwischen der Realität und dem Alptraum zu ziehen, deshalb ist er auch überzeugt, dass dieses Hotelzimmer existiert. Dass er seine Mutter retten kann. Obwohl er ja nicht mal weiß, das die Frau in seinen Träumen, seine tote Mutter darstellt. Erst der Rezeptionist, der Dennis noch aus der 5. oder 6. Klasse kennt, bringt Licht ins Dunkel. Durch das Ende sollen die Leser erfahren, wie lange er schon unter dem Trauma (T5R6A6U5Mat) leidet.
Ich habe mal eine Kurzgeschichte von Lovecraft gelesen, in der er seinen Protagonisten ewig durch die Wüste schickt. Der Prot sucht schon seit Ewigkeiten nach einer vergoldeten, vollkommenen Stadt, in der er als Kind gewohnt hatte. Am Ende der Geschichte (wenn ich mich recht erinnere) erreicht er eine Hütte auf einem Berg. Er klopft an die Tür, es wird ihm aufgetan.
"Ich weiß nicht, wo sich diese goldene Stadt befindet, aber ich erinnere mich, dass ich als Kind einen Freund hatte, der immerzu von dieser Stadt schwärmte."
Das hat der Hüttenbesitzer gesagt. (frei wiedergegeben)
Da war mir klar, dass die goldene Stad eine Illusion ist, von der er schon als Kind träumte. Die beiden waren alte Sandkastenfreunde.
Ich fand das Ende überwältigend. Und zwischen den Geschichten gibt es auf jeden Fall Parallelen. Ich hoffe nur, dass auch ich einmal in meinem Leben jemanden mit dem Ende einer Geschichte überwältigen kann.
Danke nochmal.
Ich fühle mich hier ganz gut aufgehoben, werd´ mal ein paar Geschichten von dir lesen, Proof. Freu mich drauf.

Grüße
Hacke

 

Zimmer 13 als Topos, wie der Werwolf, der Vampir oder das Spukhaus. Später mehr.

 

So, ich antworte mal in einem neuen Post, damit es nicht untergeht, ist ja schon wieder eine Weile her.

Witzischkeit muss man echt ganz fein dosieren. Ich weiß das, weil ich selbst gern Humor in meine Geschichten einbaue, auch in die derben, traurigen oder blutigen. Wird's zuviel, überschattet das alles andere, und da jeder einen anderen Humor hat, besteht immer die Gefahr, dass du den Leuten auf den Sack gehst. Witze über Morgenlatte, Toilettengang etc. wirken außerdem so gut wie immer infantil. Das heißt nicht, dass man da nicht ab und an mal drüber lachen kann, aber gerade in der Literatur reißt du mit so etwas das Niveau nach unten. Ein sehr großer Teil der Leser ist genervt und hört nicht mehr, was du sonst noch zu sagen hast.

Wenn du es selbst nicht gruselig findest oder dir nicht vorstellen kannst, dass andere es gruselig finden, musst du es ändern. Beim Gruseln hat jeder die Druckpunkte woanders sitzen, du wirst also immer einige Leser kalt lassen, auch mit dem Kram, von dem du selbst überzeugt bist. Das ist dann allerdings wichtig, dass du selbst überzeugt bist.

Das Rad erfinden selbst die meisten Bestsellerautoren nicht neu, da mache ich mir schon lange keinen Kopf mehr drüber. Wichtig ist: Diese Geschichte vom verfluchten Hotelzimmer muss deine Geschichte vom verfluchten Hotelzimmer sein, dann ist alles gut.

Nicht ganz verstehe ich, wie du das luzide Träumen so einfach über Bord werfen kannst, wenn ein Artikel darüber dich überhaupt erst zu der Geschichte inspiriert hat. Ich sehe da auch eine ziemlich gute Chance für die Story. Das ist doch ein toller Grundplot: Der Prot bewegt sich sicheren Schrittes auch durch seine dunkelsten Träume, wird immer wagemutiger, weil er ja kontrolliert träumt. Aber dann merkt er, dass seine Kontrolle eine Illusion ist, weil ihn jemand - etwas - in eben jene dunklen Gefilde locken möchte.

Grüße
JC

 
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Hallo Proof,

toll, dass du dir noch einmal die Zeit genommen hast, mir zu schreiben. Ich denke nicht, dass Witze über eine Morgenlatte zwingend infantil wirken müssen. Mein Anliegen war eher, die Hauptperson zu charakterisieren, sie dem Leser näher zu bringen. Vielleicht war es aber doch zu viel - besonders für eine Kurzgeschichte. Der Plot sollte im Vordergrund stehen. Durch die Aktionen des Protagonisten während des wesentlichen Verlaufs der Geschichte, gibt es genug Chancen eine Nähe zwischen Protagonisten und Leser herzustellen.

Mit deinem Absatz zur eigenen Überzeugung hast du ins Schwarze getroffen. Egal, was man schreibt, es wird nie jeden gefallen, da ist es wichtig, dass man wenigstens selbst hinter seiner Geschichte stehen kann.

Dein Vorschlag, das luzide Träumen wieder aufzunehmen, gefällt mir. Aber dazu müsste man die Geschichte richtig umstrukturieren, weil ich das Thema nur anfangs umrissen habe, und im späteren Verlauf ist es in den Hintergrund geraten und verpufft. Da habe ich es mir mal wieder zu einfach gemacht. Ich denke, ich lass sie die nächsten Tage mal durch den Drucker wandern und bewaffne mich mit roten Fineliner.

Danke & viele Grüße
Hacke

 

Hallo ihr da draußen,

ich habe mir mal diese Geschichte, meinen Erstling, vorgeknöpft und komplett umgeschrieben. Auch die Handlung wurde drastisch verändert, die Grundidee blieb die gleiche. Vielleicht möchte sich ja wer dazu äußern. Ich fände es ziemlich interessant, zu wissen, ob ich Fortschritte gemacht habe und ob die Story so gefallen kann.

Danke im Voraus. ;)

 

Hallo Hacke!

Wachträume, immer wieder kehrende Träume und deren Deutung sind ewige Rätsel, beschäftigen Menschen seit sie denken können. Du hast dir dieses ergiebige Thema für eine kriminalistische Kurzgeschichte mit mystischen Touch ausgesucht. Und es gefiel mir in vieler Hinsicht. Die Gegenwartsform in den Träumen ist sinnvoll gewählt, da sie eine andere Atmosphäre schafft. Auch die Art, wie du die Träume beschreibst, finde ich sehr überzeugend.

Die Frau, die so tot schien wie eine Schweinehälfte, zuckt epileptisch unter den Wogen des schallenden Gelächters.

Dieses Bild hinterließ mir eine Gänsehaut. Es passt in einen Traum.

Die reale Welt hast du mit überzeugenden Charakteren besetzt. Der mystisch angehauchte Werner wirkte in der Tat wie ein „strahlender Dämon“, oder, wie ein Engel mit dämonischen Zügen auf mich. Er, der „Strippenzieher“ verbindet die Traum- und Wirklichkeitsebene auf seltsame Weise: Er fordert Ercan regelrecht auf, ihn zu entlarven, in dem er ihn einweist in die hohe Kunst der Wachträumerei. Als es endlich soweit ist und Ercan den Täter kennt, löst er sich von der Realität
denn

So viel Wahrheit auf einmal konnte er nicht verkraften.

Und wird entrückt bis er
„die Luft so geräuschvoll ausblies, wie die Klimabelüftung in seinem Zimmer.“

Solche Bilder wirken auf mich, auch wenn ich nicht weiß, ob das jedermanns Sache ist.

Man beachte die Vergangenheitsform, was darauf schließen lässt, dass die beiden Ebenen nun eins geworden sind und tatsächlich steckt nun das Messer in der Vase oder das Schwert in der Scheide.

War also am Ende vielleicht alles nur ein einziger Traum? Sind wir in einer neuen Ebene angelangt?
Ferner, was macht uns eigentlich so sicher, was real ist und was nicht?
Und genau solche Fragen sollte man sich am Ende einer Geschichte mit diesem Thema stellen dürfen.

Jetzt ein paar wenige Sätze

Das tat gut, denn es ließ die Nacht weniger real erscheinen.

Wieso weniger?
Die Ehe mit ihrem türkischen Mann hatte ewig nicht die Früchte einer Schwangerschaft getragen.

Schreib doch einfach, dass sie nicht schwanger wurde

Gute Nacht mein Kleiner, sagte sie in Gedanken,

in Gedanken würde ich weglassen

„Was hast du gesehen?“

kommt zweimal hintereinander

… wie er Treppen nach oben und durch Korridore rannte.

Würd ich mit Artikeln versehen

Die Nummern an den Türen folgen an ihm vorbei.

flogen

auf der Kommode, und ihr steckte das Messer.

Siehste selbst

Ob deine Geschichte in die Rubrik Horror gehört ... :hmm:

Aber, sie hat mich bestens unterhalten und zum Nachdenken gebracht. Weiter so auf mystischen Pfaden!


Süße Träume!
Cyberbator

 

Auch die Art, wie du die Träume beschreibst, finde ich sehr überzeugend.
Darin sah ich eine besonders große Herausforderung. Umso schöner zu hören, dass dich die Träume überzeugen konnten.

„die Luft so geräuschvoll ausblies, wie die Klimabelüftung in seinem Zimmer.“

Solche Bilder wirken auf mich, auch wenn ich nicht weiß, ob das jedermanns Sache ist.

Jap, da war ich mir nicht ganz sicher. Schön, dass das Bild wenigstens auf dich wirken konnte. Ich finde es toll, wenn in einem Vergleich etwas herangezogen wird, was schon vorher in der Geschichte Erwähnung fand.

Deine Korrekturvorschläge habe ich umgesetzt. War alles sehr einleuchtend. Danke :)

Ob deine Geschichte in die Rubrik Horror gehört ...
Der Zweifel ist wohl berechtigt. Außer in den Traumsequenzen kommt wohl kaum Gruselstimmung auf. Du hast sie ja als "Krimi mit Mystery-Touch" beschrieben. Kommt ganz gut hin.

Aber, sie hat mich bestens unterhalten und zum Nachdenken gebracht. Weiter so auf mystischen Pfaden!
Das ist viel mehr, als ich erwartet habe. Danke Cybernator.

Auf Wiederlesen

Hacke

 

Hey Hacke,

deine Geschichte ist sehr gut, ich konnte gar nicht aufhören! Nur das Ende war etwas entäuschend... Was hat er mit dem Messer gemacht? Sich selbst umgebracht? Oder diesen Werner? Die Geschichte ist gut von Anfang über Mitte bis Ende nur letzteres hätte ausführlicher werden können, es ist etwas abrupt.

 

Hallo Mairie,

herzlich Willkommen hier im Forum!
Du scheinst ja echt eine begeisterte Horrorleserin zu sein.
Zuerst einmal herzlichen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Es freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen konnte. Bis auf das Ende. Gut, ich kann dich verstehen ... eigentlich bin ich auch kein Fan von so Open-Ends. Hier allerdings erschien es mir als das perfekte Ende. Vielleicht hast du Recht und ich sollte es noch zu einer zweiten Konfrontation der beiden kommen lassen. Das könnte spannend werden. Im Moment bin ich daran etwas für das TdS zu schreiben. Aber wenn ich damit fertig bin, werde ich auf jeden Fall darüber nachdenken, die Geschichte noch zu erweitern und zu einem guten Ende zu bringen. Danke nochmals.
Du gibst der Rubrik ziemlich viel Feedback. Das finde ich prima, wirklich. Ist nicht selbstverständlich. Viele Autoren melden sich hier im Forum an und posten zehn Geschichten hintereinander und wollen zu jeder Story etliche Meinungen hören, ohne überhaupt selbst eine kommentiert zu haben. Du machst das vorbildlich. Dadurch, dass du so viele andere Geschichten kommentierst, wirst du auch sicherlich mehr Rückmeldungen zu deinen eigenen erhalten, falls du vorhast welche zu posten. Ich würde mich jedenfalls darüber freuen.

Auf Wiederlesen

Hacke

 

Hallo Hacke,

zuerst mal etwas Kosmetik:

prangern

Die Türen stellen die Zahlen an den Pranger ;) Es heißt prangen.

Eine Hand ergreift den Türhenkel

Hier taucht zum ersten Mal das Perspektivenproblem auf, dass sich im Text leider noch öfter wiederholt. Ich habe keine Ahnung, wer da gerade nach dem Türhenkel greift. Klar, das soll traumhaft, surrealistisch sein. Trotzdem ist es dann besser, wenn du "Seine Hand" schreibst. Ich will der Person ja folgen.

Alles ist rot

Das kann raus. Das wirkt wie vorgekaut. Du schreibst im Anschluss von Blut, roten Haaren usw. Da hab ich dann schon ein farbliches Bild vor Augen, dass brauchst du nicht mehr extra erwähnen.

Betthupferl

Wirkt unfreiwillig komisch. Bei Horrorgeschichten muss man immer sehr auf die Wortwahl achten, damit die Atmosphäre stimmt.

in denen ihm dieser Traum

"Ihn"

weißen Slippern, der weißen Jeans, dem weißen Hemd

Das gleiche wie beim Rot. Ich finde es gut, dass du Farbe als Stilmittel einsetzen willst. Das passt gut zu der unwirklichen Atmosphäre. Aber dreimal ist zuviel des guten.

plumpsen

Wieder unfreiwillig komisch. Da stell ich mir einen Dick und Doof Film vor.

probiert

Sehr umgangssprachlich. Vielleicht "versucht"

war ihr Mann besessen gewesen

Grammatikalisch gesehen kann gewesen hier tatsächlich raus. Du brauchst hier kein Plusquamperfekt, weil du nicht so weit in die Vergangenheit gehen musst. Also hau es weg, dann liest sich der Satz auch schöner.

hatte ihn Werner oft erzählt.

Hier brauchst du jetzt das ihm. 3. Fall, du fragst am besten: Wem erzähle ich das?

bis sie circa drei Jahre danach verschwand.

Grammatikalisch nicht korrekt und deswegen ein Stolperstein. bis sie nach drei Jahren verschwand.

Der kleine Junge, der er damals noch gewesen war, hatte ihn aus dem dunkelbraunen, ja, fast schwarzen Augen fragend angestarrt.

Ist nicht böse gemeint, aber du musst schon bei einer Zeitform bleiben. Als der kleine Junge, der er damals noch gewesen war, hatte er ihn aus den dunkelbraunen, ja, fast schwarzen Augen fragend angestarrt.

Der Satzt klingt furchtbar hektisch, als hättest du beim Schreiben Angst gehabt, dass dir nicht genügend Zeit bleibt, die Geschichte zu beenden. Da könntest du nochmal drüber gehen, damit es schöner klingt

„Was hast du gesehen“, wiederholte Werner.

Fragezeichen hinter gesehen.

Die zornigen Züge hellten aber gleich wieder auf

Entweder ein "sich" hinter hellten, oder du schreibst "Seine zornigen Züge hellten aber gleich...". Ich bin grammatikalisch auch nicht so sicher, und will eigentlich gar nicht so rumkritteln. Aber gerade, wenn man versucht mit der Sprache zu spielen, muss man sicher stellen, dass es grammatikalisch stimmt.

Es versprach ein ganz normaler Arbeitstag

Was oder wer verspricht? Das ist persönlich und nicht passend. Besser: Es schien.

Statt Schäfchen, die über einen Zaun sprangen, zählte er blaue Vasen. Sie fielen aus dem vierten Stock des Hotels auf den Gehweg und zersprangen. Bald schlief er tief und fest.

Hier gibt es wieder so ein Problem: Das Schäfchen zählen finde ich nicht unheimlich. Bestenfalls niedlich, schlimmstenfalls lächerlich. Und das zerstört die Stimmung des Folgesatzes. Der ist nämlich richtig gut!

Es ist der Mann, der sich nach ihm umdreht. Er blickt in das verjüngte Gesicht von Werner.
Na, erkennst du mich? Seine Lippen bleiben stumm.

Hier sind die Perspektivenwechsel nicht klar. Also so wie bei mir ;). Das Er bezieht sich auf den Mann, ist dann aber falsch, weil Ercan gemeint ist. Und dann ist unklar, wer spricht. Das erschließt sich zwar, wenn man darüber nach denkt, aber das darf mich nicht so aus dem Text werfen.
Aber ich habe bei "Blutgier" ja densselben Fehler begangen, insofern...

Es verstummt.

Was verstummt? Hier war mir vieles nicht mehr klar. Auch wenn das ein Traum ist, ich muss dem ganzen zumindest noch ein bisschen folgen können.

Werners Gesicht flammt direkt vor seinem auf. Er will etwas erwidern, aber als er den Mund öffnet, quillt eine Blase Blut heraus und platzte.

Präsens und Präterium durcheinander geworfen. Wie gesagt, es ist toll, wenn man experimentiert. Aber dann muss es auch 100% stimmen.

Ich liebte deine Mutter. Und ich liebte dich. Es brach mir das Herz, als sie meinte, sie müsse zurück in die Türkei. Ich verstand es nicht

Deine Dialoge sind ansonsten sehr gut, aber der hier passt nicht so ganz. Werner spricht in den voran gegangenen Reden nicht so. Und auch sonst wirkt es ein wenig unrealistisch.

So, dass klingt jetzt alles wieder furchtbar böse ;) Aber das täuscht. Mir hat die Geschichte nämlich durchaus Spaß gemacht.

Die Stärke liegt ganz klar in der unwirklichen, surrealistischen Atmosphäre, die du, abgesehen von den angesprochenen Stellen, auch super durchhältst.

Mich erinnert an das ein wenig an klassische Geistergeschichten, bei denen die Bedrohung auch immer unterschwellig spürbar ist. Der Gedanke mit dem luziden Träumen ist gut, wenn auch nicht neu. Es gibt ein sehr gutes Buch von Graham Joyce, Traumland heißt das, glaube ich, in dem diese Thematik auch sehr unheimlich verarbeitet wird.
Vielleicht ist es mit der Traumkontrolle wirklich ein wenig zu kurz angeschnitten, aber wir haben ja noch Zeit für weitere Kurzgeschichten ;)

Die Geschichte hat mich, wie gesagt, gut unterhalten. Ich fand sie auch nicht unbedingt vorhersehbar. Es ist klar, dass Werner etwas mit seinen Träumen zu tun hat, aber ich bin nicht sofort darauf gekommen, dass er der Mörder ist. Also durchaus gut gelungen.

Viele Grüße
Unbeliever

 

Servus Unbeliever,

und herzlichen Dank für deine ausführliche Hilfestellung!
Mann, bei den Zeiten muss ich echt besser aufpassen. Danke für die Hinweise. Schön, dass dir das Lesen - trotz der grammatikalischen Schwierigkeiten - Freude bereiten konnte.

Zitat:
Statt Schäfchen, die über einen Zaun sprangen, zählte er blaue Vasen. Sie fielen aus dem vierten Stock des Hotels auf den Gehweg und zersprangen. Bald schlief er tief und fest.
Hier gibt es wieder so ein Problem: Das Schäfchen zählen finde ich nicht unheimlich. Bestenfalls niedlich, schlimmstenfalls lächerlich. Und das zerstört die Stimmung des Folgesatzes. Der ist nämlich richtig gut!
Das war so ein Satz, bei dem ich mir schon im Voraus dachte, oh, ich weiß nicht, der kann dir das Genick brechen. Aber irgendwie gefiel er mir auch. Du konntest mir aber die Augen öffnen. In Zukunft haben Sätze, mit denen ich hadere keine Chance mehr.

Auch sonst habe ich fast alle deiner Vorschläge gut umgesetzt, hoffe ich zumindest.
"Traumland" habe ich nicht gelesen und zuvor auch nie was davon gehört. Ich wurde eher durch einen Sachtext inspiriert. Aber es ist schwer Thematiken zu finden, die gleichzeitig Spannungspotential bieten und nie zuvor in eine fiktionale Geschichte gepackt wurden. Dieser Aufgabe stelle ich mich auch gar nicht. Auch Bestsellerautoren erfinden das Rad nicht neu. Es gibt kaum etwas, was noch nicht umgesetzt wurde. Eher ist es wichtig dem Thema eine neue Richtung zu geben. Beispielsweise taucht man mal in eine andere Perspektive. Vielleicht ist dieser Krimi-Touch die neue Richtung in dieser Geschichte.
Bla, bla, ich drifte ab.

Also durchaus gut gelungen.
Danke! Das ermuntert mich zum Weiterarbeiten.

Auf ein baldiges Wiederlesen

Hacke

 

Hi Hacke!

So, jetzt hab ich auch einmal die Zeit gefunden, eines deiner Werke zu genießen. Und ja, es war ein Genuss ...
Nunja, eine eingehender Analyse möchte ich mir jetzt ersparen, da von meinen "Vorschreibern" schon alles gemacht wurde - bezüglich Rechtschreibung und so weiter ...
Mir geht es sowieso immer vor allem um den Inhalt. Und: Der ist nicht schlecht. Freilich, das offene Ende ist auch nicht so meines, aber ansonsten recht "straighte" Story. (Noch) nicht brilliant, aber das kann ja noch werden. Schreibstil ist gut, Idee ist gut - also ran an den Speck! Hoffe, dass dir dieses knappe Feedback auch was bringt!

LG, Markus

 

Hallo Mirko,

freut mich sehr, von dir zu hören!
ja, am Ausgang der Geschichte wollte ich eventuell nochmal feilen. Aber ich bin wirklich froh, dass dir die Story trotzdem gefallen konnte. Nein, brilliant ist sie sicher nicht. Da ist noch ganz schön viel Luft nach oben.

Hoffe, dass dir dieses knappe Feedback auch was bringt!
Und wie!! Das ist Balsam für die Schreiberseele.

Dankeschön fürs Lesen und für dein Feedback!

Hacke

 

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