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Tödliches Licht

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16.12.2017
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Tödliches Licht

Tödliches Licht


Ausgerechnet jetzt! Bisher hat mich mein kleiner alter Nissan nicht im Stich gelassen, doch jetzt steigen Rauchschwaden aus der Motorhaube. Ich fahre langsam an den Straßenrand und schaue mich um. Die Aussicht ist traumhaft, direkt an der französischen Küste. Le Portel ist der Name von diesem beschaulichen Ort. Eigentlich bin ich auf der Durchreise nach Caen. Dort treffe ich mich mit meiner Freundin. Sie ist für ein Auslandssemester in Frankreich. Es war mir direkt suspekt mit meinem gebrochenem Französisch und meinem Schulenglisch alleine loszufahren, doch die Sehnsucht siegte letztendlich über die Angst. Als ich aussteige, rieche ich die salzige Meeresluft und blicke auf ein altes Gemäuer im Wasser, Reste von Napoleons Festung wie ich einem Informationsschild entnehmen kann. Da es schon später Nachmittag ist, wird es wohl schwer sein, noch eine Werkstatt zu erreichen. Die Motorhaube öffnet sich mit einem Klackgeräusch und als ich sie aufhieve, sehe ich außer Rauch viel Öl auf dem Motorblock. Ich hatte noch nie einen Schimmer von Autos, aber ein gutes Zeichen wird das wohl nicht sein. Ein typisches älteres, französisches Ehepaar spaziert griesgrämig schauend an mir vorbei. Ich zücke mein Handy und öffne den google translator: "Excusez-moi, peux tu maider?"

Dann versagt mein Französisch auch schon: "Do you speak english?"

Das Paar schüttelt synchron den Kopf. Ich gebe Autowerkstatt ein: "Station de service?"

"C'est fermé.", sagt die Dame schnippisch.

Geschlossen, das dachte ich mir. Da ich nicht weiterkomme, versuche ich es mit einem anderen Ansatz. Es ist sowieso viel zu spät und ich bin müde: "Une possibilité de passer la nuit?"

"Suivez la route. Il y a un vieux phare, mais il ne functionne plus.", damit drehen sie sich um und gehen weiter.

Ein Leuchtturm, der außer Betrieb ist? Den sehe ich. Inwiefern mir das weiterhilft weiß ich nicht, aber ich hole meinen Rucksack und folge der Straße in Richtung Leuchtturm. Bevor ich die Klippen besteigen muss, erscheint in meinem Blickfeld ein Campingplatz mit kleinen Cottages. Dann meinten sie den wohl. Nicht meine erste Wahl, aber für eine Nacht wird es reichen. Mein sprachlicher Misserfolg hat mich noch nicht abgeschreckt: "Salut! Do you speak english?"

"Nein, aber deutsch.", sagt der Mann zu meiner Überraschung.

"Oh, woher wussten Sie, dass ich Deutscher bin?"

"An dem Akzent und dem T-Shirt.", er zeigt auf meine Brust.

Mein verwaschenes Rammstein T-Shirt hatte ich bei meiner Schlussfolgerung nicht bedacht.

"Gute Band.", sagt er.

Ich nicke: "Haben Sie eine Hütte für eine Nacht frei?"

"Natürlich. Auf der Durchreise?"

"Ja, aber nicht freiwillig. Mein Auto ist liegengeblieben. Es steht etwa 500 Meter die Straße herunter."

"ich kenne jemanden, der eine Werkstatt betreibt. Soll ich ihn für morgen früh anrufen?"

"Super, das wäre sehr nett."

Damit bekomme ich meinen Schlüssel für eine Hütte mit Meerblick.

"Der Handyempfang ist hier sehr schlecht, wenn Sie etwas höher steigen, könnten Sie Glück haben."

Die Aussicht ist wirklich wunderschön. Ich schmeiße meinen Rucksack in die spärlich eingerichtete Hütte und blicke auf den Sonnenuntergang. Gerne würde ich meiner Freundin schreiben, doch der Empfang ist, wie der Mann erwähnte, miserabel. Ich folge dem Pfad hoch zum Leuchtturm. An alten Bunkern und Gemäuern vorbei, erreiche ich nach wenigen Minuten den alten Turm. Ich stelle mich auf die Spitze der Klippen und kurz blinkt ein Balken auf, ich drücke auf senden.

"Mir geht es gut, aber mein Auto muss in die Werkstatt. Bleibe über Nacht, melde mich morgen."

"Attention, monsieur.", sagt eine Stimme hinter mir und erschreckt mich zu Tode. Ich rutsche ein Stück, aber finde gerade noch Halt.

"Merci.", sage ich vor lauter Verwirrung.

"Restev-vous ici?", fragt der Mann.

"Oui. Sorry, I don't speak french."

"Ah, der Deutsche."

Langsam wundert mich nichts mehr.

"Mein Sohn sagte mir Bescheid."

"Ihrem Sohn gehört der Campingplatz?"

"Genau."

"Woher können sie beide so gut deutsch?"

„Meine Frau war Deutsche, sie ist leider vor drei Jahren verstorben.“

„Das tut mir leid.“

„Sie sollten aufpassen hier oben. Die Klippen sind gefährlich.“

„Ja, danke, das werde ich. Kann man den Leuchtturm besichtigen?“, frage ich mit der Hoffnung auf konstanteren Empfang.

„Das würde ich Ihnen nicht empfehlen. Der ist seit Jahren außer Betrieb und Vögel haben sich in der Kuppel eingenistet.“

„Na dann.“

Der Mann geht weiter und ich zurück zu meiner Hütte. An der Rezeption hole ich mir ein kaltes Bier, das habe ich nötig.

„Ich habe meinen Freund angerufen, er kommt direkt morgen früh.“

„Vielen Dank.“

„Wo wollten Sie denn hin?“

„Nach Caen. Meine Freundin macht dort ein Austauschjahr.“

„Was man nicht alles für die Liebe tut.“, grinst der Mann, „Konnten Sie jemanden Zuhause erreichen, damit sie wissen, dass es Ihnen gut geht?“

„Ach, nicht so wichtig, die kommen ohne mich klar.“

Der Mann lächelt: „Bonne nuit!“

Das stimmt tatsächlich. Mein Vater ist nur mit seiner Arbeit beschäftigt und meine Mutter in der Entzugsklinik – eine Bilderbuchfamilie. Nach dem Bier lege ich mich ins Bett. Der Tag hat Kraft gekostet und ich schlafe direkt ein. Mitten in der Nacht werde ich jedoch von einem Lichtstrahl geweckt. Ich schaue auf die Uhr, Punkt 2 Uhr. Der Lichtstrahl kommt von draußen. Ich schiebe die Gardinen beiseite und starre ins Dunkeln. Da, das Licht streift wieder mein Gesicht. Das Licht im Leuchtturm brennt und dreht seine Runden, als wäre es nie anders gewesen. „Seit Jahren außer Betrieb“ sagte der alte Mann. Merkwürdig, auch das Ehepaar sagte, er würde nicht funktionieren. Ich ziehe die Gardinen zu, doch mein Schlaf ist unruhig und ich bin froh, als die Sonne wieder aufgeht. Ich dusche mich und mache mich auf den Weg zur Rezeption.

„Guten Morgen. Gibt es Neuigkeiten zu meinem Auto?“

„Mein Freund hat es bereits abgeholt, er meldet sich später.“

Ich kaufe mir Croissants mit Marmelade und frühstücke ausgiebig. Nachdem ich mich wieder gestärkt fühle, winkt mir der Mann von der Rezeption zu.

„Ich habe schlechte Nachrichten. Mein Freund hat nicht alle Ersatzteile da, es wird bis morgen früh dauern.“

„Was ist denn das Problem?“

„Irgendwelche undichten Schläuche, nichts weiter Schlimmes, sagt er. Wegen der Umstände berechne ich Ihnen für die zweite Nacht nichts.“

„Das ist sehr nett.“, sage ich bemüht freundlich, „Der Leuchtturm ist wohl doch funktionstüchtig?“

„Nein, der ist marode.“, sagt der Mann und schließt die Tür.

Noch eine Nacht, das ist ein Alptraum. Ich verbringe den Nachmittag am Meer und versuche zu entspannen, doch ich muss meine Freundin erreichen. Sie macht sich bestimmt bereits Sorgen. Also klettere ich erneut zum Leuchtturm herauf. Die Tür des Leuchtturms ist verschlossen. Auch sonst sieht alles aus wie gestern. Mit dem Empfang habe ich diesmal nicht so viel Glück. Ich folge weiter dem Weg. Er führt ein Stück weiter die Klippen herauf bis nur noch Dünen und Felsen folgen. Etwas abseits des Weges sehe ich einen alten Bretterschuppen. Vielleicht habe ich dort mehr Erfolg. Meine Neugier ist zu stark und ich öffne das nicht verschlossene Tor. Ich kann nicht glaube, was ich da sehe. In dem staubigen alten Schuppen steht mein Auto. Ich überprüfe das Kennzeichen, es ist definitiv meins. Was soll das? Wollen die mich verarschen? Meine Gedanken kreisen wie verrückt, doch ich kann die Situation nicht einordnen. Als ich mich weiter umschaue, entdecke ich eine Art Altar. Auf der Steinplatte liegen Schmuckstücke - Ketten und Ringe – und darüber hängt ein Bild von einer Frau. Daneben ist ein Zeitungsausschnitt befestigt, ich versuche ihn zu übersetzen:

Furchtbarer Vorfall – Frau fällt von Klippen

Am 04.07.16 kommt es zu einer Tragödie in Le Portel. Eine Frau stürzt in die Tiefe und stirbt an ihren Verletzungen. Sie hinterlässt ihren Mann und einen Sohn.

Das ist sie, die Frau des alten Mannes. Aber was soll die Aufmachung? Ich schließe das Tor, schaue mich um und gehe zurück. Es dämmert bereits, als ich an der Hütte ankomme. Niemand hat mich gesehen. Ich schließe mich in meiner Hütte ein. Bis zur tiefen Nacht, wenn alle schlafen, werde ich warten und dann mache ich mich aus dem Staub. Das ist mir zu suspekt. Ich werde Hilfe suchen und mit der Polizei zurück kommen. Die Stunden vergehen und ich warte bis kurz vor 2. Es regt sich nichts mehr. Doch als ich die Tür öffnen will, erschrecke ich. Das Licht vom Leuchtturm erstrahlt erneut. Egal. Ich öffne die Tür und schaue Richtung Straße. Was ist das? Mehrere Lichter nähern sich meiner Hütte. Es sind Fackeln. Eine Gruppe Menschen mit brennenden Fackeln in der Hand. Ich gehe zurück und schließe Tür und Vorhänge. Durch einen Ritz schaue ich nach draußen. Sie betreten die Terrasse. Alle murmeln etwas, es hört sich nach einem Gebet an: „Gloire au Père, et aus Fils et au Saint-Espit, pour les siècles des siècles. Amen.“

Das ist „le petite louange“, „das kleine Lob“, das hatte ich in der Schule. Immer und immer wieder diese Zeilen. Jemand rüttelt an der Tür. Sie schauen durch das Fenster.

„Kommen Sie mein Junge, es ist an der Zeit.“

Das ist der Alte. Ich muss weg, nur weg hier. Mit einem Stein wird das Fenster der Tür zerschlagen. Jemand steckt die Hand durch, dreht den Schlüssel und drückt die Klinke herunter. Ich schnappe mir einen Stuhl und schlage mit voller Wucht auf die Person ein. Doch es hat keinen Zweck. Die Meute übermannt mich, es sind einfach zu viele Hände, die nach mir greifen. Alles wird schwarz. Kurze Zeit später komme ich wieder zu Bewusstsein, doch ich kann mich nicht bewegen. Meine Beine und meine Hände sind an eine Stange gefesselt, die Leute hinter und vor mir tragen. Ich sehe die Fackelträger und ich sehe den Leuchtturm. Ich brülle, Doch der Schrei verhallt in den Klippen. Am Rande der Klippen, wo ich vor Kurzem noch nach Empfang suchte , lassen sie mich herunter.

„Lasst mich los, ihr seid doch krank!“ brülle ich, doch ein Tuch wird mir in den Mund gestopft. Im Augenwinkel sehe ich den alten Mann und den Altar aus der Scheune. Sie beten alle zusammen und der Alte kommt auf mich zu: „Hab keine Angst, es ist gleich vorbei. Dir wird eine Ehre zu teil. Als meine geliebte Frau vor zwei Jahren von uns ging, war es eine Tragödie. Doch was darauf folgte, war ein Geschenk. Jahrelang mussten wir kämpfen, um zu überleben, doch nach ihrem Tot änderte sich alles. Die Ernte war ausgiebig, die Touristen kamen zurück, gesunde Kinder wurden in unserer Gemeinde geboren. Also machten wir es zum Brauch, jedes halbe Jahr ein Opfer zu bringen, zum Wohl der Gemeinde.“, alle um ihn herum nicken zustimmend, „Der alte Leuchtturm zeigt der Gemeinde, wann der Auserwählte erscheint.“

Er nimmt mir den Knäuel aus dem Mund.

„Das ist reiner Irrsinn. Sie sind alle Mörder!“

Lassen Sie mich gehen, ich komme nie wieder und verrate es keinem!“

Sie tragen mich zum Abgrund.

„Man wird mich suchen!“, brülle ich.

„Aber nicht hier.“, sagt er.

Er spricht ein letztes Gebet, hält seine Hand über meinen Kopf und nickt den Leuten neben mir zu. Der letzte Gedanke, bevor ich aufpralle, geht um meine Freundin und dass sie nie erfahren wird, was hier passierte.


Epilog

Drei Monate später betritt eine junge Frau einen Campingplatz. Sie ist überrascht, dass der Mann an der Rezeption deutsch spricht. Sie zeigt ihm ein Foto von einem jungen Mann: „Haben Sie ihn zufällig gesehen? Sein Auto muss in der Nähe liegen geblieben sein.“

„Tut mir leid, wir haben sowieso selten deutsche Gäste hier.“, sagt er.

„Trotzdem danke.“, sie tritt heraus und schaut über die Klippen herauf bis zu einem alten Leuchtturm.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @Roland Deschain,

Nur kurz. Nach den drei nicht beantworteten Kommentaren unter deiner ersten Geschichte – du hast noch nicht einmal die angemerkten Fehler ausgebessert – unterstelle ich dir, dass du an einem Austausch nicht interessiert bist. Belehr mich gern eines Besseren! Den mittleren Teil, in dem er die Bewohner in der Scheune entdeckt, fand ich spannend. Es wäre schade, wenn du das Potential des Forums nicht nutzt, um deine Geschichte und dich voran zu bringen. Aber gut, musst du selber wissen. Insgesamt fehlte mir eine Wendung oder etwas Unerwartetes (Vampire; die Autowracks der Opfer türmen sich hinter der Klippe... :Pfeif: ) Denn die Handlung ist doch ziemlich vorhersehbar.


Tödliches Licht Tödliches Licht
Doppelter Titel!


Es war mir direkt suspekt mit meinem gebrochenem Französisch
mit meinem gebrochenen Französisch

Wozu die Leerzeilen im Dialogteil? Zeilenwechsel genügt.

"Suivez la route. Il y a un vieux phare, mais il ne functionne plus.", damit drehen sie sich um und gehen weiter.
Hm. Meine Französischkenntnisse stoßen hier an ihre Grenzen. Ein paar fremdsprachige Wörter, deren Bedeutung sich im Zusammenhang erschließen, sind völlig okay. Aber sowas bringt mir nix.


"Attention, monsieur.", sagt eine Stimme hinter mir und erschreckt mich zu Tode. Ich rutsche ein Stück, aber finde gerade noch Halt.
Ach, verrückt. Ich dachte an eine Frau. Vielleicht wegen der blumigen Landschaftsbeschreibungen? Oder waren es die fehlenden KFZ-Fertigkeiten? Ohje. Bin halt auch nicht frei vom Schubladendenken.


Lasst mich los, ihr seid doch krank!“
„Das ist reiner Irrsinn. Sie sind alle Mörder!“
Entscheide dich. Die Leute zu duzen erscheint mir in dieser Situation stimmiger.


Der letzte Gedanke, bevor ich aufpralle,
Mja. Ein Protagonist, der während des Erzählens stirbt ist wenig stringent, oder?


Epilog
Brauchst du das? Eine Kurzgeschichte sollte ohne (Prolog oder) Epilog auskommen, denke ich. Funktioniert doch auch, wenn der Absatz für sich steht, ohne das erklärende „Epilog“ darüber.

„Trotzdem danke.“, sie tritt heraus[hinaus] und schaut über die Klippen herauf bis zu einem alten Leuchtturm.
Die Sicht(weise) lässt sich auf freier Fläche schwer eingrenzen.

Damit, Tschö
wegen

 

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