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Tödlicher Instinkt

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29.07.2003
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Tödlicher Instinkt

John Nietke nahm die Nase wieder nach unten.
Er schraubte den Verschluß auf die Flasche und schob sie in die Innentasche seines schäbigen Mantels.
John war Schauspieler von Beruf. Außerdem jung und erfolglos.
Und er brauchte Geld.
Zur Zeit saß er auf einer Bank im Park unterm Mond. Die letzten Besucher des Stadtgartens waren gerade gegangen, ein Nachzügler kam an ihn vorbei.
Er stand auf, mit zwei Schritten war er hinter den Mann. Der Fußgänger war einen Kopf kleiner als er und schmächtig.
Der Schauspieler schob die rechte Hand in die Manteltasche und packte sein Opfer an der linken Schulter. Der Fremde fühlte plötzlich etwas hartes, von einem Durchmesser einer kleinen Münze in seinem Rücken.
> Keine Faxen, Mann! <
Der Kerl hob langsam die Arme und John sah, wie der Körper vor ihm zu zittern begann.
> Ok, Ok. Ich tue nichts! <
Die Stimme seines Opfers klang hoch und fiepsig.
> Du reichst mir jetzt vorsichtig dein Bargeld nach hinten und ich brauch deine Schuhe. Sie könnten mir passen! <
Zuerst erledigten sie die Übergabe des Geldes.
> Größe 41. Ist’s recht? <
Der Typ stotterte diesen Satz herunter und während er sich bückte, um die Schuhe auszuziehen, sah John, das die Innenseiten der Hosenbeine sich vom Schritt an dunkel färbten.

Ihnen fehlt der Instinkt und die Entschlossenheit eines begabten Mimen, sich selbst aufzugeben und in eine andere Rolle zu schlüpfen. Sie besitzen nicht mal genug Talent, um auf der Bühne annähernd glaubwürdig Guten Tag zu sagen!

Das hatte ihm dieser Mimikfatzke von Professor bescheinigt, in dessen Schule er sich Tag für Tag abgekämpft hatte.
Hier hätte er dabei sein sollen, wo er den Gangster mimte.
Der Fremde kam hoch und spürte jetzt wieder diesen Druck im Rücken.
> Und nun verschwinde, in den Park hinein! <
> Kann ich ihre Schuhe... . <
Der schmächtige Mann verstummte, dann ging er langsam vorwärts, barfuß und holprig über das Gras.
John wartete eine Weile. Vorhin noch überlegte er, ob er die Schnapsflasche dem Opfer ordentlich über den Schädel ziehen sollte. Doch der Schauspieler hatte den Plan verworfen, Blut war ihm zuwider.
Der Typ war aus seinen Augen. Nietke zählte das Geld nach; ein Lächeln huschte über sein Gesicht, dann wandte er sich um und ging.

> Einen Moment noch! <
John hörte die Stimme in seinem Rücken. Er drehte sich um.
Sein Opfer stand einige Meter vor ihm, in seinen Händen hielt er den größten Ballermann, den John je sah.
> Wenn du schon den harten Gangster mimst, dann richtig. Aber deine Gier erhob sich über deinen Verstand und deinen zappelnden Zeigefinger, den du aus meinem Rücken nahmst, als ich dir das Geld in deine rechte Hand reichte. Niemand, der einen Menschen mit einer realen Waffe bedroht, läßt diese einfach los. Auch nicht, wenn’s um Geld geht! Was ich nun tue, wollte ich schon die ganze Zeit tun. Nur hat sich meine Knarre vorhin im Hosenbund verhakt und ich mußte dir was vorspielen. Ach, noch was! Du gäbst einen verdammt schlechten Schauspieler ab! <

John Nietke sah eine Stichflamme, dann hörte er ein Brausen in den Ohren. Aber es war nicht sein Applaus.
Für ihn war es eine Gnade, das die Schmerzen in der Brust endeten, als sein letzter Vorhang fiel.

Im Westen, den 08. Januar 2004

Ende

 

Hi bluesnote,

ein schlechter Schauspieler erhält eine Lehrstunde. Seine letzte. Kurz ist die Phase, in der er sich für einen guten halten darf. Sein Professor hatte also doch Recht. Für die Kürze des Textes hast Du diesen Inhalt als klassische Kurzgeschichte überzeugend dargestellt, finde ich. Daher habe ich nur ein paar formale und stilistische Kritikpunkte:

- Bitte verwende die richtigen Anführungszeichen: „Bla.“ oder »Bla«.
- Das Zitat des Professors würde ich kursiv setzen.
- Dies: Zuerst erledigten sie die Übergabe des Geldes. würde ich konkretisieren, zumal sich am Ende zeigt, dass es wichtig ist. Motto: Show, don't tell.
- "Größe 41. Ist’s recht?" finde ich einen Tick zu flapsig, genaugenommen schlecht geschauspielert von dem guten Schauspieler.
- in seinen Händen hielt er den größten Ballermann, den John je sah. -> "gesehen hatte".
- das die Schmerzen in der Brust endeten, als sein letzter Vorhang fiel. -> dass

Fazit: sprachlich okay, nette kleine Geschichte, allerdings ohne viel Tiefgang.

Uwe
:cool:

PS: A propos im Westen: Findet die Geschichte im Stadtgarten hier in Gelsenkirchen statt?
PPS: Sehen wir uns am 24. bei der Lesung in Gelsenkirchen?

 

Hallo Uwe

Viel Tiefgang war natürlich nicht möglich bei dem bisschen Text. Erhebt die Story ja auch kein Anspruch drauf.

Stadtgarten Gelsenkirchen ist nebenan!
Da komm ich als Zuhörer.

Schaaaaaaalllke

Viele Grüsse.

Udo

 

Cool ;) Ich wusste gar nicht, dass Du auch hier in GE wohnst. Na, dann bis zum 24.!

 

Hallo bluesnote,
das ist eine nette unterhaltsame Geschichte, die Du hier präsentierst. Ich halte sie zwar nicht für preisverdächtig, aber absolut unterhaltend. Wenn Dir das genügt...ich bin im allgemeinen damit zufrieden.
Allerdings halte ich „seltsam“ nicht für die richtige Rubrik. Ich hab’s eben nicht als seltsam empfunden.
.............
Zur Zeit saß er auf einer Bank im Park unterm Mond.
............der Satz ist mir aufgefallen. Fand ich gut.

Gruß
Manfred

 

Hallo Manfred

Vielen Dank für deine Meldung.
Ein bisschen unterhalten, das wars ja auch, was ich wollte.

Gruss.

Udo

 

Hallo Bluesnote,

nette kleine Geschichte, deren Ende tatsächlich etwas seltsam wirkt.

Einen Fehler hab ich gefunden:
-->...sah John, dass die Innenseiten der Hosenbeine sich vom Schritt an dunkel färbten.

Es scheint mir nicht logisch, dass sich der Typ zuerst in die Hose pisst und dabei seine Knarre aus dem Hosenbund zu entwirren versucht. Er gibt ja am Ende zu erkennen, dass er das Schauspiel durchschaut hatte und erschießt den schlechten Schauspieler. Er war also stets in der stärkeren Position.
Hm...*grübel*

Ich finde auch den Titel nicht passend.
Warum hast du ihn gewählt?

Liebe Grüße
Apfel..

 

Hallo Apfelsineorange

Ich hätte es mehr rüberbringen müssen - ist es nun wirklich nur der Zeigefinger oder am Ende doch eine Waffe. Auf einer anderen Literaturseite hatte eine Autorin die richtige Idee. Der letzte Dialog des Überfallenen fiel einfach so gut wie weg. Dann passts besser.

Die Story fiel mir ein, als ich den schlechtesten Film meines Lebens sah-Deadly Instinct. Diesem Streifen widmete ich die Sequenz als Erinnerung daran, das Fernsehen tödlich sein kann.

Viele Grüsse.

Udo

 

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