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Sympathy for the Devil
Sympathy for the Devil
Die Sonne versank langsam hinter den im Westen hoch aufragenden Rockies und warf ihre letzten funkelnden Strahlen über das Land wie einen Fächer aus gesponnenem Gold. Im faszinierenden Schauspiels des Sonnenuntergangs glänzten die Regentropfen des kürzlich niedergegangenen Gewitters auf den roten und gelben Blättern der herbstlichen Bäume. Die Luft roch rein und frisch und ein Hauch von Ozon schien sich in diesen angenehmen Duft zu mischen.
Der dunkle Mann stand schon ein Weile dort kurz vor dem Ortsschild, dass das dahinter liegende kleine Kaff als „Little Green Spring“ auswies. Obwohl der Mann das ganze Gewitter dort im Schutz eine Haselnussstrauches stand und eine Zigarette geraucht hatte, war sein Gewand makellos trocken und sauber als wäre nie auch nur ein Tropfen vom Himmel gefallen, als er auf die Straßen hinaustrat.
Er war ganz in schwarz gekleidet und trug einen Anzug, der ziemlich teuer aussah, ein Hemd mit einer Krawatte und auf den Kopf einen Zylinder. Sein Augen waren seltsam dunkel, strahlten aber eine ziemlich Ruhe und Gelassenheit, fast schon wieder Spot aus, wenn man das geschäftige Treiben nach dem Gewitter beobachtete. Überall strömten Menschen aus den Häusern und betrachteten die vom Sturm angerichteten Schäden. Das passierte immer wen er irgendwo hinkam. Ein kleiner Autounfall, ein Unwetter, eine explodierende Gasleitung, ein leckes Wasserrohr oder einfach nur eine überfahrene Katze. Auf diese Geschehnisse hatte er meist keinen direkten Einfluss, sie geschahen einfach, hervorgerufen nur durch seine bloße Anwesenheit. Es war, als würde ihn eine Aura der Zerstörung umgeben. Nur ganz selten wurde dabei jemand verletzt oder gar getötet. Vielleicht nur um die darauf folgende Tat noch schrecklicher wirken zu lassen, sobald die Medien erst einmal davon Wind bekommen hatten.
Der Mann stand einfach mitten auf der Straße die sich einen kleinen Hügel runterschlängelte als wäre sie eine gigantische Schlange und blickte auf das hektische Treiben der Dorfbewohner hinunter.
Fast eine Stunde stand er so da und wartete, bis sich die Einwohner wieder in ihren Häusern verkrochen hatten. Als es endlich ruhig geworden war, war es stockdunkel und ein scharfer Wind pfiff. Die Sterne strahlten in ihrer ganzen Pracht. Durch den Sturm vorher waren die Gewitterwolken weiter getrieben worden und der Himmel klarte langsam auf. Der Mond warf sein fahles Licht auf die Erde. Leichter Bodennebel zog auf und legte sich wie ein unheimlicher Schleier über das Land.
Der Mann griff in die Innentasche seines Jacketts, zog ein schwarzes Zigarettenetui hervor und steckte sich eine davon schief in den Mundwinkel. Mit einem silbernen Zippo zündete er sich die Zigarette an. Es schien das Licht der Sterne einzufangen, denn als er es wieder wegsteckte, ging ein seltsamer fahler Schimmer davon aus und wenn man Peter Sandman gefragt hätte, der die klare Nacht nun nutzte um mit seinem Teleskop fest eingemummt in einen Parker, die Sterne zu beobachten, hätte schwören können das just in diesem Moment die Nacht um eine Spur dunkler und bedrückender wurde.
Langsamen Schrittes setzte der Mann seinen Weg fort und Peter Sandman verließ das Dach mit dem Teleskop unter dem Arm als seine Frau durch Dachfenster vernehmen ließ, das Essen sei fertig. So war also niemand mehr auf der Straße als der seltsame Wanderer den kleinen Ort Little Green Spring zum ersten mal betrat. Das gefiel ihm. Es war immer so. Die Menschen wichen ihm aus, wenn er kam, auch wenn sie sich dessen nicht einmal bewusst waren. Wenn er in der Nähe war fiel jedem ein Grund ein, warum er just in diesem Augenblick nach Hause musste. Ich habe noch Telefonate zu erledigen! Mein Frau kocht, und ich möchte nicht zu spät kommen! Ich muss den Videorekorder programmieren! Dutzende solcher Ausreden wurden verwendet, wenn er in die Nähe kam und das seltsame ist, dass die Leute diese Sachen wirklich zu tun hatten. Es waren nicht einfach faule Ausreden, sondern Tätigkeiten, die ihnen ganz genau dann einfielen, wenn etwas zu passieren drohte. Es war wie plötzlich eintretende Magenschmerzen vor einem Flug, die einem davor bewahrten vier Stunden später in einer vollbesetzten Maschine im freien Fall auf den Atlantik zu zustürzen. Warum Menschen so veranlagt waren, war wohl ein großes Mysterium aber irgendwie schienen die meisten von ihnen einen wirklich guten Schutzengel zu haben. Besonders dann, wenn Er in Spiel kam.
Seine Schritte klangen seltsam laut auf der verlassenen Straße, die durch den Ort führte. Er ging zielstrebig auf eines der Einfamilienhäuser, die die Straße säumten zu, und stellte sich an ein Fenster durch das er in die Küche blicken konnte.
Andy, Susan und der kleine Francis Lang stand neben dem Küchentisch. Andy, ein junger Familienvater der das Amt des Sheriffs in Little Green Spring bekleidete, stand mit einer Kaffeetasse in der Hand da. Seine kakifarbene Uniform war sauber und frisch gebügelt, sodass sich jede Bugfalte deutlich abzeichnete.
Andy hatte heute die Nachtschicht erwischt und musste in den Dienst. Nicht dass das heißen sollte es geben in der Nacht in einem kleinen Kaff wie Little Green Spring für einen Sheriff viel zu tun, aber irgendjemand musste zumindest auf dem Posten sein, falls einmal was passieren sollte. Hin und wieder musste er halt in der hiesigen Bar für Ruhe sorgen und ein paar Betrunkene in die Ausnüchterungszelle stecken. Das passierte allerdings nur wenn die Giants gegen die Mets spielten.
„So, ich werd mich dann mal auf den Weg machen.“, sagte Andy und trank seine Tasse aus. Bei dem Versuch sie auf den Tisch zu stellen entglitt sie seinen Fingern und zersplitterte am Fliesenboden der Küche.
„Verdammte Scheiße“ fluchte er und trat mit dem rechten Fuß gegen einen Stuhl der gegen die Tischkante geschleudert wurde. Sein liebevoller und gütiger Gesichtsausdruck den er zuvor hatte, als er sich von seiner Familie verabschieden wollte, war wie verschwunden und wich einer Zornesröte, wie sie Susan noch nie bei ihm gesehen hatte.
„Schatz beruhige dich doch!“ meinte Susan sanft und beugte sich hinunter um die Scherben aufzusammeln. „Ich mach das schon sauber, aber bitte fluche nicht mehr in Francis’ Gegenwart.“
„Sag mir nicht was ich zu tun habe“ fauchte er sie zwischen zusammen gebissenen Zähnen an. Er war jetzt richtig wild. Seine Adern traten aus seinem Hals und pochten im Takt seines erhöhten Herzschlages. Susan schaute erschrocken zu ihm auf. So hatte sie ihn noch nie erlebt. Es war so, als wäre er nicht er selbst.
„Andy!“ sagte sie streng. „Was ist los mit dir?“ Sie starrten ihn aus weit aufgerissenen Augen an und stand mit den größeren der Scherben wieder auf.
„Ich wird dir sagen was mit mir los ist!“, brüllte er sie an. „Mich kotzt diese ganze Scheiße an. Ich bringe mühsam das Geld nach Hause und du sitzt den ganzen Tag auf deinem fetten Hintern und ziehst dir eine dieser beschissenen Talkshows nach der anderen rein. Dann komme ich nach Hause, zerbreche eine Tasse und du hältst mich für zu dumm die Scherben selbst wegzuräumen.“
„Red doch nicht so einen Blödsinn“ sagte sie mit zittriger Stimme. Tränen formten sich in ihren Augenwinkeln und begannen auf wirren, zufälligen Bahnen die weiche Haut ihrer Wangen hinabzugleiten. „Du weißt, dass das nicht wahr ist. Ich wollte arbeiten, doch du meintest es sei besser bei dem Jungen zu bleiben und ...“.
„Natürlich ist es besser“ schnitt er ihr schroff das Wort ab. Sein Gesicht war zu einer verzerrten wütenden Maske geworden und seine dunklen Augen funkelten sie hasserfüllt an. „Besser für dich, damit du es hinter meinem Rücken mit der ganzen Stadt treiben kannst, du miese, dreckige kleine Schlampe.“
„Jetzt ist es aber genug!“ schrie sie unter Tränen. „Andrew Roman Lang, du weißt dass das alles Blödsinn ist, was du mir hier vorwirfst. Ich weiß nicht was los ist mit dir, doch am besten ist du gehst jetzt und kommst erst wieder wenn du wieder Herr deiner selbst bist!“
Sie sah ihn herausfordernd an. Andrew hob die rechte Hand, ballte sie zur Faust und schlug seiner Frau hart in den Magen. Ein hasserfüllter Schmerzesschrei entrang sich ihrer Kehle als sie nach hinten gegen die Wand geschleudert wurde. Ein paar Töpfe, die an Haken daran befestigt waren, fielen klirrend und klimpernd zu Boden. Einer traf sie hart an der Schulter und sie zuckte zusammen. Sie war fassungslos. Was war los mit ihm? Was ist in ihn gefahren? Sie konnte sich nicht erinnern ihn jemals so wütend gesehen zu haben. Die ganze Liebe, die sie für ihn empfunden hatte, schlug mit einem mal in Hass um.
Francis, der die ganze Zeit neben den beiden Erwachsenen gestanden hatte, fing plötzlich an, ohrenbetäubend zu kreischen. Erst jetzt löste er sich aus dem Schockzustand, in dem er sich die letzten paar Minuten befunden hatte, und schrie wie am Spieß.
„Hör auf zu schreien du kleiner Bastard“ fuhr Andy ihn an. „Ich schwöre dir, wenn du nicht gleich still bist, blas ich dir das Hirn raus du kleiner Scheißer. Er zog seine Waffe aus dem Halfter, entsicherte sie, lud sie durch und richtete sie auf seinen eigenen Sohn. Der Kleine kreischte weiter.
„Hör verdammt noch mal auf zu schreien. Ich schwör’ s dir, ich drücke ab.“ Er sah zu seiner Frau hinunter, die sich, noch immer etwas benommen, langsam wieder aufrappelte. „Sie nur zu, du kleine Schlampe! Erst erschieß ich ihn, dann dich du Hure!“ brüllt er sie an. Sein Kopf drehte sich wieder und sein scharfer Blick richtete sich wieder auf das Kind. Der Zeigefinger der rechten Hand spannte sich immer mehr um den Abzug und begann ihn langsam zurück zu ziehen. Nur noch wenige Millimeter und der Abzug würde den Zündmechanismus auslösen. Der Schlagbolzen würde gegen die Patronen rammen und das Projektil mit doppelter Schallgeschwindigkeit aus dem Lauf jagen, in das junge, unschuldige Fleisch des kleinen Francis.
Doch bevor es soweit kam sprang Andys Frau Susan auf, griff nach einem Messer, das zuvor im Messerblock auf der Anrichte gesteckt hatte und rammte es Andy, der nicht mehr als einen Meter von ihr entfernt stand, in den linken Oberschenkel. Der Sheriff brüllte auf vor Schmerz und holte mit der Hand in der er den Revolver hielt aus, um sie damit zu schlagen. Doch Susan reagierte blitzschnell, zog das Messer wieder aus der Wunde und duckte sich unter dem Schlag hinweg. In dem Bruchteil der Sekunde, den Andy benötigte, den in die leere gleitenden Schlag wieder abzufangen, stach sie wieder zu. Diesmal traf es seine Brust und die Klinge glitt tief ins Fleisch. Knochen knirschten, als sie von der Klinge getroffen und zerfetzt wurden. Ein fächerförmiger Schwall aus Blut strömte aus der Wunde und benetzte den sauber geschrubbten Küchenboden. Susan war in Raserei, hörte nur die verängstigten Schreie ihres Sohnes und die innere Stimme in ihrem Kopf, die sie verfluchte jemals diesen Typen geheiratet zu haben. Immer und immer wieder stach sie zu bis der leblose Körper ihres Gatten nach hinten fiel und im Sturz noch die Tischdecke mit sich riss.
Susan sank zitternd und erschöpft am Fußboden zusammen, umarmte ihren Sohn und versuchte ihn zu beruhigen während sie verstört auf den toten Körper ihres Mann starrte.
Der Dunkle Mann sah zufrieden auf und lächelte. Zugegeben es war nicht alles nach seinem Plan verlaufen. Eigentlich hätte jetzt keiner der drei mehr am Leben sein sollen. Zuerst hätte sie Andrew in seinem Wahn alle töten sollen und nachher, wenn er wieder Herr seiner Sinne war, hätte er sich für die blutige Tat selbst richten sollen. Damit, das Susan so reagieren würde, hatte er nicht rechnen können. Sie musste einen wahrhaft mächtigen Schutzengel haben. Trotzdem hatte er das Glück einer jungen, liebenden Familie zerstört und das reichte ihm auch.
Langsam drehte er sich wieder zur Straße um, fischte eine Zigarette aus dem Etui im Jackett und zündete sie mit seinem silbernen Zippo wieder an. Als er es wieder wegsteckte, ging ein seltsames Glühen von ihm aus. Seine Schritte führten ihn auf die Straße und raus aus Little Green Spring. Als er sich in der Dunkelheit der Nacht verlor, konnte man von irgendwoher eine leise melodische Stimme vernehmen, die einen alten Klassiker der Stones sang:
Please allow me to introduce myself,
I’m a man of wealth and taste …