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Sydney & Sam

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19.11.2002
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Sydney & Sam

Samstag, 19.04.03, 00.45 Uhr

Liebe Sydney,

entschuldige bitte meine überstürzte Abreise, aber ich hatte die die Schnauze wirklich voll davon, dass Du niemals weißt was Du willst. Selbst wenn Du weißt, was für Dich gut wäre zauderst Du ständig – mit Dir, Deinem Gewissen, Deinem Vater, den Konventionen – mit Gott und der Welt.
Ich konnte einfach nicht mehr.
Entscheide Dich.
Du fehlst mir,

Sam

Sonntag, 20.04.03, 19.38 Uhr

Hi Sam!

Ich hasse Dich. Hasste Dich. Ich … Mist – fühl mich so leer. Wo bist Du? Woher schreibst Du? Wie kannst Du es nur wagen mich hier einfach in all dem Schlamassel alleine zu lassen? Ich fasse es einfach nicht. Dampfst einfach ab, bist weg, bist wo auch immer, warum auch immer …

Weil ich nicht aus meiner Haut kann? Weil ich nicht mehr weiter weiß? Du solltest mich doch eigentlich unterstützen – nur für den Fall, dass Du wirklich mein Partner sein willst!

Na ja, wie auch immer. Wär’ nett wenn Du mich wissen ließest, wo Du steckst.

Verzweifelt,
Syd


Dienstag, 22.04.03, 01.54 Uhr

Süße,

sorry, aber welcher Schlamassel? Deine selbstgebaute Bredouille ist doch nun wirklich nicht mein Fehler, oder?

Ich werde Dir nicht mitteilen, wo ich stecke – es sei denn, Du entscheidest Dich für MICH.
Und zwar mit Herz und Haut und Hirn.

Thats all,
Sam

Dienstag, 22.04.03, 07.49 Uhr

Hallo Sam!

das war wirklich nicht die Nachricht, die ich gerne gelesen hätte – egal.

Ich hätte einfach Deine Unterstützung gebraucht, Deine Zuwendung, Deine Liebe …
Aber davon willst Du ja nichts hören. Alles einfach, alles selbstverständlich – und das in unserer Situation.

Bin grade vom Büro nach Hause gekommen, total fertig – die nehmen mich unheimlich her in diesem Job, das kann ich Dir sagen (falls Dich das überhaupt interessieren sollte).

Nun ja. Du willst nicht sagen wo Du steckst und ich weiß einfach nicht weiter.

Traurig und ratlos,
Syd


Mittwoch, 23.04.03, 02.01 Uhr

Hi Süße,

bin wirklich verwirrt. Worauf arbeitest Du eigentlich hin? DU brauchst MICH? Ich lache – und das lauthals. Das hättest Du haben können. Aber das ewige hin & her, das ewige vor & zurück, das mache ich nicht mit. Ich bin erwachsen und für das was ich will, brauche ich weder Konventionen noch viele Worte.

Sam


Mittwoch, 23.04.03, 07.24 Uhr

Guten Morgen Sam!

Das ist wohl lächerlichst!!! Du teilst mir nicht einmal mit, wo Du Dich aufhältst – geschweige denn, wieso Du mir immer zu nachtschlafender Stunde mailst (obwohl ich mir das durchaus denken kann) – und Du beschwerst Dich über MICH!?! Ich bitte Dich. Mach mal einen PUNKT.

Zornig,
Syd


Freitag, 25.04.03., 00.21 Uhr

Süße,

dazu gehört viel, aber JETZT machst Du MICH wütend. Was soll das alles? Wer hat unsere Probleme gemacht? Ich werde Dir nicht eher mitteilen, wo ich stecke, bevor Du – meine Teuerste – endlich Nägel mit Köpfen gemacht hast.

Und was zum Teufel sollen diese Zeit-Anspielungen?

Bevor Du Dich fragst, was ich tue, solltest Du Dich fragen, wer Du eigentlich bist? Comprende?

Das ist doch idiotisch. Du fehlst mir – sehr, …

…,
Sam


Freitag, 25.03.03., 23.15 Uhr

Sam, mein Schatz!

Das erste Wochenende ohne Dich (vor einer Woche das selbige zählt nicht, da war ich gar nicht bei mir …). Mir ist zum heulen. Ich bin wütend. Ich bin verletzt. Ich bin total durcheinander.

Und übrigens: die Uhrzeit sind/ist keine Anspielung/en – einfach nur eine Tatsache. Du hast mir noch kein einziges Mal eine Mail zu einer normalen Stunde gesendet. Da macht man sich doch Gedanken. Gerade Du …

Gute Nacht, Sam.

Tieftraurig,
Syd


Sonntag, 27.04.03, 10.01 Uhr

Gerade ich was?

Sam


Sonntag, 27.04.03, 12.45 Uhr

Hi Sam!

Die endlich „normale“ Uhrzeit Deiner Mitteilung wiegt in keinster Weise deren (nicht vorhandenen) Inhalt auf.

Trotzdem zu Deiner Frage:
Gerade Du, mit Deinen kurzgeschnittenen, hellblonden Haaren – mein Igel.
Gerade Du, mit Deinen betörend hellblauen Augen.
Gerade Du, mit Deinem durchtrainierten, doch anschmiegsamen Körper.
Gerade Du.

Du, Du, Du.
Viele Frauen sehen Dir nach. Du erhascht den Blick von jeder Einzelnen. Immer.

Du.

Was kann ich noch sagen,
Syd


Sonntag, 27.04.03, 1.02 Uhr

Syd, Herzchen,

was soll ich dazu sagen? Das, was Du gerne hören möchtest? Ich bin doch nicht gegangen um mir eine andere zu suchen. Lass mal die Kirche im Dorf.

Ich hab mich davon gemacht um Ruhe zu haben – vor Deiner Familie, Deinem Vater im Besonderen (so übermächtig, allumfassend, alles und jeden verschlingend – und das trotz seines Zustandes), und damit letztlich vor Dir.

Dabei warst Du immer all das, was ich wollte. Doch Du brauchst täglich unendlich viele Worte, um zu glauben, was für mich selbstverständlich ist.

Alles Liebe,
Sam


Dienstag, 29.04.03, 18.17 Uhr

Sam Du ...!

Bin mal zur Abwechslung zu einer christlichen Zeit aus dem Office entkommen.

Du weißt doch genau, was ich meine, verdammt noch mal.
Du schlägst Dir Deine Nächte um Dir Ohren. Jede verdammte Frau sieht Dir nach. Du ziehst sie alle mit Deinen Blicken aus. Ich kann mir Deiner niemals sicher sein – vor allem weil Du nie über Deine Gefühle sprichst.

Und lass mal meinen armen Vater aus dem Spiel – von ihm habe ich vorletzte Nacht erst wieder geträumt, und das war gar nicht spaßig, kann ich Dir sagen.

Völlig außer sich,
Syd


Mittwoch, 30.03.03, 02.59 Uhr

Hi Mädchen!

Genau darum geht es: Du hast mal wieder von Deinem Vater geträumt. Big Daddy. Und wegen ihm hatte ich nie eine Chance bei Dir – große Liebe hin oder her. Irgendwie passe ich nicht in Euren Clan. Er konnte mich noch nie leiden, er hat nie verstanden, was zwischen uns abläuft.

Vergiss mal die anderen Mädels, die mir angeblich so hinterher schwänzeln.
„Gott“ Vater hat Dir mal wieder gesagt was gut und richtig bzw. schlecht und falsch ist.
Was Du jedoch nicht erwähnt hast ist des alten Herren Zustand! Er ist nämlich t-o-t.
Ganz egal, wie oft er Dir in Deinen Träumen erscheint.

Na dann: angenehme Träume von Paps,
Sam.

P.S.: Ich schreibe im Übrigen zu so nachtschlafender Stunde, weil ich auf die Schnelle keine andere Möglichkeit sah meinen Lebensunterhalt zu verdienen, als mich in einer Bar zu verdingen. Alles klar?


Donnerstag, 1.05.03, 21.12 Uhr

Sam,

Für die P.S.-Information wäre ich schon sehr viel früher sehr, sehr dankbar gewesen …

Zu allem anderen:

Lass bitte meinen geliebten Vater aus dem Spiel. Ja er ist tot – und ich weiß das. Dass er mir in meinen Träumen erscheint macht es mir auch nicht gerade leichter.

Ich WILL ja nur mit Dir zusammen sein – glaub mir das bitte, bitte, bitte. Es ist nur so verdammt schwer, sich dazu zu bekennen.

Denke Tag und Nacht an Dich (und an all die Mädels, die Dir weiß Gott wo auf Dein knackiges Hinterteil schauen …)

Kaum mehr zu retten,
Syd

Sonntag, 04.05.03., 14.20 Uhr

Liebe Sydney!

Nach 14 Tagen meinen ersten, richtigen freien Tag genossen und mich mal ordentlich ausgeschlafen.

Wollte Dich und Deine Family nicht beleidigen, aber Du weißt genau, was ich von Gedankengängen a la Big Daddy halte.

Sobald Du Dich entschieden hast, komme ich zurück – aber das muss 100%-ig sein.
Und erwarte nicht ständig ein Statement in der Öffentlichkeit von mir, das nur den einzigen Zweck erfüllt, Dir über DEINE Unsicherheit hinwegzuhelfen.

Sam


Mittwoch, 7.05.03, 22.14 Uhr

Hi Sam!

Du hast nicht ganz Unrecht. Ich bin die jenige, die zaudert. Aber meine Herkunft, meine Erziehung, und mein Vater (ja, ja – ich habe wieder von ihm und seiner scheltenden Hand geträumt) machen mir mein heutiges Dasein nicht ganz einfach.

Ich möchte mit Dir zusammen sein. Komm nach Hause.

Hoffend,
Syd

Freitag, 08.05.03, 01.17 Uhr

Süße,

Du fehlst mir tatsächlich.

Wo wird Paps sein, wenn ich nach Hause komme? Alles klar mit ALLEN? Oder taucht er immer wieder und wieder auf? Ich bin ein gebranntes Kind, sorry.

Sam

Freitag, 08.05.03, 01.57 Uhr

Guten Abend/Nacht/Morgen Sam!

Papa habe ich das letzte mal (ja ich habe noch einmal von im geträumt, das halte ich auf die Dauer ohnehin nicht aus) gesagt, er solle sich aus meinem Leben raushalten!!!

Wie lange bist Du jetzt fort? Drei Wochen, drei Monaten, drei Jahrzehnte?

Komm zu mir – ich warte.

Sehnsüchtig,
Syd

Sonntag, 10.05.03, 05.38 Uhr

Morgen Süße,

ich habe gestern meine „tollen“ Job hingeschmissen (in dem irrwitzigen, ja vermutlich sogar selbstmörderischen Glauben, Deinem Wort vertrauen zu können) und mach mich nun auf den Weg – bin spät dran, will den Zug zu meinem Mädel nicht verpassen.

Worte sind noch immer Schall und Rauch für mich – Taten zählen. Ich bin auf dem HEIMWEG, mehr musst Du nicht wissen.

Kannst es Dir noch immer anders überlegen …

Bis bald,
Sam

EPILOG


Sonntag, 10.05.03, 20.49 Uhr – BAHNHOF

Sydney war völlig nervös. Drei Stunden hatte sie im Badezimmer verbracht. Sie sah wirklich entzückend aus. Ihr langes, honigfarbenes Haar, frisch geföhnt und in lockeren Wellen über Ihre runden Schultern hinabfallend. Dezent geschminkt – so aufgeregt wie sie war hätte sie sich nicht getraut, sich richtig zu schminken (man schwitzt sich ohnehin alles gleich wieder runter und sieht dann eher wie ein Clown aus) und sie trug bequeme, aber sehr vorteilhafte Kleider.

Reisender an Reisender zog an ihr vorbei. Genau DAS hatte sie befürchtet. Sam war offenbar nicht dabei. Fahrig zündete sie sich die x-te Zigarette des heutigen Tages an. Wo war Sam?

Als alle, die hier aussteigen wollten, weg waren – hinein in die Halle, in ihr Leben, in die Arme ihrer Liebsten – trat Syd ihre Zigarette aus und blickte noch einmal den Bahnsteig entlang.

Ganz hinten – oder vorn, je nach Betrachtungsweise – machte sie im Dunst der Großstadt eine Gestalt aus. Groß, sehr schmal, sehnig, mit kurzem, grellblondem Haar und unkonventioneller Kleidung.

„Wäre ich die Figur eines Romans“ wurde Syd pathetisch, „würde jetzt mein Herz anfangen, gegen meine Rippen zu pochen“, und genau das tat es, als sie langsam anfing, zu laufen.

Dann schneller, immer schneller, bis sie ein paar Meter vor dem Rücken dieser großen, schlanken Person stehen blieb und kurz inne hielt, um diesen wohlgeformten Kopf, der sich der untergehenden Sonne entgegen reckte, von seiner Kehrseite zu betrachten.

Zaghaft klopfte sie auf den Rücken dieses „beinahe“-Phantoms und sagte schüchtern, ganz leise zu ihrem noch gesichtslosen Traumwesen: „Hi Sam“.

Die Gestalt nahm Syd’s Hände aus ihrem Haar und verhaarte noch einen kurzen Augenblick schweigend.

Erst dann drehte sich Samantha um.

„Hi Süße“, sagte sie sanft, „ich bin zu Hause.“

 

Hallo Dominique.
Du sprichst ein oft gelesenes Thema an: Das der Lesbenbeziehung. Leider liest man ähnliches des öfteren unter Gesellschaft. So habe ich mir ungefähr bei der Hälfte deiner Geschichte bereits gedacht, worauf das hinauslaufen wird.
Das einzig neue und durchaus interessante an deiner Geschichte ist die Art und Weise. Die Idee die Geschichte per e-mail-Kontakt zu erzählen, ist nicht schlecht.
Sieht man einmal von dem angestaubten Thema ab, hast du eine gute Geschichte geschrieben.

Punaro

 

Hi Punaro!

Tja, ich wußte auch nicht recht in welche Rubrik ich diese Geschichte stellen sollte.

In meinem Bekanntenkreis ist sie sehr gut angekommen, da es halt keine Rubriken gibt, wenn man seine Stories einfach so von Freunden lesen lässt und daher der Überraschungseffekt - nämlich das Sam eine Frau ist - riesengroß war. Besonders da ich eine Hetero-Frau bin haben meine Bekannten mit einer solchen Wendung nicht gerechnet.

Die Form fand ich auch selbst recht originell (die Mailerei meine ich), ist doch einmal etwas anderes.

Danke jedenfalls für Deine Kritik.

Liebe Grüße,
Dominique

 

Ich habe ja auch nicht gesagt (bzw. geschrieben;)), dass die geschichte schlecht ist. Es war einfach abzusehen, da man in der Rubrik Gesellschaft ja auch mit einer bestimmten Erwartung an die Geschichten geht. Man wartet regelrecht auf den gesellschaftlichen Fehler oder den Zustand, den der Autor beschreibt (zumindest ist es bei mir so).
Mach dir nichts draus, schreib weiter so fantasiereich und lass dir den Spaß nicht nehmen :thumbsup:

Everything is clear:headset:
Punaro

 

Hi Dominique!

Deine Geschichte hat mir gut gefallen, wobei auch ich schon vor dem Ende geahnt habe, worauf sie hinausläuft. Zudem finde ich das Thema auch nicht so ausgelutscht. Die Erzählweise, die Kommunikation über e-mail, finde ich sehr gelungen. Was mir persönlich etwas fehlt, ist die Kritik an der Gesellschaft, was jedoch nur meine ganz persönliche Meinung ist und die Geschichte als solche nicht schlechter macht.

bis denne,

Flamingo

 

Hallo Dominique,

auch mir hat Deine Geschichte sehr gut gefallen! Darauf, daß Sam ne Frau ist, wäre ich nie gekommen, von daher war auch für mich der Überraschungseffekt riesengroß!
Auch die Besonderheit der Story (E-Mail-Schreibform) finde ich originell.

Griasle,
stephy :)

 

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