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Superstitio
Prolog
Not a word of goodbye, not even a note
She´d gone with the man in the long black coat
(Bob Dylan)
Das Zimmer war tot. So tot wie ihre Tochter. Ein Mausoleum der Erinnerung, das sie ein halbes Jahr nicht mehr betreten hatte. Der Fernseher, die Bücher, alles war mit einer grauen Patina überzogen. Als sie sich umsah, zitterte ihr ganzer Körper. Dass sie die Türschwelle übertreten hatte, würde ihre Psychologin sicher als wichtigen Schritt bezeichnen, aber sie fühlte gar nichts. Keine Erleichterung, keine Trauer, nur Leere.
Am Tag nach der Beerdigung hatte ihre Schwester die Bettwäsche abgezogen. Es war besser so. Sonst hätte man glauben können, Katja wäre gerade aufgestanden um zu frühstücken. Außerdem hatte sie aufgeräumt. Sachen wie angetrunkene Cola-Flaschen und schmutzige Wäsche konnte man nicht liegen lassen. Der Rest blieb unangetastet. Ihr Mann hatte es nicht übers Herz gebracht, das Zimmer auszuräumen. Ob es bei ihr auch so war, wusste sie nicht. Die letzten Monate waren wie ausgelöscht.
So also war es. Das Ende. Der endgültige Abschied. Vier Wände, in denen ihr Kind sechzehn Jahre gelebt hatte, umschlossen nur noch Stille.
Ein lautes Schluchzen drang aus ihrer Kehle und die Augen füllten sich mit Tränen. Sie schlang die Arme um ihren abgemagerten Körper und ließ ihrem Schmerz freien Lauf. Warum? Warum hatte man ihr Kind genommen?
Durch den Tränenschleier blickte sie auf die ungewohnte Ordnung. Wie viele Jugendliche hatte Katja nicht oft aufgeräumt. Da jetzt alles an seinem Platz war, wurde sie nicht ganz so drastisch an ihren Verlust erinnert. Sie ging zum Bett und strich über die Matratze. Mein Kind, mein Engel. Nie wieder würde sie hier schlafen.
Ihre Zehen stießen auf etwas unter dem Bett. Es fühlte sich an wie Holz. Aber da war noch etwas anderes. Kalt und unangenehm. Sie ging in die Hocke und fasste unter den Rahmen. Langsam zog sie das Ding hervor. Je mehr sie sah, desto übler wurde ihr.
Es war schwarz und abstoßend. Eine flüchtige Berührung. Hilf mir!
1. Akt
Not aware of a presence so near to me
Watching my every move
(Iron Maiden)
Zwei Kästen Bier, drei Tetra Paks Wein und eine Flasche Asbach Uralt. Asbach Uralt? Wer hatte den denn mitgebracht? Katja verzog das Gesicht und schob das Leergut zusammen. Der Geruch, der aus den leeren Flaschen aufstieg, war widerlich. Fast hätte sie noch mal gekotzt.
Sie schloss die Haustür. Bongo würde das Zeug schon mitnehmen, wenn er aufstand. Allerdings konnte das bei ihm noch ein Weilchen dauern. Wenn er einen richtigen Kater hatte, würde er nicht vor drei Uhr aus dem Bett kommen. Anschließend würde er erst mal einige Stunden auf der Couch liegen und jammern, weil ihm so schlecht war. Man kannte ihn ja. Katja seufzte und strich sich die langen Haare nach hinten.
Als sie in die Küche ging, kniff sie die Augen zusammen. Durch die Terassentür strahlte die Sonne und verschlimmerte ihre Kopfschmerzen. Es war Zeit, lebensrettende Maßnahmen einzuleiten. Ein Aspirin und eine Kanne Tee würden sie wieder funktionstüchtig machen.
Wenigstens war ihr nicht mehr schlecht. Ein kleiner Vorteil, wenn man die ganze Nacht über der Kloschüssel gehangen hatte. Sie schaltete den Wasserkocher ein und sah auf die Uhr. Halb zwei. Gut, man konnte ja mal einen kleinen Weckversuch starten.
Auf dem Weg zum Gästezimmer achtete sie auf Müll und Scherben. Es war nicht so wild zugegangen, aber man konnte ja nie wissen. Wenn ihre Eltern aus dem Urlaub zurück kamen, und das Haus wie ein Schweinestall aussah, hätte sie ein ziemliches Problem. Sie würden vielleicht nicht austicken. Aber die pikierten Ratschläge ihrer Mutter wären schon schlimm genug.
Wankend stieg sie die Treppe hoch. Ihr war so schwindlig, dass sie sich am Geländer festhalten musste. Oh Alkohol, du böser Geist. Obwohl, soviel hatte sie doch gar nicht getrunken?
Im Flur hörte man bereits lautes Schnarchen. Bongo musste halb bewusstlos sein. Sie überlegte kurz, ob sie den Fotoapparat holen sollte, fand es aber dann zu gemein. Leise öffnete sie die Tür.
Das Zimmer war durch die Rollos abgedunkelt, aber man konnte noch genug erkennen. Bongo lag auf dem Rücken und sah aus wie ein gestrandeter Wal. Er hatte sich nur das T-Shirt ausgezogen, die Jeans hatte er nicht mehr geschafft. Sein behaarter Bauch quoll über den Rand der Hose. Es roch stechend nach Schweiß und Alkohol.
Katja zog das T-Shirt über die Nase und ließ die Rollos hoch. Das ratternde Geräusch zeigte Wirkung. Ein gequältes Stöhnen verriet ihr, dass er wach wurde. Das Bett quietschte, als er sich auf die Seite wälzte.
„Morgen“, sagte Katja, erhielt aber nur ein Ächzen als Antwort.
„Wie spät ist es?“ Er hatte den Kopf im Kissen vergraben und seine Stimme klang gedämpft.
„Halb zwei. Wie geht’s dir?“
Er stöhnte wieder. „Meinen Schädel zerreißt´s und mir ist sauschlecht.“
„Möchtest du ´nen Tee?“ Sie war schon halb aus dem Zimmer. Der Gestank war unerträglich.
Er richtete sich auf. Seine kleinen Augen waren rot und glasig. Er rieb sich die Stirn. „Oh, ist mir schlecht!“
Sie zog Tabletten aus ihrer Jogginghose und warf sie ihm aufs Bett. „Nimm zwei davon. Die helfen.“
„Ah, danke. Hast du meine Brille irgendwo gesehen?“
„Am Boden, neben dir. Willst du jetzt ´nen Tee?“
Er griff nach der dicken, schwarzen Hornbrille und räusperte sich. „Mir ist noch zu schlecht. Aber ich komm dann runter.“
Katja grinste und schloss die Tür. Es war immer dasselbe. Er wusste einfach nicht, wann er aufhören musste. Trotzdem tat er ihr leid. Er starb wahrscheinlich tausend Tode. Aber sie würde ihn schon wieder aufpäppeln. Ein kleines Frühstück. Mal sehen, was noch da war, vielleicht...
Plötzlich hielt sie inne. Gerade als sie die Treppe hinab steigen wollte, bot sich ihr ein merkwürdiger Anblick. Die Treppe bewegte sich. Die Stufen wogten auf und ab. Wie Wellen. Sofort kehrte auch ihre Übelkeit zurück. Sie schloss die Augen. Öffnete sie wieder.
Alles war wieder normal. Sie atmete kurz durch. So schlimm war es noch nie gewesen. War der Wein gestern Abend vielleicht schlecht gewesen? Sie nahm vorsichtig eine Stufe nach der anderen, ohne die Hand vom Geländer zu nehmen. Das Schauspiel wiederholte sich nicht. Jetzt brauchte sie wirklich etwas zu trinken.
In der Speisekammer suchte sie Tee, Marmelade und Toasts zusammen. Kein überwältigendes Frühstück, aber Bongo würde ohnehin nichts essen.
Da sie keine Hand mehr frei hatte, stieß sie die Küchentür mit dem Ellbogen auf. Doch weiter kam sie nicht.
Ein schwarzer Blitz zischte zwischen ihren Beinen hindurch und brachte sie aus dem Gleichgewicht. Der Toast und die Teepackungen fielen ihr aus der Hand, als sie sie sich abfing. Sie drehte sich um. Ihre grünen Augen hatten einen zornigen Ausdruck angenommen. „Mohrle, du blödes Vieh! Pass doch...“ Sie erschrak.
Die Katze verhielt sich anders als gewohnt. Wenn sie einem vor die Füße lief, war das nur Spaß oder einfach Freude. Aber diesmal war das Tier eindeutig aggressiv. Oder vielmehr: Es hatte Angst. Sie saß geduckt auf dem Boden, die Ohren waren dicht angelegt und sie fauchte. Katja konnte sich nicht erinnern, wann ihr Haustier das letzte Mal gefaucht hatte. Und jetzt hörte sie gar nicht mehr auf. Die Schnauze war weit aufgerissen, und man erkannte die spitzen Zähne und die rosafarbene Zunge. Katja streckte die Hand aus. „Mohrle, was hast du?“
Das Tier miaute laut und kratzte sie in die Hand. „Au! du verdammtes...“
Die Katze fauchte noch einmal und rannte weg. Mit gewaltigem Tempo nahm sie die Treppenstufen und war verschwunden. Katja betrachtete ihre blutende Hand. Was war denn bloß los? War Mohrle krank? Sie spielte bereits verschiedene Szenarien durch, in denen sie verzweifelt versuchte, das Tier in den Katzenkorb zu zwängen. Außerdem musste sie irgendwie zum Tierarzt kommen. Ob Bongo sie da fahren konnte?
Die Kälte riss sie aus ihren Gedanken. Sie hatte wegen der Katze gar nicht gemerkt, wie eiskalt es im Flur war. Auf ihren Armen bildete sich bereits eine Gänsehaut, und es schüttelte sie. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihrer Magengrube aus. Hier war etwas nicht in Ordnung.
Wie an einem Wintertag wurde ihr Atem in kleinen Wolken sichtbar. Sie schlotterte. Draußen schien die Sonne. Und hier lag die Temperatur eindeutig unter dem Gefrierpunkt. Sie rieb sich die Arme. Die Haut begann schon zu schmerzen. Sie wollte zur Heizung gehen, als ihr noch etwas auffiel.
Es schien immer dunkler zu werden. Die Schatten in den Ecken schienen sich auszubreiten. Das Licht wurde scheinbar weggesogen und eine erstickende Schwärze umfing sie. Lebhafte Vorstellungen tauchten plötzlich auf. Sie wollte dagegen ankämpfen, denn es war nicht sie, die dachte. Es war, als könnte sie die Gedanken eines Fremden lesen.
Lass mich sterben – Ich warte am Fluss – Du kommst mit mir – Was hast du getan?
Raum und Zeit waren aufgehoben. Katja stand nicht mehr im Flur. Sie sah Lehmbauten. Feigenbäume. Kerzenschein. Ich warte – Wehr dich – Sei still – Du gehörst ihm nicht – Sei still, sagte ich!
„Katja?“ „Hey, alles in Ordnung?“
Sie schüttelte den Kopf und zwinkerte. Bongo stand vor ihr. Er hatte sich sein ausgewaschenes Metallica Shirt wieder angezogen und sah sie besorgt an.
Katja würgte, ihre Knie wurden weich. Bongo konnte sie gerade noch rechtzeitig auffangen. Die Augen hinter seinen Brillengläsern waren weit aufgerissen. Er schien schlagartig wieder nüchtern zu sein.
„Katja! Oh Gott, was ist denn los? Katja, hörst du mich?“
Sie zwinkerte ein weiteres Mal. Langsam wurde ihr Blick wieder klar. Sie erkannte sein rundliches Gesicht. In seinem Oberlippenbart hing ein Rest Zahnpasta. Der Anblick war irgendwie tröstlich. Sie versuchte sich aufzurichten, fiel aber entkräftet zurück. Lautlos begann sie zu weinen.
Bongo umarmte sie. „Hey. Schon gut. Das war nur der Kreislauf. Das wird schon wieder.“
Sie schluchzte. „Nein. Das war was anderes. Es war eiskalt und irgendwie... Ich glaub ich spinne.“
Er sah sie an. Die Situation überforderte ihn etwas, denn Katja zeigte selten Schwäche. Und erst recht nicht ihm gegenüber. Normalerweise war es eher umgekehrt. Unsicher streichelte er ihren Rücken und versuchte beruhigend zu wirken.
„Ach, Blödsinn. Wir haben gestern alle ein bisschen zu viel gehabt. Hast du was geraucht?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Ja, dann passt´s schon. Nur der Kreislauf. Passiert manchmal.“
Sie schniefte. „Ich glaub, die Katze ist krank.“
„Warum?“
„Weiß nicht, die hat sich total aufgeführt.“ Sie blickte unruhig zur Treppe.
„Ach, die hat sich bloß gestern so aufgeregt. So viele Leute, das macht die nervös.“
„Ich weiß nicht. Ich glaub, ich such sie dann mal. Könntest du zum Tierarzt fahren, wenn wirklich was ist?“
Er kratzte sich am Kopf. „Mir ist schlecht. Ich glaub, ich darf noch gar nicht fahren.“
Katja schob die Unterlippe ein wenig vor, und er musste lachen. "Ja, wird schon gehen. Aber wenn ich unterwegs kotzen muss, bist du schuld."
„Die Tabletten helfen schon.“ Vorsichtig stand sie auf. „Ich brauch jetzt echt ´nen Tee. Du isst wahrscheinlich nichts?“
Sein Gesicht verzog sich. „Lieber nicht. Ich warte noch ein bischen.“
„Ok. Übrigens, du hast Zahnpasta im Bart.“
Verschämt wischte er sich die Lippen ab.
2. Akt
Whilst others here are sleeping sound
I'll slip away by floorboard creak
(Siouxsie and the banshees)
Mohrle saß geduckt unter der Couch und beobachtete das Geschehen im Wohnzimmer. Da war Katja, die ihr das Futter brachte und der man vertrauen konnte. Und ein anderer Mensch, der schon ein paar mal hier gewesen war. Bei ihm war sie noch etwas vorsichtig. Er streichelte sie und tat ihr nichts, aber Mohrle war keine Katze, die schnell Freundschaft schloss.
Noch etwas? Sie horchte. Konzentrierte ihre Sinne. Als sie Katja zwischen die Füße gelaufen war, hatte sie etwas in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Ihre Wahrnehmung war explodiert, als würde
die Erde erbeben. Etwas sehr gefährliches hatte bei Katja gelauert.
Doch jetzt war es scheinbar verschwunden. Sie konnte nichts mehr spüren. Zögernd kroch sie vorwärts. Am Rand der Couch wartete sie kurz und lauschte. Nichts. Langsam kroch sie vorwärts. Der andere Mensch sagte etwas. "Schau mal wer da kommt."
Katja ließ die Zeitschrift sinken. "Mohrle. Da bist du." Sie wollte aufstehen, unterdrückte aber den Impuls, um das Tier nicht wieder zu ängstigen. Mohrle sah sich neugierig im Zimmer um, ging ein paar Schritte und sprang auf ihren Schoß. Katja begann sie am Kopf zu kraulen. "Hey, du Spinnerin. Geht´s dir wieder gut?" Wie als Antwort rollte sich die Katze zusammen und schnurrte.
"Doch nicht krank?", fragte Bongo und schlürfte seinen Kamillentee.
"Hm, sieht nicht so aus. Ich weiß nicht, was die hatte."
"Die war durcheinander. Gestern war´s laut und voll. Vielleicht hat der Stefan sie auch wieder geärgert."
"Ach, der Blödmann." Katja verzog das Gesicht, was ihn nicht unbedingt störte. Es war immer gut, wenn sie schlecht über das Cliquen-Genie sprach.
"Dich hat er ja auch noch ganz schön in die Mangel genommen, oder?", fragte er, während er das Loch in seinem Socken betrachtete.
"Ja. Wollte mich totquatschen, wie immer. Gott sei dank ist mir schlecht geworden, sonst hätt ich mir das noch länger anhören müssen." Sie schmunzelte und auch Bongo konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Er gähnte herzhaft. "Ja, das ist manchmal echt nervig. Er weiß immer alles besser."
Katja strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Ihre Armreifen klimperten dabei. "Du warst aber auch auf seiner Seite." Sie sah ihn forschend an.
"Ja, schon..." Er blickte zu Boden. "Aber ich hätte dich nie so bequatscht. Es ist einfach...Ich glaube halt nicht dran." Er setzte die Tasse an die Lippen, um ihr nicht ins Gesicht sehen zu müssen.
"Ach, lassen wir das." Katja begriff, dass es keinen Sinn machte. Es würde nur wieder in eine endlose Diskussion führen, und darauf hatte sie wirklich keine Lust. Außerdem wollte sie ihn nicht vergraulen. Was, wenn sie noch einmal zusammenbrach? Bei der Vorstellung graute es ihr.
"Was hast´n du heute noch vor?" Sie blätterte in der Zeitung, ohne wirklich zu lesen und ließ die Frage beiläufig klingen
"Meinen Rausch ausschlafen?", feixte er. "Viel werd ich heut nicht machen."
"Willst du´n Film mit mir anschauen?"
Er sah sie an. Sein Herz klopfte schneller. Hatte er richtig gehört?
"Äh, warum?"
"Weil´s sowieso Abend wird, bis du wieder fahren kannst. Außerdem schau ich nicht gern allein."
Er hätte am liebsten gesagt, dass er sich wie ein kleines Kind freute. Außerdem würde er sie während des Films gerne knutschen und ausziehen. Stattdessen entschied er sich für: "Ok, welchen Film?"
"The Jacket hab ich da. Soll gut sein."
"Cool. Wollt ich eh schon mal sehen." Dass er den Film schon mal gesehen hatte, behielt er lieber für sich.
Lass mich sterben – Ich warte am Fluss – Du kommst mit mir – Was hast du getan?
Die Worte ließen Katja auch am Nachmittag nicht los, und sie war froh, dass sie ein wenig Gesellschaft hatte. Bongos Kater besserte sich, und sie aßen Nudeln vor dem Film. Dann klirrte es.
Adrien Brody wurde gerade zum dritten Mal in den Leichenschrank geschoben, als sie es hörten. Es kam aus der Küche.
"Mensch, Mohrle!" Katja stand verärgert auf.
Bongo biss sich auf die Zunge. Verdammt, er wollte gerade ihre Hand nehmen! Nur ein wenig noch und er hätte es fast geschafft. Er pausierte die DVD und lehnte sich zurück. "Was ist denn mit ihr?" In seinen Gedanken erwürgte er die Katze.
"Ach, die klettert immer in das Regal und schmeißt die Gläser um."
Er hörte sie in der Küche schimpfen und stand auf. Es würde seine Chancen nicht verbessern, wenn er sitzen blieb.
Er stieß die Küchentür auf. Katja kramte unter der Spüle nach Schaufel und Besen. Man konnte ihren Slip sehen, der weiß über dem Rand der Jogginghose aufblitzte. Er spürte eine beginnende Erektion und sah schnell zum Regal. Sein Herz klopfte. Sie durfte nichts merken!
Ein Weinglas lag zerbrochen im mittleren Fach. Von der Katze fehlte jede Spur. "Wo ist Mohrle?" Eigentlich interessierte ihn das nicht wirklich, aber er musste von seiner Erregung ablenken.
"Keine Ahnung. Wahrscheinlich abgehauen. Mann, ich find den verdammten Besen nicht."
Er sah noch mal zu ihr. Sie hatte sich noch weiter nach unten gebeugt, wodurch noch viel mehr von ihrer Unterhose entblößt wurde. Man konnte sogar ein bisschen ihren Po sehen.
Das Blut schoss ihm gleichzeitig in den Penis und in den Kopf. Mit schnellen Schritten ging er zum Regal. Angestrengt versuchte er seine Geilheit zu unterdrücken. Wenn sie merkte, dass er einen Ständer hatte, würde sie ihn sicher rauswerfen.
"Soll ich dir helfen?" Er bemühte sich, neutral zu klingen.
"Ach, geht schon. Ist ja bloß das eine Glas. Letztes Mal hat sie fast das ganze Regal zerlegt. Mama war so sauer, dass..."
Es knallte. Direkt vor Bongos Gesicht zersprang ein weiteres Glas. Kleine Splitter trafen ihn an der Backe. Noch ehe er reagieren konnte, zerplatzte das nächste. Eines nach dem anderen explodierte, als würde jemand auf die Behältnisse schießen. Bongo schlang die Arme um den Kopf und drehte sich um. Splitter zischten wie Schrapnellkugeln durch die Küche und es klirrte ununterbrochen. Katja stand zitternd und mit offenem Mund hinter der Spüle. Der Schock war so groß, dass sie nicht schreien konnte.
Nach zwei Minuten war der Spuk vorbei. Das gesamte Geschirr im Regal lag in Trümmern. Bongo kauerte auf dem Boden. Sein Rücken war mit Glassplittern übersäht. Vorsichtig richtete er sich auf. Sein Gesicht war blass. "Scheiße! Was war denn das?"
Katja rührte sich immer noch nicht und blickte starr auf das Regal. Eine deutliche Spannung lag in der Luft. So etwas war nicht normal. Es war beunruhigend.
Bongo sah Katja an. Sie war bleich und zitterte. Er spürte, dass er sie beruhigen musste, und kramte in seinem Kopf nach einer Erklärung. Irgendeine, egal wie idiotisch sie war. "Vielleicht war das die Hitze. Ich hab mal was über Glasmacher gesehen. Bei großen Temperaturunterschieden zerreißt´s die Gläser einfach."
Fassungslos blickte sie auf den Scherbenhaufen. Sie hatte ihn gar nicht gehört.
„Mann, wenn meine Eltern...“
Er pickte sich Glassplitter vom Arm. „Das kriegen wir schon. Ich kann auch mit ihnen reden. Außerdem können wir doch nix dafür. Die hat´s zerissen. Das passiert."
Sie weinte fast. "Alle auf einmal?"
"Naja, hat ja den ganzen Tag die Sonne drauf gescheint, oder?
Sie sah auf. Ihre Stimme flehte fast. „Matthias...“
Er stutzte. Außer seinen Eltern sprach ihn fast niemand mit seinem richtigen Namen an.
„Wenn das... was mit gestern zu tun hat...“
„Ach, quatsch. Wie kommst´n darauf? Das war der Temperaturunterschied, oder irgendwas. Klar, das war echt strange. Aber man kann alles irgendwie erklären.“
Ihre Unterlippe zitterte. „Ich hab Angst. Ohne Scheiß. Zuerst seh ich so komische Sachen und jetzt das. Das ist doch nicht normal.“
„Jetzt nicht verrückt werden. Das klärt sich schon. Ich helf dir aufräumen, dann schauen wir fertig, und dann wird´s schon.“
„Ach, ich hab gar keine Lust mehr auf den Film. Ich will bloß noch in´s Bett.“
Verlegen rieb er die Hände an seiner Hose ab. Alles kratzte. „Ja..., du, ich geh noch schnell in´s Bad. Ich muss die Scherben wegmachen.“
„Ok. Kannst du aus der Kammer den Staubsauger mitbringen?“
Er nickte. Beim Gehen bemerkte er seine weichen Knie. Er war nicht so ruhig, wie er gerne wirken wollte. Die ganze Sache kam ihm genauso merkwürdig vor, aber er war sich bewusst, dass Panik alles nur noch schlimmer machen würde.
Also versuchte er ruhig zu bleiben. Bis er den Fernseher sah.
Die DVD war bei einem von Brodys leidenden Gesichtsausdrücken pausiert worden. Eine der Szenen im Leichenschrank, in denen die Kamera ganz dicht an sein Gesicht heran fährt. Seine dunklen Pupillen füllten den ganzen Bildschirm aus und blickten traurig ins Wohnzimmer.
Bongo lief es eiskalt den Rücken hinab. Das Standbild war wirklich gruslig. Er wollte gerade die Stop-Taste auf der Fernbedienung drücken, als sich das Gesicht bewegte. Die Augen blickten nach links und nach rechts.
Er zuckte zusammen. Hatte er auf Play gedrückt? Die Kamera fuhr jetzt zurück. An das konnte er sich gar nicht mehr erinnern.
Die Augen wurden kleiner und man erkannte das komplette Gesicht. Es war nicht Adrien Brody. Es war eine Frau. Keira Knightley? Nein, die sah anders aus. Die Frau auf dem Bildschirm war irgendwie... exotischer. Ihre Haut war dunkel und ihr langes, schwarzes Haar fiel lockig über die Schulter. Bongo starrte auf den Fernseher.
Was war das? Lief das normale TV-Programm? Aber es hatte keinen Bruch gegeben. Das Standbild war geradewegs in diese Szene übergegangen.
Die Frau ging einige Schritte zurück. Sie trug ein langes, blaues Kleid, das ihren Körper vollständig verhüllte. Einige Sekunden blieb sie stehen und rührte sich nicht. Dann winkte sie, als wolle sie sich verabschieden. Doch in ihren Augen stand die Angst. Sie sagte zwei Worte: "Er kommt."
Dann war der Bildschirm schwarz.
3. Akt
My head falls backs and the walls crash down
And the sky and the impossible explode
(The Cure)
"Lass mich sterben. Bitte lass mich sterben. Es gibt nichts mehr, was mich am Leben hält, denn er ist tot. Sein Körper ist eine leere Hülle, die den Fluss hinab treibt. Er ging nach Berzah und ich werde im folgen."
"Sei still! Du hast auf meine Ehre gespuckt. Du hast mich behandelt wie ein Tier. Sieh mich an!
Du gehörst mir. Und ihn, den Verräter, wirst du nie wieder sehen. Wir werden den Körper verlassen, Adiah. Aber du wirst nicht nach Berzah gehen.Du kommst mit mir."
Sie sah das schwarze Brett. Die mit Gold geprägten Buchstaben. Das Pentagramm.
Er riss ihren Arm hoch. Sein Griff war wie ein Schraubstock. In der rechten Hand hielt er den Dolch. Die Klinge war mit Ornamenten verziert. War es die Waffe, durch die Hanif den Tod fand?
"Die Klinge ist rein.", sagte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen, "Sonst folgt er uns. Unser Blut wird fließen, und wir werden für immer zusammen sein."
"Nein!" Sie schrie und wollte sich aus seinem Griff befreien, doch er war zu stark. Mit einer schnellen Bewegung schnitt er ihren Arm der Länge nach auf. Ihr Blut ergoss sich über das Brett und sammelte sich in den Linien des Pentagramms. Die schwarze Oberfläche verfärbte sich rot.
Sie schrie bis sie heiser war, doch es war vergebens.
Dann schnitt sich Jaafar selbst den Arm auf. Er tat es langsam, als würde er es genießen. Als sich sein Blut mit ihrem vermischte, lachte er.
"Nein, nein! Was hast du getan?" Sie spürte, wie sie schwächer wurde. Hanif! Er war verloren. Sie würde ihm nicht mehr folgen.
Aber verdiente sie ihr Schicksal nicht? War sie nicht schuld an seinem Tod? Ich warte am Fluss. Hätte Jaafar die Botschaft nicht gelesen, würde er noch leben. Warum hatte sie sie nicht verbrannt? Doch es war zu spät.
Bongo stöhnte und drehte sich auf die Seite. Trotz der Eiseskälte im Gästezimmer wachte er nicht auf. Mohrle hatte am Fußende des Bettes geschlafen, mittlerweile aber die Flucht ergriffen. Sie hatte wieder etwas gespürt. Als würde ein Raubtier durch das Haus schleichen.
Katja schlief zwei Zimmer weiter. Aber sie lag nicht still. sie warf sich herum, zuckte und ihr Kopf wurde zurück gebogen.
"Wehr dich! Du gehörst ihm nicht!" Eine Stimme donnerte dazwischen. "Sei still!"
Katja schlug die Augen auf und sah sich um. Sie stand an einem Fluss. An seinem Ufer wuchsen Palmen. Rechts von ihr erhob sich ein sandiger Hügel, der mit Sträuchern bedeckt war. Es war so heiß, dass sie kaum atmen konnte. Wo war sie? Sie ging auf den Hügel zu, als sie plötzlich eine leise Stimme hörte.
"Geh. Du musst gehen." Sie drehte sich um. Vor ihr stand eine Frau in einem langen blauen Kleid. Ihr Gesicht war bleich, aber dennoch hübsch. "Wer bist du?"
Die Frau reagierte nicht auf ihre Frage. "Geh, bevor es zu spät ist. Er wird bald hier sein."
"Wer? Wer wird hier sein?"
"Bitte, geh. Dich soll er nicht bekommen. Er hat schon so viele mitgenommen. Und ich konnte keinem helfen."
"Wie... wie soll ich gehen?"
Es donnerte, und sie zuckten beide zusammen. Der blaue Himmel wurde dunkel und ein eisiger Wind blies über den Fluss. Jetzt weinte die Frau. "Er ist hier. Es ist zu spät."
Das Sonnenlicht, das sich noch vor wenigen Sekunden im Fluss gespiegelt hatte, war nun vollständig verschwunden. Der Horizont hatte eine ungesunde, dunkelviolette Farbe angenommen. In das Heulen des Windes mischte sich das Echo ihres letzten Satzes. "...zu spät.....zu spät"
Dann war sie verschwunden.
Katja wurde unruhig. Ihr Mund war trocken und sie hatte Angst. Ein Sandsturm war aufgekommen. Man konnte kaum noch etwas erkennen. Sie begann zu laufen. Wohin wusste sie nicht. Sie wollte nur weg von hier. Sandkörner prasselten schmerzhaft in ihr Gesicht. Hustend kletterte sie den Hügel hinauf. Sie stolperte oft und hielt sich an den vertrockneten Büschen fest.
Auf dem Gipfel des Hügels drehte sie sich kurz um. Der Fluss war zu einem reißenden Strom angeschwollen. Die Wellen spritzten an das Ufer, und sie glaubte im Wasser bleiche Körper zu erkennen. Aus jeder Welle schien ein totes Gesicht zu glotzen. Die Lippen zu einem stummen Schrei geöffnet. Dann hörte sie ihn sprechen. "Ja, sie sind tot. Und sie gehören mir."
Sie fuhr zurück. Vor ihr stand ein Mann. Er war sehr groß und sein Gesicht wurde von einem dichten, schwarzen Vollbart verdeckt. In der rechten Hand hielt er einen langen Dolch, dessen Klinge mit seltsamen Mustern verziert war.
Er sprach arabisch, doch seltsamerweise konnte sie ihn verstehen. „Die Pforte ist geöffnet. Die Seelen sind jetzt frei. Du kommst mit mir!“ Er holte aus und stach zu.
Sie keuchte. Ihr Körper rechnete mit Schmerz. Stechend, drückend, brennend. Doch nichts davon geschah. Der Dolch steckte mitten in ihrer Brust, aber es war nicht schmerzhaft. Es war schlimmer. Kälte breitete sich in ihrem Körper aus, als würde sich ihr Blut in Eiswasser verwandeln. Ausgehend von der Wunde bahnte sich ein lähmendes Gift seinen Weg. Sie wollte schreien, doch aus ihrem Mund drangen keine Worte mehr. Die Farben verblassten. Sie dachte an nichts mehr. Alles was sie geliebt oder gehasst hatte, war nun gleichgültig. Sie war verloren.
In der anderen Welt strampelte sie mit Armen und Beinen. Schlug sich den Kopf auf der Bettkante auf. Urinierte in ihren Schlafanzug. Biss sich die Lippen blutig. Hob sich scheinbar ein wenig und krachte auf die Matratze zurück.
Mehrere Minuten tobte sie wie eine Wahnsinnige. Dann war sie still. Für immer.
4. Akt
I´ve lived a thousand times
I found out what it means to be believed
(Black Sabbath)
"Wie behämmert muss ich sein, dass ich an Geister glaub?" Stefan hatte sich so in Rage geredet, dass er Katja seinen Speichel ins Gesicht spuckte. Sie wischte sich die Backe ab. Wann würde er endlich aufhören? Seit einer halben Stunde redete er auf sie ein und sie lieferte schon lange keine Gegenargumente mehr. Bei ihm hatte das keinen Sinn.
Mit seinen kurzgeschorenen, blonden Haaren und der randlosen Brille wirkte er schon äußerlich wie der absolute Klugscheißer. Und in Diskussionen bestätigte sich dieser Eindruck meistens. Er hatte Mathe und Physik als Leistungskurs gewählt, und in seinem jugendlichen Größenwahn glaubte er nun die ganze Welt begreifen zu können.
Inzwischen hatte er bemerkt, dass er ihre Antwort nicht abzuwarten brauchte und fuhr fort. "Das ist einfach finsterster Aberglaube. Das ist eine Erfindung der Menschheit, weil sie sich vor dem Tod fürchtet. Und die Existenz von Geistern lässt sich nie beweisen. Egal in welcher Wissenschaft."
Katja schenkte sich den letzten Rest Wein aus dem Tetra Pak ohne ihm wirklich zuzuhören. Er war zufrieden, wenn er sich selbst reden hörte.
"Und dieses ganze Zeug: Beschwörungen, Seancen, Ouija-Bretter. Das ist nichts weiter als Hokus Pokus. Bauernfängerei, mit der man ein paar Schwachköpfen das Geld aus der Tasche zieht."
Sie trank vom Wein. "Ich bin also ein Schwachkopf?"
"Äh... Nein, nein. Darum will ich´s dir ja erklären. Du hast viel zu viel Potential, um auf sowas rein zu fallen. Ich mein, wieviel Geld hast du für das Brett gezahlt?"
"Nichts."
"Äh, wie?"
"Nichts. Ich hab´s geschenkt bekommen."
Katja empfand stille Freude. Zum ersten Mal hatte sie in diesem Gespräch wieder die Oberhand. Aber er gab nicht so schnell auf. "Von wem?"
"Mein Onkel hat´s mir aus Marrakesch mitgebracht."
"Aha!" Jetzt hatte er den Faden wieder gefunden. "Also hat dein Onkel Geld dafür bezahlt. Und irgendein Händler in Marrakesch hat von der Dummheit profitiert."
"Mein Onkel ist nicht dumm!" Sie funkelte ihn an.
"Nein, so mein ich das auch gar nicht. Aber glaubt dein Onkel an Geister?"
Sie zuckte mit den Schultern.
"Ich glaub nicht, oder?"
"Was geht´s dich überhaupt an?"
Er wirkte beleidigt, sagte aber nichts mehr.
Von hinten torkelte Bongo an ihren Tisch. Er hatte das Gespräch zwar nicht mitbekommen, aber bemerkt, dass sich die Situation zuspitzte. Ungeschickt ließ er sich in den Stuhl fallen. Er war schon ziemlich betrunken und lallte ein wenig.
"Was´n los bei euch?"
"Frag den Experten", antworte Katja und sog die Luft ein. Ihr war ein wenig übel.
Stefan rieb sich die Stirn. "Ich wollt ja bloß erklären, warum die Aktion totaler Käse war."
Bongo unterdrückte einen Rülpser. "Naja, bloß weil du nicht dran glaubst, muss es ja kein Käse sein."
"Glaubst du dran?"
Bongo zögerte.
"Wenn du dran glaubst, warum hast du dann nicht mitgemacht?"
"Nein, ich glaub nicht dran. Aber..."
"Aha. Also warum ist´s dann kein Blödsinn?"
"Man kann´s ja mal zum Spaß.."
"Es war doch kein Spaß. Sie glauben doch alle dran."
Katja stand auf. Sie hatte kein Lust mehr zu streiten. Außerdem war ihr schlecht. Beide sahen sie an und Stefan wollte sich entschuldigen. "He Katja, das war jetzt gar nicht so gemeint, ich.."
"Ja, schon gut. Lassen wir das jetzt einfach." Sie versuchte flach zu atmen, damit sich die Übelkeit nicht verstärkte. Es war zu viel Wein gewesen.
Leicht stolpernd ging sie zum großen Gartentisch und griff sich das Ouija-Brett. Sie hatte eigentlich gehofft, die angefangene Beschwörung noch fortsetzen zu können. Angie und Antonia hätten sicher noch einmal mitgemacht. Aber es machte keinen Sinn mehr. Stefan und seine Kumpels würden sie immer wieder unterbrechen.
Blödmann, dachte sie. Er kam sich immer so verdammt schlau vor. Außerdem wusste sie gar nicht, ob sie wirklich an Geisterbeschwörungen glaubte. Aber welchen Sinn hatte ein Ouija-Brett, wenn man es nicht mal ausprobierte? Sie hatten die ganze Seance ja wirklich nur halb zum Spaß gemacht.
Das Brett wog schwer in ihrer Hand, als sie die Treppe hinauf ging. Naja, probierte sie es eben ein andermal aus.
Im Flur fühlte sie sich plötzlich merkwürdig. Ihr war vorher schon übel gewesen. Aber das war etwas anderes. Ihr rechter Arm, in dem sie das Brett hielt, schien zu vibrieren. Als würden leichte Stromstöße durch das Holz fließen. Erschrocken ließ sie es fallen. Die Buchstaben und das Pentagramm in seiner Mitte leuchteten bläulich und erhellten das pechschwarze Holz.
Ihr wurde schwindlig, und alles schien zu verschwimmen. Jemand sprach.
Lass mich sterben – Ich warte am Fluss – Du kommst mit mir – Was hast du getan?
Verzweiflung überkam sie. Eine unglaubliche Traurigkeit machte sich breit. Wo war sie? Der Ansturm der Gefühle war so stark, dass sie das Gleichgewicht verlor und auf den Boden krachte.
Ihr Hinterkopf schlug hart auf dem Holzboden des Flurs auf. Der Schmerz war stark und erlöste sie aus ihrer Trance.
Verwirrt blickte sie sich um und rieb sich den Kopf. Gott, ich bin total besoffen, dachte sie. Schwankend stand sie auf und nahm das Brett. Es leuchtete nicht mehr. Gerade so schaffte sie es in ihr Zimmer und schob es unter ihr Bett. Dann übermannte sie die Übelkeit schlimmer als je zuvor. Sie übergab sich die halbe Nacht und hatte dabei den Eindruck als würde sie jemand beobachten.