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Superstitio

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28.07.2010
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Superstitio

Prolog

Not a word of goodbye, not even a note
She´d gone with the man in the long black coat
(Bob Dylan)​


Das Zimmer war tot. So tot wie ihre Tochter. Ein Mausoleum der Erinnerung, das sie ein halbes Jahr nicht mehr betreten hatte. Der Fernseher, die Bücher, alles war mit einer grauen Patina überzogen. Als sie sich umsah, zitterte ihr ganzer Körper. Dass sie die Türschwelle übertreten hatte, würde ihre Psychologin sicher als wichtigen Schritt bezeichnen, aber sie fühlte gar nichts. Keine Erleichterung, keine Trauer, nur Leere.
Am Tag nach der Beerdigung hatte ihre Schwester die Bettwäsche abgezogen. Es war besser so. Sonst hätte man glauben können, Katja wäre gerade aufgestanden um zu frühstücken. Außerdem hatte sie aufgeräumt. Sachen wie angetrunkene Cola-Flaschen und schmutzige Wäsche konnte man nicht liegen lassen. Der Rest blieb unangetastet. Ihr Mann hatte es nicht übers Herz gebracht, das Zimmer auszuräumen. Ob es bei ihr auch so war, wusste sie nicht. Die letzten Monate waren wie ausgelöscht.
So also war es. Das Ende. Der endgültige Abschied. Vier Wände, in denen ihr Kind sechzehn Jahre gelebt hatte, umschlossen nur noch Stille.
Ein lautes Schluchzen drang aus ihrer Kehle und die Augen füllten sich mit Tränen. Sie schlang die Arme um ihren abgemagerten Körper und ließ ihrem Schmerz freien Lauf. Warum? Warum hatte man ihr Kind genommen?
Durch den Tränenschleier blickte sie auf die ungewohnte Ordnung. Wie viele Jugendliche hatte Katja nicht oft aufgeräumt. Da jetzt alles an seinem Platz war, wurde sie nicht ganz so drastisch an ihren Verlust erinnert. Sie ging zum Bett und strich über die Matratze. Mein Kind, mein Engel. Nie wieder würde sie hier schlafen.
Ihre Zehen stießen auf etwas unter dem Bett. Es fühlte sich an wie Holz. Aber da war noch etwas anderes. Kalt und unangenehm. Sie ging in die Hocke und fasste unter den Rahmen. Langsam zog sie das Ding hervor. Je mehr sie sah, desto übler wurde ihr.
Es war schwarz und abstoßend. Eine flüchtige Berührung. Hilf mir!

1. Akt

Not aware of a presence so near to me
Watching my every move
(Iron Maiden)​


Zwei Kästen Bier, drei Tetra Paks Wein und eine Flasche Asbach Uralt. Asbach Uralt? Wer hatte den denn mitgebracht? Katja verzog das Gesicht und schob das Leergut zusammen. Der Geruch, der aus den leeren Flaschen aufstieg, war widerlich. Fast hätte sie noch mal gekotzt.
Sie schloss die Haustür. Bongo würde das Zeug schon mitnehmen, wenn er aufstand. Allerdings konnte das bei ihm noch ein Weilchen dauern. Wenn er einen richtigen Kater hatte, würde er nicht vor drei Uhr aus dem Bett kommen. Anschließend würde er erst mal einige Stunden auf der Couch liegen und jammern, weil ihm so schlecht war. Man kannte ihn ja. Katja seufzte und strich sich die langen Haare nach hinten.
Als sie in die Küche ging, kniff sie die Augen zusammen. Durch die Terassentür strahlte die Sonne und verschlimmerte ihre Kopfschmerzen. Es war Zeit, lebensrettende Maßnahmen einzuleiten. Ein Aspirin und eine Kanne Tee würden sie wieder funktionstüchtig machen.
Wenigstens war ihr nicht mehr schlecht. Ein kleiner Vorteil, wenn man die ganze Nacht über der Kloschüssel gehangen hatte. Sie schaltete den Wasserkocher ein und sah auf die Uhr. Halb zwei. Gut, man konnte ja mal einen kleinen Weckversuch starten.
Auf dem Weg zum Gästezimmer achtete sie auf Müll und Scherben. Es war nicht so wild zugegangen, aber man konnte ja nie wissen. Wenn ihre Eltern aus dem Urlaub zurück kamen, und das Haus wie ein Schweinestall aussah, hätte sie ein ziemliches Problem. Sie würden vielleicht nicht austicken. Aber die pikierten Ratschläge ihrer Mutter wären schon schlimm genug.
Wankend stieg sie die Treppe hoch. Ihr war so schwindlig, dass sie sich am Geländer festhalten musste. Oh Alkohol, du böser Geist. Obwohl, soviel hatte sie doch gar nicht getrunken?
Im Flur hörte man bereits lautes Schnarchen. Bongo musste halb bewusstlos sein. Sie überlegte kurz, ob sie den Fotoapparat holen sollte, fand es aber dann zu gemein. Leise öffnete sie die Tür.
Das Zimmer war durch die Rollos abgedunkelt, aber man konnte noch genug erkennen. Bongo lag auf dem Rücken und sah aus wie ein gestrandeter Wal. Er hatte sich nur das T-Shirt ausgezogen, die Jeans hatte er nicht mehr geschafft. Sein behaarter Bauch quoll über den Rand der Hose. Es roch stechend nach Schweiß und Alkohol.
Katja zog das T-Shirt über die Nase und ließ die Rollos hoch. Das ratternde Geräusch zeigte Wirkung. Ein gequältes Stöhnen verriet ihr, dass er wach wurde. Das Bett quietschte, als er sich auf die Seite wälzte.
„Morgen“, sagte Katja, erhielt aber nur ein Ächzen als Antwort.
„Wie spät ist es?“ Er hatte den Kopf im Kissen vergraben und seine Stimme klang gedämpft.
„Halb zwei. Wie geht’s dir?“
Er stöhnte wieder. „Meinen Schädel zerreißt´s und mir ist sauschlecht.“
„Möchtest du ´nen Tee?“ Sie war schon halb aus dem Zimmer. Der Gestank war unerträglich.
Er richtete sich auf. Seine kleinen Augen waren rot und glasig. Er rieb sich die Stirn. „Oh, ist mir schlecht!“
Sie zog Tabletten aus ihrer Jogginghose und warf sie ihm aufs Bett. „Nimm zwei davon. Die helfen.“
„Ah, danke. Hast du meine Brille irgendwo gesehen?“
„Am Boden, neben dir. Willst du jetzt ´nen Tee?“
Er griff nach der dicken, schwarzen Hornbrille und räusperte sich. „Mir ist noch zu schlecht. Aber ich komm dann runter.“
Katja grinste und schloss die Tür. Es war immer dasselbe. Er wusste einfach nicht, wann er aufhören musste. Trotzdem tat er ihr leid. Er starb wahrscheinlich tausend Tode. Aber sie würde ihn schon wieder aufpäppeln. Ein kleines Frühstück. Mal sehen, was noch da war, vielleicht...
Plötzlich hielt sie inne. Gerade als sie die Treppe hinab steigen wollte, bot sich ihr ein merkwürdiger Anblick. Die Treppe bewegte sich. Die Stufen wogten auf und ab. Wie Wellen. Sofort kehrte auch ihre Übelkeit zurück. Sie schloss die Augen. Öffnete sie wieder.
Alles war wieder normal. Sie atmete kurz durch. So schlimm war es noch nie gewesen. War der Wein gestern Abend vielleicht schlecht gewesen? Sie nahm vorsichtig eine Stufe nach der anderen, ohne die Hand vom Geländer zu nehmen. Das Schauspiel wiederholte sich nicht. Jetzt brauchte sie wirklich etwas zu trinken.
In der Speisekammer suchte sie Tee, Marmelade und Toasts zusammen. Kein überwältigendes Frühstück, aber Bongo würde ohnehin nichts essen.
Da sie keine Hand mehr frei hatte, stieß sie die Küchentür mit dem Ellbogen auf. Doch weiter kam sie nicht.
Ein schwarzer Blitz zischte zwischen ihren Beinen hindurch und brachte sie aus dem Gleichgewicht. Der Toast und die Teepackungen fielen ihr aus der Hand, als sie sie sich abfing. Sie drehte sich um. Ihre grünen Augen hatten einen zornigen Ausdruck angenommen. „Mohrle, du blödes Vieh! Pass doch...“ Sie erschrak.
Die Katze verhielt sich anders als gewohnt. Wenn sie einem vor die Füße lief, war das nur Spaß oder einfach Freude. Aber diesmal war das Tier eindeutig aggressiv. Oder vielmehr: Es hatte Angst. Sie saß geduckt auf dem Boden, die Ohren waren dicht angelegt und sie fauchte. Katja konnte sich nicht erinnern, wann ihr Haustier das letzte Mal gefaucht hatte. Und jetzt hörte sie gar nicht mehr auf. Die Schnauze war weit aufgerissen, und man erkannte die spitzen Zähne und die rosafarbene Zunge. Katja streckte die Hand aus. „Mohrle, was hast du?“
Das Tier miaute laut und kratzte sie in die Hand. „Au! du verdammtes...“
Die Katze fauchte noch einmal und rannte weg. Mit gewaltigem Tempo nahm sie die Treppenstufen und war verschwunden. Katja betrachtete ihre blutende Hand. Was war denn bloß los? War Mohrle krank? Sie spielte bereits verschiedene Szenarien durch, in denen sie verzweifelt versuchte, das Tier in den Katzenkorb zu zwängen. Außerdem musste sie irgendwie zum Tierarzt kommen. Ob Bongo sie da fahren konnte?
Die Kälte riss sie aus ihren Gedanken. Sie hatte wegen der Katze gar nicht gemerkt, wie eiskalt es im Flur war. Auf ihren Armen bildete sich bereits eine Gänsehaut, und es schüttelte sie. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihrer Magengrube aus. Hier war etwas nicht in Ordnung.
Wie an einem Wintertag wurde ihr Atem in kleinen Wolken sichtbar. Sie schlotterte. Draußen schien die Sonne. Und hier lag die Temperatur eindeutig unter dem Gefrierpunkt. Sie rieb sich die Arme. Die Haut begann schon zu schmerzen. Sie wollte zur Heizung gehen, als ihr noch etwas auffiel.
Es schien immer dunkler zu werden. Die Schatten in den Ecken schienen sich auszubreiten. Das Licht wurde scheinbar weggesogen und eine erstickende Schwärze umfing sie. Lebhafte Vorstellungen tauchten plötzlich auf. Sie wollte dagegen ankämpfen, denn es war nicht sie, die dachte. Es war, als könnte sie die Gedanken eines Fremden lesen.
Lass mich sterben – Ich warte am Fluss – Du kommst mit mir – Was hast du getan?
Raum und Zeit waren aufgehoben. Katja stand nicht mehr im Flur. Sie sah Lehmbauten. Feigenbäume. Kerzenschein. Ich warte – Wehr dich – Sei still – Du gehörst ihm nicht – Sei still, sagte ich!
„Katja?“ „Hey, alles in Ordnung?“
Sie schüttelte den Kopf und zwinkerte. Bongo stand vor ihr. Er hatte sich sein ausgewaschenes Metallica Shirt wieder angezogen und sah sie besorgt an.
Katja würgte, ihre Knie wurden weich. Bongo konnte sie gerade noch rechtzeitig auffangen. Die Augen hinter seinen Brillengläsern waren weit aufgerissen. Er schien schlagartig wieder nüchtern zu sein.
„Katja! Oh Gott, was ist denn los? Katja, hörst du mich?“
Sie zwinkerte ein weiteres Mal. Langsam wurde ihr Blick wieder klar. Sie erkannte sein rundliches Gesicht. In seinem Oberlippenbart hing ein Rest Zahnpasta. Der Anblick war irgendwie tröstlich. Sie versuchte sich aufzurichten, fiel aber entkräftet zurück. Lautlos begann sie zu weinen.
Bongo umarmte sie. „Hey. Schon gut. Das war nur der Kreislauf. Das wird schon wieder.“
Sie schluchzte. „Nein. Das war was anderes. Es war eiskalt und irgendwie... Ich glaub ich spinne.“
Er sah sie an. Die Situation überforderte ihn etwas, denn Katja zeigte selten Schwäche. Und erst recht nicht ihm gegenüber. Normalerweise war es eher umgekehrt. Unsicher streichelte er ihren Rücken und versuchte beruhigend zu wirken.
„Ach, Blödsinn. Wir haben gestern alle ein bisschen zu viel gehabt. Hast du was geraucht?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Ja, dann passt´s schon. Nur der Kreislauf. Passiert manchmal.“
Sie schniefte. „Ich glaub, die Katze ist krank.“
„Warum?“
„Weiß nicht, die hat sich total aufgeführt.“ Sie blickte unruhig zur Treppe.
„Ach, die hat sich bloß gestern so aufgeregt. So viele Leute, das macht die nervös.“
„Ich weiß nicht. Ich glaub, ich such sie dann mal. Könntest du zum Tierarzt fahren, wenn wirklich was ist?“
Er kratzte sich am Kopf. „Mir ist schlecht. Ich glaub, ich darf noch gar nicht fahren.“
Katja schob die Unterlippe ein wenig vor, und er musste lachen. "Ja, wird schon gehen. Aber wenn ich unterwegs kotzen muss, bist du schuld."
„Die Tabletten helfen schon.“ Vorsichtig stand sie auf. „Ich brauch jetzt echt ´nen Tee. Du isst wahrscheinlich nichts?“
Sein Gesicht verzog sich. „Lieber nicht. Ich warte noch ein bischen.“
„Ok. Übrigens, du hast Zahnpasta im Bart.“
Verschämt wischte er sich die Lippen ab.

2. Akt

Whilst others here are sleeping sound
I'll slip away by floorboard creak
(Siouxsie and the banshees)​


Mohrle saß geduckt unter der Couch und beobachtete das Geschehen im Wohnzimmer. Da war Katja, die ihr das Futter brachte und der man vertrauen konnte. Und ein anderer Mensch, der schon ein paar mal hier gewesen war. Bei ihm war sie noch etwas vorsichtig. Er streichelte sie und tat ihr nichts, aber Mohrle war keine Katze, die schnell Freundschaft schloss.
Noch etwas? Sie horchte. Konzentrierte ihre Sinne. Als sie Katja zwischen die Füße gelaufen war, hatte sie etwas in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Ihre Wahrnehmung war explodiert, als würde
die Erde erbeben. Etwas sehr gefährliches hatte bei Katja gelauert.
Doch jetzt war es scheinbar verschwunden. Sie konnte nichts mehr spüren. Zögernd kroch sie vorwärts. Am Rand der Couch wartete sie kurz und lauschte. Nichts. Langsam kroch sie vorwärts. Der andere Mensch sagte etwas. "Schau mal wer da kommt."
Katja ließ die Zeitschrift sinken. "Mohrle. Da bist du." Sie wollte aufstehen, unterdrückte aber den Impuls, um das Tier nicht wieder zu ängstigen. Mohrle sah sich neugierig im Zimmer um, ging ein paar Schritte und sprang auf ihren Schoß. Katja begann sie am Kopf zu kraulen. "Hey, du Spinnerin. Geht´s dir wieder gut?" Wie als Antwort rollte sich die Katze zusammen und schnurrte.
"Doch nicht krank?", fragte Bongo und schlürfte seinen Kamillentee.
"Hm, sieht nicht so aus. Ich weiß nicht, was die hatte."
"Die war durcheinander. Gestern war´s laut und voll. Vielleicht hat der Stefan sie auch wieder geärgert."
"Ach, der Blödmann." Katja verzog das Gesicht, was ihn nicht unbedingt störte. Es war immer gut, wenn sie schlecht über das Cliquen-Genie sprach.
"Dich hat er ja auch noch ganz schön in die Mangel genommen, oder?", fragte er, während er das Loch in seinem Socken betrachtete.
"Ja. Wollte mich totquatschen, wie immer. Gott sei dank ist mir schlecht geworden, sonst hätt ich mir das noch länger anhören müssen." Sie schmunzelte und auch Bongo konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Er gähnte herzhaft. "Ja, das ist manchmal echt nervig. Er weiß immer alles besser."
Katja strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Ihre Armreifen klimperten dabei. "Du warst aber auch auf seiner Seite." Sie sah ihn forschend an.
"Ja, schon..." Er blickte zu Boden. "Aber ich hätte dich nie so bequatscht. Es ist einfach...Ich glaube halt nicht dran." Er setzte die Tasse an die Lippen, um ihr nicht ins Gesicht sehen zu müssen.
"Ach, lassen wir das." Katja begriff, dass es keinen Sinn machte. Es würde nur wieder in eine endlose Diskussion führen, und darauf hatte sie wirklich keine Lust. Außerdem wollte sie ihn nicht vergraulen. Was, wenn sie noch einmal zusammenbrach? Bei der Vorstellung graute es ihr.
"Was hast´n du heute noch vor?" Sie blätterte in der Zeitung, ohne wirklich zu lesen und ließ die Frage beiläufig klingen
"Meinen Rausch ausschlafen?", feixte er. "Viel werd ich heut nicht machen."
"Willst du´n Film mit mir anschauen?"
Er sah sie an. Sein Herz klopfte schneller. Hatte er richtig gehört?
"Äh, warum?"
"Weil´s sowieso Abend wird, bis du wieder fahren kannst. Außerdem schau ich nicht gern allein."
Er hätte am liebsten gesagt, dass er sich wie ein kleines Kind freute. Außerdem würde er sie während des Films gerne knutschen und ausziehen. Stattdessen entschied er sich für: "Ok, welchen Film?"
"The Jacket hab ich da. Soll gut sein."
"Cool. Wollt ich eh schon mal sehen." Dass er den Film schon mal gesehen hatte, behielt er lieber für sich.
Lass mich sterben – Ich warte am Fluss – Du kommst mit mir – Was hast du getan?
Die Worte ließen Katja auch am Nachmittag nicht los, und sie war froh, dass sie ein wenig Gesellschaft hatte. Bongos Kater besserte sich, und sie aßen Nudeln vor dem Film. Dann klirrte es.
Adrien Brody wurde gerade zum dritten Mal in den Leichenschrank geschoben, als sie es hörten. Es kam aus der Küche.
"Mensch, Mohrle!" Katja stand verärgert auf.
Bongo biss sich auf die Zunge. Verdammt, er wollte gerade ihre Hand nehmen! Nur ein wenig noch und er hätte es fast geschafft. Er pausierte die DVD und lehnte sich zurück. "Was ist denn mit ihr?" In seinen Gedanken erwürgte er die Katze.
"Ach, die klettert immer in das Regal und schmeißt die Gläser um."
Er hörte sie in der Küche schimpfen und stand auf. Es würde seine Chancen nicht verbessern, wenn er sitzen blieb.
Er stieß die Küchentür auf. Katja kramte unter der Spüle nach Schaufel und Besen. Man konnte ihren Slip sehen, der weiß über dem Rand der Jogginghose aufblitzte. Er spürte eine beginnende Erektion und sah schnell zum Regal. Sein Herz klopfte. Sie durfte nichts merken!
Ein Weinglas lag zerbrochen im mittleren Fach. Von der Katze fehlte jede Spur. "Wo ist Mohrle?" Eigentlich interessierte ihn das nicht wirklich, aber er musste von seiner Erregung ablenken.
"Keine Ahnung. Wahrscheinlich abgehauen. Mann, ich find den verdammten Besen nicht."
Er sah noch mal zu ihr. Sie hatte sich noch weiter nach unten gebeugt, wodurch noch viel mehr von ihrer Unterhose entblößt wurde. Man konnte sogar ein bisschen ihren Po sehen.
Das Blut schoss ihm gleichzeitig in den Penis und in den Kopf. Mit schnellen Schritten ging er zum Regal. Angestrengt versuchte er seine Geilheit zu unterdrücken. Wenn sie merkte, dass er einen Ständer hatte, würde sie ihn sicher rauswerfen.
"Soll ich dir helfen?" Er bemühte sich, neutral zu klingen.
"Ach, geht schon. Ist ja bloß das eine Glas. Letztes Mal hat sie fast das ganze Regal zerlegt. Mama war so sauer, dass..."
Es knallte. Direkt vor Bongos Gesicht zersprang ein weiteres Glas. Kleine Splitter trafen ihn an der Backe. Noch ehe er reagieren konnte, zerplatzte das nächste. Eines nach dem anderen explodierte, als würde jemand auf die Behältnisse schießen. Bongo schlang die Arme um den Kopf und drehte sich um. Splitter zischten wie Schrapnellkugeln durch die Küche und es klirrte ununterbrochen. Katja stand zitternd und mit offenem Mund hinter der Spüle. Der Schock war so groß, dass sie nicht schreien konnte.
Nach zwei Minuten war der Spuk vorbei. Das gesamte Geschirr im Regal lag in Trümmern. Bongo kauerte auf dem Boden. Sein Rücken war mit Glassplittern übersäht. Vorsichtig richtete er sich auf. Sein Gesicht war blass. "Scheiße! Was war denn das?"
Katja rührte sich immer noch nicht und blickte starr auf das Regal. Eine deutliche Spannung lag in der Luft. So etwas war nicht normal. Es war beunruhigend.
Bongo sah Katja an. Sie war bleich und zitterte. Er spürte, dass er sie beruhigen musste, und kramte in seinem Kopf nach einer Erklärung. Irgendeine, egal wie idiotisch sie war. "Vielleicht war das die Hitze. Ich hab mal was über Glasmacher gesehen. Bei großen Temperaturunterschieden zerreißt´s die Gläser einfach."
Fassungslos blickte sie auf den Scherbenhaufen. Sie hatte ihn gar nicht gehört.
„Mann, wenn meine Eltern...“
Er pickte sich Glassplitter vom Arm. „Das kriegen wir schon. Ich kann auch mit ihnen reden. Außerdem können wir doch nix dafür. Die hat´s zerissen. Das passiert."
Sie weinte fast. "Alle auf einmal?"
"Naja, hat ja den ganzen Tag die Sonne drauf gescheint, oder?
Sie sah auf. Ihre Stimme flehte fast. „Matthias...“
Er stutzte. Außer seinen Eltern sprach ihn fast niemand mit seinem richtigen Namen an.
„Wenn das... was mit gestern zu tun hat...“
„Ach, quatsch. Wie kommst´n darauf? Das war der Temperaturunterschied, oder irgendwas. Klar, das war echt strange. Aber man kann alles irgendwie erklären.“
Ihre Unterlippe zitterte. „Ich hab Angst. Ohne Scheiß. Zuerst seh ich so komische Sachen und jetzt das. Das ist doch nicht normal.“
„Jetzt nicht verrückt werden. Das klärt sich schon. Ich helf dir aufräumen, dann schauen wir fertig, und dann wird´s schon.“
„Ach, ich hab gar keine Lust mehr auf den Film. Ich will bloß noch in´s Bett.“
Verlegen rieb er die Hände an seiner Hose ab. Alles kratzte. „Ja..., du, ich geh noch schnell in´s Bad. Ich muss die Scherben wegmachen.“
„Ok. Kannst du aus der Kammer den Staubsauger mitbringen?“
Er nickte. Beim Gehen bemerkte er seine weichen Knie. Er war nicht so ruhig, wie er gerne wirken wollte. Die ganze Sache kam ihm genauso merkwürdig vor, aber er war sich bewusst, dass Panik alles nur noch schlimmer machen würde.
Also versuchte er ruhig zu bleiben. Bis er den Fernseher sah.
Die DVD war bei einem von Brodys leidenden Gesichtsausdrücken pausiert worden. Eine der Szenen im Leichenschrank, in denen die Kamera ganz dicht an sein Gesicht heran fährt. Seine dunklen Pupillen füllten den ganzen Bildschirm aus und blickten traurig ins Wohnzimmer.
Bongo lief es eiskalt den Rücken hinab. Das Standbild war wirklich gruslig. Er wollte gerade die Stop-Taste auf der Fernbedienung drücken, als sich das Gesicht bewegte. Die Augen blickten nach links und nach rechts.
Er zuckte zusammen. Hatte er auf Play gedrückt? Die Kamera fuhr jetzt zurück. An das konnte er sich gar nicht mehr erinnern.
Die Augen wurden kleiner und man erkannte das komplette Gesicht. Es war nicht Adrien Brody. Es war eine Frau. Keira Knightley? Nein, die sah anders aus. Die Frau auf dem Bildschirm war irgendwie... exotischer. Ihre Haut war dunkel und ihr langes, schwarzes Haar fiel lockig über die Schulter. Bongo starrte auf den Fernseher.
Was war das? Lief das normale TV-Programm? Aber es hatte keinen Bruch gegeben. Das Standbild war geradewegs in diese Szene übergegangen.
Die Frau ging einige Schritte zurück. Sie trug ein langes, blaues Kleid, das ihren Körper vollständig verhüllte. Einige Sekunden blieb sie stehen und rührte sich nicht. Dann winkte sie, als wolle sie sich verabschieden. Doch in ihren Augen stand die Angst. Sie sagte zwei Worte: "Er kommt."
Dann war der Bildschirm schwarz.

3. Akt

My head falls backs and the walls crash down
And the sky and the impossible explode
(The Cure)​


"Lass mich sterben. Bitte lass mich sterben. Es gibt nichts mehr, was mich am Leben hält, denn er ist tot. Sein Körper ist eine leere Hülle, die den Fluss hinab treibt. Er ging nach Berzah und ich werde im folgen."
"Sei still! Du hast auf meine Ehre gespuckt. Du hast mich behandelt wie ein Tier. Sieh mich an!
Du gehörst mir. Und ihn, den Verräter, wirst du nie wieder sehen. Wir werden den Körper verlassen, Adiah. Aber du wirst nicht nach Berzah gehen.Du kommst mit mir."
Sie sah das schwarze Brett. Die mit Gold geprägten Buchstaben. Das Pentagramm.
Er riss ihren Arm hoch. Sein Griff war wie ein Schraubstock. In der rechten Hand hielt er den Dolch. Die Klinge war mit Ornamenten verziert. War es die Waffe, durch die Hanif den Tod fand?
"Die Klinge ist rein.", sagte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen, "Sonst folgt er uns. Unser Blut wird fließen, und wir werden für immer zusammen sein."
"Nein!" Sie schrie und wollte sich aus seinem Griff befreien, doch er war zu stark. Mit einer schnellen Bewegung schnitt er ihren Arm der Länge nach auf. Ihr Blut ergoss sich über das Brett und sammelte sich in den Linien des Pentagramms. Die schwarze Oberfläche verfärbte sich rot.
Sie schrie bis sie heiser war, doch es war vergebens.
Dann schnitt sich Jaafar selbst den Arm auf. Er tat es langsam, als würde er es genießen. Als sich sein Blut mit ihrem vermischte, lachte er.
"Nein, nein! Was hast du getan?" Sie spürte, wie sie schwächer wurde. Hanif! Er war verloren. Sie würde ihm nicht mehr folgen.
Aber verdiente sie ihr Schicksal nicht? War sie nicht schuld an seinem Tod? Ich warte am Fluss. Hätte Jaafar die Botschaft nicht gelesen, würde er noch leben. Warum hatte sie sie nicht verbrannt? Doch es war zu spät.

Bongo stöhnte und drehte sich auf die Seite. Trotz der Eiseskälte im Gästezimmer wachte er nicht auf. Mohrle hatte am Fußende des Bettes geschlafen, mittlerweile aber die Flucht ergriffen. Sie hatte wieder etwas gespürt. Als würde ein Raubtier durch das Haus schleichen.
Katja schlief zwei Zimmer weiter. Aber sie lag nicht still. sie warf sich herum, zuckte und ihr Kopf wurde zurück gebogen.
"Wehr dich! Du gehörst ihm nicht!" Eine Stimme donnerte dazwischen. "Sei still!"
Katja schlug die Augen auf und sah sich um. Sie stand an einem Fluss. An seinem Ufer wuchsen Palmen. Rechts von ihr erhob sich ein sandiger Hügel, der mit Sträuchern bedeckt war. Es war so heiß, dass sie kaum atmen konnte. Wo war sie? Sie ging auf den Hügel zu, als sie plötzlich eine leise Stimme hörte.
"Geh. Du musst gehen." Sie drehte sich um. Vor ihr stand eine Frau in einem langen blauen Kleid. Ihr Gesicht war bleich, aber dennoch hübsch. "Wer bist du?"
Die Frau reagierte nicht auf ihre Frage. "Geh, bevor es zu spät ist. Er wird bald hier sein."
"Wer? Wer wird hier sein?"
"Bitte, geh. Dich soll er nicht bekommen. Er hat schon so viele mitgenommen. Und ich konnte keinem helfen."
"Wie... wie soll ich gehen?"
Es donnerte, und sie zuckten beide zusammen. Der blaue Himmel wurde dunkel und ein eisiger Wind blies über den Fluss. Jetzt weinte die Frau. "Er ist hier. Es ist zu spät."
Das Sonnenlicht, das sich noch vor wenigen Sekunden im Fluss gespiegelt hatte, war nun vollständig verschwunden. Der Horizont hatte eine ungesunde, dunkelviolette Farbe angenommen. In das Heulen des Windes mischte sich das Echo ihres letzten Satzes. "...zu spät.....zu spät"
Dann war sie verschwunden.
Katja wurde unruhig. Ihr Mund war trocken und sie hatte Angst. Ein Sandsturm war aufgekommen. Man konnte kaum noch etwas erkennen. Sie begann zu laufen. Wohin wusste sie nicht. Sie wollte nur weg von hier. Sandkörner prasselten schmerzhaft in ihr Gesicht. Hustend kletterte sie den Hügel hinauf. Sie stolperte oft und hielt sich an den vertrockneten Büschen fest.
Auf dem Gipfel des Hügels drehte sie sich kurz um. Der Fluss war zu einem reißenden Strom angeschwollen. Die Wellen spritzten an das Ufer, und sie glaubte im Wasser bleiche Körper zu erkennen. Aus jeder Welle schien ein totes Gesicht zu glotzen. Die Lippen zu einem stummen Schrei geöffnet. Dann hörte sie ihn sprechen. "Ja, sie sind tot. Und sie gehören mir."
Sie fuhr zurück. Vor ihr stand ein Mann. Er war sehr groß und sein Gesicht wurde von einem dichten, schwarzen Vollbart verdeckt. In der rechten Hand hielt er einen langen Dolch, dessen Klinge mit seltsamen Mustern verziert war.
Er sprach arabisch, doch seltsamerweise konnte sie ihn verstehen. „Die Pforte ist geöffnet. Die Seelen sind jetzt frei. Du kommst mit mir!“ Er holte aus und stach zu.
Sie keuchte. Ihr Körper rechnete mit Schmerz. Stechend, drückend, brennend. Doch nichts davon geschah. Der Dolch steckte mitten in ihrer Brust, aber es war nicht schmerzhaft. Es war schlimmer. Kälte breitete sich in ihrem Körper aus, als würde sich ihr Blut in Eiswasser verwandeln. Ausgehend von der Wunde bahnte sich ein lähmendes Gift seinen Weg. Sie wollte schreien, doch aus ihrem Mund drangen keine Worte mehr. Die Farben verblassten. Sie dachte an nichts mehr. Alles was sie geliebt oder gehasst hatte, war nun gleichgültig. Sie war verloren.
In der anderen Welt strampelte sie mit Armen und Beinen. Schlug sich den Kopf auf der Bettkante auf. Urinierte in ihren Schlafanzug. Biss sich die Lippen blutig. Hob sich scheinbar ein wenig und krachte auf die Matratze zurück.
Mehrere Minuten tobte sie wie eine Wahnsinnige. Dann war sie still. Für immer.

4. Akt

I´ve lived a thousand times
I found out what it means to be believed
(Black Sabbath)​


"Wie behämmert muss ich sein, dass ich an Geister glaub?" Stefan hatte sich so in Rage geredet, dass er Katja seinen Speichel ins Gesicht spuckte. Sie wischte sich die Backe ab. Wann würde er endlich aufhören? Seit einer halben Stunde redete er auf sie ein und sie lieferte schon lange keine Gegenargumente mehr. Bei ihm hatte das keinen Sinn.
Mit seinen kurzgeschorenen, blonden Haaren und der randlosen Brille wirkte er schon äußerlich wie der absolute Klugscheißer. Und in Diskussionen bestätigte sich dieser Eindruck meistens. Er hatte Mathe und Physik als Leistungskurs gewählt, und in seinem jugendlichen Größenwahn glaubte er nun die ganze Welt begreifen zu können.
Inzwischen hatte er bemerkt, dass er ihre Antwort nicht abzuwarten brauchte und fuhr fort. "Das ist einfach finsterster Aberglaube. Das ist eine Erfindung der Menschheit, weil sie sich vor dem Tod fürchtet. Und die Existenz von Geistern lässt sich nie beweisen. Egal in welcher Wissenschaft."
Katja schenkte sich den letzten Rest Wein aus dem Tetra Pak ohne ihm wirklich zuzuhören. Er war zufrieden, wenn er sich selbst reden hörte.
"Und dieses ganze Zeug: Beschwörungen, Seancen, Ouija-Bretter. Das ist nichts weiter als Hokus Pokus. Bauernfängerei, mit der man ein paar Schwachköpfen das Geld aus der Tasche zieht."
Sie trank vom Wein. "Ich bin also ein Schwachkopf?"
"Äh... Nein, nein. Darum will ich´s dir ja erklären. Du hast viel zu viel Potential, um auf sowas rein zu fallen. Ich mein, wieviel Geld hast du für das Brett gezahlt?"
"Nichts."
"Äh, wie?"
"Nichts. Ich hab´s geschenkt bekommen."
Katja empfand stille Freude. Zum ersten Mal hatte sie in diesem Gespräch wieder die Oberhand. Aber er gab nicht so schnell auf. "Von wem?"
"Mein Onkel hat´s mir aus Marrakesch mitgebracht."
"Aha!" Jetzt hatte er den Faden wieder gefunden. "Also hat dein Onkel Geld dafür bezahlt. Und irgendein Händler in Marrakesch hat von der Dummheit profitiert."
"Mein Onkel ist nicht dumm!" Sie funkelte ihn an.
"Nein, so mein ich das auch gar nicht. Aber glaubt dein Onkel an Geister?"
Sie zuckte mit den Schultern.
"Ich glaub nicht, oder?"
"Was geht´s dich überhaupt an?"
Er wirkte beleidigt, sagte aber nichts mehr.
Von hinten torkelte Bongo an ihren Tisch. Er hatte das Gespräch zwar nicht mitbekommen, aber bemerkt, dass sich die Situation zuspitzte. Ungeschickt ließ er sich in den Stuhl fallen. Er war schon ziemlich betrunken und lallte ein wenig.
"Was´n los bei euch?"
"Frag den Experten", antworte Katja und sog die Luft ein. Ihr war ein wenig übel.
Stefan rieb sich die Stirn. "Ich wollt ja bloß erklären, warum die Aktion totaler Käse war."
Bongo unterdrückte einen Rülpser. "Naja, bloß weil du nicht dran glaubst, muss es ja kein Käse sein."
"Glaubst du dran?"
Bongo zögerte.
"Wenn du dran glaubst, warum hast du dann nicht mitgemacht?"
"Nein, ich glaub nicht dran. Aber..."
"Aha. Also warum ist´s dann kein Blödsinn?"
"Man kann´s ja mal zum Spaß.."
"Es war doch kein Spaß. Sie glauben doch alle dran."
Katja stand auf. Sie hatte kein Lust mehr zu streiten. Außerdem war ihr schlecht. Beide sahen sie an und Stefan wollte sich entschuldigen. "He Katja, das war jetzt gar nicht so gemeint, ich.."
"Ja, schon gut. Lassen wir das jetzt einfach." Sie versuchte flach zu atmen, damit sich die Übelkeit nicht verstärkte. Es war zu viel Wein gewesen.
Leicht stolpernd ging sie zum großen Gartentisch und griff sich das Ouija-Brett. Sie hatte eigentlich gehofft, die angefangene Beschwörung noch fortsetzen zu können. Angie und Antonia hätten sicher noch einmal mitgemacht. Aber es machte keinen Sinn mehr. Stefan und seine Kumpels würden sie immer wieder unterbrechen.
Blödmann, dachte sie. Er kam sich immer so verdammt schlau vor. Außerdem wusste sie gar nicht, ob sie wirklich an Geisterbeschwörungen glaubte. Aber welchen Sinn hatte ein Ouija-Brett, wenn man es nicht mal ausprobierte? Sie hatten die ganze Seance ja wirklich nur halb zum Spaß gemacht.
Das Brett wog schwer in ihrer Hand, als sie die Treppe hinauf ging. Naja, probierte sie es eben ein andermal aus.
Im Flur fühlte sie sich plötzlich merkwürdig. Ihr war vorher schon übel gewesen. Aber das war etwas anderes. Ihr rechter Arm, in dem sie das Brett hielt, schien zu vibrieren. Als würden leichte Stromstöße durch das Holz fließen. Erschrocken ließ sie es fallen. Die Buchstaben und das Pentagramm in seiner Mitte leuchteten bläulich und erhellten das pechschwarze Holz.
Ihr wurde schwindlig, und alles schien zu verschwimmen. Jemand sprach.
Lass mich sterben – Ich warte am Fluss – Du kommst mit mir – Was hast du getan?
Verzweiflung überkam sie. Eine unglaubliche Traurigkeit machte sich breit. Wo war sie? Der Ansturm der Gefühle war so stark, dass sie das Gleichgewicht verlor und auf den Boden krachte.
Ihr Hinterkopf schlug hart auf dem Holzboden des Flurs auf. Der Schmerz war stark und erlöste sie aus ihrer Trance.
Verwirrt blickte sie sich um und rieb sich den Kopf. Gott, ich bin total besoffen, dachte sie. Schwankend stand sie auf und nahm das Brett. Es leuchtete nicht mehr. Gerade so schaffte sie es in ihr Zimmer und schob es unter ihr Bett. Dann übermannte sie die Übelkeit schlimmer als je zuvor. Sie übergab sich die halbe Nacht und hatte dabei den Eindruck als würde sie jemand beobachten.

 

Hallo,

Der Fernseher, die Bücher, alles war mit einer grauen Patina überzogen. Als sie sich umsah, zitterte ihr ganzer Körper.
3 Fragen. Braucht es das „eine“ vor der Patina? Würde es ohne nicht stärker wirken?
Bruacht es „grau“ und „ganz“
Und 3. Das ist eben so Alltagssprache: Der Fernseher, die Bücher (und dann zusammenfassend) ALLES – ich finde das rhythmisch nicht so schön, fehlt da noch ein Schritt vor dem alles? Braucht es das alles? Kann man das anders ausdrücken?

Katja wäre gerade aufgestanden um zu frühstücken
Bei „um … zu“ und „ohne … zu“ steht weiter das Komma, weil sie andere Nebensatzarten einleiten als den erweiterten Infinitivsatz.

Die letzten Monate waren wie ausgelöscht.
Ja, das ist Alltagssprache. In literarischen Texten kann es oft stärker wirken dieses relativierende „wie“ wegzulassen. Du möchtest ja hier in den ersten Zeilen möglichst dicht schreiben, um den Leser mit der Figur und ihrer Trauer zu konfrontieren, da kann es nicht schaden, auch stilistisch zu verdichten und auch in der Sprache klar zu machen, dass hier keine Alltagssituation beschrieben wird.

Ein lautes Schluchzen drang aus ihrer Kehle und die Augen füllten sich mit Tränen. Sie schlang die Arme um ihren abgemagerten Körper und ließ ihrem Schmerz freien Lauf. Warum? Warum hatte man ihr Kind genommen?
Durch den Tränenschleier blickte sie auf die ungewohnte Ordnung. Wie viele Jugendliche hatte Katja nicht oft aufgeräumt.
Lass dir das mal auf der Zunge zergehen. Der Leser bekommt gesagt: Die Frau ist am Ende, sie ist fertig, dann wird das beschrieben.
Und einen Satz später schon kommt so etwas wie „Wie viele Jugendliche hatte Katja nicht oft aufgeräumt“, ein völlig emotionsloser Satz, der eine Selbstverständlichkeit beschreibt. Die Emotion wirkt da aufgesetzt, auch wie es beschrieben wird, das sind so Textbausteine. „schlang die Arme um ihren abgemagerten Körper“, „Lautes Schluchzen drang aus der Kehle“, „die Augen füllten sich mit Tränen“, „Ließ ihrem Schmerz freien Lauf“ – das sind vier Wendungen, die man alle schon einmal zu oft gelesen hat (statt abgemagert vielleicht hager, gut), das sind natürlich unangenehm zu schreibende Momente, aber gerade die erfordern besondere Sorgfalt. Die Suche nach dem besonderen Ausdruck ist gerade dann wichtig.

„Möchtest du ´nen Tee?“
Man macht den Apostrophen über die Raute-Taste.

Er sah sie an. Die Situation überforderte ihn etwas, denn Katja zeigte selten Schwäche. Und erst recht nicht ihm gegenüber. Normalerweise war es eher umgekehrt. Unsicher streichelte er ihren Rücken und versuchte beruhigend zu wirken.
Normal macht man bei Perspektivwechseln einen neuen Absatz, oder eine neue Szene. Es sei denn man hat vorher einen speziellen Erzähltypen installiert.


Whilst others here are sleeping sound
I'll slip away by floorboard creak
(Siouxsie and the banshees)
Das erinnert mich daran, dass eben ein recht ereignisloser Absatz über den Morgen nach einem Besäufnis mit einer Iron-Maiden-Textzeile überschrieben wurde. Ich weiß nicht, ob man dem Absatz damit einen Gefallen tut. Es hat schon was und ist ganz cool, aber mjo. Normal sollten Titel und Einstiegszitat für solche außertextlichen Verweise reichen. Ich weiß es nicht, ich bin kein großer Fan von.

Katja ließ die Zeitschrift sinken. "Mohrle. Da bist du."
Ich muss wieder den Spielverderber spielen, aber meinst du, wenn Katzen unsere Sprache verstehen würden, dann – was weiß ich – wäre das allgemein bekannt? Vielleicht erkennen sie den Tonfall, das könnte man aus dieser Perspektive bringen. Das wäre vielleicht besser. Halt nicht die Sätze, sondern nur den Tonfall beschreiben.

Eigentlich interessierte ihn das nicht wirklich
Bisschen literarisch bearbeiten, bitte. Es ist ja okay, wenn man umgangssprachlich bleibt, aber nicht so bla einfach. Man kann auch mal über Wendungen nachdenken. Die schriftsprachliche Umgangssprache ist nicht „Dem Volk aufs Maul schauen“ ,sondern „Dem Volk aufs Maul schauen und es literarisch bearbeiten“.
Mal davon ab: „Nicht wirklich“ ist das englische „not really“ und im Deutschen ist das „eigentlich nicht“ du hast hier also: Eigentlich nicht wirklich. Also die verdoppelte Belanglosigkeit im Ausdruck. Vorher schon das „Sinn machen“, da schaudert’s mich.

Er sah noch mal zu ihr. Sie hatte sich noch weiter nach unten gebeugt, wodurch noch viel mehr von ihrer Unterhose entblößt wurde.
Also wenn sie einen Slip anhat, wie viel kann man da denn groß von sehen oder nicht sehen? Das klingt als hätte sie so einen Liebestöter-Baumwoll-Ding an. Gut, ich bin auch kein Experte für Damenunterwäsche, aber unter „Slip“ stell ich mir etwas anderes als „Unterhose“ vor.

Das Blut schoss ihm gleichzeitig in den Penis und in den Kopf.
Ich … kann mir das schwer vorstellen. Also passiert das Leuten gleichzeitig?

Wenn sie merkte, dass er einen Ständer hatte, würde sie ihn sicher rauswerfen.
Weil allgemein bekannt ist, dass Frauen es hassen, wenn sie Männer erregen? Es hat schon ziemlich Komik hier.

"Naja, hat ja den ganzen Tag die Sonne drauf gescheint, oder?
Na ja (auseinander) und „geschienen“ (böser Fehler)

Ich will bloß noch in´s Bett.
Ins, auf gar keinen Fall ein Apostroph.

Bongo lief es eiskalt den Rücken hinab.
5 Euro ins Phrasenschwein. Da wirklich mal drauf achten bitte, diese zu bekannten Wendungen zu vermeiden, auch bei längeren Texte muss da mal durchgegangen werden, ob man solche Dinger drin hat, die wirklich keiner mehr lesen will.

Er sprach arabisch, doch seltsamerweise konnte sie ihn verstehen.
Woher weiß sie dann, dass es arabisch ist?

Okay, der Plot war dann – ich kannte den? Ich hab den vor nen paar Monaten auf Pro7 gesehen. Long Time Dead. Djinn wird mit Oujiba-Brett beschworen und killt Teenager. Gut, hier ist weiter weg. Zeitsprung am Ende, die Geschichte gibt nicht so viel her, da tut der Trick mit dem nicht chronologischen Erzählen vielleicht ganz gut. Mir hat das nicht so viel gebracht. Die Geschichte, also erstmal ein Lob für die Länge, dass man das durchhält. Dann die Szenen zwischen Bongo und Katja hatten durchaus was, also das hätte ich mir länger anhören können, der Horrror wird allerdings sehr spät richtig vorbereitet und wenn er dann kommt, ist es schon vorbei. Es fehlt hier ein bisschen die „Der Dämon tyrannisiert Leute, die vor ihm wegrennen“-Nummer, als man weiß, um was es geht, ist es auch schon vorbei.
Also noch mal, wenn ich da fies klinge: Es ist wichtig, so was Längeres zu schreiben, es hätte viel Schlimmer kommen können, aber das braucht alles noch viel Arbeit, der Aufbau, die Szenen, mehr Action in den Szenen, die brauchen auch Höhepunkte, ja, und dann der Aufbau muss auf etwas zulaufen, hier geht er von 0 auf Ende.
Die Figuren haben mir ganz gut gefallen, der Trick mit dem 4-2-3-1-Aufbau ist okay, aber ist mehr Selbstzweck und unterstützt die Geschichte nicht gerade und tjo.
Der Text ist recht sauber gearbeitet, jedenfalls wenig störende Fehler … müsste halt alles, für meinen Geschmack, noch zwei, drei Zacken stärker werden ,bevor ich sagen könnte: Jau, so geht’s.

Aber passt schon, guter Weg, wenigstens mal was Langes.
Quinn

 

Hallo Quinn,

vielen Dank fürs Lesen und die Kritik!

Braucht es das alles? Kann man das anders ausdrücken?

Bestimmt kann man das :). Ich bin noch auf der Suche nach meinem eigenen Stil. Muss meine Lieblingsautoren noch ein wenig aufmerksamer lesen, und mir dann das rauspicken, was für mich am besten ist.

das sind vier Wendungen, die man alle schon einmal zu oft gelesen hat

Richtig. Ich gelobe Besserung ;)

Normal sollten Titel und Einstiegszitat für solche außertextlichen Verweise reichen.

Ja, das war eine kleine Spielerei von mir. Aber für eine Kurzgeschichte ist es dann wohl wirklich zuviel des guten. Passt eher in einem längeren Roman. Vorläufig lass ich sie noch drin stehen. Mal sehen, was andere meinen.

Vielleicht erkennen sie den Tonfall, das könnte man aus dieser Perspektive bringen.

Oh, das ist ein Fehler. Sollte eigentlich Katjas Perspektive sein, und nicht die der Katze. Hm ja, Absätze machen :D

Es ist ja okay, wenn man umgangssprachlich bleibt, aber nicht so bla einfach.

Ich wollte mich in den Dialogen stark in die Jugendlichen einfühlen. Der lockere Ton hat dann scheinbar auch auf den Rest des Textes übergegriffen. Hast recht, das geht besser.

Also wenn sie einen Slip anhat, wie viel kann man da denn groß von sehen oder nicht sehen?

Öhm, wenn eine lockere Jogginghose weit genug nach unten rutscht, kann man schon einiges sehen. Woher ich das weiß? :Pfeif:

unter „Slip“ stell ich mir etwas anderes als „Unterhose“ vor.

Das sollte ein Synonym sein. Ist es nicht, ich weiß. Wird geändert.

Ich … kann mir das schwer vorstellen. Also passiert das Leuten gleichzeitig?

Weiß ich nicht. Sollte ein nur ein kleiner Witz sein.

Weil allgemein bekannt ist, dass Frauen es hassen, wenn sie Männer erregen? Es hat schon ziemlich Komik hier.

Das sollte Bongos Schüchternheit unterstreichen. Der arme hat ja kaum Erfahrung, da kann man schon mal so verklemmt denken.

„geschienen“ (böser Fehler)

Das war beabsichtigt. Er soll so sprechen. Gut, das ist stark vom Dialekt gefärbt (Bayerisch ;))

5 Euro ins Phrasenschwein.

Ja, der ist wirklich scheiße :)

der Horrror wird allerdings sehr spät richtig vorbereitet und wenn er dann kommt, ist es schon vorbei. Es fehlt hier ein bisschen die „Der Dämon tyrannisiert Leute, die vor ihm wegrennen“-Nummer, als man weiß, um was es geht, ist es auch schon vorbei.

Ja, ein typisches Problem bei mir. Ich hab's noch nicht so drauf, wirklichen Grusel zu erzeugen. Aber ich arbeite dran.

der Trick mit dem 4-2-3-1-Aufbau ist okay, aber ist mehr Selbstzweck

Das war auch ein Versuch. Ähnlich wie mit den Songtiteln. Allerdings, wenn ich jetzt wieder chronologisch erzähle, wird's mit der Spannung noch schwieriger.

Dann die Szenen zwischen Bongo und Katja hatten durchaus was, also das hätte ich mir länger anhören können

Die Figuren haben mir ganz gut gefallen

Und das freut mich ganz besonders. Ich habe nämlich versucht, mich stark auf die Charaktere zu konzentrieren und ihnen Leben einzuhauchen. Dass das funktioniert hat, freut mich wirklich. Da ist es mir schon fast wieder egal, dass der Horror-Teil wieder nicht so richtig funktioniert hat ;)

Satzzeichen und Apostrophe werde ich auch noch einarbeiten, danke dafür!

Deine Kritik hat mich sehr gefreut. Hilft wirklich weiter. Und das mit den Charakteren verbuche ich, wie gesagt, als Lob.

Viele Grüße
Christian

 

Hallo Christian

Nach einem spannenden Anfang flacht die Geschichte in der Mitte etwas ab, um dann am Ende wieder Tempo aufzunehmen.

Zunächst einmal zum Beginn: Ein schöner erster Absatz, recht intensiv und glaubwürdig, ich finde du hast den Schmerz der Mutter gut eingefangen. Da konnte ich mich sofort hineindenken.

Ihre Zehen stießen auf etwas unter dem Bett. Es fühlte sich an wie Holz. Aber da war noch etwas anderes. Kalt und unangenehm. Sie ging in die Hocke und fasste unter den Rahmen. Langsam zog sie das Ding hervor. Je mehr sie sah, desto übler wurde ihr.
Es war schwarz und abstoßend. Eine flüchtige Berührung. Hilf mir!

Tolles Ende des Absatzes und ein spannender Auftakt für deine Geschichte.

Bei den nächsten Absätzen hatte ich mehr Mühe, bei der Stange zu bleiben. Du schreibst zwar unterhaltsam und kurzweilig, aber die Geschichte geht etwas träge voran. Du reihst zwar eine seltsame Szene an die Nächste - erst das Verhalten der Katze, der Schwindel und die Übelkeit, die Kälte, schließlich der Höhepunkt mit den Gläsern und der Fau im Fernseher - aber ich glaube, genau hier liegt das Problem für mich: Es ist diese Aneinanderreihung von Ereignissen, die zum Einen sehr schnell abgehandelt und dann auch wieder vergessen sind, und zum Anderen auf mich einen etwas willkürlichen Eindruck machen. Es will sich kein schlüssiges Gesamtbild ergeben. Die Kälte, die Gläser, der Fernseher - das ist zwar alles für sich genommen nicht schlecht, aber in der Summe zu wenig, vor allem weil ich den Bezug zu der Geschichte in der Vergangenheit (?) nicht hinbekomme. Die spielt ja irgendwo in einer arabischen Wüste, also woher kommt die Kälte, und warum zerspringen alle Gläser? Vermutlich willst du damit das Auftauchen des Geistes beschreiben, aber wirklich gruselig wirkt das nicht auf mich. Und warum diese Frau auf einmal im Fernseher ist hab ich nicht verstanden.

Gut gefallen haben mir immer wieder die Andeutungen auf den ominösen Partyabend, dessen wirkliche Ereignisse du erst zum Schluß auflöst. Nach dem ersten Absatz ist dies für mich der Höhepunkt und bester Teil deiner Geschichte: Sehr gute, realistische Dialoge, Kompliment! Der Teil hat mir so gut gefallen, dass ich gerne noch mehr davon gelesen hätte.

Die Parallelgeschichte war mir persönlich etwas zu vage, ich bin nicht so recht schlau draus geworden. Der Geist war dann dieser Mann mit Bart, vermutlich Jaafar. Hier hätte ich mir mehr Infos als diesen doch sehr kurzen Abschnitt gewünscht. Vielleicht könnte man diese Geschichte parallel zur Anderen erzählen und dann am Ende zusammenlaufen lassen? Nur so als Anregung ... denn so nah du dem Leser Katja und Bongo bringst, so blass bleiben für mich Jaafar, Hanif und Adiah und ihre Geschichte.

Soviel mal zum Inhalt. Zum Stil: Quinn hat ja schon ein paar sprachliche Punkte angemerkt. Es ist in der Tat nicht einfach, immer wieder neue Beschreibungen zu finden und sich nicht in Allgemeinplätze zu flüchten. Übungssache eben. Was die Zitate der Songtexte angeht, da finde ich hast du etwas übertrieben: Ein knackiges Zitat zu Beginn der Geschichte ist noch OK, aber vor jeden Absatz eins zu machen muss meiner Meinung nicht sein - ist jetzt aber auch nicht so, dass es mich gestört hätte. Die Geschichte wird für mich dadurch nicht besser oder schlechter, und wenn das dein Stil ist und wenns dir gefällt finde ich hat das durchaus seine Berechtigung.

Ich schreib mal auch die Punkte noch hin, die mir aufgefallen sind:

Die Treppe bewegte sich. Die Stufen wogten auf und ab. Wie Wellen.

Der Vergleich "Wie Wellen" kann meiner Meinung nach entfallen. "Wogten" ist ein Wort, bei dem man automatisch an Wellen denkt.

Der Toast und die Teepackungen fielen ihr aus der Hand, als sie sie sich abfing.

Da ist ein "sie" zuviel.

Ihre grünen Augen hatten einen zornigen Ausdruck angenommen.

Da du den ganzen Absatz aus ihrer Sicht schreibst, würde ich das umformulieren - die eigenen Augen kann man schließlich nicht sehen, wenn man nicht gerade in einen Spiegel schaut.

Aber diesmal war das Tier eindeutig aggressiv. Oder vielmehr: Es hatte Angst.

Das "eindeutig" wirkt hier etwas fehl am Platz, da du die Aggression sofort im nächsten Satz zurücknimmst und durch Angst ersetzt.

„Au! du verdammtes...“

"Du" groß.

Es schien immer dunkler zu werden. Die Schatten in den Ecken schienen sich auszubreiten. Das Licht wurde scheinbar weggesogen und eine erstickende Schwärze umfing sie.

Hier sind mir zu viele schiens und scheinbars. Willst du damit sagen, dass das nicht wirklich passiert, sondern nur in ihrem Kopf?

„Katja?“ „Hey, alles in Ordnung?“

"Katja? Hey, alles in Ordnung?" (Es sagt ja derselbe Sprecher).

„Katja! Oh Gott, was ist denn los? Katja, hörst du mich?“

Hier muss ich einen sehr berechtigten Kritikpunkt an meinen eigenen Geschichten übernehmen: Das "Oh Gott" wirkt nicht besonders realistisch.

Mohrle saß geduckt unter der Couch und beobachtete das Geschehen im Wohnzimmer. Da war Katja, die ihr das Futter brachte und der man vertrauen konnte. Und ein anderer Mensch, der schon ein paar mal hier gewesen war. Bei ihm war sie noch etwas vorsichtig. Er streichelte sie und tat ihr nichts, aber Mohrle war keine Katze, die schnell Freundschaft schloss.

Aus der Perspektive eines Tieres zu schreiben, finde ich extrem schwierig und auch an nur wenigen Stellen passend. Hier würde ich es deshalb weglassen, weil der Leser durch die Perspektive der Katze keine neuen Einsichten bekommt. Auch gibt es keine Unterschiede im Stil.

"Willst du´n Film mit mir anschauen?"
Er sah sie an. Sein Herz klopfte schneller. Hatte er richtig gehört?
"Äh, warum?"

So nah du dem Leser die beiden Protagonisten bringst, ich hab die ganze Zeit nicht kapiert, in welchem Verhältnis die zueinander stehen: Sind die nur befreundet oder ist das ein Pärchen? Mal denk ich so, mal so. Das würde ich etwas klarer herausstellen.

"Cool. Wollt ich eh schon mal sehen." Dass er den Film schon mal gesehen hatte, behielt er lieber für sich.

In der gesprochenen Rede ist das "mal" in Ordnung, im nächsten Satz würd ichs aber rausnehmen, ist erstens recht flapsig und zweitens klingt der Satz dann fast identisch zum Ersten.

Sein Rücken war mit Glassplittern übersäht.

übersät

Bongo sah Katja an. Sie war bleich und zitterte. Er spürte, dass er sie beruhigen musste, und kramte in seinem Kopf nach einer Erklärung. Irgendeine, egal wie idiotisch sie war. "Vielleicht war das die Hitze. Ich hab mal was über Glasmacher gesehen. Bei großen Temperaturunterschieden zerreißt´s die Gläser einfach."

Für das, was geschieht, bleiben mir die beiden zu ruhig. Als würde es einfach an ihnen abperlen, wenn in der Küche mal so kurz alle Gläser explodieren. Vor allem die Erklärung von Bongo ("Es hat den ganzen Tag die Sonne drauf geschienen") wirkt mir ein wenig zu naiv. Ist klar, er will nur Katja beruhigen, aber dass das mit dieser Erklärung nur schwer gelingt, kommt mir zu wenig rüber.

Er ging nach Berzah und ich werde im folgen.

"ihm" statt "im"

Die Frau reagierte nicht auf ihre Frage. "Geh, bevor es zu spät ist. Er wird bald hier sein."
"Wer? Wer wird hier sein?"
"Bitte, geh. Dich soll er nicht bekommen. Er hat schon so viele mitgenommen. Und ich konnte keinem helfen."
"Wie... wie soll ich gehen?"
Es donnerte, und sie zuckten beide zusammen. Der blaue Himmel wurde dunkel und ein eisiger Wind blies über den Fluss. Jetzt weinte die Frau. "Er ist hier. Es ist zu spät."

Das ist ein toller Absatz! Spannend, mit schönen Bildern und einer tollen Stimmung.

Insgesamt hat mir die Gechichte gut gefallen. Was mir eben ein wenig zu kurz kam, war die Geschichte mit Jaafar & Co. Das würde ich noch ausbauen und die wachsende Verzweiflung von Bongo und Katja ein wenig intensiver beschreiben.

Und - ich kanns nur nochmal wiederholen, auch weil du selbst schreibst, dass dir das wichtig war an dieser Geschichte - Katja und Bongo wirken sehr realistisch, die bringst du dem Leser wirklich nahe! Weiter so!

Viele Grüsse.

 

Hallo Schwups,

Tolles Ende des Absatzes und ein spannender Auftakt für deine Geschichte.

Vielen Dank! Zumindest hier hat das mit der Spannung mal geklappt :)

weil ich den Bezug zu der Geschichte in der Vergangenheit (?) nicht hinbekomme. Die spielt ja irgendwo in einer arabischen Wüste, also woher kommt die Kälte, und warum zerspringen alle Gläser? Vermutlich willst du damit das Auftauchen des Geistes beschreiben, aber wirklich gruselig wirkt das nicht auf mich. Und warum diese Frau auf einmal im Fernseher ist hab ich nicht verstanden.

Gut, dass du das erwähnst. Als Autor ist mir natürlich nicht immer klar, wo es Verständnisprobleme geben könnte. Also, es gibt zwei Geister: Den von Jaafar und den von Adiah. Adiah hat Jaafar mit Hanif betrogen, was Jaafar aber irgendwann spitz gekriegt hat, und Hanif ermordet hat.
Nach dem Islam gehen verstorbene in die Zwischenwelt, nach Berzah, ein. (Dieses Wort hätte ich vielleicht erklären sollen).

Jaafar war allerdings so vor Eifersucht und Besitzgier zerfressen, dass er sich in einem magischen Ritual zusammen mit Adiah selbst tötete und ihre beiden Seelen an das Ouija-Brett gebunden hat. Er wollte nicht, dass Adiah Hanif nach Berzah folgen kann, deshalb hat er eine eigene Zwischenwelt erschaffen, in die man durch das Brett eintreten kann.

Jaafar hat seit Jahrhunderten seine perverse Freude daran, Seelen in seiner Zwischenwelt zu fangen, und jeder, der mit dem Brett spielt, ist so gut wie tot. Adiah versucht dies jedes Mal zu verhindern und zwar mit typischen Poltergeistphänomenen wie dem Zerspringen der Gläser usw.
Ihre Macht ist allerdings beschränkt, denn sie sagt ja selbst zu Katja, dass sie keinem von Jaafars Opfern helfen konnte.
Neben den Spukphänomenen ist die größte Warnung, die sie schafft, das Auftauchen im Fernseher. Das schafft sie auch nur kurz, aber sie versucht alles, was ihr möglich ist, damit Katja nicht von Jaafar geholt wird.

So, damit dürfte es erklärt sein ;) Jetzt merke ich selber, dass die Andeutungen eindeutig zu vage waren ;) Das werde ich mir noch vornehmen. Deine Anmerkung mit zwei parallelen Erzählungen finde ich interessant, vielleicht werde ich das verwenden.

Was die Zitate der Songtexte angeht, da finde ich hast du etwas übertrieben

Stimmt. Die werden auf eines reduziert. Oder vielleicht kommen sie auch ganz raus, und ich nehme als Einstiegszitat lieber die Erklärung von Berzah. Das würde eventuell besser passen.

So nah du dem Leser die beiden Protagonisten bringst, ich hab die ganze Zeit nicht kapiert, in welchem Verhältnis die zueinander stehen: Sind die nur befreundet oder ist das ein Pärchen? Mal denk ich so, mal so. Das würde ich etwas klarer herausstellen.

Echt? Hm, jetzt wo du's sagst... Bongo ist der typische "beste Freund" der mehr will, sich aber nicht traut. Ist das wirklich so undeutlich? Muß ich mal genauer schauen.

Stil- und Rechtschreibfehler werden auch wieder mal verbessert. Danke dafür! Ich werd sie wohl nie ganz los werden...

Insgesamt vielen Dank für deine Kritik. Ganz hilfreich war deine Anmerkung zur Vorgeschichte. Das werde ich definitiv anders und ausführlicher gestalten. Und dass die Charakter auch bei dir funktioniert haben, freut mich sehr! Danke!

Viele Grüße

 

Hi unbeliever,
Eine ausgezeichnete Geschichte. Ich fand sie sehr spannend. Es gibt in dieser Rubrik wenig Besseres. Hut ab vor der Zeitkonstruktion. Anders wäre in der Tat der Plot zu flach gewesen. Für mich hats bezüglich Spannung genauso gepasst und auch wie der Horror langsam und nicht aufdringlich in die Geschichte kam fand ich sehr gut.
Der Erste Absatz war sehr gut. Da möchte ich mich Quins Kritik nicht anschließen. Ich fand den gesamten Absatz sehr rund und stimmig.
Am schwächsten ist für mich der letzte Absatz. Da kommt die PErson des Geister Kritikers nicht stimmig rüber;

"Und dieses ganze Zeug: Beschwörungen, Seancen, Ouija-Bretter. Das ist nichts weiter als Hokus Pokus. Bauernfängerei, mit der man ein paar Schwachköpfen das Geld aus der Tasche zieht."
Das ist keine direkte Rede, die man jemand abnehmen würde und darann mangelt es diesem Absatz.

Es knallte. Direkt vor Bongos Gesicht zersprang ein weiteres Glas. Kleine Splitter trafen ihn an der Backe. Noch ehe er reagieren konnte, zerplatzte das nächste. Eines nach dem anderen explodierte, als würde jemand auf die Behältnisse schießen. Bongo schlang die Arme um den Kopf und drehte sich um. Splitter zischten wie Schrapnellkugeln durch die Küche und es klirrte ununterbrochen. Katja stand zitternd und mit offenem Mund hinter der Spüle.
Irgendwie kommt da der Schrecken nicht rüber. Da müsstest du vielleicht mehr ins Detail gehen.

LG
Bernhard

 

Hallo Bernhard,

tja, da bleibt mir nicht viel mehr als einfach Danke zu sagen! Das war das bisher größte Lob, das ich erhalten habe. Freut mich wirklich sehr, dass dir Geschichte so gut gefallen hat.
Deine Anmerkung mit Stefan, dem Geisterkritiker, war auch hilfreich. Das werde ich mir noch mal vornehmen. Genauso wie die anderen Punkte. Ich hoffe, die Geschichte wird dann noch ein wenig besser.

Viele Grüße und Herzlichen Dank!

 

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