Sunset
Sunset!
Sonnenuntergänge sind etwas wunderbares, das letzte Aufbäumen der untergehenden Sonne, kurz, bevor sie vollständig verlischt. Immer, wenn er die Möglichkeit hatte, dieses Schauspiel anzusehen, genoss er es von der ersten bis zur letzten Minute.
Ein schnelles Schiff, eine gute Karte und eine gute Kenntnis der Lage waren sehr wichtig, um die besten Plätze für dieses relativ oft wiederkehrende Schauspiel zu finden. Er verfügte zumindest über ein schnelles Schiff und eine gute Karte. Für den Rest verließ er sich mehr oder weniger auf sein gutes Gespür. In letzter Zeit hatte er drei Sonnenuntergänge miterlebt und selbstverständlich mit sämtlichen Mitteln seines kleinen Raumbootes auch vollständig aufgezeichnet.
Wenn er die passende Stelle für ein solches bevorstehendes Ereignis gefunden hatte, dann ging er vor Anker, legte sich für eine Weile aufs Ohr und ließ die automatischen Aufzeichnungssysteme in bestimmten Abständen Aufnahmen der Lage anfertigen. Wenn sich die Lage zuspitzte, dann weckte ihn die Automatik und bereitet alles für das große Happening vor. Es dauerte immer recht lange, bis die letzte Sequenz des Schauspiels in den Speichern des Schiffes aufgezeichnet war, doch dann ließ sich das gesamte Paket sehr gut an eine der regionalen Sendestationen verkaufen.
Nach längerer Suche war es nun wieder soweit. Er hatte einen Platz für eine sehr schön anmutende Aufnahme gefunden. An den Ufern einer Lagune, direkt auf einem erloschenen Vulkankegel ließ er sein Schiff in Warteposition gehen. Dann aktivierte er die Aufzeichnungssysteme seines Schiffes, sowie die Sicherheitseinrichtungen. Anschließend legte er sich zum schlafen in die kleine Kabine.
Die Geräte arbeiteten, wie schon so oft einwandfrei. In vorbestimmten Abständen wurden Aufnahmen und Aufzeichnungen angefertigt. Zunächst nur Standbilder, später dann auch kurze Filmsequenzen, um deutlicher die optischen Veränderungen sehen zu können.
Als der entscheidende Punkt erreicht war, weckten die Automaten ihn auf. Die Aussichtskanzel des kleinen Bootes war genau in der richtigen Richtung ausgerichtet. Die Sonne stand tief am Himmel, aufgebläht zu einem beeindruckenden Feuerball, und in einer grellen dunkelroten Tönung leuchtend. Ja, es stand kurz bevor. Es war warm auf dem Bergrücken, der sich ein wenig verändert hatte, während er geschlafen hatte.
Die Sonne sank tiefer. Durch die Wirkung der Atmosphäre noch verstärkt, erschien sie nun wie eine riesige Tomate. Die Messungen ergaben, dass sich das Schauspiel noch eine Weile hinziehen würde. Deshalb ging er erst einmal in die Kombüse und machte sich einen Tomatensalat. Dann legte er sich wieder zum schlafen nieder. Die Automaten sollten ihn zum rechten Zeitpunkt wieder wecken.
Wie lange er geschlafen hatte, als die Automaten den Alarm auslösten, konnte er nicht sagen, doch als er sich in die Beobachtungskanzel begab, stellte er erfreut fest, dass dies sicherlich der Zeitpunkt war, auf den er so lange gewartet hatte.
Er blickte auf den Schirm mit den Anzeigewerten. Draußen war es noch wärmer geworden. Der Vulkankegel hatte sich wieder ein bisschen verändert, aber das interessierte ihn nicht wirklich.
Er setzte sich in seinen Kontursessel. Dort hing die rote, zu einem erschreckenden Feuerball aufgeblähte Sonne.
Die letzen Minuten vor dem Sonnenuntergang waren angebrochen. Er lehnte sich zurück, um das Schauspiel genießen zu können, wie es keiner sonst konnte. Dabei rechnete er sich schon einmal aus, welchen Profit er mit dem Verkauf der Aufnahmen erzielen konnte, und welche Ausrüstung für sein nächstes Vorhaben er davon kaufen konnte.
Langsam sank die Sonne dem Horizont entgegen. Dann zog sich die Korona der Sonne zusammen. Immer enger zog sich die Außenhaut der Sonne, die einst ein kleiner gelbgrüner Zwergstern gewesen war, an den Kern heran. Bald würde sie ihre letzten Strahlen aussenden. Die Messgeräte zeigten das Ansteigen aller Werte, und schließlich eine explosionsartiges hochschnellen der Werte, dessen Ergebnis die Augen des einsamen Beobachters allerdings nicht mehr sahen.
Ein Beobachtungsschiff der Liga, das weit außerhalb des Systems postiert war, empfing einen letzten Impuls von der Raumjacht, bevor diese dem Feuersturm des explodierenden Sterns zum Opfer viel. In geraffter Form hatte der Automat des Schiffes die gesamten Aufzeichnungen dem Feuersturm der Supernova vorausgeschickt.
In einer gewaltigen Explosion verging der Stern. Ein Feuersturm jagte über den Planeten, auf dem das Raumboot des Beobachters schon seit 3500 Jahren lag, hinweg. Zuerst verglühte die Atmosphäre, dann verdampften das Wasser, sämtlich Pflanzen und Tiere des Planeten wurden verdampft. Diesem Feuersturm hielt das Raumboot noch stand, doch als der Stern seine verdichtete Materie von sich schleuderte, wurden die fünf Planeten des Systems von den heranjagenden Trümmern zerfetzt. Die freie Materie stürzte in den Stern und wurde gleich darauf wieder in glühenden Brocken in den Weltraum geschleudert. In einer einzigartigen Explosion verging das gesamte System. Als die Schockwelle der Supernova das Forschungsschiff der Liga weit draußen im Leerraum erreichte, fuhren die Energieschirme zu voller Leistung hoch und schützten die Raumschiffzelle vor Beschädigungen.
Später wertete man die 3500 jährigen Aufzeichnungen aus. Die Wissenschaftler waren begeistert vom Umfang des Materials, dass den Werdegang der Supernova eindrucksvoll dokumentierte. Endlich hatte man zum ersten Mal vollständige Daten über eine solche Entwicklung vorliegen.
12/6/99 Macs á Paris