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Summertime!
Die Zeit, in der rucksackbeschwerte Adoleszenten ihre Fahrräder zu kilometerlangen Reisen an einen See Start klar machen. Mit der Grundausstattung (Alkohol, Gras, Chips, Badehose, Liegematte und Schweißanfall) geht es bei alles dominierender Hitze los. Der Gedanke, dass dieser Weg am Abend mit ebenso viel Alkohol, nur dann eben im Blut, wieder zurückgelegt werden muss, stimmt nicht zurückhaltend. Ich bin selbstverständlich mit von der Partie, dieses Erlebnis darf man sich nicht entgehen lassen. Morgen steht zwar eine Matheklausur an, allerdings muss man im Leben auch Abstriche machen. Und so komme ich zu dem Urteil, dass der spontane Ausflug weit wichtiger für meine Persönlichkeitsentwicklung ist, als das Begreifen von Mathematik. Der See ist in naher Zukunft noch nicht zu erreichen, deshalb muss eine Motivation her. Was ist da besser geeignet als Alkohol? Mit ihm lässt sich alles erledigen, er lässt einen auch nicht im Stich. Ein Bier? Nein, wir brauchen was mit mehr Umdrehungen. Also packen wir unsere unbeholfen zusammengeschüttete Wodka- Orangensaft Mischung aus und rasten voll Vergnügtheit an einer Bushaltestelle. Am See dann endlich angekommen und die Liegereviere abgesteckt, machen wir uns an das Gras. Natürlich haben wir eine satte 30 cm Bong am Start, mit der wir feierlich die neue Grill- Hormon- und Seesaison eröffnen.
Im Sommer geht alles einen Schritt gelassener. Beschäftigt man sich im Winter noch mit Selbstmordgedanken, während man am Versuch scheitert, sein komplettes Gesicht in der Jacke verschwinden zu lassen, frohlockt der Sommer mit Sonnenbränden und Kreislaufzusammenbrüchen. Der gratis Rausch sozusagen. Die Menschen „bummeln“ sonnenbebrillt und eisleckend durch die Fußgängerzone (Arschlöcher sagen „FuZo“, ihre Kinder nach „Schwimmengehen“ quengelnd im Schlepptau.
Auch die Schule mündet im Sommer in meinen Augen, nach, natürlich, zahlreichen Ergüssen des ungezügelten Arbeitswillens im Winter, in die Bedeutungslosigkeit, aber leider nicht gerade in die Leichtigkeit.
Denn wenn über zwanzig Menschen, noch dazu junge, aufeinanderhockend in einem winzigen Raum eine Matheklausur zu bewältigen haben, wird die Atmosphäre schnell zum Versagensgrund- auch bei offenem Fenster, denn die Luft steht ja meistens. Genau das ist nämlich jetzt die Sachlage. Auf den Stirnen zeichnet sich ein dicker Schweißfilm ab. Durch unfreiwilliges Trainieren nimmt man den Geruch nicht durch die Nase wahr, aber allein die berechtigte Annahme, dass unermüdlich rumgestunken wird, bereitet Ekel- auch vor sich selber.
Und mit an den Schultern festgesogenem T-Shirt kauere ich nun nervös mit dem Geodreieck herumspielend über unbestechlichen Rechenkästchen, während meine rechte Hand fieberhaft Aufgaben in den Taschenrechner fummelt. Parallel dazu stoßen die anderen Gladiatoren presswehenartig ein Resignation ankündigendes Ächzen, Stöhnen und/ oder Fluchen aus. Ich mache eine Pause, es hilft nichts. Gerade habe ich für eine Aufgabe aus dem kleinen Einmaleins die Hilfe des elektronischen Freundes in Anspruch genommen. Ich denke über den Sommer nach. Der Sommer kommt trotz allem am besten weg. Gegenüber den Einschränkungen im Freizeitbereich, die seine Kollegen mit sich bringen, verbreitet er doch eine angenehme Portion Freiheit.