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Sudenkorento

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15.04.2002
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Sudenkorento

Als Stefan Haukipettala den Stachel des Wesens in seiner Haut spürt, weiß er: Er wird verschwinden. Wie all die anderen wird er ... einfach verschwinden.
Haukipettala hält sich den Unterarm und beißt die Zähne aufeinander. Zitternd sieht er dem Sudenkorento hinterher, der schillernd und summend, einer gedrungenen Libelle gleich, im dunklen Regenhimmel über Gelsenkirchen verschwindet.
Nachdem er sich zur Besonnenheit ermahnt hat, zieht Haukipettala sein Handy aus der Innentasche seiner Freizeitjacke. Er aktiviert die Wahlwiederholung und hält sich das Gerät ans Ohr.
»Smith?«, meldet sich sein Assistent.
»Ich brauche Sie um 21 Uhr im Büro«, sagt Haukipettala.
»Es ist Samstagabend, und meine Frau ...«, wendet Smith ein.
»Wer bezahlt Sie, Ihre Frau oder ich?«, versetzt Haukipettala.
»Sie sind der Boss«, murrt Smith. »Worum geht’s denn?«
»Sudenkorento. Finden Sie alles über die Viecher raus, was Sie können.«
»Herrgott, ist jemand gestochen worden?«, entfährt es Smith.
»Wir sehen uns um 21 Uhr.« Haukipettala beendet das Gespräch.
Er sieht sich um. Überquellende Müllcontainer, von Natriumlampen in ungesundes Gelb getaucht, verklebte Schaufenster eines ehemaligen Döner-Ladens. Der Vorstand der deutschen Niederlassung eines Weltkonzerns sollte sich nicht in einer solchen Gegend aufhalten. Haukipettala fährt herum, als er Stimmen hört: Grölende Jugendliche. Gewaltbereit. Zeit, zu verschwinden. Er wirft keinen weiteren Blick auf seine Verletzung.
Der Audi parkt vor der Gesamtschule // Mutters dunkle Fleischsoße am Himmel treibt Fettaugen-Wolken in die Richtung, die sie Abend nennen. Plantagen erstrecken sich bis zum Horizont, wo grün und braun ineinander fließen. Zwischen niedrigen Gewächsen kauern nie gesehene Wesen, die Beeren pflücken und in Wannen werfen. Dann ein Brummen, das sich von hinten nähert, als wolle eine Riesenhummel die Ernte begutachten, und die faulen Arbeiter // fast 21 Uhr, als Haukipettala seinen Audi in der Tiefgarage abstellt, zum Aufzug eilt, sich den Unterarm hält. Er betritt die Kabine, drückt die Taste mit der Sieben, wippt auf den Zehen, sieht sein Gesicht in der spiegelnden Hinterwand des Lifts. Er starrt sich selbst an. Noch existiert er, das ist der Beweis.
Der Aufzug hält, Haukipettala öffnet die Sicherheitstür zu den Büroräumen mit seinem Fingerabdruck. Er hastet am verlassenen Empfangstresen vorbei, durch den Gang, den nur die Notbeleuchtung erhellt. Die Tür zum Besprechungszimmer steht offen, Licht dringt heraus.
»Smith«, sagt Haukipettala, als er hinein stürmt und seinen Assistenten erkennt, der am Tisch sitzt, den bebrillten Blick aufs Notebook geheftet, dann aufsieht.
»Was haben Sie rausgefunden?«, fragt Haukipettala und setzt sich neben Smith. Ihm fällt auf, dass er seinen Assistenten noch nie ohne Krawatte gesehen hat.
Smith nimmt die Brille ab und knetet seinen Nasenrücken. »Die Sudenkorento sind zuerst vor zwei Wochen in der Nähe von Inari in Finnland gesehen wurden. Deshalb tragen sie den finnischen Namen, der soviel wie Libelle bedeutet.«
»Weiter«, drängt Haukipettala und legt sein Handy auf den Tisch.
»Inzwischen gibt es Meldungen aus allen Teilen der Welt. Es gibt nur ein paar verschwommene Fotos von den Viechern, fangen und untersuchen konnte man noch keines. Biologen behaupten, dass es eine höchst ungewöhnliche Mutation sein muss.«
»Ist das alles?«
»Verschwörungstheoretiker behaupten, dass es sich um außerirdische Lebensformen handelt, die uns im Auftrag eines Geheimbundes unterjochen.«
»Überaus plausibel.«
»Zeigen Sie mir Ihren Arm«, verlangt Smith.
»Wie bitte?«
»Sie reiben sich die ganze Zeit den Unterarm. Sie sind gestochen worden.« Smith ist hochintelligent. Sonst hätte er nicht diesen Job.
Wortlos zieht Haukipettala sein Sakko aus, schiebt den rechten Hemdsärmel hoch. Es ist kaum mehr zu sehen als eine Rötung. Smith setzt seine Brille // und dann der Gestank. Er weiß nicht, ob es die fremden Wesen sind, die matschigen Beeren, oder der Soßen-Himmel. Er richtet sich auf, überragt die meisten der Wesen, deren Augen sich auf ihn richten, dann eilig wieder Beeren suchen. Ein Ruf, in der Nähe, vielleicht hinter ihm. Er dreht sich, ist zu leicht, sein Fuß verfängt sich in einem Gewächs, er verliert das Gleichgewicht, fällt ... Sein Fuß tut weh, weil ein Stück scharfes Metall seinen nackten Knöchel umschließt. Daran ist ein Stahlseil befestigt, das irgendwo zwischen den Büschen verschwindet. Jemand ruft, vielleicht seinen Namen, wie lautet der doch gleich? Wieder der Ruf. Julian. Es dauert eine Weile, bis er begreift, dass er selbst der Rufer ist. Diesen einen Namen wiederholt, in einem fort. Vermutlich gibt es einen Grund dafür. Aber zunächst muss er etwas anderes erledigen. Er weiß, dass es mit den Beeren zu tun hat. Sein Blick fällt nach links, auf eine große, graue Plastik-Wanne. Er greift danach, und ein paar matschige Beeren kullern darin herum. Seine andere Hand tastet zwischen den Blättern des Busches, neben dem er sitzt. Er schwitzt, ihm ist warm. Julian. Julian ist wichtig. Aber erst ... Er pflückt die erste // allein gegangen.«
Haukipettala zwinkert. Fühlt sich mit einem Mal schwer. Schnauft, um den Geruch aus der Nase zu bekommen. Schüttelt den Kopf, als könne er so das Gift der Sudenkorento loswerden. Er spürt den Blick seines Assistenten auf sich ruhen. Seine Stimme klingt hohl, als er spricht. »Was? Was haben Sie gesagt?«
»Ich sagte, ich wäre nicht allein gegangen.«
»Wohin?«
Smith rückt seine Brille zurecht, räuspert sich. »Sie erinnern sich nicht an unser Gespräch, oder?«
Haukipettala spürt kühlen Schweiß. An Rücken und Bauch. Kälte auch im Kopf. Eisiges Metall, das sein Bewusstsein tranchiert hat und dasselbe mit seinem Körper vorhat. »Was habe ich erzählt?«, fragt er.
Smith zögert, bevor er nicht antwortet: »Sie haben geflackert.«
»Geflackert?«
»Ja. Zweimal. Einmal gerade eben, zuvor vor einer Viertelstunde, kurz nachdem wir uns hier getroffen haben.«
»Was habe ich erzählt?«, fragt Haukipettala. Er will nicht über Flackern sprechen. Nicht über Beeren. Beeren? Was für Beeren? Er schluckt, sein Hals kratzt.
»Sie waren in der No-Go-Area.« Es klingt wie ein Vorwurf der Steuerhinterziehung oder des Falschparkens, nichts Schlimmes, man sollte sich nur nicht erwischen lassen.
Der Chef der Deutschland-Niederlassung nickt. »Ich erinnere mich.«
Smith zögert erneut, als wüsste er nicht, ob er seinem Boss ein Geheimnis offenbaren soll. »Sie haben dort eine Frau aufgesucht«, sagt er dann. »Es ging um deren Sohn.«
Haukipettala steht auf, muss sich an der Stuhllehne festhalten. Ja, er erinnert sich an Julian. Seine Mutter hat angerufen, weil er verschwunden ist. Sie hat nicht gewusst, an wen sie sich wenden soll. Er, Haukipettala, kenne doch viele Leute. Leute, die helfen können, ihren Sohn ... seinen Sohn ... zurückzuholen.
»Er ist verschwunden«, sagt Haukipettala zur erleuchteten Ruhrstadt hinter dem Fenster.
»Er ist gestochen worden.« Smith spricht es aus, und Haukipettala nickt. »Ich habe versprochen, ihn zu finden.«
»Und deshalb«, sagt Smith und seufzt, lehnt sich zurück in den knarrenden Stuhl, »haben Sie sich stechen lassen.«
Haukipettala reagiert nicht. Smith fragt sich, ob er schon halb woanders ist. Dort, wohin die Sudenkorento ihn verschwinden lassen. Ihn und all die anderen.
Der Mann am Fenster bewegt sich. Er zieht den Ärmel seines Hemdes über den Unterarm. »Ich werde ihn finden und zurückbringen«, sagt er. Dann flackert er. Smith zwinkert, klammert sich an die Tischkante, starrt seinen Chef an. Und dann das Fenster, vor dem niemand steht.
Er wartet eine Weile. Haukipettala kommt nicht zurück.
Nach einiger Zeit fängt Smith an, sinnlos den Tisch zu umkreisen. Als er sicher ist, dass sein Chef so schnell nicht wieder auftaucht, ruft er die Polizei an. Bevor er den Konferenzraum verlässt, fällt ihm das Handy auf, das auf dem Tisch liegt. Er zögert, dann nimmt er das Gerät in die Hand. In der Liste der gewählten Nummern ist die erste seine eigene. Darauf folgt eine, die mit 0209 beginnt. Gelsenkirchen. Smith überlegt nicht lange. Dann wählt er die Nummer, um der Frauenstimme in der Leitung zu erklären, dass der Vater ihres Kindes sich jetzt endgültig auf die Suche gemacht hat, aber sein Handy nicht mitnehmen konnte.
Er holt tief Luft, dann sagt er, ja, natürlich, er ruft wieder an, wenn er etwas von ihm hört.

 

Hi Uwe!

Das wäre ja ein richtig schöner Anfang von etwas Größerem - das Motiv der Suche nach verschwundenen Angehörigen verbraucht sich nicht so schnell - aber so sagt mir die Geschichte nicht viel. ich nehme an, das hier ist nur eine Schreibübung und Appetithappen gedacht, aber dafür machst du den Leser eigentlich zu neugierig. Was diese Visionen bedeuten, was es mit seinem Sohn auf sich hat ( okay, kann mir schon denken, dass Julian das Produkt eines lustigen Seitensprungs mit einem Strichmädchen ist, aber er müsste sich ja nicht unbedingt für ihn interessieren - warum nimmt er so viel auf sich für ihn? )
Viel gäbe es da inhaltlich nicht zu sagen, denn es gibt ja ( noch ) nicht allzuviel her. Wenn du die Verschwindungsnummer so lässt, wie sie ist, geht die Tendenz eindeutig in Richtung Komik, aber das war von dir wahrscheinlich gewollt, so wie ich dich kenne. ;)

Ein paar Fehler sind mir aufgefallen:

Biologen behaupten, dass es eine höchst ungewöhnliche Mutation sein muss.«

Der Satz wirkt eher unfreiwillig komisch. Fast wie:
"Jemand hat die Sonne grün angemalt."
"Das muss ein ziemlich ungewöhnliches Ereignis sein."

Überaus plausibel.«

Aber zunächst muss er etwas anderes erledigen.

Aber erst ... Er pflückt die erste

»Sie waren in der No-Go-Area.« Es klingt wie ein Vorwurf. Steuerhinterziehung oder Falschparken, nichts Schlimmes, man sollte sich nur nicht erwischen lassen.

Irgendwie erschließt sich mir der Zusammenhang des dritten Satzes mit den beiden anderen nicht.

Haukipettala reagiert nicht. Smith fragt sich, ob er schon halb woanders ist. Dort, wohin die Sudenkorento ihn verschwinden lassen. Ihn und all die anderen.
Der Mann am Fenster bewegt sich.

Ich bin kein Freund von Perspektivenwechseln mitten in der Szene. Sie irritieren immer ein wenig. Ich denke, ein Absatz dazwischen könnte dem abhelfen.

Ciao, Megabjörnie

 
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Hi Uwe,

das ist doch keine Geschichte, das ist die Einleitung für eine. Und keine üble, ich hätte weitergelesen, wenn's den Rest auch gegeben hätte ;) aber so fühl ich mich ein bisschen betrogen.

Also mal sehen: Das spielt bei Gelsenkirchen. Und der eine heißt Smith. Und der andere Haukipettala oder Sitting Bull oder so. Wieso denn das?! Beim Manitou.

Der Vorstand der deutschen Niederlassung eines Weltkonzerns sollte sich nicht in einer solchen Gegend aufhalten.
Verdammt umständliche Beschreibung, die sich holprig liest. Musst du die hier unbedingt haben? Dann schon lieber "Das war keine Umgebung für Mutters einzigen Sohn." :D

Er wirft keinen weiteren Blick auf seine Verletzung.
Verletzung? Übertrieben, es ist doch nur ein Insektenstich. Auch, wenn die Folgen drastisch sein mögen, zunächst mal ist es nur ein Stich.

Okay, und danach hab ich's so verstanden, dass er während "des Flackerns" in die andere Welt übertritt, in der er für irgendwelche brummenden Mächte Beeren pflücken muss, richtig? Und wenn er verschwindet, ist er komplett rüber?

Biologen behaupten, dass es eine höchst ungewöhnliche Mutation sein muss
Uahahaha. Diese Biologen sollte man erschießen. Wenn sich jemand auf diesen neuartigen Küchenstuhl setzt, explodieren allen Menschen im Nachbarraum die Köpfe. Führende Möbeldesigner behaupten, das Stuhlmodell muss aus der Tjorven-Serie von Ikea stammen ...

Für diese tollen Informationen musste Hauki-Dingsbums seinen Assistenten aus dem Feierabend klingeln? Da hätte er sich doch auch mit dem Handy ins internet einwählen können, google hätte da noch mehr gewusst. Und überhaupt, ICH hätte mich vielleicht sogar schlau gemacht, BEVOR ich mich stechen lasse, nur so'n bisschen, vielleicht hätt ich wenigstens einen wikipedia-Artikel gelesen, selbst wenn der noch voller Fehler gewesen wär - aber das ist natürlich nur meine ganz persönliche Vorgehensweise in solchen Dingen, bei denen es um Leben und Tod geht.

»Zeigen Sie mir Ihren Arm«, verlangt Smith.
»Wie bitte?«
»Sie reiben sich die ganze Zeit den Unterarm. Sie sind gestochen worden.« Smith ist hochintelligent. Sonst hätte er nicht diesen Job.
Hä? Das klingt wie ein fehlgeschlagener Gag. War das ironisch gemeint? Es liest sich nicht so. Andererseits muss niemand hochintelligent sein um etwas so Offensichtliches zu erraten. :confused: Dann wiederum, Haukipettel kommt auch nicht besonders helle rüber, siehe oben. Eigentlich ist Smith der kongeniale Watson zu diesem Sherlock. :D
Ich weiß nicht, ich hab den Eindruck, die Figuren waren beide nicht so beabsichtigt, oder?

»Geflackert?«
»Ja. Zweimal. Einmal gerade eben, zuvor vor einer Viertelstunde, kurz nachdem wir uns hier getroffen haben.«
Den ersten Flash hatte er aber noch bevor er Smith getroffen hat, oder nicht?

»Sie waren in der No-Go-Area.« Es klingt wie ein Vorwurf. Steuerhinterziehung oder Falschparken, nichts Schlimmes, man sollte sich nur nicht erwischen lassen.
Was macht denn die Area zum No-Go? Die Sätze verknüpfen sich nicht so richtig, meintest du das so im Sinne von "Der Vorwurf klingt nach einer Kleinigkeit, wie Steuerhinterziehung oder Falschparken, ..."?

Der Chef der Deutschland-Niederlassung nickt.
Schon wieder. Diese arg komplizierte Berufsbezeichnung liest sich ungut, auch beim zweiten Mal.

Als er sicher ist, dass sein Chef so schnell nicht wieder auftaucht, ruft er die Polizei an.
Wie den Satz mit den Biologen finde ich den hier unfreiwillig komisch.

Schreib mal den Rest von der Geschichte auch dazu, mich interessiert wirklich, wie's weitergeht. :)

 

Hallo Uwe,

Meinen ersten Beitrag auf diesem Board werde ich mal deinem Text widmen.

Für mich stellt sich diese Geschichte durchaus als abgeschlossen dar. Ich finde nicht, daß sie sich so, wie sie jetzt ist, für den Auftakt zu etwas Größerem eignet. Dazu müssten ein paar Dinge geändert werden. Momentan ist es einfach eine runde Kurzgeschichte mit ein paar nicht vollständig erklärten Sachverhalten. So, wie es ein soll.

Die Idee, die dahintersteckt, hat mir gut gefallen. Irgendwoher kommen diese Viecher und bringen mit ihrem Stich Leute zum Verschwinden. Ob diese Leute dann anderswo wieder auftauchen oder nicht, bleibt im Dunkeln. Die Gestochenen durchleben zwar ein paar abgefahrene Fantasien, es wird aber nicht klar, ob dies lediglich Nebeneffekte des Verschwindens oder bereits kurze Blicke in die Zielgegend sind. Das muß auch nicht erklärt werden. Die Geschichte hat somit zwar keine unterhalb des Textes liegende Aussage, wie eine von den anderen Antworten gewünschte Fortführung des Themas es vielleicht ermöglichte, aber unterhalten kann sie allemal.

Worin ich den anderen Kritiken jedoch zustimme, ist die Unnötigkeit diverser Informationen, die dem Leser als Häppchen verstreut im Text präsentiert werden. Da ist z.B. die Herkunft des Kindes, die als mögliche Liaison der Hauptfigur mit einer deutlich schlechter gestellten Frau angedeutet wird. Hier werden soziale oder persönliche Konflikte angerissen, die nicht zur Auflösung kommen. Außerdem bleibt die Motivation des Vaters, sein Kind zu suchen, wirklich fragwürdig.
Kleine Schwächen, die sich schnell beheben lassen, sind die unpassend gewählten Beschreibungen wie beispielsweise die in den anderen Antworten bereits erwähnten Biologen, die Verletzung, der Niederlassungsvorstand, die Intelligenz des Assistenten.

Mein größter Kritikpunkt ist aber der leicht holprige Sprachrhythmus. Ich bin kein guter Analytiker bzw. fange gerade erst damit an und weiß deshalb nicht so genau, was mich hier so stört, aber ich kann diesen Text nicht stolperfrei lesen. Liegt es vielleicht doch am Präsens? Stellen wie "Nachdem er sich zur Besonnenheit ermahnt hat" mögen grammatisch korrekt sein, lassen mir aber die Augenbrauenhaare zu Berge stehen.

Ich finde, wenn diese Rohfassung noch etwas Feinschliff erfährt, kann eine gute und in sich schlüssige Geschichte daraus werden.

Herzliche Grüße,
Felix

 

Jau, wird Zeit, dass ich auf eure Anmerkungen eingehe. Vielen Dank schonmal für eure aufschlussreichen Kommentare.

Ja, die Geschichte ist ein Experiment, zunächst mal wieder wegen des bis zum Exzess betriebenen Weglassens (weswegen Are-Efen als Nicht-SF-Fachmensch wohl keine Chance hatte, den Inhalt zu verstehen), aber auch wegen der scharfen Schnitte (an denen sich offenbar niemand gestört hat), wegen des Perspektivwechsels am Ende (der mir auch nicht gefällt, ohne den die Geschichte aber wirklich längst nicht zuende gewesen wäre) und schließlich wegen des Präsens, das tatsächlich ungewohnt ist und offenbar nur von einem Autor wie Stephenson holperfrei niedergeschrieben werden kann.

@MegaB: Danke für's Finden der Tippfehler, hab ich korrigiert.
Ja, der Sohn ist Produkt einer unangemessenen Affäre mit einer Gelsenkirchenerin, ob es eine Prostituierte ist, lasse ich offen.

@Möchtegern: Gelsenkirchen ist eine recht bunte Stadt, was Nationalitäten angeht, wobei es zugegebenermaßen eher andere Länder sind, die dort vertreten sind, als USA und Finnland - die spielen hier die Rolle des Strukturwandels, der in Form fremder Know-How-Träger einwandert, kaum aber die sozial schwachen Schichten in Lohn und Brot bringt.

Okay, und danach hab ich's so verstanden, dass er während "des Flackerns" in die andere Welt übertritt, in der er für irgendwelche brummenden Mächte Beeren pflücken muss, richtig? Und wenn er verschwindet, ist er komplett rüber?
Exakt :D

Zugegebenermaßen sind die Figuren wenig gelungen, was die Plausibilität ihrer Handlungen angeht. Dass Du zirka drei Stellen witzig findest, die nicht so gedacht waren, ah, irritiert mich jetzt ein wenig, könnte mich aber auch dazu verleiten, die Story komplett für die Humorabteilung umzuschreiben. Tatsache ist, dass der flapsige Tonfall vielleicht nicht zum dramatischen Geschehen passt (immerhin will der Mann den verschwundenen Sohn zurückholen, ohne zu wissen, wie das gehen soll). Hm, vielleicht hat mich die vorhergehende Lektüre von Stephensons Cryptonomicon dazu verleitet - der macht das nämlich ungefähr so, bloß natürlich viel besser als ich.

@Felix: Du haust in dieselbe Kerbe, auch wenn Du meine Meinung teilst, dass die Geschichte abgeschlossen (wenngleich mit offenem Ende) ist. Die Sache mit dem Sohn ist vielleicht wirklich etwas zuviel (obwohl sie als Motivation dienen kann, vielleicht sogar absichtlich das eigene "Verschwinden" herbeizuführen").

Euer Input führt jedenfalls zu klaren Bildern in meinem Kopf, die zeigen, was ich ändern muss. Das werde ich demnächst tun.

@A.-E.: Es ist erschütternd, wenn ich mal wieder erkennen muss, dass meine Storys (nicht nur diese) so stark zielgruppenabhängig sind, dass sie jemand ohne SF-"Vorbildung" nicht verstehen kann. Tut mir Leid, dass ich Dich nicht unterhalten konnte. Energisch verteidigen muss ich aber die Wahl eines realen Ortes. Das ist einfach eine Frage der Authentizität. Gelsendingenskirchen steht hier stellvertretend für Städte mit hohem Anteil an sozial Benachteiligten in Verbindung mit Strukturwandel (repräsentiert durch die finnische Firma). Zwar hätte mehr Lokalkolorit sicher gutgetan, aber die Stadt ist nicht das Zentrum der Geschichte, sondern das unerhörte Verhalten der (sehr wahrscheinlich) außerirdischen Libellen, die Menschen entführen, um sie fernab der Heimat auf Beerenfarmen zu Sklavenarbeit zu zwingen.

 

Hallo Uwe,

also mir hat die Geschichte wirklich gut gefallen. Natürlich hätte man sie auf 3800 Seiten in vier Bänden noch wilde Abenteuer auf der anderen Seite erleben lassen können. Aber so ist genug erzählt, um es spannend zu machen und die eigene Fantasie anzuregen. Vielleicht sind sie ja auch einfach weg und es gibt gar keine andere Seite. So ists halt offen und das ist auch gut so.

Der Schauplatz Gelsenkirchen ist cool, wobei der Name "Smith" mich in diesem Kontext stolpern ließ, da du sonst auf Phantasienamen zurückgreifst, auf wieklich schöne, wie ich übrigens finde. Haukipettala ... hehehe

Ich fands spannend, unterhaltsam und wirklich gut geschrieben

Besten Gruß
krilliam

 

Ich bin ja dafür bekannt (zumindest bei mir selbst), dass ich manchmal mehr von einer Geschichte "verstehe" als der Autor, aber diese hier erscheint mir nicht besonders unklar: Außerirdische Teleporterinsekten entführen Menschen, um sie unter Fleischsoßenhimmeln Beeren pflücken zu lassen.

That being said, lag für mich der Unterhaltungsfaktor eher in der reversen Charakterstudie: Aha, er hat sich absichtlich stechen lassen, so so, deshalb also.

Summa summarum: Ich fand's gut.

 

Ah! Teleporterinsekten. Ich wär jetzt total auf so einer eso-Horror-Schiene gefahren, zwischen den Welten, mehr so ein LSD-Trip, aber okay Teleporterinsekten ergeben eindeutig mehr Sinn.

Mir hat's gefallen, allein sprachlich, wie du das Tempo und die Erzählstimme in den Einschüben variierst ist wirklich gut, wobei ich auch das Gefühl hatte, die Geschichte könne da noch ein paar Takte weitergehen. Vielleicht weil ich nicht so ganz aufnehmen konnte, dass Hauki- dessen Name mich irgendwie an einen Brotaufstrich erinnert - sich wirklich auflöst, obwohl es ja dasteht: Flackert, dann weg. Aber weil das nicht zu meiner ursprünglichen Idee gepasst hat, war mir das dann, obwohl es deutlich war, zu wenig. Halt eine Zeile nur ...
Coole Geschichte, gut geschrieben, sehr unterhaltsam
Quinn

 

Hey Uwe

Ich muss sagen, ich komm mir ein wenig beschummelt vor. :D
Du präsentierst eine abgefahrene und ziemlich geile Idee und rennst dann gleich wieder weg. Das kann man jetzt effiziente Ausnutzung der Ressourcen nennen, aber tja, mir hat auch ein wenig der letzte Clou gefehlt. Er flackert und is weg. Punkt. Ich schließ mich Mega an.

Wie gewohnt souverän geschrieben, die schnellen Schnitte und das beschränken auf kleine Hinweise zum Geschehen sind für den Augenblick recht effektiv aber so bleibt nicht viel in Erinnerung außer einem wagen Verlangen nach Preiselbeermarmelade. :schiel:

Greetz
omno

PS: Ach ja, Finnisch rockt irgendwie. ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

Die Welt der Geschichte ist (so ungefähr) unsere Welt, und die ist voller Anglizismen.
Richtig ist, dass ich den Text auch unter Horror hätte posten können, aber da es um Außerirdische und Teleportation auf einen fremden Planeten geht, fand ich SF passender.
Das Verhältnis zwischen dem Chef und seinem Angestellten könnte in der Tat ausführlicher beschrieben werden, aber ich habe das Geschehen extrem komprimiert und da blieb kein Platz dafür.

Danke für Deine Meinung!

(edit: Huch, das Posting, auf das ich mich bezog, ist weg. Ich lasse dies hier mal trotzdem mal für sich stehen)

 

Hallo Uwe

Auch ich habe vom Stil her nix zu meckern, ausser eine mögliche Erklärung für die (unfreiwillig) komisch wirkenden Stellen.

»Sie reiben sich die ganze Zeit den Unterarm. Sie sind gestochen worden.« Smith ist hochintelligent. Sonst hätte er nicht diesen Job.
Ein Teufelskerl dieser Smith, was? Das kommt irgendwie so mit hochgezogenen Augsbrauen daher. Es gibt noch andere Stellen, bei denen du den Schalk in deinem Nacken schreiben hast lassen.(Zum Beispiel: "Haukipettala kommt nicht zurück." statt erscheinen/auftauchen.)

Aber ok, gestört hat es mich nicht, teleportiere ich also flugs zum Inhalt:
Die oben erwähnte Unlogik des Sich-Erst-Mal-Stechen-Lassens und dann Informationen einholen erzeugte bei mir auch ein Stirnrunzeln. Sogar mein Chef kann Googlen ...

Der Schluss ist irgendwie nicht rund, könnte Haukipettala nicht einfach beabsichtigen, mit Smith in Kontakt zu bleiben? "Keine Angst, Smith, ich nehme ja das Handy mit, I call you back!" und Smith im Wissen, dass das eine bescheuerte Idee ist, spielt einfach mit, und ruft dann die Frau an, dass Haukipettala sich ganz bestimmt melden wird! oder so.

- KeinNetz - tuuuuuuuuuuut.
Gruss.dot

 

Hallo Uwe,

Ich sage so ziemlich dasselbe wie die Kritiker vor mir, aber positive Kommentare können nie zu viele sein, stimmt’s?

Also: Die Idee ist cool und ich habe die Geschichte gern gelesen, ich fand sie auch in sich abgeschlossen, aber mit der Charakterisierung der Protagonisten hapert es.
Die Motivation kommt irgendwie nicht rüber – ich hatte z.B. nicht den Eindruck, dass die Mutter des Jungen Haukipettala noch was bedeutet, und deshalb hat es mich auch gewundert, dass er bereit ist, das auf sich zu nehmen – er weiß ja nicht mal, ob er überhaupt etwas ausrichten kann oder ob er für immer der Beerenpflück-Sklave dieser Viecher bleiben wird, ohne eine Chance zur Erde zurückzukehren. Also, wenn das so eine glückliche kleine Kernfamilie wäre – also Vater, Mutter, Kind leben zusammen und dann verschwindet der Sohn, dann wäre alles klar, aber dass der das für ein Kind macht, mit dem er vielleicht gar keinen Kontakt mehr hat außer Unterhalt zu zahlen (was anderes geht jedenfalls für mich nicht aus der Geschichte hervor), das finde ich unglaubwürdig.
Na ja, und dann das mit der Recherche, nachdem er sich schon hat stechen lassen … das ist echt nicht besonders schlau. Ihm bleibt ja nicht mal genug Zeit, um sich die ganze Info anzuhören, zwischendurch verschwimmt er ja schon. Und dieser „hochintelligente“ Smith, der erzählt ihm dann in der knappen verbleibenden Zeit auch noch, was „Sudenkorento“ bedeutet – das ist ja echt eine wesentliche Information, wenn der Chef selber Finne ist … :p
Aber okay, ich fand es schon schön, ein finnisches Wort zu lernen. Finnisch ist wirklich irgendwie cool. :)

Grüße von Perdita

 

Vielen Dank für eure Meinungen!

Perdita, jetzt sagen schon zwei, dass Finnisch cool ist - vielleicht sollte man diesen Aspekt weiterverfolgen. Mal ein finnisches Cyberpunk-Szenarion unter der Mitternachtssonne ... oder endlosen Winternacht...

 

Tag Uwe,
routiniert geschrieben. Deine Wortbilder und Sprachstil gefällt. Aber irgendwie hab ich das Gefühl die Geschichte bröselt auseinander. Erst wunderte ich mich darüber, dass er ein so großes Risiko für einen Jungen eingeht, zu dem er eigentlich keinen größeren Bezug zu haben schien, dann wie aus dem nichts löst Smith auf indem er die Mutter anruft und vom Vater des Kindes spricht ... kann man machen, stößt mich aber ehrlich gesagt ein bisschen vor den Kopf.
Auch die Tatsache, das er sich erst stechen lässt und dann mit der Recherche anfängt, hmmm Perdita hat's schon angemerkt.
Tja dann bin ich auch noch gestolpert:

Smith ist hochintelligent.
Sowas ist der Holzhammer in die Eingeweide des Lesers und ein bisschen ärgerlich...:D
Ansonsten gefällt mir die Idee der Geschichte und dein Stil ungemein und ich bin schon gespannt, wie eine neue Version davon aussehen wird.

les' dich
Nice

 

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