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Stunde Null
Karl schaute erneut auf die Armbanduhr. Die Leuchtziffern zeigten Punkt 4.30 Uhr. Hier und da schossen Illuminationsraketen in die Finsternis und erhellten die Umgebung mit kalten Magnesiumlicht. Männer standen an der Brustwehr und beobachteten die feindlichen Linien. In dem stroboskopisch flackernden Licht der Explosionen und Signalraketen konnten sie einen Erdhaufen kaum von einem Menschen unterscheiden.
Karl fror. Er war bis auf die Haut durchnässt und verdreckt. Tagelange Regenströme hatten das Gelände in ein Meer aus zähem Schlamm verwandelt, der lehmige Boden war eine schmierige Masse, die alles zu verschlucken schien. Menschen, Tiere, Ausrüstung und Waffen. Alles versank in diesem Morast.
Er stand an die Grabenwand gelehnt bis zu den Knien im Dreck und das Wasser lief in seine Knobelbecher was dazu führte, dass sein Körper noch mehr auskühlte. Seine Kameraden versuchten mit dem Schanzzeug kleine Höhlungen in die Grabenwand zu schaufeln um sich vor dem Regen zu schützen, jedoch rutsche die nasse Erde immer wieder nach, so das die meisten dieses sinnlose Unterfangen aufgaben und einfach nur tropfnass zusammengesunken und zitternd auf den Befehl zum Angriff warteten. Manche rauchten aus feuchtem Tabak gedrehte Zigaretten, andere starrten nur still vor sich hin oder beteten.
Sein Freund Alfred kauerte neben ihm und versuchte einen dieser feuchten Glimmstängel mit einem genauso feuchtem Streichholz anzuzünden.
„Hast du noch etwas von dem Tabak übrig?“ fragte Karl.
„Ja, aber das Scheißzeug will nicht brennen. Es ist einfach zu nass. Hier nimm, versuchs selbst.“
Er schaffte es sich mit dem Rest an Papier und Tabak eine Zigarette zu drehen und das unförmige Ding irgendwie anzuzünden.
„Glückwunsch! Was braucht ein Mann mehr als Zigaretten, Schnaps und Weiber“ bemerkte Alfred mit einem schiefen Grinsen „Nur mit den Weibern ist es hier nicht weit her.“
Die letzten Stunden vor dem Moment an dem die Männer wie eine graue Masse aus ihren Gräben krochen und im gebückten Laufschritt auf die feindlichen Stellungen zu stürmten schien immer ewig zu dauern.
Karl kauerte sich nieder um seine Beine zu entlasten und schloss die Augen. Seine Gedanken gingen zurück zum gestrigen Abend, als sich die Kompanie unter der Leitung eines Führers und im Schutze der Dunkelheit von ihrer Stellung im Bereitschaftsraum an die Frontlinie bewegt hatte. Die Verbindungsgräben zur Front waren fast nicht mehr existent. Was die feindlichen Granaten der letzten Monate nicht geschafft haben, hatte nun der Regen erledigt und die Gräben aufgelöst. Der Schlamm drang überall hinein. Die Soldaten wirkten selbst wie ein Teil von ihm.
Über und über verkrustet mussten Karl und seine Kompanie am vorabend durch diese apokalyptische Landschaft kriechen, um in den vordersten Frontgraben zu gelangen. Auf dem Weg dorthin waren sie gezwungen über die Körper der Gefallenen zu robben, die aufgedunsen oder bereits skelettiert, noch in ihren Uniformröcken im Schlamm steckten. Drückte man zu hart auf ihren Brustkorb gab dieser mit einem matschig, schlürfenden Geräusch nach und man fasste in eine schleimige Masse aus verwesenden und abscheulich stinkenden Gedärmen. In diesen Kadavern hatten teilweise schon die Ratten, die durch das Überangebot an Nahrung dick und fett wie Kater wurden, ihre Nester gebaut und abertausende Fliegenmaden zuckten in ihnen herum. Hin und wieder lugten auch nur ein paar Stiefel, in denen noch die abgetrennten Beine ihrer Besitzer steckten, oder Arme und Hände aus der Erde heraus.
Nach zwei Stunden übermenschlicher Anstrengungen trafen sie auf eine Gruppe Soldaten, die sich in einem Trichter scheinbar schlafend aneinander geklammert hatten. Als sie sich ihnen jedoch näherten drang ein ihnen bekannter stechender Geruch in die Nasen.
„Gas, Gas!“ flüsterten sie sich zu.
Die Männer der Kompanie versuchten mit klammen Fingern die Masken aus ihren Behältern zu nehmen um sie sich schnell über die Köpfe zu ziehen. Das Atmen wurde durch die starken Filter zur Qual und das Blickfeld durch die sofort beschlagenden Sichtfenster extrem eingeschränkt. Einige der jüngeren Rekruten zerrten panisch an ihren Masken herum, da sie befürchteten zu ersticken. Die Veteranen mussten die jungen Kerle beruhigen, um sie vor dem sicheren Tod durch das unsichtbare Gift zu bewahren.
Als sie sich den Männern im Trichter näherten bemerkten sie die schrecklich verzerrten Gesichter. Schaum stand diesen Soldaten vor dem Mund und die Augen waren schreckensweit aufgerissen. Von den Gasgranaten überrascht hatten sie wohl keine Gelegenheit mehr gehabt, sich zu schützen. Das Gas kroch in den Trichter, sammelte sich am Boden und hatte sie alle auf grausame Art entstellt und getötet.
Karl erinnerte sich daran, wie die Kompanie weiter vordringen musste. Das den Angriff vorbereitende Trommelfeuer der eigenen Artillerie war ohrenbetäubend. Wie ein riesiges Feuerwerk wirkten die Explosionen der Geschosse. Furchteinflößend aber auch auf eine eigenartige Weise schön, sofern man es aus der Distanz betrachten konnte. Es jedoch am eigenen Leib zu erfahren war schrecklich. Fast jeder von ihnen hatte das schon einmal erlebt. Das Gefühl, der Gnade des Zufalls ausweglos ausgeliefert zu sein würde niemand je wieder vergessen.
So hatte man bei einem Handgemenge zumindest die Chance, seinen unmittelbaren Gegner vor sich zu töten, sofern man selbst schneller und geschickter war. Der Tod aus den Artilleriegeschossen, die die Männer , je nach Geräusch, Zischer oder Kohleöfen nannten, war jedoch unausweichlich. Einige dieser Granaten waren so groß, dass man bereits in der Luft beobachten konnte wie sie wie kreischende Lokomotiven auf einen zu kamen um im nächsten Augenblick das Leben des Beobachters in der Weise auszulöschen, dass nichts von übrig blieb, dass in einem Sarg hätte beerdigt werden können. Der Anblick eines Kameraden, der sich neben einen plötzlich in blutigen Nebel auflöst war unbeschreiblich. In ihrer Verzweifelung gruben sich die Soldaten mit bloßen Händen immer weiter in die Erde ein um dem Tod zu entgehen. Nur die wenigsten hatten das Glück in einem Unterstand einige Meter unter der Erde Zuflucht zu finden, die meisten mussten in ihren Gräben ausharren.
Den Bereich, den sie am Vorabend überquerten, war im Vorjahr noch ein dichter Wald aus Laub- und Nadelbäumen in dem Vögel zwitscherten und der Duft von feuchten Laub und Nadeln die Luft erfüllte. Nun war die Luft erfüllt von dem Geruch des Todes. Von den einst grünen Bäumen war jetzt, außer den von Kugeln und Granaten zerrissenen Stämmen die wie riesige zersplitterte Zahnstocher in der unwirtlichen Trichterlandschaft standen, nichts mehr übrig.
Genauso wie die Bäume nun aussahen, fühlten sich die Männer. Falls sie ohne größere körperliche Verwundungen die bisher von ihnen gefochtenen Schlachten überstanden hatten, so waren sie allesamt innerlich zerrissen. Nur der Überlebenswille hielt sie davon ab, sich selbst zu verstümmeln und einen Schuss auf die eigene Hand oder den Fuß abzugeben um eine Fahrkarte in die Heimat zu bekommen und damit dieser Hölle zu entfliehen.
Die Heimat! Karl dachte an seine Frau und die kleine Tochter, die er daheim im Westfälischen zurückgelassen hatte als er sich mit Begeisterung freiwillig für die Armee des Kaisers gemeldet hatte. Er zog seine Brieftasche aus der Brusttasche seiner Uniform und betrachtete das zerknitterte schwarz-weiße Foto seiner kleinen Familie im Scheine seines Feuerzeugs. Ob er die beiden je wiedersehen würde? Wie würde dieser Krieg und das Leid das er ertragen musste ihn verändern falls er zurück kam.
Er las den letzten Brief den seine Frau ihm geschrieben hatte zum vielleicht hundertsten Male und die Sehnsucht nach seiner Familie sowie die Angst sie wahrscheinlich nie wiederzusehen überwältigte ihn so plötzlich, dass ihm Tränen in die Augen schossen. „Du musst dies überstehen!“ sagte er sich „Du darfst nicht fallen, deine Familie braucht dich!“
Alfred stieß Karl heftig mit dem Ellenbogen in die Rippen und riss ihn damit aus seinen Gedanken. Er wischte sich mit dem Ärmel eine Träne fort und grinste Alfred an.
Die Mannschaft mit dem Eimer voller Schnaps kam den Graben entlang und über das Gedröhn der Artillerie war das Klappern der Essgeschirre zu vernehmen als die Männer diese aus ihrem Tornistern zogen und sich eine Kelle von dem starken Gebräu in den Napf schöpfen ließen.
Ein Offizier begleitete die Verpflegungsmannschaft und achtete darauf, dass niemand zu viel von dem Fusel erhielt. Meistens soffen sich die Soldaten, die für den Transport des Alkohols verantwortlich waren, ins Delirium bevor er die Leute für die er gedacht war, erreichte. Aber dieses Mal war genug übrig. Vor jedem Angriff hatte die Heeresleitung befohlen den starken Schnaps an die Männer zu verteilen um ihnen den erforderlichen Mut und Aggressivität einzuflößen.
„Scheiß Offiziere!“ murmelte Alfred „Die saufen und fressen jeden Abend an edel gedeckten Tischen und und lassen sich die feinen Nutten ins Kasino bringen und wir müssen hier für sie die Orden verdienen. Falls ein paar von uns dabei draufgehen? Egal! Menschenmaterial gibt’s anscheinend genug“.
„Halt die Schnauze, Alfred. Wenn der Leutnant da vorne dein Gerede mitbekommt, kannst du dir die Kugel aussuchen mit der sie dich abknallen sollen.“ mahnte Karl „Oder sie schicken dich schon mal als kleine Vorhut voraus.“
Alfred murmelte weiter irgendwelche Flüche, hielt der Verpflegungsmanschaft seinen Napf hin und leerte ihn auf einen Zug.
„Bah, ich frage mich woraus die das herstellen. Schmeckt wie Pferdepisse.“ fluchte Alfred wieder.
Karl schaute erneut auf das Zifferblatt. 5.55 Uhr. Er überprüfte nochmal seine Ausrüstung. Jeder Mann hatte Rationen für zwei Tage sowie die eiserne Reserve dabei. Darüber hinaus ein 100 Schuss Munition sowie Waffen für den Grabenkampf. Karl hatte sich selbst einen mit Nägel versehenen Eichenholztotschläger gemacht. Andere wiederum verwendeten lediglich ihre Klappspaten um den Gegner zu töten.
Die Morgendämmerung hatte eingesetzt und fahles Licht breitete sich aus. Der Hauptmann gab den Befehl die Bajonette aufzupflanzen und die Soldaten murmelten diesen Befehl von Mann zu Mann weiter.
Der Lärm des Artilleriefeuers hatte sich verändert. Das Trommelfeuer war vorverlegt worden, so dass die im rückwärtigen Bereich stehenden Reserven des Gegners nun damit bombardiert worden und die Deutschen unter dem Schutz des Stahlmantels angreifen konnten. Die Männer waren angespannt und Angstschweiß legte sich auf ihre Körper. Diese letzten Sekunden vor dem möglichen eigenen Tod konnten selbst die alten Hasen kaum ertragen. Einige der jungen Rekruten begannen zu wimmern und ihre Augen wirkten wie von Schafen, die man zur Schlachtbank führte.
Um Punkt 6.00 Uhr bliesen die Offiziere in ihre Trillerpfeifen und trieben die Männer aus dem Graben. Der Morgendunst hing wie ein graues Leichentuch über dem Niemandsland. Nur undeutlich war das verwüstete und mit Stacheldrahtverhauen gespickte Gelände zu erkennen. Der feindliche Schützengraben lag ca. 70 Meter vor ihnen. 70 Meter auf denen man auf alle erdenklichen Weisen den Tot finden konnte.
Als die ersten Soldaten die Brustwehr überkletterten, eröffneten die feindlichen Maschinengewehre das Feuer. Das tödliche Stakkato mähte die Angriffswelle sofort nieder. Manche von ihnen steckten nur ihren Kopf über den Grabenrand und sofort wurde dieser von den mächtigen Geschossen der britischen Vickers-Guns vom Hals gerissen. Blut spritzte der zweiten Welle entgegen und besudelte ihre Gesichter. Einen Moment klammerten sich die Männer noch an den Leitern fest, bis der Griff nachließ oder die nachstürmenden Mannschaften sie wieder in den Graben zurückstießen
Der kleine Wolfgang, der gerade einmal 16 Jahre alt war, sich mit gefälschten Papieren zur Armee gemeldet hatte und von allen nur „Bubi“ genannt wurde hielt sich mit furchtverzerrtem Gesicht krampfhaft an seiner Leiter fest, so dass ein Rückstau entstand.
„Steig raus, du Scheißkerl“ befahl der Führer ihres Zuges, Leutnant Lehmann. „Bei Gott, ich zähle bis drei und dann jage ich dir höchstpersönlich eine Kugel in deinen Scheiß Schädel, wenn du nicht sofort dort raufkletterst.“
„Eins ---- zwei““
Bei zwei hatte sich Bubi aufgerichtet und war mit einem lächerlich wirkenden grimmigen Gesicht schleppend die Leiter empor geklettert. Sein junger Körper erschien so zart und verletzlich. Er hatte wohl noch nicht einmal sein erstes sexuelles Erlebnis hinter sich und wurde bereits mit seinem drohenden Ende konfrontiert. Er erreichte das Niemandsland und warf sich sofort in das nächste Trichterloch.
Hinter ihm trieb Leutnant Lehmann Alfred und danach auch Karl die Leiter hinauf. Auch sie warfen sich in das bereits von Bubi besetzte Trichterloch das zur Hälfte mit stinkendem Wasser gefüllt war. Sofort tauchte auch Leutnant Lehmann auf und warf sich mit schmerzverzerrtem Gesicht neben sie.
„Verdammt, ich kann meine Rechte Hand nicht mehr bewegen!“ stöhnte er.
Karl sah das Blut aus dem Ärmel des Offiziers strömen. Der Splitter einer Mörsergranate hatte ihm die rechte Hand abgerissen. Alfred nahm sofort das Verbandspäckchen aus dem Futteral des Helms des Leutnants und versuchte die Blutung zu stillen und den Stumpf zu verbinden. Leutnant Lehmann wurde blass und schrie wie am Spieß als Alfred mit der Kompresse den Stumpf berührte. Fetzen von Gewebe und abgerissenem rohen Fleisch war das einzige was von seiner Hand noch vorhanden war.
„Es wird alles wieder gut.“ sagte Karl und versuchte den Mann zu beruhigen. „Wir holen gleich einen Sanitäter.“
Zwischen gepressten Atemzüge befahl der Leutnant ihnen sofort weiter voranzustürmen. „Der Angriff der Kompanie darf nicht scheitern. Wenn wir unser Ziel nicht erreichen können, kann die Front nicht halten. Ich werde allein wieder zurück gehen. Und jetzt vorwärts mit euch!“.
„Schaffen sie das alleine?“ fragte Alfred.
„Ich schaff das schon. Los jetzt!"
Sie krochen gemeinsam den schmierigen Trichterhang hinauf und blickten kurz über den Rand. Links und rechts von ihnen sahen sie wie Horden von deutschen Soldaten schreiend voran stürmten und unter dem Maschinengewehrhagel zusammenbrachen oder vom Mörserfeuer zerissen wurden. Einige kamen bis zur anderen Seite durch, wurden jedoch vom feindlichen Stacheldraht aufgehalten.
Karl deutete auf einen vor ihnen liegenden weiteren Trichter. „Kommt, wir arbeiten uns schnell dorthin voran“ Gebückt rannten sie so schnell sie konnten durch das aufgewühlte Gelände. Plötzlich sirrte etwas so knapp an Karls Kopf vorbei das es die Haut seiner linken Wange aufriss. Im selben Augenblick hörte er ein patschendes Geräusch. Er drehte sich um und sah Bubi wie erstarrt still stehen. Bubis Hände ließen das Gewehr fallen und griffen vor ihm ins Leere. Dort wo noch vor wenigen Sekunden seine Stirn war, klaffte nun ein blutiges Loch. Blut lief ihm über das Gesicht und die Augen. Er blickte starr geradeaus und eine Hand fasste sich nun an die Stelle wo zuvor die Schädeldecke war. Er berührte mit den Fingern sein eigenes Gehirn verdrehte die Augen und fiel dann vorn über.
Alfred zog Karl weiter vorwärts „Scheiße, scheiße, scheiße.“ es hat den Kleenen erwischt. „Mein Gott, wir müssen ihm doch helfen. Vielleicht lebt er noch“ schrie Karl.
„Wir können nichts mehr für ihn tun, der ist hinüber! Komm wir müssen weiter oder willst du auch so enden?“
Alfred warf Karl vor sich in den matschigen Trichter. Karl heulte und schrie. Er zog die Beine an die Brust und fing am ganzen Leib an zu zittern.“Ich kann nicht mehr. Es reicht! Ich habe schon zu viele sterben sehen und jetzt auch noch den Kleenen.“
Alfred packte ihn am Kragen und zog ihn zu sich. Er sah ihm in die Augen und sagte:
„Wenn wir jetzt hier bleiben, sind wir im Arsch. Wenn uns die Mörser nicht erwischen werden wir auf jeden Fall beim Gegenangriff draufgehen. Meinst du, unsere Leuten können den gegnerischen Graben halten? Das läuft doch so wie immer. Wir gehen rein, töten ein paar von denen und dann schlagen uns die Tommies mit ihren eigenen Geschützen und Männern zurück. Der einzige Unterschied wird sein, dass ein paar von uns und einige von denen diese Scheiße nicht mehr ertragen müssen und dann im Himmel oder sonst wo sind.“
Das Schlachtfeld um sie herum war erfüllt mit dem Schreien und Kreischen der Verletzten. Manche riefen nach ihrer Mutter andere baten die vorbei rennenden um Wasser. Keiner nahm Rücksicht auf sie, auch Karl und Alfred nicht. Am Abend würden die Sanitäter versuchen zu den erreichbaren Verwundeten vorzudringen aber im Moment war es unmöglich sich um sie zu kümmern.
Alfred trieb Karl weiter voran. Endlich erreichten sie den feindlichen Graben. Die Pioniertruppen hatten es zwischenzeitlich geschafft, Breschen in den dichten Stacheldrahtverhau zu schneiden.
„Da haben die Artilleristen mal wieder ganze Arbeit gemacht.“ höhnte Alfred „Immer wird versprochen, das es DIESMAL ein reiner Sparziergang wird, weil drüben alles zerstört sein muss aber die schaffen es noch nicht mal den Stacheldraht wegzusprengen!“
Karl und Alfred stürzten sich gemeinsam in die feindliche Stellung. In den ersten Unterstand, den sie erreichten, warf Alfred eine Handgranate. Das Bersten der Granate erschütterte die Erde und ein Wolke aus Staub und Rauch stieg aus dem Loch. Gleich darauf hörten sie die erstickten dumpfen Schreie der englischen Soldaten, da die Decke des Schutzraumes einstürzte und die Truppen erdrückte.
An allen Seiten wurde nun Mann gegen Mann gekämpft. Karl zog seinen Totschläger und hieb ihn einen Tommie mit aller Kraft unterhalb seines Stahlhelms in den Schädel, welcher mit einem ekelhaften knacken brach. Der Gegner sackte zusammen und Karl musste mit Hilfe seines Fußes die Keule wieder befreien, die beim herausziehen dem Soldaten den halben Kopf abriss.
Alfred kämpfte neben ihm und bajonettierte einen Feind mit seinem Gewehr in den Bauch um gleich darauf einen Schuss abzugeben. Die Leiche des Mannes flog im hohen Bogen von seinem Gewehr und landete auf dem Rücken.
Plötzlich riss es Karl nach hinten. Der Schmerz in seinem Kopf fühlte sich an, als ob sich flüssiger Stahl über sein Gesicht ergossen hätte. Er konnte den metallischen Geschmack von Blut auf seiner Zunge schmecken. Dann fühlte er nichts mehr und Dunkelheit umgab ihn.
Er wachte aus seiner Ohnmacht auf, als er Hände auf seinem Körper spürte. Der Schmerz in seinem Kopf war unerträglich. Immer noch war es als liefe flüssiger Stahl über sein Gesicht. Er packte die Hände auf seinem Körper und Alfreds Stimme sprach beruhigend auf ihn ein. Er versuchte die Augen zu öffnen aber immer noch umgab ihn absolute Schwärze. Er fühlte wie er vom Boden empor gehoben und wie man ihn auf Schultern weg trug. Seine Hände wanderten weiter zu seinem Gesicht. Er fühlte seinen Mund und berührte nur seine Zunge. Dort wo noch vor wenigen Minuten sein Oberkiefer war klaffte ein riesiges Loch bis hoch zu seiner Stirn. Seine Nase und auch seine Augen waren herausgerissen. Nur Fetzen seiner Haut und den restlichen Knorpel seiner Nase konnte er ertasten. Dort wo sonst seine Augen waren, war nur noch eine Höhlung in seinem Schädel. Noch bevor er wieder die Besinnung verlor, war sein letzter Gedanke, dass er niemals wieder die Schönheit seiner Frau und seiner Tochter erblicken würde.
Ende.