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Stumpfe Hörner

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27.06.2018
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Stumpfe Hörner

Ramirez kaute auf seinen Lippen. Er blutete schon wieder. Immer wenn er versuchte zu rechnen, biss der Junge sich die Unterlippe blutig. Sein Blick war feurig und schien in eine Ferne gerichtet zu sein, die sich weit über den Deckenbalken befinden musste.
Toni stand mit verschränkten Armen neben seinem Gesellen und konnte schon den Dampf pfeifen hören, als die Maschine in Ramirez' Schädel allmählich in Fahrt kam. Gleich würden aus seinen Ohren schwarze Wölkchen stoßen und stinken.
Toni konnte sich das Lachen nicht verkneifen.
„Lass gut sein, Ramirez. Hör auf zu rechnen. Herr im Himmel. Hör auf oder ich bringe dich dazu! Du siehst um einiges intelligenter aus, wenn du nicht nachdenkst. Junge, hörst du überhaupt zu?“
Ramirez erwiderte Tonis Blick, starrte jedoch weiterhin durch seinen Meister Tonio hindurch.
Er tauchte immer noch in dem kleinen Tümpel. Und Toni wusste, das Wasser in Ramirez' Kopfteich war trübe und fischfrei. Außerdem mittlerweile mit dem beißenden Geruch von Alkohol durchtränkt. Es dauerte lange den Grund zu erreichen, um mit etwas Brauchbarem wieder aufzutauchen.
Toni ließ den Jungen noch einen Moment grübeln und wendete sich stattdessen dem Bullen zu. Der Bulle stand aufrecht in einer körperbetonten, abgedunkelten Holzbox und schnaufte wie ein Dieselmotor.
Quasi atmende Holzkisten mit Hörnern dran, dachte Toni sich immer, wenn er den Stall unter der Arena betrat. Er fasste durch ein Loch und streichelte das Tier sanft hinter dem aufgeregt zuckendem Ohr, liebkoste sein seidiges Fell.
„Ruhe, Todavíano. Mein Bester. Wir wissen beide, dass du wahrscheinlich besser rechnen könntest, als der dumme Ramirez.“
„Neun“, sagte Ramirez und hob beide Fäuste wie ein Boxkämpfer in die Höhe.
„Vier mit fünf ist neun. Und vier mit vier sind acht. Zwei mit eins ist vier. Zwei mit drei sind fünf. Da hast du es, du kleiner Hitzkopf. Nenn mich Albert Einstein.“
„Hast du mich gerade wirklich einen kleinen Hitzkopf genannt?“, fragte Meister Tonio.
„Ich sprach mit dem Bullen.“, sagte Ramirez und nickte zum Tier.
„Natürlich“, Toni überlegte: „Zwei plus eins macht Drei, Albert.“ Er trommelte mit dem Handballen dreimal an die Holzlatten der Startbox. „Eins, zwei, drei.“
Ramirez verschloss die Augen und stöhnte.
„Und jetzt komm, Junge. Hilf mir endlich die Hörner stumpf zu schleifen oder ich bringe dich dazu!“
Toni griff nach der groben Hornfeile und streichelte dem mächtigen Tier über den Nacken, unter dessen Haut sich Muskeln wie Hügel wölbten.
Das Tier wackelte mit dem Kopf und schlug dabei seine Hörner an die schmalen Öffnungen der Holzbox. Nur die stolzen Hörner waren frei. Der Rest steckte in einem kleinen Gefängnis.
„Komm Ramirez. Pack das Linke an. Ich schleife derzeit das Rechte“, und Ramirez gehorchte seinem Meister, während Toni das stolze Horn stumpf machte.
Ramirez starrte Löcher in seine eigenen Luftschlösser, schnappte dann mit dem Unterkiefer.
„Können zwei und eins nicht auch vier sein?“
„Nein“, sagte Toni.
„Warum nicht?“
„Weil du dumm bist, Ramirez. Lenk mich nicht ab.“
„Wenn ich das mit dem Rechnen nicht hinbekomme, wer soll dann Clara bei den Hausarbeiten helfen? Du vielleicht?“
Toni strich sich die Feile über das Knie.
„Wenn du nett fragst, Ramirez ...“, er hob das Kinn und betrachtete mit suchendem Habichtblick sein Werk.
„... wenn du nett fragst, gebe ich deiner Clara Nachhilfe. So schwer können die Aufgaben noch nicht sein. Hier Ramirez, übernimm das andere Horn. Ruhig, Todavíano.“
Ramirez packte die übrige Krone des schwarzen Bullen und rieb sie verträumt mit seiner Feile.
„Toni?“
„Was nun?“
„Was wenn zwei und eins vier sind?“, fragte der Geselle und Toni spürte tatsächlich soetwas wie Angst in den Worten des Jungen. Nur ganz schwach.
Der Junge darf nicht mehr trinken, dachte er mitleidig.
„Was wenn alle immer nur davon ausgehen, dass zwei und eins gleich drei sind und es gar nicht mehr wissen? Vielleicht war es ja einmal so, aber kann es nicht irgendwann auch einmal anders sein? Alles verändert sich doch. Die Welt dreht sich. Clara war einmal so groß.“
Er ballte seine Hand zur Faust und streckte sie aus.
„Ramirez. Es gibt Dinge im Leben, die ändern sich nicht. Die muss man nicht ständig neu überprüfen. Die sind ewig da und richtig. Wie Mathe oder Dummköpfe die Mathe nicht verstehen.“
Ramirez blickte zu Boden und schleifte mit finsterem Blick weiter. Toni seufzte. Er hatte den Jungen eigentlich nicht beleidigen wollen.
„Ein Mathe-Haltbarkeitsdatum ist unablaufbar. Himmel, Ramirez! Das Horn.“
Der Stier Todavíano schnaufte einen heißen Schwall feuchter Luft aus den Nasenlöchern und buckelte sich auf. Die enge Holzbox zitterte.
„Ramirez. Arbeite nicht so schlampig! Du quälst das arme Tier. Gib dir Mühe und konzentriere dich auf deine Arbeit.“
Und Ramirez schob die vielen, zuckenden Zahlen beiseite, um sich stumm auf sein Handwerk konzentrieren zu können. Jetzt arbeiteten seine Hände zielsicher und ruhig. Er schliff das Horn und es ward stumpf.

Die Menge tobte draußen unter der heißen, gelben Mittagssonne. Das Jubeln war unten im Stall jedoch nur dumpf zu hören, so als würde der Stall unter Wasser stehen. Toni wischte sich Schweiß aus der Stirn, setzte sich ins Heu und genehmigte sich einen kühlen Schluck Wein aus Ramirez' Trinkschlauch. Dann reichte er ihn weiter zum Gesellen.
„Hier mein Junge, gönn' dir. Ist heiß heute. Wirklich heiß. Das war dann wohl der alte Caído da draußen. Den hat es endlich erwischt. Man, der hat sich gehalten. Ein Bild von einem Bullen war er. Nicht ganz so wie unser Hitzkopf Todavíano hier, aber flink und stark. Ohja. Schade eigentlich.”
“Wer kämpft heute?”, fragte Ramirez. Er wischte sich die Feile am Hosenbein ab, ähnlich wie sein Meister es zuvor getan hatte.
“Torero Jose. Sein Name wird heute auf die hohe Tafel kommen, denke ich. Fünfundachtzig Kämpfe ohne eine Niederlage. Lass dir diese Zahl einmal durch den Kopf gehen! Dieser Mann ist ein Kämpfer, ein Tänzer, einer, den ein Vater sich zum Sohn wünscht, um stolz alt werden zu können.”
Das Getöse draußen nahm ab. Einige klatschten noch.
“Es ist aber unfair, mit stumpfen Hörnern zu kämpfen”, sagte Ramirez.
Er setzte sich dicht neben seinen Meister und schwieg eine Weile mit dem Weinschlauch in der kräftigen Hand. Dann flüsterte er vor sich her: “Zwei. Und eins. Ist.”
“Ramirez, Herr, gütiger Gott! Lass es gut sein. Hör mir einmal zu: Wenn du das Wissen, was wir bereits haben, ständig von neuem hinterfragst, wo kommst du dann hin?”
Ramirez überlegte. Zuckte dann mit den Schultern.
“Nirgendwo hin.” Meister Tonio trank Wein und schmatzte. “Hab Vertauen. Männer haben herausgefunden, dass zwei und eins gleich drei sind. Starke Männer. Vertraue den starken Männern.”
Ramirez antwortete nicht.
“Vielleicht nicht hier stark”, er deutete mit dem Finger auf seinen Bizeps. “Aber hier”, und er tippte sich ans Köpfchen.
“Oder lass es bleiben. Ist mir auch völlig egal. Und wenn du das nicht auf die Reihe bekommst, dann lernst du es eben. Solange bis dir der Honig aus den Ohren läuft.”
Tonio hustete trocken und schlug dann die flache Hand wild durch den Heuhaufen neben sich.

Einzelne Halme flogen lautlos wie Federn durch den stickigen, heißen Stall und das goldige Wirrwarr an Stroh auf dem Boden, auf dem die beiden Stallmänner saßen, änderte sich nicht die Bohne, als die Halme landeten. Es blieb ein Wirrwarr.
Der Bulle trappelte in der Holzbox mit den Hufen, war jedoch nicht fähig, seine Position in der Kiste auch nur minimal zu verändern. Also ließ er von seiner Unruhe ab und starrte wieder geradeaus.
“Du weißt nicht, was einem wie mir durch den Kopf geht”, sagte Ramirez. Er nahm sich einen goldenen Strohhalm und steckte ihn sich in den Mundwinkel.
“Ich bin eben anders. Dumm. Du hast mir beigebracht, die Hörner für den Kampf zu feilen und die Stiere gesund zu pflegen. Ich vertraue dir. Alles, was ich von meinem Handwerk weiß, weiß ich durch dich. Du alter Hund hast ja auch meistens Recht.”
“Hast du mich eben einen alten ...”
“Ich sprach mit dem Bullen.”
Meister Tonio lachte ein wenig und zerzauste das Haar des Jungen.
“Aber niemand kann ewig Recht haben. Oder?”
Der Bulle prustete zustimmend.
“Ich sehe es anders. Und ja, vielleicht liege ich auch falsch.”
Toni warf den leeren Schlauch an die Stallwand und begutachtete das majestätische Wesen in der Ecke. Eingepfercht und stumpf. Bereit für den Kampf.
Der Geselle fuhr sich durch das pechschwarze Haar und mit seinen glasigen, müden Augen, wirkte er wieder wie das Kind, dass er einmal vor langer Zeit gewesen war.
Toni räusperte sich, weil es zu still geworden war. Ein Knacken auf einem gefrorenem See.
“Nun Ramirez, wenn du so überzeugt davon bist, dass zwei und eins irgendwann einmal vier sein könnten, dann tu uns bitte allen den Gefallen und rechne es immer mal wieder nach.”
Er lächelte. Auch Ramirez Mundwinkel bewegten sich. Zumindest einer seiner Mundwinkel.
“Dreh dich wie ein Windspiel im Kreis. Schlag immer wieder an die selben Ecken. Kann auch nicht ganz schlecht sein, wenn das wenigstens einer macht. Mach das ruhig.” Er hickste auf und lachte. Seine Wangen waren gerötet.
“Aber wenn's plötzlich vier ist, Junge, dann komm zuerst zu mir! Klar? Ich will der erste sein, der es erfährt.”
“Mach ich”, antwortete Ramirez. “Kein Ding.”
“Kratz dir die Fingernägel blutig, beim Versuch die Inschrift zu ändern. Tu es, aber mach's wenigstens auch richtig. Bis auf die Knochen.”
Ramirez freute sich darüber hier unten zu sein und nicht dort oben. Von den dicken Balken rieselte Staub hinab, wenn die Masse draußen mit den Füßen trommelte. Wie trockener Regen aus langsamen Licht.
Der Meister Tonio war alt. Und auch wenn er alt und manchmal garstig war, und seine Worte manchmal verletzend schienen, so waren sie doch nie ernsthaft böse gemeint. Das wusste Ramirez.
Draußen trompeteten von neuem die Freudenschreie der Zuschauer, denn auch der zweite Bulle hatte seinen Sold für heute getan und war endlich tot. Der tapfere Ahora war zu Boden gegangen. Bald wäre endlich Todavíano an der Reihe.
Toni schmunzelte. “Kannst du dich noch an den Torero mit dem Silberblick erinnern?”, fragte er.
Ramirez hob das Kinn an und legte sich eine Hand auf die Stirn.
“Sergio? Sergio mit dem Silberblick?”
Sie lachten beide und Meister Tonio musste sich ein wenig den Bauch halten.
“Sergio hatte so geschielt, dass er draußen nicht nur einen sondern immer zwei Bullen sah, die gleichzeitig auf ihn zurannten.”
Toni kamen die Tränen vor Lachen.
“Stell dir das nur mal vor. Zwei solcher Dampfmaschinen, die gleichzeitig auf dich zurollen. Der hatte eine Heidenangst gehabt!”
Ramirez drehte sich zu seinem Meister und legte ihm einen Arm um die Schulter.
Seine Mundwinkel senkten sich und der Junge blickte zu Boden.
“Wir mussten dem Bullen zusätzlich Honigwein geben, damit Sergio eine Chance hatte.”
Auch Toni beruhigte sich allmählich und dachte über die Worte seines Gesellen nach. Er drehte den Kopf ein wenig in seine Richtung.
“Nur, dass du nicht weißt, dass auch Sergio Honigwein trinken musste, damit er überhaupt die Arena betreten konnte.”
Ramirez blickte auf. Seine Augen lugten aus schmale Schießscharten.
“Das gibt es doch nicht?”
Toni nickte. “Jedes Mal. Er hatte jedes Mal drei acht im Turm, wenn er als Torero antrat. Er hatte mit Sicherheit gegen einen betrunkenen Bullen mit stumpfen Hörnern antreten müssen. Nur, dass er auch wahrscheinlich jedes Mal vier betrunkene Bullen gesehen hatte, die ihn auf die Hörner nehmen wollten und jedes Mal hatter er eine Scheißangst gehabt.”
Sogar einige der Zuschauer draußen hörten das Lachen der beiden im Stall und drehten sich fragend um.
Ramirez rollte sich über den Heuboden und Meister Tonios Kopf fiel kraftlos nach Hinten in die Senkrechte.

Ramirez lehnte seine Stirn an die Schulter seines Meisters. Sein Kiefer schmerzte ihm vor Lachen und seine Augen waren rot wie die Farbe von Glut.
“Weißt du, Toni? Du bist mein bester Freund. Lass uns nicht streiten. Ich glaube die Welt braucht Leute wie dich. Aber auch vielleicht einen wie mich. Das hoffe ich zumindest. Ich rechne jetzt alles nochmal durch. Alles. Von Anfang an. Bis unser Todavíano raus muss, ist es ja noch Zeit. Und ich gebe dir als erstes Bescheid, wenn zwei und eins vier sind. Wart's nur ab.”
“Herr im Himmel, vergib dem Jungen, denn er weiß es nicht besser.”
Und so saßen sie beide noch eine Weile auf dem weichen Heuboden und lauschten dem Poltern der Menge im Stadion, während das Licht der späten Nachmittagsonne sich durch die Dielen zu ihren Füßen brach.
Ein Mann riss die Stalltür auf, als die Sonne schon fast unter den Horizont gesunken war. Schweißnass und mit tiefen Furchen unter den Augen schrie er, der Torero sei tot, dass Jose tot sei, Jose der Torero, Sohn aller träumenden Väter. Durchbohrt. Todavíanos linkes Horn traf ihn genau ins Herz. Der Mann nannte es nicht Niederlage, sondern tragischen Unfall und verließ den Stall dann wieder, so eilig wie er ihn betreten hatte.
Meister Tonio machte sich auf den Heimweg, zu seiner Frau und seinen Kindern. Der Geselle Ramirez verabschiedete sich von seinem Meister und blieb noch eine Weile alleine grübelnd im Heu sitzen.
Er kaute auf seinen Lippen. Und blutete schon wieder.

 
Zuletzt bearbeitet:

“Hab Vertauen. Männer haben herausgefunden, dass zwei und eins gleich drei sind. Starke Männer. Vertraue den starken Männern.”

Hehe, ich schicke dir die Gleichberechtigungsbeauftragte in den Stall. #GRLPWR #FrauenInMännerdomänen #IngenieurinnenHabensDrauf :lol:

Hallo @rostig,

ich mag deine Figurenzeichnung, wie du den grummeligen, aber eigentlich fast väterlichen Meister und den rechenschwachen Gesellen einführst und sie über „unablaufbare“(sehr schön!) mathematische Grandlagen diskutieren lässt, während die beiden Todavíano für die Arena vorbereiten. Den muskelbepackten Stier, in seiner hölzernen Box, mit dem seidigen Fell, habe ich vor mir gesehen, wie er heiße Luft ausstößt und mit den Hufen aufstampft. Das hat mir echt gut gefallen.

…Da hast du es, du kleiner Hitzkopf. Nenn mich Albert Einstein.“
„Hast du mich gerade wirklich einen kleinen Hitzkopf genannt?“, fragte Meister Tonio.
„Ich sprach mit dem Bullen.“, sagte Ramirez und nickte zum Tier.

Du alter Hund hast ja auch meistens Recht.”
“Hast du mich eben einen alten ...”
“Ich sprach mit dem Bullen.”


Großartig, die Dialoge! :) Auch dass du weiter unten dem Leser zutraust, die beiden genug zu kennen, um die Aussagen nicht mehr zu adressieren, gefällt mir.

Also lausche ich schmunzelnd und warte auf Todavíanos Einsatz und den Höhepunkt/Wendepunkt deiner Geschichte.

Und so saßen sie beide noch eine Weile auf dem weichen Heuboden und lauschten dem Poltern der Menge im Stadion, während das Licht der späten Nachmittagsonne sich durch die Dielen zu ihren Füßen brach.
Ein Mann riss die Stalltür auf, als die Sonne schon fast unter den Horizont gesunken war. Schweißnass und mit tiefen Furchen unter den Augen schrie er, der Torero sei tot, dass Jose tot sei, Jose der Torero, Sohn aller träumenden Väter. Durchbohrt. Todavíanos linkes Horn traf ihn genau ins Herz.

Doch dann geht es auf einmal ratzfatz. Ohne dass ich den Stier oder Jose überhaupt unter dem Jubel der Menge in die Arena habe einlaufen sehen, ist schon alles passiert. Beide tot. Zack. Ende. Alle gehen nach Hause.

Das hat mich total rausgehauen. Schade, das hättest du für meinen Geschmack deutlich weiter ausführen können. Vielleicht magst du den Text noch erweitern? Ich sehe Potenzial. :shy:

Nichtsdestotrotz habe ich die Geschichte gern gelesen. Dein Schreibstil gefällt mir. Dass du auf eine Wertung der Stierkampftradition verzichtest, finde ich hier auch stimmig.

Viele Grüße
wegen

 

Hallo Rostig,

eine tolle Geschichte hast du geschrieben. Ich konnte mich gut in diese Szene hineinversetzen. Find auch spannend, dass die Figuren in der Wahrnehmung des Lesers sich verändern vom dummen Lehrling und grantigem Meister zum selbstbewussten, cleveren Lehrling mit väterlich-liebevollem Lehrer.
Du schreibst über die unfairen Verhältnisse, die manipulierten Tiere, beim Stierkampf auf eine ganz leichte Art und Weise. Das gefällt mir sehr gut!
Hier noch zwei/drei Minianmerkungen zum Text:

Er blutete schon wieder
Warum blutet er und nicht die Lippe?

Er tauchte immer noch in dem kleinen Tümpel. Und Toni wusste, das Wasser in Ramirez' Kopfteich war trübe und fischfrei. Außerdem mittlerweile mit dem beißenden Geruch von Alkohol durchtränkt. Es dauerte lange den Grund zu erreichen, um mit etwas Brauchbarem wieder aufzutauchen.
Ich mag das Bild.

“Hast du mich eben einen alten ...”
“Ich sprach mit dem Bullen.”
Sehr schön!

“Mach ich”, antwortete Ramirez. “Kein Ding.”
Kein Ding passt als Ausdruck mE nicht in den Text.

Viele Grüße
effa

 

Hallo @wegen :)
Danke, dass du dir meine Geschichte durchgelesen hast! Das mit der Gleichberechtigung tut mir ein wenig Leid und sollte nicht böse gemeint sein ;D In meinem Kopf kam es mir einfach schlüssiger vor, dass der Meister Toni von "starken Männern" spricht, wenn er seinem Lehrling von den schlauen Mathematikern erzählt. Ich glaube selber nicht, dass er genau weiß, von wem er da überhaupt redet und deshalb auch nur den Begriff "Männer" benutzt, um seine Aussage zu untermauern. Frauen haben natürlich genau so viel auf dem Kasten wie Männer! Aber ich hatte mir das Weltbild des Meisters in diesem Sinne tatsächlich etwas eingeschränkter vorgestellt und deshalb spricht er im Stall nur von den starken Männern der Vergangenheit, und lässt die Frauen völlig ungeachtet unter den Tisch fallen:P Dieser Meister der ...
Zu dem Ende bin ich mir eher unsicher, ob ich es weiter ausführen sollte als nötig. Ich dachte, es wäre überraschender für den Leser, wenn er quasi im Schlusssatz noch erfährt, dass der Stier diesen Kampf übrigens gewonnen hat. Wer den Kampf gewinnt, sollte den Leser nicht mehr ablenken, als die eigentliche Geschichte im Stall zuvor. Es sollte nur nochmal zeigen, dass es trotz der Umstände zu unvorhergesehenen Ergebnissen kommen kann.
Vielleicht könnte ich es noch um einige wenige Sätze erweitern, falls es wirklich zu abrupt auf dich als Leser wirkt. Aber ich würde davon absehen, den Stier noch groß in die Arena auszuführen, den Torero zu beschreiben oder den Kampf zwischen den Beiden.
Es freut mich sehr, dass dir die Charakter bzw. Dialoge gut gefallen haben:) In diesem Falle bin ich mir nämlich wirklich nie sicher, wie authentisch oder gestellt die Aussagen der beiden klingen, die ich da zusammenschreibe.
Vielen Dank nochmal für deine Zeit und deinen Kommentar!

Hallo @effa
Es freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat! Auch dass dir die Dialoge gefallen überrascht mich ungemein, wie ich auch schon bei @wegen erwähnt habe, da ich mir bei den Gesprächen immer am unsichersten bin und eigentlich sogar bei jedem rewriting (mir fällt das deutsche Wort dafür gerade nicht ein:D ) alle Dialoge meist nochmal komplett überarbeite. Danke für den Tipp mit dem "Er blutete". Das werde ich anders formulieren. Und auch das mit dem "Kein Ding" ist zum Beispiel so eine Antwort, die erst in der letzten Überarbeitung nochmal neu hinzugekommen war. Ich suche nach einer anderen Formulierung und verstehe auch komplett was du damit meinst, dass es dir nicht so in den Text passen mag.
Vielen, lieben Dank für deinen Kommentar und deine Zuspruch!
Liebe Grüße

 

Hola @rostig,

Deine schöne Geschichte ist mit nur zwei Zuschriften ‚abgegluckert’; ich finde das sehr traurig und habe keine andere Erklärung dafür, als dass Du Dich als Kommentator zu wenig ins Forum einbringst. Trommeln gehört zum Handwerk!

Kommentare werden gelesen, durch originelles Formulieren kann man auf sich aufmerksam machen und Sympathien erwerben.

Ich finde Deinen Text großartig geschrieben (mein Komm dazu hat sich durch eine Unachtsamkeit leider in Luft aufgelöst, und eine zweite ‚Doktorarbeit’ dazu will ich nicht schreiben). Jedenfalls hat mich Deine Geschichte sehr beeindruckt, als Erzähler hast Du großes Talent. Deine Bilder hat man deutlich vor Augen, authentisch die Stallatmosphäre – alles in allem eine Geschichte, die so schnell nicht ins schwarze Loch stürzen darf.

Ich hoffe, dass noch viele Leser Deine Arbeit schätzen und loben.

Beste Grüße!
José

PS: Möglicherweise hat auch der Titel nicht genügend Zugkraft. Der hat die gleiche Funktion wie der erste Satz. Vielleicht nicht solch müdes Deutsch wie ‚Stumpfe Hörner’, sondern was Spanisches. ‚Toro’ vielleicht?

 

Hej rostig,

mir gefällt, wie Du den Bogen spannst, auch wenn die Geschichte stellenweise etwas langatmig ist und die Spannung nicht durchgehend hält. Aber am Ende fand ich es gut, dass ich mich nicht hab rauswerfen lassen.

Der Stier wird stückweise an mich herangetragen, Hörner, Ohren, die Muskeln und das schwarze Fell. Das liegt wohl an dem Holzverschlag und an meiner Erwartung, einem Arena-Stier würde man vielleicht ein wenig mehr Rampenlicht bieten, vielleicht im Vorfeld stärker auf die Tränendrüse drücken. Eigentlich ist dieses Stückeln eine gute Methode, um das zu vermeiden, aber irgendwie fehlt mir da noch der Funke, der überspringt und Deinen Stier an einer Stelle richtig fühlbar und lebendig macht. Ich glaube Dir nur fast, dass der da steht und schnauft.

Auch aufgefallen ist mir, dass ich kaum einen Unterschied ausmachen konnte, in der Sprache der beiden, obwohl der eine doch sehr viel älter sein soll, als der andere. Beide klingen mal etwas altmodisch, ansonsten sehr ähnlich. Man könnte versuchen, das deutlicher zu machen.

Gern gelesen.

Gruß
Ane

 

Moin, Moin @rostig ,

eine schöne Studie zu zwei Typen, ich habe mich vor allem über die Selbstwahrnehmung von Ramirez sehr amüsiert. Da schon vieles gesagt ist, wird es nur ein subjektiver Leseeindruck. Für mich hast Du ein paar wirklich gute Bilder und Sätze drin. Und über das Ende grübel ich immer noch, aber mal der Reihe nach.

Ich bin ein großer Fan von Titeln und ersten Sätzen und muss daher hier gestehen, ohne die Kommentare einiger interessanter Kommentatoren ,hätte ich nicht mal reingeschaut - da sprich mich subjektiv einfach nichts an.

Toni stand mit verschränkten Armen neben seinem Gesellen und konnte schon den Dampf pfeifen hören, als die Maschine in Ramirez' Schädel allmählich in Fahrt kam. Gleich würden aus seinen Ohren schwarze Wölkchen stoßen und stinken.
Ja, manchen kann man tatsächlich zuschauen ... passt für mich total

Ramirez erwiderte Tonis Blick, starrte jedoch weiterhin durch seinen Meister Tonio hindurch.
Er tauchte immer noch in dem kleinen Tümpel. Und Toni wusste, das Wasser in Ramirez' Kopfteich war trübe und fischfrei. Außerdem mittlerweile mit dem beißenden Geruch von Alkohol durchtränkt. Es dauerte lange den Grund zu erreichen, um mit etwas Brauchbarem wieder aufzutauchen.
Hier schlägt meine totale Ahnungslosigkeit von Spanisch und ähnlichen Sprachen zu. Ich habe drei Personen vor mir und komme ins Grübeln. Es hat bei mir schon etwas gedauert, bis ich Toni und Meister Tonio in einer Person hatte. Dazu kommt der erste Satz. Ramirez starrt Toni also an und gleichzeitig durch ihn hindurch? Finde ich nicht so gut vorstellbar. Der" Kopfteich" ist sehr schön ...

„Komm Ramirez. Pack das Linke an. Ich schleife derzeit das Rechte“, und Ramirez gehorchte seinem Meister, während Toni das stolze Horn stumpf machte.
Ramirez starrte Löcher in seine eigenen Luftschlösser, schnappte dann mit dem Unterkiefer.
Wer schnappt hier? Klappt Ramirez seine Unterkiefer zu? Oder schnappt der Bulle. Ich finde das gewählte Verb irritieren

„Was wenn alle immer nur davon ausgehen, dass zwei und eins gleich drei sind und es gar nicht mehr wissen? Vielleicht war es ja einmal so, aber kann es nicht irgendwann auch einmal anders sein? Alles verändert sich doch. Die Welt dreht sich. Clara war einmal so groß.“
Der Typ ist echt süß, auch wenn ich @Ane recht gebe, die Sprache der beiden ähnelt sich sehr, da hast Du noch Luft nach oben.

Er schliff das Horn und es ward stumpf.
Hier kämpfe ich mit mir. Wenn Du es bewusst eingesetzt hast, ist es als Stilmittel interessant, aber mein Kopf widerspricht der Wortwahl. Schleifen - macht eher glatt, spitz, scharf. Aber richtig falsch ist es natürlich auch nicht.

“Hab Vertauen. Männer haben herausgefunden, dass zwei und eins gleich drei sind. Starke Männer. Vertraue den starken Männern.”
Tolle Logik

“Hast du mich eben einen alten ...”
“Ich sprach mit dem Bullen.”
Gefällt mir richtig gut, die "Wiederholung" dieses Dialogs

“Kratz dir die Fingernägel blutig, beim Versuch die Inschrift zu ändern. Tu es, aber mach's wenigstens auch richtig. Bis auf die Knochen.”

Ramirez freute sich darüber hier unten zu sein und nicht dort oben.

Vielleicht wäre hier ein Absatz mehr gar nicht schlecht

Ramirez blickte auf. Seine Augen lugten aus schmale Schießscharten.
sorry, aber ich sehe bildlich hier den Bullen vor mir ... Was für Schießscharten?

Ramirez rollte sich über den Heuboden und Meister Tonios Kopf fiel kraftlos nach Hinten in die Senkrechte.
Du siehst, ich kann Deiner Geschichte im Kopf mit wunderbaren Bildern folgen. Und manchmal klappt das ganz subjektiv betrachtet halt nicht. Hier hatte er den Kopf dann vorher auf die Brust geklemmt?

Ich glaube die Welt braucht Leute wie dich. Aber auch vielleicht einen wie mich.
Schön festgestellt, nur die Zynischen unter uns werden über den "einen" stolpern.

Meister Tonio machte sich auf den Heimweg, zu seiner Frau und seinen Kindern. Der Geselle Ramirez verabschiedete sich von seinem Meister und blieb noch eine Weile alleine grübelnd im Heu sitzen.
Hier würde ich die Satzreihenfolge noch einmal überdenken. Wenn Toni bereits weg ist, klappt die Verabschiedung nicht.

Zwiespaltig ist für mich das tragische Ende des Toreros. Wenn das Dein Höhepunkt ist, dann hast Du ja eigentlich eine parallel ablaufendes Geschichte nicht erzählt und hier dann einfließen lassen. Interessante Version. Ich schwanke noch stark zwischen "tolle Idee", so kann ich sie mir selbst ausdenken und "Warum? Eigentlich hat es nichts mit dem Gespräch im Keller zu tun". Aber an dieser Stelle kommt meine mangelnde Ahnung zu Tage, vielleicht kannst Du mir Deinen Gedankengang erklären, ich lerne gerne dazu.

Vielen Dank für die interessante Geschichte
Beste Wünsche
witch

 

Hallo rostig:)
Ich fand deine Kurzgeschichte mit den beiden Stallmännern echt schön und mir hat die ganze Stall-Atmosphäre, die du da aufgebaut hast, auch sehr gut gefallen. Es wurde ja schon viel zu deiner Geschichte gesagt. Deshalb will ich nur noch auf einige Kleinigkeiten eingehen, die mir aufgefallen sind.

Ramirez kaute auf seinen Lippen.
Es will mir einfach nicht aus dem Kopf gehen, aber Ramirez ist irgendwie so ein typisch spanischer Name, der mir einfällt, wenn ich an eine Geschichte mit einem spanischem Protagonisten denke, weißt du? Und es will mir nicht aus dem Kopf gehen, dass du dir das selbe gedacht hast, als du diese Geschichte geschrieben hast. Der Name kommt mir einfach so zu 100% spanisch vor :D kleiner Gag am Rande.
Der Bulle stand aufrecht in einer körperbetonten, abgedunkelten Holzbox und schnaufte wie ein Dieselmotor.
Gefällt mir sehr gut! Sowohl das Bild, als auch der Vergleich.
unter dessen Haut sich Muskeln wie Hügel wölbten.
schön:D
Er ballte seine Hand zur Faust und streckte sie aus.
Kommt mir irgendwie bekannt vor... aber trotzdem schön.
Er schliff das Horn und es ward stumpf.
Ich interpretiere das mal so, dass er dem Stier die Hörner stumpf schleift, wie dem menschlichen Geist der Verstand stumpf geschliffen wird, während er die Regeln der Mathematik auswendig lernt. Liege ich da richtig? Zumindest ein interassentes Gedankenspiel, sofern ich das richtig geschlussfolgert habe ...
“Vielleicht nicht hier stark”, er deutete mit dem Finger auf seinen Bizeps. “Aber hier”, und er tippte sich ans Köpfchen.
Kommt mir auch sehr, sehr, sehr bekannt vor:D aber es passt ja in die Szenerie und den Dialog also ok.
“Zwei. Und eins. Ist.”
Ist Ramirez wirklich so "beschränkt"? Es ist durchaus möglich, aber ich denke mir die ganze Zeit: Drei verdammt!! Das kann doch nicht so schwer sein:D DREI!!!
Einzelne Halme flogen lautlos wie Federn durch den stickigen, heißen Stall und das goldige Wirrwarr an Stroh auf dem Boden, auf dem die beiden Stallmänner saßen, änderte sich nicht die Bohne, als die Halme landeten. Es blieb ein Wirrwarr.
Schöner Vergleich zu diesem Mathematik-Chaos. Gefällt mir.
“Kannst du dich noch an den Torero mit dem Silberblick erinnern?”
Ich muss ganz ehrlich zugeben, sofern mir auch dieser ganze Dialog gut gefällt, da er ja zur Atmosphäre beiträgt, ist dieser Abschnitt des Dialoges wirklich notwendig? Die ganze Geschichte mit Sergio? Du kannst ihn ruhig drin lassen, wenn du ihn magst. Aber ich glaube, man könnte diese Geschichte, wenn man hier klinisch chirurgisch eingreifen wollte!!!!, auch rausschneiden, ohne dass die Geschichte daran leiden würde? Nur so ein Gedanke, denn deine Geschichte ist schon an manchen Stellen etwas lang. So sehr ich sie auch mag und gerne gelesen habe! Aber das ist ja nur ein Vorschlag.

Ansonsten gefällt mir deine Geschichte super gut! Und oh mein Gott!! ja... ich habe mir die Mühe gemacht, zu googeln, werter Herr rostig:) Ich bin mir nicht ganz sicher (da meine spanisch-künste sich auch auf null-komma-nichts beziehen) aber du hast dir sogar Gedanken mit den Namen der Bullen gemacht und das finde ich weltklasse. sehr cool! (laut pons) Todavia no = noch nicht ; Caido = niedergeschlagen; Ahora = jetzt ;
Und die Reihenfolge der Stiernamen birgt natürlich auch eine gewissen Sinn für den Gesamtkontext der Geschichte, wenn man in Anbetracht zieht, dass diese Zeitangaben einen Aufschluss für den Todeszeitpunkt der Stier geben und dass Todaciano gar nicht stirbt.
Alles in allem eine schöne, seichte Erzählgeschichte mit dem Hauptaugenmerk auf einem Dialog zwischen zwei Freunden, die sich über die festgestzten Umstände ihres Daseins unterhalten.
Hat mir gut gefallen!
LG HerrSperling

 

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