Stumme Schreie
Müde schaute ich aus dem offenen Fenster und beobachtete die vielen Enten, die auf unserem Gartenteich schwammen. Das friedliche Bild beruhigte mich. Ich schloss für einen Moment meine brennenden Augen und atmete tief durch.
Doch plötzlich ging die Zimmertür auf und mein Dienstmädchen Marie rief nach mir. Erschrocken sprang ich auf und rannte den langen Gang entlang, bis zu dem Zimmer meiner kleinen Tochter Hanna. " Was hat sie denn?" schrie ich und packte den Arzt, der sich schon seit Wochen um sie kümmerte, am Arm.
"Ihr Fieber ist erneut gestiegen." sagte er leise und half mir mich hinzusetzen. "Was? Aber gestern ging es ihr doch schon besser!" ich war fassungslos und wischte meinem Mädchen den Schweiß von der Stirn. "Ich würde ihnen empfehlen ihre Tochter in eine Kur zu schicken. Meiner Meinung nach wäre das ihre einzige Chance."
Diese Worte pochten in meinem Kopf. Es stand also schon so schlimm um sie. Seit Wochen waren die Ärzte ratlos und ich musste zusehen wie es Hanna immer schlechter ging und sie langsam aber sicher schwächer wurde. " Sie wissen immer noch nicht was ihr fehlt?" fragte ich, obwohl ich seine Anwort schon kannte. Sein Blick wurde traurig, als er ratlos mit dem Kopf schüttelte. "Auch meine Kollegen wissen keinen Rat mehr. Wir sind uns einig das eine Kur in einer klimabegünstigten Gegend ihre letzte Hoffnung ist." Mein Herz wurde schwer und die Entscheidung fiel mir nicht leicht. Nach gründlicher Überlegung willigte ich jedoch ein. Was hatten wir noch zu verlieren?
Sofort am nächsten Morgen wurde sie von zwei Krankenpflegern abgeholt. Auch wenn Hanna durch das hohe Fieber keine Kraft mehr hatte mit mir zu reden, spürte ich ihre große Angst. Sie wollte nicht gehen. Tränen liefen über meine Wangen. Wie gerne hätte ich ihr alles erspart.
Aber was wäre nur wenn ich sie nie mehr lebend sehen würde? Traurig nahm ich sie in den Arm und küsste ihre Stirn. "Ich liebe dich, mein Schatz." flüsterte ich in ihr Ohr und wischte mir die Tränen vom Gesicht. "Bald sehen wir uns wieder."
Ein kleines Lächeln auf ihren Lippen war zu erkennen, dann halfen ihr die Pfleger in die Kutsche. Bis sie in der Ferne verschwunden waren winkte ich ihnen hinterher. Voller Trauer brach ich dann zusammen.
Nervös drehte ich mich in meinem Bett hin und her, bis ich endlich einschlief. Doch plötzlich hörte ich Hanna nach mir rufen und schreckte auf. "Mama, bitte hilf mir. Mama!" schrie sie immer wieder. Ängstlich rannte ich auf den Gang. "Marie, Hanna ruft nach mir. Schauen sie bitte schnell nach ihr."
Sie kam auf mich zu und starrte mich an. "Aber Madamme! Hanna ist doch in Kur." sagte sie mit leiser Stimme. "Ich bringe sie wieder in ihr Bett, sie haben sicher nur schlecht geträumt."
Ich zog mir die Decke über den Kopf und schloss die Augen. Der Traum war wirklich realistisch gewesen.
Ich fühlte mich schwach und müde, als ich langsam wieder einnickte. Doch kaum hatte ich Ruhe gefunden hörte ich erneut das laute Schreien meines Kindes. "Mama, bitte hilf mir. Mama, ich habe Scharlach!" brüllte sie. Verwirrt rief ich nach Marie. Sie kam in mein Zimmer und versuchte mich zu beruhigen. "Haben sie wieder geträumt, Madamme." fragte sie ratlos und deckte mich zu.
Ich konnte es nicht fassen. "Schicken sie sofort ein Telegramm an Hannas Ärzte. Sie hat Scharlach. Sie hat es mir gesagt."
Nach sechs Wochen konnte ich meine kleine Tochter endlich wieder in die Arme schließen. Sie war vollkommen gesund und hatte alles gut überstanden. Nachdem ihre Ärzte mein Telegramm erhalten hatten, konnten sie sie entsprechend behandeln und ihrer Genesung stand nichts mehr im Wege.
[Beitrag editiert von: Claudia_ am 27.02.2002 um 18:26]