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Stumme Außenwelt
„Geh doch endlich einmal nach draußen”, entgegnete sie mir, in der Hoffnung ich würde mich endlich ihrem Diktat fügen. Sie warf mir daraufhin vor, ich würde mich vor der Außenwelt verstecken. Ich fühlte mich in diesem Moment an eine Schildkröte erinnert, welche sich innerhalb ihres harten Panzers vor der Welt versteckte. Wohl fühlte ich mich innerhalb dieser Vierwände, die Außenwelt erschien gräulich geradezu befremdlich.
Ihren Vorwurf wies ich zurück. Mir gefiele es in ihrer Wohnung.
Vor der Eingangstüre, welche sich vor meiner Nase schloss, herrschte eine Eiseskälte. Sie hatte mir nicht einmal die Gelegenheit gegeben mir etwas Wärmeres anzuziehen. Ich stand draußen, sie drinnen. Es gab kein Mittel, welches mich wieder hereingelassen hätte. Die Türe blieb zu.
Auf dem Weg zum Bahnhof, eine Dame. Ob ich wisse, wo sich die nächste Apotheke befinde. Ich ignorierte sie, in der Hoffnung sie würde verschwinden. Sie blieb stehen, musterte mich in der Hoffnung mir würde doch noch etwas einfallen, ich würde ihr behilflich sein. Stille, endlich ging sie ihrer Wege. Am Bahnsteig zündete ich mir erst einmal eine Zigarette an. Der kalte Rauch, welcher die Kehle sanft schmiegte, gab mir das Gefühl innerer Zufriedenheit. Ich schloss für einige Augenblicke die Augen, atmete den Rauch ein und ließ ihn durch Mund und Nase sanft hinaus.
Die Bahn traf ein, Leute stiegen aus. Nachdem ich eingestiegen war, mir einen Sitzplatz gesucht hatte, welcher von niemandem besetzt gewesen war, ließ ich mich entspannt in den Sitz sinken und schaute hinaus. Hinaus in die triste gar trostlose Stadtlandschaft. Ich dachte, darüber nach wie es wohl wäre endlich unabhängig zu sein. Frei in jeglicher Hinsicht. Die Freiheit schien grenzenlos. Für einen Moment merkte ich, wie sich alle bisherigen Sorgen auflösten. Ich träumte ein wenig vor mich hin als, wir waren gerade an der letzten Station vorbeigefahren, sich eine junge Frau neben mich setzte. Ihr Odeur war bemerkenswert. Ich inhalierte den Duft, er schien vertraut. Ich fühlte mich an vergangene Tage erinnert. Zeiten, in denen ich Mädchen nachlief, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ich machte mir diesbezüglich zwar wenig Hoffnungen, dennoch verspürte auch ich das Kribbeln in der Bauchregion, wenn mich jemand mit seinen Blicken durchdrungen hatte und dieses Gefühl war damals schon unbeschreiblich gewesen.
Noch immer schaute ich aus dem Fenster, meine Fahrbegleiterin gab sich währenddessen einer Reiselektüre hin. Den Titel hatte ich nicht erkennen können. Zu schnell hatte sie es aufgeschlagen, danach zu fragen erschien mir in dem Moment unpassend.
Gar aufdringlich, als wolle ich gezwungener Maßen mit ihr ins Gespräch kommen. Sie blätterte durch einige Seiten ihres Buches, übersprang Kapitel und bemerkte nun auch mich, der ich sie, schon länger von der Seite her beobachtete. Unsere Blicke trafen sich, ein Lächeln ihrerseits. Ich ergriff das Wort, fragte nach dem Titel des Buches. Sie schaute mich an, zeigte mir zögernd die Vorderseite des Buches. In Serifen stand auf dem Buchcover „Die Farbe Lila”, Alice Walker. Das Buch hatte eine weiße Farbgestaltung. Ich erkundigte mich nach dem Inhalt, bekam jedoch keine Antwort. Immerhin ein Lächeln, dann zeigte sie mit dem Finger auf ihre Lippen und gab mir zu verstehen, dass sie nicht spreche. Sie war stumm. Da ich nichts zum Schreiben dabei hatte, fragte ich, wohin ihre Reise gehe. Was Besseres fiel mir in dem Moment nicht ein, ich fand es passend, um ein Gespräch zu beginnen. Verstehen konnte sie mich, ihre Art war mir fremd. Sie antwortete nicht. Ich grübelte, ob meine Frage zu persönlich war oder sie einfach mit mir nicht sprechen wollte. Wälder zogen vorüber, von ihr kam keine Rückmeldung. Ich wurde zunehmend nervöser. Hatte sie mich nicht verstanden? Sprach meine Sprache nicht? Oder hielt nichts von solchen Konversationen? Ich hielt sie für arrogant, wie sie neben mir saß und einfach nicht auf meine Frage antwortete. Sie las stattdessen in dem Buch und ließ mich im Unklaren darüber, ob sie mich verstanden hatte oder nicht. Nach gefühlten Stunden versah sie ihre Lektüre mit einem Eselsohr, packte diese in die Tasche, zog Block und Kugelschreiber heraus und begann zu schreiben.
Sie stupste mich von der Seite an, ich der ich ihr keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt hatte, da ich über ihr Verhalten empört war, sah nun in ordentlicher Schrift, einpaar Worte auf dem Papier. „Hallo, ich bin Hannah. In dem Buch geht es um eine unterdrückte farbige Frau, die sich zu emanzipieren versucht. Ist sehr einfühlsam geschrieben. Kennen Sie das Buch?” Nicht einmal eine Entschuldigung war ich ihr wert.
Für das, dass sie nie gesprochen hatte, waren ihre Worte mehr als verständlich. Hatte sie es sich anders überlegt? Zweifel bekommen? Oder war ihr das Buch zu wider, ein Gespräch mit mir doch Lieber?
Ich kannte das Buch, zumindest die Verfilmung. Dennoch verneinte ich die Frage, stellte mich vor und fragte, was sie mache, wenn sie nicht lese.
Sie schrieb, setzte die Worte bedacht, die Federführung gleichmäßig. „Benedikt? Sowie dieser Cumberbatch?” Ich grinste, nickte. Sie zeigte Grübchen, schrien, ich las: „Woher kennen Sie das Buch? Weshalb haben Sie nach dem Inhalt gefragt? Ihre Frage schien berechtigt. Auf die Frage mit der Reise schien sie nicht einzugehen. Wieso nicht? Peinliches Schweigen meinerseits, ich stotterte. Unbeholfene Worte aus meinem Mund. Ich würde das Buch nicht direkt kennen, mir sei der Film bekannt. Ich hatte den Film vor Jahren gesehen, fand ihn damals nicht sonderlich sehenswert. Eher fade. Sie nickte als könne sie meinem verworrenen Gedankenweg folgen, schrieb dann wieder aufs Papier. Ich las. Ihr täte es für mich leid, der Film werde dem Buch nicht gerecht. Als ich aufschaute lachte sie das erste Mal. Ich musste sie ziemlich verdutzt angeschaut haben, denn sie schien sich zu amüsieren. Ihr Lachen klang anders, eher wie ein leises Schnaufen. Ich sah ihr direkt in die Augen. Sie glichen einer stürmischen See. Ich ertrank in ihr. Sie grinste und schrieb: „Ich arbeite in einer Werkstatt, die Arbeit dort ist weder anspruchsvoll noch interessant. Etwas Besseres konnte ich nicht finden.” Es sei schwer, einen Beruf zu finden, wenn die Sprache fehle. Ich verwies auf die Gebärdensprache, merkte dann aber, wie naiv dieser Gedanke war. Selbst ich, beherrschte sie nicht. Sie schrieb, sie sei schon einmal eingestellt worden, habe sich dort mit ihren Kollegen auch verständigt, sie sei ja nicht taub oder so, nur eben stumm. Ihr Lächeln wirkte aufgesetzt, als stecke dahinter mehr. Im Kundenkontakt sei sie schließlich an ihre Grenzen gestoßen. Sie kündigte, sah sich nach einer anderen Beschäftigung um. Sie wirkte glücklich, doch im selben Moment auch traurig. Ihr Blick war auf die Worte gerichtet, welche sie niederschrieb. Verhärtet, versteinert. Ihr machte etwas zu schaffen, traute mich nicht, zu fragen. Sie schien verloren in Gedanken und Erinnerungen. Sollte ich fragen?
Sie tat mir leid, die Stimmung gedrückt. Nach einer Weile schrieb sie aufs Papier, was ich beruflich mache. Ich entgegnete ihr, ich sei wochentags Journalist und wochenends mittels eigenem Blog, Hobbyautor. Sie schien angetan von meinem Beruf, fragte nach der Zeitungsagentur, in der ich arbeitete. Ich entgegnete, es handle sich um eine Lokalzeitung mit einfallslosem Namen. Sie hatte von der Zeitung nicht gehört. Ich erwähnte die geringe Auflagenzahl und das diese nur in bestimmten Ortskreisen verteilt werde. Das warf die Frage auf, woher sie stammte. Sie schrieb, sie stamme ursprünglich aus den Niederlanden und grinste mich, in dem Wissen das ich meine Frage eigentlich auf den Wohnort bezogen hatte an. Ich schien verwirrt, mindestens ergänzte sie, sie wohne am anderen Ende der Stadt. Daher auch die Lektüre, da die Bahnreise viel Zeit in Anspruch nehme. Nach einer halben Stunde hatte sie meine Frage beantwortet. Mich überkam ein seltsames Gefühl, etwas schnürte die Kehle zu. Ich wusste nicht, was ich fragen sollte, was ich erfahren durfte, über die Frau, die neben mir verweilte.
Nach Schweigen, folgte mittels Papier und Stift eine Frage: Woher ich komme? „Aus Deutschland“, sie musste lachen. Unterstrich das Wort „woher” mehrere Male und schaute mich dabei erwartungsvoll an.
Ich erzählte ihr, ich käme ursprünglich aus Hannover, besuche eine Bekannte, müsse einfach Mal raus. Die eigenen vier Wände können ganz schön erdrückend sein. „Ein Tourist?”, schrieb sie auf ihren Zettel. In gewisser Weise, ich bejahte. Sie fragte mich, wohin ich fahre, ob ich ein Ziel hätte. Ich verneinte. Sie wurde persönlicher, ob ich den restlichen Nachmittag mit ihr verbringen wolle. Skepsis setzte sich fest. Sollte ich ihr trauen? Sie war mir fremd. Sympathisch allemal, dennoch hatte sie eine Eigenart an sich, die mich stutzig machte. Die Gegend in der sie wohne, biete schöne Parks und Cafés. Ich verwies auf den Regen. Ich könne gerne zu ihr, sie habe gerne Gesellschaft. In ihre Wohnung? Was sollte ich dort? Was würde ihr Freund dazu sagen, wenn sie einen hatte? Mir wurde bei dem Gedanken daran, in einer fremden Ortschaft, einer fremden Umgebung, einer fremden Wohnung zu verweilen etwas mulmig. Sie schien nett, keine Frage. Hatte gar schon eine sympathische Art, wenn auch, nicht sonderlich gesprächig, so schien sie doch zu einem Gespräch bereit. Etwas Besseres hatte ich an diesem nassen Tag nicht vorgehabt. Die Türe würde verschlossen bleiben. Ich nahm das Angebot dankend, wenn auch widerwillig an.
Nach etwa einer Stunde erreichten wir die letzte Haltestelle. Sie wohnte am anderen Ende der Stadt. Mir fielen die vielen Alleen auf, welche trotz des Wetters, grün erstrahlten. Sie wohnte nicht weit vom Bahnhof entfernt, inmitten einer kleinen Häusersiedlung. Sie schloss die Eingangstüre auf, ich folgte ihr. In dem Haus roch es modrig. Wir stiegen schmale Treppen empor. Etwa drei Stockwerke, vorbei an verschiedenen Türen, einige waren verziert mit Namensschildern. Im Hausgang standen allerlei Pflanzen, welche die Nachbarn aufgestellt haben mussten. Ihre Türe hatte nur ein einfaches Namenschild. Hannah Smits: ihr vollständiger Name. Sie öffnete die Türe, in der Wohnung roch es nach frischer Luft. Ein kalter Luftzug kam mir entgegen. Ich fror, es war kälter als im Hausflur. Ich zog die Schuhe aus, sie führte mich vorbei an ihrem Badezimmer, einer Toilette und Schlafbereich, ins Wohnzimmer. Ich nahm auf dem Sofa Platz. Sie ging in die Küche, welche mit dem Wohnbereich verbunden war, zeigte auf ein Glas, welches sie aus dem Schrank nahm. Ich nickte, sie füllte Mineralwasser ein, reichte es mir. Die Inneneinrichtung modern, weiße Wände erstrahlten den Raum. Hinter mir Bücherregale, sie hatte ziemlich viele Bücher, die Regale waren das größte in dem Zimmer. Das Sofa hingegen nicht sonderlich. Ein Zweisitzer. In der Ecke stand ein Esstisch, auf dem Zeitungen sowie einige aufgeschlagene Bücher lagen. Vor mir ein Fernseher auf einer länglichen Fernsehbank, welche nicht viele Filme beherbergte. Darunter Klassiker und Schmonzetten. Sie hatte zudem Pflanzen im Zimmer, schien insgesamt sehr ordentlich. Zumindest machte es den Eindruck.
Sie nahm neben mir Platz, bei sich den befüllten Block. Ich empfand es mühsam mit ihr auf diese Weise zu kommunizieren. Ich konnte zwar mit ihr sprechen, da sie mich hörte, das Lesen ermüdete. Ich hätte mich lieber mit ihr unterhalten, wäre den Lippen gefolgt, hätte ihren Worten gelauscht und mich von ihrer Stimme verzaubern lassen. Sie schrieb, ich beobachtete, wie sie die Worte aufs Papier setzte. Ich fühlte mich ihr nahe. Zumindest hatte ich das Gefühl ihr näher zu sein, ihre Gedanken lesen zu können. Die Erinnerung an unsere gemeinsame Zugfahrt gab mir, ein unbeständiges Gefühl. Einerseits durchströmte mich Glückseligkeit, andererseits realisierte ich, wohin mich dieses Gefühl beförderte. In die Unmündigkeit, die Arme einer mir unbekannten Frau. Ich machte mich abhängig von ihr. Abermals. Sie stupste mich an, energischer, zeigte aufs Papier. Ob mir die Umgebung bzw. ihre Wohnung gefiele? Ich bejahte. Die Inneneinrichtung gefiel mir sehr, der Baustil mutete altmodisch an, hatte zugleich aber auch etwas Futuristisches, Modernes. Sie lächelte und verschwand in ein umliegendes Zimmer.
Ich stand vor ihrem Bücherregal, neben einigen Romanen der Neuzeit, sammelte sie unzählige Bücher desselben Verlages. Diogenes Taschenbücher stapelten sich in dem Bücherregal. Ich bemerkte nicht, als sie neben mir stand, sie versuchte, sich zu räuspern, ich erschrak.
Sie hatte sich ein Sommerkleid angezogen. Ich fragte mich, ob ihr darin nicht kalt sei, mich fror es, auch mit Pullover. Doch ihr schien die Kälte nichts auszumachen. Ihr zuvor geflochtenes Haar, trug sie nun offen. Sie nahm meinen Arm, führte mich durch Zimmer, weg von den Büchern. Ihre Hände kalt, ihre Finger dünn und ihr Händedruck fest. Sie zeigte mir das Schlafzimmer, auch dort stapelten sich Bücher, einige Seiten waren unterstrichen, lagen herausgerissen auf dem Boden verteilt. In verschiedenen Farben hatte sie Textstellen angestrichen. Die Bücher lagen offen herum. Sie schien nicht oft Besuch zu bekommen, sie agierte enthusiastisch, war immerzu aufgeregt. Trotz der Aufgeregtheit lächelte sie mir manchmal entgegen. Mich beeindruckte ihre Art, faszinierte ihre Ausstrahlung. Auf mich wirkte sie gedankenverloren, dann wiederum wieder energisch und bestimmt. Es war spät, draußen schien es nicht freundlicher. Die Kälte blies einem noch immer entgegen. Der Regen durchnässte den Asphalt. Sie schrieb, ob ich die Nacht über bleiben wolle. Man könne dann morgen zusammen mit der Bahn in Richtung Heimat fahren. Sie bemutterte mich. Ich gab zu verstehen, dass ich das Angebot schätze, jedoch keine Umstände bereiten wolle. Sie lachte, verunsicherte mich und gab mir zu verstehen, dass ich ihr keine Umstände mache. Im Gegenteil schätzte sie meine Nähe, ich dürfe gerne über Nacht bleiben. Meine Freundin meldete sich nicht auf meine Nachricht, somit schlief ich eine Nacht lang auf der Couch.
Die Decke, welche sie mir reichte, roch nach Waschmittel und ihrem Odeur. Ich fühlte mich nicht wohl, zu fremd erschien mir die Wohnung. Im Dunkeln, geradezu beängstigend. Sie blieb wach, zumindest sah ich, dass ihr Licht im Zimmer brannte. Ich stellte mir vor, wie sie dahinter in ihrem Bett lag und las.
Am nächsten Morgen begrüßte mich eine Tasse Kaffee. In der Küche toastete Brot, ein Radiosprecher kündigte die Staumeldungen der Stunde an. Sie bot mir einen Platz an, wir aßen gemeinsam zum Frühstück. Während ich mir das Marmeladenbrot einverleibte, blieb sie beim Kaffee, beobachtete mich über den Tassenrand und schien dabei in Gedanken. Worte wechselten wir an diesem Morgen keine miteinander. Nachdem sie sich fertig gemacht, ich mir die Kleidung vom gestrigen Tag angezogen hatte, machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof. Das Wetter hatte aufgeklart, zumindest regnete es nicht mehr, die Allee erstrahlte in sattem Grün. Mich durchströmte an diesem Morgen, ein gutes Gefühl.
Auf dem Bahnsteig standen Herren versammelt. Hannah wendete sich ab. Sie bemerkten uns, erkundigten sich, wer ich sei. Scheinbar kannte sie die Herren. Sie zogen sie auf, aufgrund ihrer Stummheit. Hannah blickte beschämt zu Boden. Sie versuchte, den Blicken der Männer auszuweichen, sich von ihnen abzuwenden. Ohne Erfolg. Ein ungepflegter Mann flüsterte ihr etwas ins Ohr und schaute dabei immer wieder zu mir herüber. Als mich sein arroganter Blick streifte, platzte es aus mir heraus, er könne ruhig etwas lauter sprechen, wenn er ein Problem mit mir habe. Die anderen johlten, es vergnügte sie mein hilfloses Verhalten. Der schmierige Kerl musterte mich, fragte, was mir einfiele, mich in Gespräche anderer Leute einzumischen. Ich wollte ihm gerade etwas entgegnen, da stieß Hannah mich in die Seite. Sie musterte mich eindringlich, sobald wir in der Bahn saßen, fragte ich sie über das Geschehen aus. Keine Reaktion. Die Kerle stiegen nicht in die Bahn, warteten auf die Ankunft einer Frau, die sich ihnen anschloss.
Auf der Rückreise wechselte Hannah kein Wort, sie antwortete weder auf Fragen, noch führten wir Small Talk miteinander. Sie ließ sie sich zu keiner Konversation motivieren. Stille umgab uns. Sie schien geistesabwesend, etwas zermarterte ihr den Schädel, sie kämpfte mit sich. Der Block blieb unbeschrieben. Ich schaute hinaus, die Landschaft erstrahlte in farbenfroher Pracht. Kein Vergleich zu gestern.
Bevor sie ausstieg, überreichte sie mir einen Zettel auf dem „Danke” stand. Unten hatte sie eine Nummer drauf geschrieben, ihre Nummer.
Tags drauf rief ich die Nummer an, welche sie mir hinterlassen hatte. Ich bemerkte zu spät, dass sie gar nicht sprechen konnte. Da meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Die Stimme gehörte einer Zeitungsagentur. Ich entgegnete auf die Frage meines Anliegens, ich hätte mich verwählt und legte auf. Lange starrte ich den Zettel an, welchen mir Hannah hinterlassen hatte. Was hatte diese Frau für ein Geheimnis, erfahren werde ich es nie. Hannah habe ich seitdem nicht wiedergesehen, das Einzige, was ich noch mitbekommen hatte, als ich Monate später in ihrer Gegend aufschlug, eine Frau Smits sei in diesem Haus nicht ansässig. Sie hatte vor Monaten die Wohnung räumen lassen. Wohin sie gegangen sei, wusste niemand, dazu habe der engere Kontakt gefehlt. Man erkundigte sich, woher ich Frau Smits denn kannte. Ich antwortete nicht, ich blieb stumm und ging.