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Strubbel
Nun geht es nicht mehr! Wenn Paul noch länger wartet, dann macht er in die Hose und das können Mama und Papa nicht wollen.
„Ich muss mal!“, teilt er deshalb seinen Eltern energisch mit.
Papa, der jetzt wieder am Steuer sitzt, blickt leicht genervt über die rechte Schulter auf seinen Sprössling.
„Paul, in einer halben Stunde sind wir zu Hause. So lange hat es doch sicher noch Zeit!“
Paul rutscht wild auf dem Rücksitz hin und her und schüttelt den Kopf. Wenn er nicht gleich auf eine Toilette gehen kann, dann platzt er bestimmt.
„Nein“, jammert er. „Ich muss ganz dringend - jetzt sofort!“
„Sieh’ mal, Frank!“, ruft Mama und zeigt auf ein Schild. „Rastplatz mit WC - 500 m!“
„Also gut,“ seufzt Papa und betätigt den Blinker. Er ist ein wenig verärgert. Nun sind sie schon so lange auf der Autobahn unterwegs und kurz vor der Haustür hat er keine Lust, noch einmal anzuhalten.
Papa biegt auf den Rastplatz ein und hält vor dem Klohäuschen. Paul reißt die Tür auf und sprintet so schnell er kann zu dem rettenden Örtchen.
Kurz darauf verlässt er das Häuschen erleichtert und schlendert langsam auf das parkende Auto zu.
Mama und Papa blicken ihm wartend entgegen. Ihr Sohn hat offenbar alle Zeit der Welt. Papa trommelt nervös mit den Fingern auf das Lenkrad. Was macht Paul denn jetzt noch? Warum bleibt er plötzlich stehen und – er wird doch nicht anfangen, den Inhalt eines Papierkorbs zu untersuchen? Papa will gerade das Fenster hinunterkurbeln, um seinen Sohn zur Eile anzuhalten, als Mama sagt:
„Der Junge hat dort was gefunden. Schau mal, er ist ganz aufgeregt. Was ist das nur?“
Paul winkt wie wild, damit Mama und Papa ganz schnell zu ihm kommen. So etwas hat er noch nie gesehen. Fassungslos blickt er in den Papierkorb. Zwischen leeren Coladosen, schmierigen Tempotaschentüchern und zerdrückten Zigarettenschachteln lugt eine kleine, schwarze Schnauze hervor. Oberhalb der Schnauze sind zwei ängstliche, dunkle Hundeaugen zu sehen, die Paul direkt anschauen.
„Mama!“, schreit Paul. „Papa! Da hat jemand einen kleinen, lebendigen Hund weggeschmissen!“
Das ist eine Gemeinheit! Paul ist so wütend, dass er am liebsten mit aller Kraft gegen den Papierkorb treten würde. Aber dann würde er den kleinen Hund sicher erschrecken, und das will er auf gar keinen Fall!
Als Mama und Papa neben ihm stehen, zeigt Paul auf das zitternde Bündel Hund, das leise winselnd zwischen all dem Müll steckt.
„Das ist ja unglaublich!“, ist alles, was Papa zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus bekommt.
Mit einem seufzenden Zischlaut hält Mama die Luft an, wie immer, wenn sie sehr, sehr wütend ist.
Paul wartet nicht länger. Der kleine Hund hat eindeutig Angst und er gehört nie und nimmer in einen Papierkorb. Ein Hund ist doch kein Müll.
Vorsichtig, um das Tier nicht noch mehr zu erschrecken, entfernt Paul die Coladosen und die Zigarettenschachteln. Er schmeißt den ganzen Dreck einfach auf den Boden. Der Hund winselt leise und verfolgt alles, was Paul tut, genau. Jedes Mal, wenn sich Pauls Hand dem struppigen Hundekopf nähert, versucht das Tier, ihr auszuweichen. Es zittert vor Angst, ist aber allem Anschein nach viel zu schwach, um zu beißen oder sich zu wehren.
„Hab keine Angst. Ich will dir nur helfen. Ich tu dir ganz bestimmt nichts, du kleiner Strubbel!“, murmelt Paul beruhigend und krault das Hündchen hinter den Ohren. Der Hund macht sich ganz klein und beobachtet Paul genau.
Schließlich greift der Junge behutsam mit beiden Händen in den ekligen Papierkorb und zieht das elend dünne Hündchen vorsichtig aus dem Müll.
„Mein Gott!“, sagt Mama, als sie die schmutzige, kleine Promenadenmischung in Pauls Händen sieht. „Wer macht denn so was?“
„Schaut mal! Da ist Blut!“, ruft Paul und jetzt sehen Mama und Papa auch, dass die linke Vorderpfote des struppigen Findlings mit verkrustetem Blut bedeckt ist.
„Wir müssen ihn mitnehmen, nicht wahr?“
Paul kümmert sich nicht um das schmutzige Fell und das Blut. Er drückt den erschöpften, jungen Hund vorsichtig an seine Brust und sieht seine Eltern flehend an. Sie können das Tier doch nicht hier auf dem Rastplatz lassen.
Mama nickt und läuft zum Auto, um ein Frotteehandtuch aus dem Kofferraum zu holen.
Papa sieht immer noch sehr wütend aus, aber Paul weiß, dass Papas Wut den gemeinen Menschen gilt, die den armen, kleinen Strubbel einfach ausgesetzt und wie eine gebrauchte Chipstüte weggeworfen haben.
Als Mama mit dem Handtuch kommt, hilft Papa Paul, das verletzte Tier vorsichtig einzuwickeln. Dann klettert Paul wieder auf den Rücksitz und Papa legt ihm Strubbel auf den Schoß. Das zitternde, apathische Bündel liegt warm auf Pauls Knien. Das ist ein gutes Gefühl. Während der kurzen Fahrt nach Hause, streichelt Paul den Hund beruhigend und murmelt: „Hab keine Angst. Alles wird gut. Ich pass’ jetzt auf dich auf!“
Paul kann jeden Knochen unter dem struppigen, schmutzigen Fell fühlen. Bestimmt hat Strubbel schon länger nicht genug zu fressen bekommen, so dünn und schwach, wie er ist.
„Mama? Papa?“, fragt Paul plötzlich. „Wir - können ihn doch behalten, oder? Strubbel hat bestimmt niemandem, zu dem er gehört ... Er kann doch bei mir bleiben?“
„Ach Paul“, seufzt Mama. „Eigentlich möchte ich keinen Hund haben, ich ...“
„Aber ich!“, sagt Paul schnell. „Du musst ja den Hund nicht haben. Ich, ich möchte Strubbel so gerne behalten. Bitte, Mama! Bitte, Papa!“
Papa schaut Mama an und die dreht sich zu Paul um.
„Paul“, sagt Mama. „Ein Hund macht viel Arbeit. Er braucht Auslauf. Man muss mehrmals am Tag mit ihm spazieren gehen, auch noch spät in der Nacht. Und er muss bei jedem Wetter hinaus, egal wie kalt es ist, ob es stürmt oder in Strömen regnet ...“
„Ich weiß!“, unterbricht Paul Mama. „Das mach ich alles. Ehrenwort!“
„Ja“, mischt sich Papa ein. „Das sagst du jetzt. Und du meinst es sicher auch so, aber wenn dann der Alltagstrott einkehrt, dann bleibt bestimmt viel an Mama hängen. Ich könnte ja manchmal am Wochenende mit dem Hund spazieren gehen, aber meistens ist doch Mama zu Hause ...“
„Und ich hab schon mit dem Garten, dem Haushalt und mit meiner Arbeit genug zu tun. Auch noch ein Hund, das wäre mir zu viel“, sagt Mama mit fester Stimme. „Außerdem hast du mir schon so oft etwas versprochen – zum Beispiel, dass du immer deine Schmutzwäsche in den Wäschekorb legst, und wie oft muss ich dich erinnern, Paul?“
Das stimmt. Mama hat recht. Auch das mit den leeren Flaschen, die er zum Flaschencontainer bringen soll, das vergisst Paul meistens. Aber mit einem Hund, mit einem eigenen Hund, mit Strubbel, da wäre alles anders. Das weiß Paul ganz genau. Denn Strubbel hat er jetzt schon lieb und vielleicht wird Strubbel auch ihn lieb haben und das ist dann etwas ganz anderes, als ein paar leere Flaschen oder eine schmutzige Unterhose ...
„Lasst uns das nicht jetzt entscheiden“, sagt Papa da. „Es ist spät. Es war ein langer Tag und wir sind alle müde. Und dann auch noch die Aufregung mit Strubbel ...“
Paul hört nicht mehr zu, was Papa noch weiter sagt, denn Papa hat „Strubbel“ zu dem Hündchen gesagt! Das klingt ganz vertraut. Für Paul war es sofort klar, dass der Hund nur Strubbel heißen kann und nun scheint es für Papa genauso zu sein. Das bedeutet doch, dass Strubbel zu ihnen gehört, oder?
„... finde ich, dass wir bis morgen warten und dann noch mal in aller Ruhe darüber reden. Okay, Paul?“
„Was?“ Paul weiß nicht, was Papa von ihm will, weil er ja einen Augenblick lang nicht zugehört hat.
Mama lächelt.
„Papa meint, wir sollten Strubbel jetzt erst mal mit nach Hause nehmen. Es ist ja schon dunkel und sowieso zu spät, um heute noch etwas zu unternehmen. Morgen müssen wir dann bei der Polizei melden, dass wir Strubbel gefunden haben und dann reden wir noch mal in Ruhe über die ganze Sache.“
Paul ist einverstanden. Dann ist ja noch nicht alles verloren. Morgen sieht sicher alles anders aus. Paul ist auf jeden Fall fest entschlossen, Strubbel zu behalten.
Am nächsten Morgen wacht Paul schon sehr früh auf. Das erste, was er sieht, als er aus dem Bett springt, ist ein jämmerlich dünner Strubbel, der auf der alten Wolldecke neben dem Bett liegt und jede Bewegung Pauls mit aufmerksamen, dunklen Hundeaugen verfolgt.
Paul sieht sofort, dass Strubbel ein wenig von dem Wasser getrunken hat, das er ihm neben sein Lager gestellt hat. Das Fleisch, das Mama noch in der Nacht in der Mikrowelle aufgetaut und das Paul in feine Scheibchen geschnitten hat, das hat der Hund nicht angerührt. Paul bekommt einen Schreck. Man kann doch sehen, dass Strubbel Hunger haben muss! Hoffentlich ist er zum Fressen nicht zu schwach.
Beim Zähneputzen überlegt Paul, wie er es nun am besten anstellt, dass Papa und Mama erlauben, dass Strubbel bei ihnen wohnen bleibt. Zur Polizei müssen sie gehen, hat Papa gesagt. Es muss gemeldet werden, dass sie einen herrenlosen, ausgesetzten Hund gefunden haben. Ein wenig Angst hat Paul vor den Polizisten auf der Polizeiwache schon. In ihren Uniformen sehen sie immer so streng und wichtig aus. Vielleicht wird Mama mit ihnen reden und Paul braucht gar nichts zu sagen? Paul denkt ein wenig nach und spuckt den weißen Zahnpastaschaum aus. Während er die Schaumreste viel sorgfältiger als sonst wegspült, fasst er einen Entschluss. Er wird selber mit den Polizisten reden. Wenn er all seinen Mut zusammennimmt, dann klappt das sicher und dann kann Mama schon mal sehen, wie wichtig Strubbel ihm ist und wie doll er sich um ihn kümmert.
Nach dem Frühstück legt er Strubbel vorsichtig auf ein Tuch in Mamas alten Einkaufskorb und trägt ihn zum Auto.
„Wir fahren zuerst zur Polizeiwache“, sagt Mama.
„Aber Strubbel muss unbedingt zum Tierarzt!“, sagt Paul. „Er hat überhaupt nichts gefressen.“
„Lass uns zunächst klären, ob wir uns überhaupt weiter um Strubbel kümmern dürfen. Außerdem macht die Tierarztpraxis sowieso erst um halb zehn auf.“
Mama parkt das Auto auf dem Parkplatz vor der Polizeiwache und Paul trägt den Korb mit dem kleinen Hund vorsichtig die Treppe zu der gläsernen Doppeltür hinauf. Mama, die das Auto noch abschließen muss, folgt ihnen ein wenig später. Als sie die Polizeiwache betritt, bleibt sie erstaunt stehen. Vor ihr, hinter dem Tresen, steht Paul. Der Korb mit Strubbel steht auf einem Schreibtisch und ein junger Polizist beugt sich darüber und streichelt den kleinen Hund vorsichtig. Der Polizist schaut auf und lächelt Mama an.
„Gehören Sie zu dem jungen Mann hier?“, fragt er.
Als Mama nickt, fährt er fort: „Nehmen Sie doch ruhig Platz. Ich werde wohl ein Protokoll aufnehmen müssen.“
Mama sieht, dass Paul ihre Hilfe gar nicht braucht, deshalb setzt sie sich still auf eine Bank und beobachtet ihren Sohn.
Paul erzählt dem Polizisten, der trotz seiner Uniform überhaupt nicht streng und wichtig, sondern einfach nur nett ist, genau, wie und wo er Strubbel gefunden hat. Der Polizist schreibt alles mit, was Paul erzählt. Ab und zu stellt er eine Frage. Mama muss nur einmal helfen, als er nach dem Namen des Rastplatzes fragt, auf dem Strubbel in dem Papierkorb steckte. Den hat Paul sich nämlich nicht gemerkt. Als Paul alles erzählt hat, liest der Polizist ihm noch einmal vor, was er aufgeschrieben hat.
„Stimmt das alles so?“, fragt er dann und als Paul und Mama nicken, muss Mama das Protokoll unterschreiben.
„Und was passiert jetzt mit Strubbel?“, fragt Paul mit großen Augen.
„Tja“, sagt der Polizist. „Der Hund ist eine Fundsache. Wir benachrichtigen das Fundbüro und dann bringt mein Kollege das Tier ins Tierheim. Wenn sich ein Besitzer meldet, dann kann er sich sein Eigentum im Tierheim abholen ...“
„Aber“, Paul wird ganz aufgeregt. „Wenn sich niemand meldet? Die haben Strubbel ja nicht verloren. Die haben ihn weggeschmissen! Die wollen ihn ja gar nicht haben! Und außerdem: Strubbel muss doch jetzt erst einmal gesund werden. Im Tierheim, da sperren sie ihn in einen kahlen, gekachelten Käfig! Da sitzt er dann hinter Gittern! Das hab ich mal im Fernsehen gesehen. Da wird Strubbel nie gesund!“
Paul stehen die Tränen in den Augen, er zieht den Korb ganz nahe zu sich heran und krault den Hund vorsichtig hinter den Ohren. Plötzlich fühlt er etwas Warmes, Raues, Feuchtes an seiner Hand: Strubbel hat seinen Kopf gehoben. Er leckt Pauls Finger mit einer kleinen, rosafarbenen Zunge. Das fühlt sich gut an! Strubbel mag Paul. Das ist ganz klar!
„Mama!“ Paul dreht sich um. „Strubbel will bei mir bleiben! Er hat meine Hand geleckt!“
Mama steht auf und kommt zum Tresen. Sie schaut in den Korb und sieht den kleinen Hundekopf, der sich ganz sanft in Pauls offene Hand kuschelt. Auch Mama kann sich nicht vorstellen, dass Strubbel jetzt in einen gekachelten Käfig gebracht wird.
„Wir wollten mit dem Hund erst einmal zu einem Tierarzt gehen“, sagt sie zu dem Polizisten. „Wäre es möglich, dass wir ihn zunächst mit nach Hause nehmen und pflegen und wenn sich der Besitzer dann meldet, dann könnte er ihn bei uns abholen?“
Paul hält den Atem an. Das wäre eine tolle Idee. Er glaubt nämlich nicht, dass irgendjemand Strubbel wiederhaben möchte und wenn der Hund erst einmal bei ihnen wohnt, dann ...
Der Alltag ist wieder eingekehrt. Seit zwei Wochen sind die Herbstferien, die ersten Schulferien in Pauls Schülerleben, vorbei und Paul geht jeden Morgen mit Nils und Fabian zur Schule. Mittags hat er es immer sehr eilig nach Hause zu kommen, denn er weiß, dass Strubbel auf ihn wartet.
Auch heute rennt er die letzten Meter bis zur Gartenpforte wie der Wind. Als er die Pforte öffnet, hört er seinen Strubbel fröhlich kläffen. Bevor Paul noch Sturm klingeln kann, öffnet Mama schon die Haustür und Strubbel schießt zwischen ihren Beinen hindurch und begrüßt Paul mit einem wilden Freudentanz. Sein kleiner Stummelschwanz tanzt aufgeregt auf und ab, während er immer wieder an Paul hochspringt und versucht, ihm Gesicht und Hände zu lecken. Paul gelingt es nur mit Mühe, seinen Schulranzen abzustellen. Dann hockt er sich zu Strubbel auf den Boden und umarmt und begrüßt den kleinen Hund ausgiebig.
Mama schließt die Haustür und lacht.
„Strubbel ist jedes Mal wie ausgewechselt, wenn du aus der Schule kommst!“, sagt sie kopfschüttelnd. „Er hat wieder den ganzen Vormittag über im Flur gelegen und die Eingangstür beobachtet. Ich glaube, er tut nichts anderes, als auf dich zu warten. Er hat noch nichts gefressen und ich konnte ihn nicht dazu bewegen, mich zum Einkaufen zu begleiten. Er wollte ganz offenbar hier liegen und auf dich warten.“
„Du hast noch gar nicht gefressen, Strubbel?“, fragt Paul und krault seinem Hund den Bauch. Da springt Strubbel auf, läuft ein paar Schritte in Richtung Küche, bleibt dann stehen und sieht sich wartend nach Paul um. Paul versteht ihn sofort. Strubbel will fressen, aber Paul soll ihm dabei Gesellschaft leisten. Wie jeden Tag setzt sich Paul auf den Küchenfußboden und sieht zu, wie Strubbel in Windeseile seinen Fressnapf leert.
Kaum hat er den Napf blitzblank geleckt, da saust er auch schon in den Flur und kommt mit der neuen, roten Leine zurück, die Papa an dem Tag mitgebracht hat, als die Polizei anrief und Paul mitteilte, dass sich kein Besitzer gemeldet hatte, der Strubbel zurückhaben wollte.
„Ich geh vor dem Mittagessen noch eine kleine Runde mit Strubbel!“, ruft Paul über die Schulter. „Und ich nehme die leeren Flaschen mit!“
Mama winkt den beiden aus dem Küchenfenster nach. Während sie den Tisch deckt, denkt sie darüber nach, wie sich Paul seit den Herbstferien verändert hat. Richtig erwachsen ist er geworden! Zuverlässig ist er mit Strubbel jeden zweiten Tag zum Tierarzt gegangen, seine Schmutzwäsche liegt nun fast immer im Wäschekorb und weder die leeren Flaschen, noch das Altpapier hat er in den letzten Tagen vergessen. Paul ist jetzt richtig groß und umsichtig. Es war wirklich gut, dass sie ihm erlaubt haben, Strubbel zu behalten.
Am Nachmittag hat Paul sich mit Nils und Fabian verabredet. Sie wollen auf dem Bolzplatz ein wenig Fußball spielen und natürlich muss Strubbel Paul begleiten. Schließlich soll er endlich einmal Pauls Freunde kennen lernen.
Als Paul und Strubbel auf der Bolzplatzwiese ankommen, sind Nils und Fabian schon da. Fabian rennt auf Paul zu und Nils schreit: „Hallo Paul!“
Strubbel erschrickt sehr vor den beiden wilden, lauten Jungen. Er kneift den Schwanz ein und versteckt sich hinter Paul. Paul hockt sich sofort neben Strubbel, um ihn zu beruhigen und zu trösten.
„Was hat er denn?“, fragt Nils und betrachtet Strubbel neugierig.
„Er ist einfach ein wenig ängstlich“, erklärt Paul. „Besonders Krach mag er überhaupt nicht. Ihr solltet ihn mal sehen, wenn Mama den Staubsauger anmacht! Dann rast er sofort in mein Zimmer und versteckt sich ganz hinten unter meinem Bett!“
Fabian und Nils tut es Leid, dass sie Pauls niedlichen, kleinen Hund erschreckt haben. Vorsichtig beugen sie sich zu Strubbel und lassen ihn an ihren Fingern schnuppern. Allmählich wird Strubbel zutraulicher und die beiden Jungen streicheln sein glänzendes Fell und kraulen ihn hinter den Ohren.
Nach einer Weile geht Paul mit Strubbel an den Rand der Wiese. Dort zeigt er auf den Boden und sagt:“ Platz!“ Fasziniert sehen Nils und Fabian, dass der Hund sich ganz brav hinlegt und Paul nur noch mit den Augen folgt.
Die drei Jungen spielen mit Nils neuem Fußball und Strubbel beobachtet sie aus sicherer Entfernung.
Als sie mitten im schönsten Spiel sind, werden sie plötzlich von Simon und seiner Bande gestört. Laut grölend toben die vier Jungen, die drei Jahre älter als Paul und seine Freunde sind, auf den Bolzplatz. Nils schnappt sich blitzschnell seinen nagelneuen Fußball. Als sie das letzte Mal mit Simon und seiner Bande zu tun hatten, haben die Großen Fabians Ball mit einem Taschenmesser kaputtgeschnitten.
„Haut ab, ihr Winzlinge!“, brüllt Simon und baut sich drohend vor Paul und seinen Freunden auf.
Ole Fettklops, Simons bester Freund, reißt Nils den Fußball aus den Händen und lacht gemein:
„Den braucht ihr jetzt nicht mehr! Jetzt spielen wir hier nämlich!“
In diesem Moment sieht Simon Strubbel, der aufmerksam den Kopf gehoben hat und genau beobachtet, was auf der Bolzwiese vor sich geht.
„Schaut mal da!“, ruft Simon seiner Bande zu. „Was da für ein jämmerlicher Köter liegt! Vielleicht brauchen wir den Fußball ja gar nicht. Wir könnten das Vieh dort stattdessen nehmen!“
Bei diesen Worten wird es Paul ganz schlecht vor Angst. Simon traut er alles zu. Der würde bestimmt ohne weiteres mit dem armen Strubbel Fußball spielen. Paul muss verhindern, dass Simon sich an Strubbel vergreift, er muss ihn ablenken – unbedingt!
Paul macht einen Schritt auf Simon und Ole Fettklops zu und hört sich zu seinem großen Erstaunen ganz laut rufen:
„Ihr spinnt wohl! Der Ball gehört Nils! Gebt ihn sofort zurück! Außerdem waren wir hier zuerst!“
Ole lacht laut und gemein und hält Nils Fußball hoch in die Luft, so dass Paul keine Chance hat, ihn zu erreichen.
„Holt ihn euch doch!“, schreit Ole hämisch, während der Rest der Bande sich halb tot lacht.
Simon macht einen Schritt auf Paul zu. Seine Augen verengen sich zu gefährlichen Schlitzen, als er Paul einen kräftigen Stoß vor die Brust gibt:
„Spiel dich hier nicht auf, du Zwerg!“, zischt er böse. Paul taumelt zurück, Nils und Fabian stehen sofort neben ihm, aber ihnen ist allen klar, dass sie gegen die Großen keine Chance haben.
In diesem Augenblick schießt Strubbel wie ein Blitz über die Wiese. Er bleibt neben Paul stehen und knurrt Simon leise aber gefährlich an. Strubbel lässt Paul nicht allein. Jeder, der gegen Paul ist, bekommt es mit Strubbel zu tun!
Als Simon den wütenden Strubbel entdeckt, muss er lachen. Vor so einem kleinen Köter hat er doch keine Angst. Das ist ja lächerlich. Simon versetzt Paul einen weiteren Stoß. Diesmal verliert Paul das Gleichgewicht und fällt auf den Rücken. In diesem Augenblick wird Strubbel sehr wütend. Er bellt laut und wild und springt an Simons Bein hoch. Seine kleinen scharfen Zähne schnappen nach Simons Hose und reißen ein Stück Stoff heraus. Ole und der Rest der Bande weichen erschrocken zurück. Ein Hundebiss ins Bein ist sicher ziemlich unangenehm, das wollen sie auf jeden Fall vermeiden.
Plötzlich ist Simon allein mit dem rasenden Strubbel, der laut und böse bellend immer wieder nach dem Bein des Jungen schnappt. Als Simon merkt, dass ihm keiner seiner Freunde zu Hilfe kommen will, schreit er voller Angst: „Verdammt! Holt das wildgewordene Biest da weg!“
Paul steht auf und betrachtet voller Stolz seinen mutigen, kleinen Hund, der den widerlichen Simon in Schach hält. Er wartet noch ein Weilchen und sagt dann ganz ruhig:
„Klar kann ich Strubbel zurückrufen. Wenn du uns den Ball wiedergibst und uns hier Fußballspielen lässt, dann mache ich das sofort.“
„Los! Mach schon, Ole!“, schreit Simon. „Hast du nicht gehört? Gib ihnen den Ball zurück!“
Als Ole Fettklops Nils den Fußball zugeworfen hat, ruft Paul:
„Strubbel! Komm her!“
Augenblicklich lässt Strubbel Simon in Ruhe. Ohne den Jungen aus den Augen zu lassen, bewegt er sich rückwärts auf Paul zu. Dabei knurrt er die ganze Zeit. Als Paul Strubbels Halsband festhält, gibt Simon Fersengeld und wenig später ist von ihm und seiner Bande nichts mehr zu sehen.
Paul hockt neben Strubbel im Gras und streichelt und krault ihn. Alle Angst ist von ihm abgefallen, er ist nur noch erleichtert und unheimlich stolz auf seinen tapferen Hund. Auch Nils und Fabian sind total beeindruckt von dem Mut, den der kleine, ängstliche Strubbel bewiesen hat.
„Das war großartig, Strubbel!“, sagt Nils und tätschelt Strubbels Kopf.
„Ja, wirklich!“, sagt Fabian und fügt ein wenig neidisch hinzu: „Mensch, Paul! So einen Freund wie Strubbel, den hätte ich auch gern!“