Streichkäse mit Kräutern
Der 22jährige Student Nick hat endlich Wochenende.
Er betritt den Aufzug seines Wohnhauses und drückt auf den Knopf für den sechsten Stock.
Hinter sich hört er ein leises Zischen. Er dreht sich um, und sieht eine bunt angemalte Flasche.
"Was um alles in der Welt ist denn dass?"
Er schüttelt den Kopf.
"Ich glaube ich habe mir das Wochenende wirklich verdient. Ich fange ja schon an zu spinnen!", denkt Nick, und versucht sich zu entspannen. Der Aufzug hält, und gerade als Nick aussteigen will, hört er eine quakige Stimme, die leise aber deutlich spricht:
"Jetzt lass mich doch endlich frei! Ich sitze jetzt schon so lange in diesem Ding! Also, worauf wartest du noch?"
Nick reisst die Augen auf.
"Hallo? Wer ist denn da? Will mich hier jemand auf den Arm nehmen? Versteckte Kamera, oder sowas?"
"Nein!", antwortet die Stimme. "Ich bin hier drin, in diesem bunten Ding. Lass mich frei!"
Der Student nimmt nach kurzem Zögern die Flache und rubbelt daran. Schließlich hatte er ja Aladdin und die Wunderlampe gesehen.
"Mensch, so doch nicht! Du musst die Flasche in die linke Hand nehmen, sie einmal drehen, und fünfmal durch den Henkel pusten!"
Nick ist leicht verwirrt, tut aber, was die Stimme sagt.
Lila Rauch kommt durch die Öffnung der Flasche, und plötzlich kommt eine rote Quietscheente rausgeschossen.
"Eine Ente?", schreit Nick.
"Tja, da staunst du, was?"
"Irgendwie schon. Hauptsache ist aber, dass du mir jetzt meine Wünsche erfüllst."
Nick wird ganz warm ums Herz. Aber die Ente verzieht ihren Gummischnabel nur zu einem Grinsen.
"Ha, dass träumst du vielleicht. Ich erfülle dir doch keine Wünsche! Wo würden wir denn da hinkommen? - Nein, du erfüllst mir all meine Wünsche, ansonsten wirst du siebzehn Jahre Pech Haben!"
Der Student wird ganz bleich.
"Dass kannst du nicht machen! Nicht mit mir!"
Er rennt in seine Wohnung, knallt die Tür zu, schliesst ab und atmet tief durch.
Doch die Ente läuft einfach durch die Tür, wie ein Geist.
Selbstgefällig schaut die Ente Nick an.
"Du wirst mich nicht los! Aber okay, dein Pech soll beginnen."
Die Ente beginnt zu zittern, und grüne Blitze erscheinen an der Decke von Nicks Wohnung. Überall ist lila Rauch.
"Nein!! Hör auf!", schreit Nick. "Okay, was ist dein erster Wunsch?"
Die Ente lächelt.
"Du lässt dir jetzt ein Bad ein, und du nimmst mich mit. Es ist ganz schön trocken gewesen in dem Ding."
Den Tag darauf bekommt Nick Besuch von seinem besten Freund Uwe. Sie haben einen gemeinsamen Fernsehabend geplant.
Die nervige Ente schläft. Am Tag zuvor wollte sie die Sesamstrasse sehen, eine Pizza essen und an den Teich im Park.
Nick ist ziemlich erschöpft, als Uwe kommt.
"Mensch, du siehst ja völlig fertig aus!", sagt Uwe besorgt. "Soll ich lieber wieder gehen?"
Nick seufzte.
"Nein, schon okay. Ich bin nur etwas müde."
Zwei Stunden später geht es Nick schon etwas besser. Er muss kaum noch an diese blöde, rote Ente denken. Er geniesst den Fernsehabend mit Uwe.
Plötzlich kommt die Ente angewatschelt.
Uwe fängt an zu lachen.
"Was ist denn so witzig?", fragt Nick erstaunt. "Das ist, ähm, mein neues Haustier. Süß, nicht?"
Uwe lacht.
"Ach komm, erzähl mir nichts!", gluckst er. "Die Ente, sie heisst übrigens Pixi, war auch schon bei mir. Sie hat mir das Leben ganz schön zur Hölle gemacht!"
Die Ente bekommt ganz große Augen. Nick ebenso.
"Sie meinte,", kicherte Uwe, "wenn ich ihr nicht all ihre Wünsche erfülle, bin ich kein Mann mehr, wenn du verstehst was ich meine."
Die rote Ente funkelt Uwe böse an.
Uwe grinst.
"Wenn du sie loswerden willst, musst du nur `Streichkäse mit Kräutern` sagen, und sie ist verschwunden."
Nick atmet erleichtert auf, und kann noch gar nicht so ganz glauben, dass das so einfach sein soll.
Er tut, was Uwe gesagt hat.
Mit einem lauten Zischen verschwindet Pixi in ihrer Flasche.
Jetzt sitzt die Ente wieder in ihrem viel zu trockenem, viel zu buntem Ding und weiss, dass sie nichts so sehr hasst, wie Streichkäse mit Kräutern.
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Melanie Deeken, November 2001 (damals 15 jahre alt)