Strapse oder Endlich Frühling
Strapse
oder
Endlich Frühling
Ich treibe im Sound. Eine Jahrhundertnummer zerspragelt das Gewölbe. "Hotel California". Ich tanze, vertanze mich am Gestern. "The Eagles" verfließen auch noch in den Ärschen von Heute. Ein Jahrhundertsound.
Ich presse sie an mich. Fleisch an Fleisch und Haut an Haut. Sogar die Knochen fühlen sich weich an. Alles ist so weich. Weich trifft auf Weich. Meine Hände verweichen einen Rücken, verhärten der Hüfte weichen Schwung, zerdrücken eines Hintern rhythmisch-weich Geschunkel. Ich wange der Wange so weiches Wang und tiere tief heraus aus meiner Kehle den Text ins linke Ohr der Menschin, mit der ich flirte, die ich liebe.
Ich weiß, dass sie zittert. Ich kenne sie. Sie zittert noch immer, wenn ich ihr eine Geschichte auf ihre Haut so hauchend hin erzähle. Ich vertiere den so irren Sound an ihrem Ohr ganz tief. Wir verreiben unseren Unterleib am Lied. Da zersägt auf ein Mal dieser Wahnsinnsschrill einer Gitarre den Fleisch auf Fleisch, so Haut auf Haut vertanzten Tanz. Ich verkniee, lass meine linke Hand nach unten, so tiefer und tiefer fließen, tiefer fließen über den Minirock hinab, über das Rau des Seidenstrangs, das kurze Nackt der Haut zuvor, über den Strumpf zum Knie und fasse hart. Mit dem Bein in der Hand richte ich mich wieder auf und greife streifend an der Wade festem Muskel tiefer. Zuletzt verhalte ich am Fuß, knapp über der Ferse die Achillessehne zart umfangend, das Bein leicht über die Waagrechte auf gerissen und greife mit der Linken Terzen, Quinten und Septimen, schlage gleichzeitig mit der Rechten diesen schnellen Puls der Zeit von Gestern.
Unsere Augen sind eins. Sie hält sich fest an meinen Schultern. Der Raum verschmilzt im Glücklichsein. Das Smaragd ist ein einziges kochendes, pulsierendes Herz. Es schlägt und schlägt und schlägt. Ich bin auf ein Mal ein großer Star. Ich spiele die Gitarre. Ich stehe ganz vorne an der Bühne Rand, genieße mein Publikum, diese Herz-ins-Herz-Gefahr. Meine Finger fliegen, schlagen den Irrsinn des Solos hin auf Fleisch und Haut, und schneller und schneller treibt der Sound. Ein Freund versteht den Blick aus meinen Augen, ergreift Danaes Schuh, hält mir das Gitarrenblatt. Ich spiele die Töne auf und ab, über das Knie, den Schenkel hoch, so Ton um Ton, und höher, höher, höher den Steg. Dann schrille ich mit beiden Händen nur noch über Haut. Haut. Haut. Tief fasst meine Linke in den Muskel, ich lass die dicke Sehne zirpen, lass sie hart im Muskelweich verkruspeln. Danae schreit, zerschreit ihr Lachen. Sie schrillt den Drive, sie spürt jeden Ton, singt, schreit und lacht zugleich. Alles lacht, und ich verglücke.
O ich verglücke über dem Strumpfband, wahne mich weit hinein ins Seelenland. Meine Dreiecksimagination von Zeige-, Mittelfinger, Daumen von einem Plektron wahnt, erwahnt, verwahnt den Schrill des Tons, verirrt sich an eines Höschens heißem Spitzenweiß. Mein Gehirn fängt kurz ihr Nein: Hey, Spinner, nicht so weit, nicht gar so weit! Doch meine Augen fliegen in die Runde. Alle Augen schreien Ja. Es kocht. Das Smaragd verdreht sich um uns im Kreise. Und alle Augen schreien Ja. Und da zupfe ich die letzten Töne an dem Ort, an diesem Unwortort und genieße Nein und Ja. Ja, alle Augen strahlen, auch Danae gefällt zuletzt das Ja. Sie lacht. Okay, keine Gefahr. Ein einziges Ja durchdringt den Raum. Ja, Ja und noch Mal Ja. Ich zupfe, zupfe und zupfe, und dann reiße ich das Bein aus seiner Verankerung. Reiß es hoch, hoch über ihren Kopf, umfasse ihre Hüften fest, tanze ein paar Kreise, lass es fallen und wir verschmelzen wieder zu einem Paar, drehen dem End des Lieds entgegen und verküssen.
Applause, Applause, Applause. Und Allen ist auf ein Mal klar, der Frühling, der Frühling ist endlich wieder da. Es wird endlich wieder warm, und die warmen, plumpen Fetzen vom Winter bleiben zu Hause. Und heuer sind angeblich Strapse wieder in. Ich liebe sie, so und so. Ich steh auf sie, so und so. Der Frühling ist wieder da. Und auf ein Mal ist das Leben wieder Anders.
© Copyright by Lothar Krist (26.4.2002)