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strangers in the night - braindead
Kette hatte ein Geheimnis. Sie war gerade in einer Kabine des Klos dabei, sich das erbeutete Paar Socken anzuziehen, als die Tür aufgetreten wurde.
„Die Zombies sind da!“ brüllte eine Stimme ins Klo, während die Tür mit lautem Knall gegen die Wand prallte und wieder zuschlug.
‚Scheiße!‘ dachte Kette, zog ihre Stiefel wieder an und rannte aus der Toilette. Draußen auf dem Gang rannte Kralle an ihr vorbei, die grinsend ihre Handschuhe überzog. Die scharfen Klingen an den Fingern glänzten matt. Kralle hatte sich das aus einem alten Film abgeguckt, von einem Kerl, der Freddy Voorhees oder Jason Kruger hieß. Kette sah ihr kopfschüttelnd nach und setzte sich dann ebenfalls in Bewegung.
Verdammte verwaschene Zombies!
Mit einem geschickten Griff löste sie ihre Doppelreihe Ketten von der Hose und schlang sie sich einmal um die Hand, die beiden Haken ließ sie baumeln.
Sie rannte nach oben, immer drei Stufen auf einmal nehmend und hörte den Lärm schon im ersten Untergeschoß. Als sie im Erdgeschoß in den Eingangsbereich des Bahnhofs kam, war die Schlacht schon in vollem Gange.
Die Tunnelkrieger, die Feuerkinder und die Neo-Psychos gegen die verwaschenen Zombies.
Eine Frau mit Einkaufstüten voller Müll rannte panisch auf die Treppe zu. Sie blutete aus einer Kopfwunde und schien um ihr Leben zu rennen. Kette trat schnell beiseite und sah ihr nach, wie sie die Treppen hinuntereilte. Sie tat gut daran zu verschwinden, die Zombies machten keine Unterschiede, ob Zivilist oder Kämpfer. Schnell sah sie sich in der Halle um und entdeckte unzählige Zivilisten, die sich in Ecken drängten oder einfach nur an der Wand gepreßt zusahen. Unfähige Schwachköpfe! Die meisten hatte schon Kriegsschlachten gesehen, und doch taten sie immer noch nichts um die SST-Zombies zu stoppen. Aber es ging ja auch nicht um ihr Territorium.
Sie schwang ihre Kette mit einem lauten Triumphgeheul über dem Kopf und stürzte sich auf den ersten Zombie der vor ihr stand. Mit einem lauten Krachen zersplitterte der Plasthelm unter ihrem Schlag und der Zombie ging mit zerschmettertem Schädel zu Boden. Kette warf einen flüchtigen Blick auf graue Hirnmasse und blinkende Elektronik und stürzte sich auf den nächsten. Ihre Ketten fuhren singend durch die Luft und brachen Knochen, die Haken rissen am Fleisch der Zombies. Die Feuerkinder warfen mit Molotows nach ihnen und als die ersten rauchend und stumm starben setzte die Sprinkleranlage ein und kühlte die Szene ab. Kette sah Kralle kurz zwischen den anderen auftauchen, ihre Messer im Hals eines Zombies und ihn wild angrinsend, dann schoben sich wieder schwerfällige Körper dazwischen.
Einer der Neo-Psychos neben ihr bekam einen Schlag mit dem Gummiknüppel in den Nacken und fiel mit einem wütenden Brüllen auf die Knie. Kette sprang den Zombie mit voller Wucht an, hieb ihm mit der Kette in ihren Faust ins Gesicht und schlug noch zweimal zu, als er zu Boden fiel. Dumpf polternd fiel der Gummiknüppel aus seiner Hand.
Kette eilte zu dem Neo-Psycho und half ihm linkisch hoch. Wenn die Zombies nicht da waren, bekämpften sich Tunnelkrieger, Neo-Psychos und Feuerkinder untereinander. Alle beanspruchten das selbe Gebiet - den Untergrund von Bahnhof Zoo.
Der Neo-Psycho rieb sich den Nacken und sah sich suchend um. Schließlich machte er einen Schritt beiseite und hob ein Stahlrohr auf.
„Okay?“ schrie Kette ihn über den Lärm hinweg an.
„Hmm!“ murmelte der Neo-Psoycho und sah sie argwöhnisch an. Das verschlungene Tattoo in seinem Gesicht ließ ihn fast unmenschlich aussehen. Seine weißen Haare taten ihr übriges.
„Dann steh hier nicht doof rum!“ herrschte ihn Kette an und warf sich ohne einen weiteren Blick auf den nächsten Zombie.
Schwerfällig schwang er seinen Gummiknüppel. Sie schlug zu und ihre Ketten wickelten sich um den Knüppel. Mit einer heftigen Bewegung riß sie ihm den Knüppel aus der Hand und holte sofort wieder aus, um ihn platt zu machen, doch die Ketten krachten nur gegen das Schild, hinter dem sich der Zombie versteckte. Die Haken rissen tiefe Kratzer in den Lack und fuhren quer über das aufgedruckte SST. Fluchend holte Kette wieder aus, als plötzlich der Helm und der Kopf der Zombies platzen und er unter seinem Schild zusammenbrach. Triumphieren hieb ein Neo-Psycho weiter auf den toten Körper ein. Es war der Kerl mit dem Tattoo im Gesicht. Er sah sich wild um, ihre Blicken trafen sich und sie sah, daß seine Augen so blutunterlaufen waren, daß sie komplett rot aussahen.
‚Lavarausch!‘ durchzuckte es Kette.
Dann sah er wieder weg und stürzte sich sein blutigen Rohr schwingend auf die letzten verbliebenen Zombies.
Kette machte einen Schritt hinterher und spürte wie ihr Fuß unter Knirschen in etwas weiches einsank. Sie sah nach unten und stand in der Hirnmasse eines Zombies. Sie war weißgrau und klebrig und feine Silberfäden zogen sich hindurch.
Sie wischte ihren Fuß an der Weste des Zombies ab, wobei sie den SST-Schriftzug verschmierte und kickte ihm gegen den Kopf. Das hohle Geräusch ließ sie wünschen, sie hätte dem Drang nicht nachgegeben.
Ein schriller Schrei ließ sie herumwirbeln. Kralle hielt sich mit verzerrtem Gesicht den linken Arm. Einer der Zombies hatte sie erwischt. Ehe er zum zweiten Schlag ausholen konnte, traf ihn ein Molotow der Feuerkinder an der Brust und Flammen hüllten sein Kopf ein. Mit schmelzendem Gesicht stolperte er nach hinten und wurde von zwei Tunnelkriegern niedergerissen. Sie schlugen auf ihn ein, bis er aufhörte das Feuer auf seiner Brust ausschlagen zu wollen.
Mit einem mal war nur noch das Brutzeln von brennendem Fleisch und das Knacken von heißen Knochen zu hören. Die Zombies waren besiegt.
Ein paar der Zivilisten klatschten ängstlich Beifall, doch das Geräusch ging schnell im allgemeinen Triumphgebrüll der Kämpfer unter. Kette ging zu Kralle und half ihr hoch. Der Arm sah böse aus, wahrscheinlich gebrochen.
Langsam brach das Jubelgeschrei ab. Die Zivilisten standen langsam auf und gingen weiter, stiegen vorsichtig über die Zombies hinweg und vermieden es genauer hinzusehen. Tunnelkrieger, Neo-Psychos und Feuerkinder sahen sich gemeinsam auf dem Schlachtfeld um und grinsten über ihren Sieg. Ein paar liefen herum und kickten nach den Zombies oder durchsuchten sie nach Gegenständen. Schlagknüppel wurden geschwungen und ein paar fochten damit herum. Ein Neo-Psycho und ein Feuerkind balgten sich um die Weste eines Zombies, beide zogen daran, bis das Feuerkind unvermittelt losließ und der Neo-Psycho mit einem Fluchen hintenüber stürzte.
Und da, von einer Sekunde auf die andere war wieder klar, das man Seite an Seite mit dem Feind stand. Die übriggebliebenen Zivilisten machten, dass sie wegkamen, während Molotows angezündet, Knüppel drohend geschwungen und Fäuste geballt wurden.
Kette stand schützend vor Kralle, ihr gegenüber drei Neo-Psychos, darunter auch der mit dem Gesichtstattoo. Ihre Kette hing locker herab, abwartend - lauernd.
Drei Gruppen bildeten sich, die langsam voneinander weg wichen, so das sich ein dreiteiliger unregelmäßiger Kreis bildete.
Der Kerl mit dem Tattoo grinste sie herausfordernd an und ließ sein Stahlrohr in die offenen Handfläche klatschen. Er war Linkshänder stellte Kette erstaunt fest. Irgendwie hatte sie immer gedacht Linkshänder wären intelligent, kreativ oder so. Tja scheinbar ein Trugschluß.
„Laßt den Scheiß!“ dröhnte plötzlich eine harte Stimme, die alle stocken ließ. Eine dunkelhäutige Frau mit den für die Feuerkinder markanten flammenroten Haaren trat in die Mitte des Kreises - Fackel, die Anführerin.
„Eiskalt, Kriegsmann, kommt schon her und laßt uns reden!“ rief sie. Aus dem Pulk der Neo-Psychos kam ein langer, dürrer, schwarz gekleideter Junge, mit bleichem Gesicht und eiskalten Augen hervor.
Die Tunnelkrieger um Kette herum machten für Kriegsmann Platz. Er war groß und kräftig, hatte nur noch ein Auge und trug immer eine abgewetzte Tarnweste. Seine schweren Stiefel waren von Hirnmasse und Blut ganz klebrig und machten schmatzende Geräusche.
Sie trafen sich in der Mitte des Kreises.
„Was willst du?“ fragte Eiskalt.
„Ich will eine Ruhepause. Für alle!“
„Bis wann?“ Kriegsmann sah sie mit vor der Brust verschränkten Armen abschätzend an.
„Mitternacht.“
„Auf keinen Fall.“ Eiskalt sah Fackel und Kriegsmann mißtrauisch an.
Kriegsmann sah sich nach den Tunnelkriegern um. Sie sahen erschöpft aus. Einige konnten kaum noch stehen. Seine Blicke gingen zu den Neo-Psychos und danach zu den Feuerkindern. Alle sahen mitgenommen aus. Er sah auf den Boden, kickte mit den schweren Stiefeln ein paar Plasthelmsplitter eines Zombies beiseite.
„Bis Mitternacht. Von mir aus.“ sagte er schließlich halblaut.
Beide, Fackel und Kriegsmann sahen Eiskalt an.
„Es wird keinen Waffenstillstand geben. Es herrscht immer noch Krieg, heute, jetzt und immer!“ preßte er wütend hervor. Die Neo-Psychos hinter ihm zuckten unbeherrscht mit den Händen.
„Eiskalt, laß uns ein paar Stunden ausruhen. Meine Kinder sind müde und verletzt. Ich bin müde. Du hast auch Verwundete die Ruhe brauchen und Tote, die geehrt werden sollten. Willst du wirklich bis aufs Blut kämpfen?“ Fackel sagte es nicht flehend, sie sagte es fast liebevoll. Einige der Feuerkinder lächelten stolz.
„Sie und ich gegen dich. Meine Truppe bracht Versorgung. Wir können uns jetzt endgültig aufreiben und dann sind wir für den nächsten Angriff der Zombies zu schwach, oder wir ruhen uns bis morgen aus. Es wird keinen Frieden geben, nicht hier und nicht heute. Aber nur wir alle zusammen können gegen die Zombies gewinnen. Du alleine nicht.“
Kriegsmann sah Eiskalt abschätzend an. Hinter ihm zeigten die Tunnelkrieger stolze Gesichter. Die Neo-Psychos sahen von ihnen zu den fanatisch lächelnden Feuerkindern und dann zu Eiskalt.
Der hatte den Kopf gesenkt und die Fäuste geballt. Einige der Neo-Psychos flüsterten leise und die ganze Gruppe wurde davon unruhig.
„RUHE!“
Schlagartig war Eiskalt zu ihnen herumgefahren und die Gruppe zuckte zusammen. Die folgende Stille war annähernd perfekt.
Er wußte das sie recht hatten, beide recht hatten, aber sie waren erschöpft, ein Sieg über sie schon greifbar nah. Der endgültige Sieg. Aber gegen beide zusammen... nein, daß würden sie nicht schaffen.
„Bis Mitternacht!“ zischte er heiser vor Wut und verschwand abrupt in seiner Gruppe. Langsam zogen sie davon, Richtung Gleise und Güterplatz.
Fackel sah Kriegsmann kurz an.
„Danke für deine Unterstützung“, sagte sie leise und zog sich in den Kreis ihrer Kinder zurück. Die Kinder drängten sich dicht an sie und Fackel strich über Gesichter und Köpfe. Kriegsmann beobachtete sie ohne sichtbare Gefühlsregung und auch seine Tunnelkrieger zeigten nur Stolz.
Schnell und leise verschwanden die Feuerkinder.
„Abrücken!“ befahl Kriegsmann und schnell zogen sich die Tunnelkrieger in die unteren Level des Bahnhofes zurück. Kette stützte Kralle auf dem Weg nach unten, während andere, Scheißmann, Alu, Dreiauge und noch ein paar mehr den Rückzug sicherten.
Innerhalb von drei Minuten wurde die Bahnhofshalle nur noch von Zivilisten und toten Zombies beherrscht.
Kriegsmann schlug die dicke Stahltür hinter sich zu, die unmelodiös kreischend ins verzogene Schloß fiel und mehr oder weniger geschlossen steckenblieb. Er setzte sich auf sein schmale Feldbett, stützte die Arme auf die Knie und legte sein Gesicht in seine Hände. Er haßte diese Begegnungen, diese seltenen, fast friedlichen Begegnungen mit Fackel und Eiskalt. Sie beide als Feinde zu sehen war soviel einfacher, soviel unkomplizierter.
Eiskalt zu hassen fiel ihm nicht schwer, er war schon immer kalt und berechnend gewesen, ein Egoist wie es schlimmer keinen gab. Kriegsmanns Finger krampften sich zusammen, als er das Bild von Eiskalt in seinem Geist beschwor, Eiskalt der ihm nicht nur sein Auge genommen hatte. Wie er ihn erwürgen würde, mit seinen bloßen Händen, schmerzhaft - langsam.
Doch selbst mit ihren roten Haaren und ihrer neuen Distanz zu ihm war Fackel noch immer dasselbe Mädchen. Fast wie früher.
Früher war nur ein paar Jahre her, als sie noch richtige Namen hatten, als auch die Kinder, seine Soldaten, Eiskalts Rudel noch Namen hatten.
Kriegsmann.
Fackel.
Eiskalt.
Er legte sich auf sein schmales Bett und schloß die Augen. Minuten später schlief er.