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Strange 7

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03.01.2002
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Strange 7

Strange 7

Er steht auf und läuft zum Ende seines kleinen Wohnzimmers zum Lichtschalter. Mit einer flüchtigen Bewegung streift er über das verkümmerte Plastikgehäuse und dunkelt das Zimmer ab. Keimende Erleichterung strahlt nun aus seinen Augen. Seine Gedanken flüchten in Traumwelten. Tobende W-Fragen, die sich nur um ihn drehen. Einzig die Mattscheibe des Fernsehers wirft ein wenig des flackernden Blitzlichts der ihn umgebenden Welt auf seine Existenz. Eine Jacke hängt über der Lehne des Sessels, Schuhe kreuzen den Boden davor. Passende Socken verzieren dieses Bild des Unvollständigseins. Sein Hemd hat er fast völlig aufgeknöpft, oder aufgerissen. Es ist ihm egal, wie so vieles an diesem Abend. Die laute Musik, die ihn hier zerreißt, fängt er an zu hassen. Vielleicht möchte er sie abstellen können, aber sich jetzt bewegen, nein, das würde ihm seine eigene Stille nehmen. Und wie er sie hasst. Der Fernseher und das kleine Cafe unten an der Straßenecke strahlen eine ekelerregende Fröhlichkeit durch die geschlossenen Fensterflügel.

Ein vorbeifahrendes Auto beleuchtet die halbe Gasse, ein dumpfes Grün der Vorhänge taucht die Wände um ihn herum in eine moosbewachsene Seelandschaft. Ein wahnsinnig verzücktes Paar liegt am Wasser und vergisst den Frühling oder Herbst um sich herum. Er flüstert ihr ins Ohr. Es tut ihm leid, sucht die Gründe nur bei sich. Sie hört nie hin, dreht ihren Kopf weg, beachtet nicht das Paar, das sie sind, waren, niemals werden. Der junge Mann wirft sich auf sein Kissen. Drückt seinen Nacken in den klammen Stoff. Ein halbvolles Weinglas läuft über die Glasplatte. Blutstropfen segnen den Teppich unter ihm. Ein Herz ruht in seinem Kopf, eine seltene Träne springt in den See. Spielt mit den Fischen, gräbt sich durch ihre Kiemen. Schmeckt auch hier bitterer als in ihrem Schoß. Tiere springen aus dem Wasser, drehen ihre verschlungenen, unmenschlichen Leiber in der Atmosphäre. Betreten das neue Land vor ihm. Eiszapfen wachsen aus den Bäumen in das Herz des jungen Mannes. Vielleicht, fragt er sich stumm in seinen frisch gepflügten Gedankenacker. Nein, nicht sie, antwortet er leise und doch hörbar. Das junge Paar am See schaut auf, beide. Sie lacht, er zittert noch selbst vor der Kälte, die er in warmen Sommertagen ausstrahlt. Ein stilles Schreien drückt ein leeres Nein in seine Trauer. Der junge Mann an ihrer Seite fürchtet sich vor sich selbst, mehr, als er alles andere jemals gefürchtet hat. Sie verbrennt vor triebhaftem, gierigem Hass auf sein kaltes, abstossendes Dasein, und liebt sich, ja, sie liebt sich und nur sich.

Der junge Mann neben ihr steht auf und geht, springt durch die tote Wand. Sie haben sich ausgesprochen. Irgendwann einmal. Er weiß sich nicht zu helfen, betrachtet den Körper am Grunde des Wassers. Sein Teil dieser Geschichte, den er vor ihr verbirgt. Und sie? Sie ist wie ein Fisch, der munter und fröhlich im süßen Weinglas spielt. Um ihn herum tanzt und trotzdem vergisst. Mit einem letzten Schluck trinkt und spuckt er sie auf die hässliche Illusion der Mattscheibe aus. Es bleibt ein Rest, den er behalten möchte. Für später, wie er sich eingesteht, falls der Schmerz ausklingen sollte.

©Crashterpiece

 

Hi Crashterpiece,
hat mir sehr gefallen. Sehr schön und passend hast Du eine gefühlvolle Kulisse geschaffen. Man leidet mit ihm mit. Am liebsten würde man ihn umarmen und trösten.

"Sie verbrennt vor triebhaftem, gierigem Hass auf sein kaltes, abstossendes Dasein, und liebt sich, ja, sie liebt sich und nur sich."

Das hat mich ein wenig verwirrt. Dachte nämlich dass sie sich aus ihm nichts macht, und daher auch keine negativen Gefühle ihrerseits aufkommen....vielleicht missverstehe ich das hier nun auch. Oder ist der Hass nicht auf ihn bezogen in dem Zusammenhang.

Und eigentlich finde ich die Geschichte garnicht so seltsam. Seltsam wäre gewesen wenn er in ein Fisch verknallt wäre und es diesen aber nicht juckt...aber die Gefühle die Du beschreibst sind doch menschlich...sehe daran nichts seltsames.

Seeeeeeeehr schön
Gruß, AZAD

 

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