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Strandnacht

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13.08.2001
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Strandnacht

Strandnacht

Er sah sie hinaus gehen. Alleine. Robert saß auf dem Sofa und trank sein Bier, große Dosen, wie immer. Er kümmerte sich nicht um Sophie.
Manuel wusste nicht warum er zur Tür ging, um nach Sophie zu sehen. Was auch geschehen war, es ging ihn nichts an. Jemand stolperte ihm entgegen, aus der Toilette heraus, auf den Flur, auf die Terrasse. Dorthin übergab dieser jemand sich. Manuel war schlecht.
Sophie saß dort draußen, in einer dunklen Ecke, auf einem grünen Plastikstuhl. Er glaubte sie schluchzen zu hören. Sicher war er sich nicht, die Wellen, die auf den nahegelegenen Strand klatschten waren zu laut.
Er trat hinaus. Der Andere spülte mit Rotwein den üblen Geschmack in seinem Mund weg, torkelte wieder hinein, stürzte sich ins Getümmel. Es war nicht sein Haus. Ihm war trotzdem schlecht.
Sophie blickte starr in die Dunkelheit und schluchzte lauter. Der Himmel, sternenklar, erhellt von einem vollen, weißen Mond. Sollte er hingehen? Sollte er?
Sie blickte ihn kurz an, es dauerte einige Augenblicke bis sie erkannte wer es war, der dort von hinten an sie herangetreten war. Enttäuschung in ihren Augen. Sie versuchte zu lächeln, es misslang. Schwarze Linien, verwischt auf weißer Haut. Sie hatte geweint.
„Komm“, sagte sie.
Sophie ging voraus, er folgte ihr. Still, gefügig. Gemeinsam gingen sie zum Strand. Es war nicht weit, einige Minuten lang spürte er den knirschenden Sand unter seinen Schuhen. Das Tosen wurde lauter, die Luft war lau, über ihnen funkelnde Punkte und der fahle Mond.
Er war ganz ruhig. Eigentlich, das wußte er, hätte er aufgeregt sein müssen. Was geschah hier, sollte er sich fragen. Was wollte sie von ihm, sollte er sich fragen. Auf lang erträumtes sollte er hoffen. Aber er fragte sich nicht, dachte gar nicht. Sophie ging vor ihm durch die Nacht zum Strand. Ihre blonden Haare flatterten im Küstenwind. Es war eine laue Frühlingsnacht. Er hatte ein Kondom dabei.
Sie blieb stehen. Plötzlich. Er stellte sich neben sie, rechts. Die linke Hand streckte er aus. Machte man es nicht so?
„Ist es nicht schön hier“, sagte sie.
Er nickte. Dann fiel ihm ein, dass sie das nicht sehen konnte und er sagte: „Ja“
Seine Hand hing in der Luft. Er drehte seinen Kopf und blickte Sophie an. Ihre Konturen waren zu erkennen. Ihr Kinn mit der kleinen Narbe, ihre Haare, ihre Augenhöhlen in denen ihre kornblauen Augen lagen, die eben noch geweint hatten. Im Augenwinkel linste er nach unten. Sein Hand blieb allein.
„Wollen wir uns an die Brandung setzen?“, fragte sie ohne ihn anzublicken.
„Ja“, sagte er und sein Herz klopfte dabei.
In der rechten Hosentasche lag es. Neu. Gekauft vor einer Woche in einem Bahnhofsklo für eine Mark.
Der Sand war kalt, Nässe stieg durch seine Jeans. Ihr musste es ähnlich gehen. Ihre Hose war weiß und viel dünner, fiel ihm ein. Sie würde dreckig werden. Beide schwiegen. Seine Hände lagen in seinem Schoss.
„Hast Du eine Freundin?“, fragte sie.
„Nein“, sagte er und befühlte das Ding in seiner rechten Hosentasche.
„Findest Du mich hübsch?“, fragte sie.
„Ja“, sagte er. „Sehr sogar.“ Das hörte sie nicht. Eine Welle brach sich im selben Moment.
Das Licht des Leuchtturms streifte sie für den Bruchteil eines Augenblicks. Sie weinte noch immer, ganz leise jetzt.
„Er findet das nicht.“
Stille. Es gab dazu nichts zu sagen. Wieder der Leuchtturm.
„Er hat gestern mit ihr geschlafen.“
Stille. Leuchtturm.
Sie weinte wieder lauter. Er schluckte, seine Hände wühlten im Sand umher.
„Dabei liebe ich ihn doch so sehr.“
„Ich weiß“, flüsterte er ganz leise.
Sie weinte jetzt heftig. Ihr Körper schüttelte sich leicht, sie zitterte. Sie musste frieren, so alleine am Strand. Und dann tat sie ihm plötzlich Leid...
Und er hasste sich dafür, dass sie ihm leid tat und er tat sich selber leid.
„Sophie“, versuchte er und schwieg. Es gab nichts zu sagen, nicht für ihn. Nur die Worte der anderen. Worte, die nicht seine gewesen wären und darum blieb er still. Er hatte Mitleid mit ihr, diesem schönen, zarten Mädchen, das Enttäuschungen dieser Art nicht gewohnt war. Wie sollte sie wissen, wie man damit umzugehen hatte? Gab es einen besseren Lehrer als ihn? Er zog seine Jacke aus und legte sie ihr behutsam um die Schultern.
„Lass uns nach oben gehen. Du erkältest dich noch.“
Er erhob sich, reichte ihr die Hand, die sie ergriff. Seidige Finger, die die seinen umschlossen. Für Sekunden kehrten schlecht verborgene Träume in seine Gedanken zurück. Hoffnungen, Wünsche ohne Wurzeln in der Wirklichkeit.
„Warte“, sagte er und griff in seine Hosentasche, holte ein Taschentuch hervor, gab es ihr. Sie nahm es.
„Danke“, antwortete sie. Ein Kuss. Feuchte Spuren auf der Wange, ihr Kuss, ihre Tränen.
In seiner Faust war das Ding, das er mit dem Tempo aus der Tasche geholt hatte. Er schleuderte es aufs Meer hinaus. Er würde es nicht brauchen. Nicht hier, nicht heute. Niemals.
„Was war das?“, fragte sie.
„Nichts. Nur eine Glücksmünze für dich“, log er und sein Gesicht lächelte aufmunternd dabei.
Dann gingen beide zurück zum Haus.

 

Hi deMolay,

Deine Geschichte hat mir gut gefallen. Eine wunderbar melancholische Stimmung liegt über ihr, Du hast die Atmosphäre dieser Nacht in relativ wenigen Worten gut eingefangen und wiedergegeben. Herrlich, wie Idylle und Desillusionierung (ich nenns mal so, mir fällt gerade nix besseres ein) da oft nebeneinanderliegen, zum Beispiel hier:

Ihre blonden Haare flatterten im Küstenwind. Es war eine laue Frühlingsnacht. Er hatte Kondome dabei.
Erst ist alles schön und romantisch und dann folgt so eine unromantische Bemerkung. Diese Dialektik kommt hier gut.

Weil die Story eher kurz ist sind mir ein paar Fehler dafür umso mehr aufgefallen.

grosse Dosen
Weil das "o" langgesprochen wird bleibt hier das ß -> "große"
„Wollen wir uns an die Brandung setzen?,“
Das machst Du mehrmals verkehrt; erst kommen die Anführungsstriche und dann das Komma.

Das wars von mir erstmal, ich muss jetzt zur Uni. :(

Gruß, Ginny

 

Hi Ginny-Rose

Danke, dass Du mich auf die Fehler aufmerksam machst. Sie sind prompt geändert worden. Für Grammatik und Kommasetzung bin seit jeher so furchtbar untalentiert, dass es schon fast peinlich ist...

Freut mich aber, dass Dir die Geschichte gefallen hat.

Gruß
deMolay

 

Sehr sehr schöne Geschichte, deMolay.

Das Meer, die Küste, die Tränen, der Rotwein. Mich erinnert das an was. Das mit den Fehlern hat Ginny-Rose schon gesagt.
Alles in allem sehr gelungen.

Liebe Grüße - Aqua

 

Hallo deMolay!

Ich kann meinen beiden Vorkritikern nur zustimmen. Du baust eine wunderschöne, gefühlvolle Geschichte auf, das ganze liest sich sehr flüssig mit den Dialogen. Enttäuschung, Gefühle, Freundschaft... sehr schön beschrieben.

schöne Grüße, Anne :)

 

Hallo deMolay!
Mir hat Deine KG auch sehr gut gefallen. Kann meinen Vorgängern diesbezüglich nur anschließen und nichts Neues beitragen,
Meine Lieblingszeile:

„Nichts. Nur eine Glücksmünze für dich“, log er und sein Gesicht lächelte aufmunternd dabei.
Ein Paar Fehlerleinchen:
Manuel wusste nicht; Sophie saß dort draußen; Auf lang Erträumtes sollte er hoffen (vielleicht noch mal einen Spezialisten diesbezüglich fragen, ich meine aber, es wird groß geschrieben); Ihre Hose war weiß; Beide schwiegen; Wieder der Leuchtturm. ; Stille. Leuchtturm. ; Und dann tat sie ihm plötzlich Leid (neue Rechtschreibung - so schrecklich es aussieht :susp: ); Für Sekunden kehrten schlecht verborgene Träume in seine Gedanken zurück.
Logik:
Er hatte Kondome dabei.
In der rechten Hosentasche lag es. Neu. Gekauft vor einer Woche in einem Bahnhofsklo für eine Mark.
Sorry, liegt wahrscheinlich nur an meinem Mathematikerhirn, dass ich darüber gestolpert bin... Wie viele hatte er denn nun?
Ich mein diese Korrigiererei nur gut :engel: !


Liebe Grüße,
LuiLieschen :read:

 

Mir ist noch aufgefallen - in der Rubrik "Alltag" steht noch der Titel "Standnacht". Der ändert sich nicht automatisch wenn man die Überscheift korrigiert, ich glaube das können nur Moderatoren ... :shy:

 

Hallo ihr alle

Vielen Dank für das Lob, die Korrekturen sind eingearbeitet worden. Über jeden Hinweis diesbezüglich bin ich dankbar. Die Grammatik und ich sind seit vielen, vielen Jahre nicht gut aufeinander zu sprechen. :)

@Ginny-Rose
Das mit "Standnacht" ist mir auch aufgefallen. Tja, dann wollen wir mal hoffen, dass das einem Moderator mal auffällt...

@LuiLieschen

Ihr Mathematiker wart mir als Geisteswissenschaftler schon immer suspekt! ;)
Aber Du hast natürlich recht; deshalb hab ich es geändert und dem guten Manuel nur ein Kondom gelassen.

Gruß
deMolay

 

Du kannst auch einen der zuständigen Moderator mit ner PM anmailen, dann wird das bestimmt schnell geändert. :-)

 

Übrigens - ich fand den Titel "Standnacht" erst nicht schlecht und dachte es solle vielleicht so sein - weil es in der Nacht zu nichts kommt, es also "stagniert", stehenbleibt. :D

 

Ähm - ich hab schon eine PM deswegen abgeschickt (hab mich mal wieder in Dinge eingemischt, die mich nix angehen - SORRY!)

 

Hallo deMolay,

du bist eine sehr gefühlvolle Schreiberin. Schreibst sehr flüssig. Und mir hat gefallen, wie du Strand Wasser und Meer in die Geschichte mit eingebracht hast.
Es ist eine Stimmung entstanden.

Lukasch

 

hi,
schöne Geschichte, gutes Ende gewählt und der Stil gefällt mir. Damit kannst du gut in kurzen Abschnitten, viel Atmosphäre bringen. Gut fand ich die Idee mit den Wellen, die die Dialoge gedämpft haben und es so das Gespräch zwischen den beiden schön spannend gemacht hat.
Kritik, hab ich nur unproduktives. Die story über dieses am Bahnhof gekaufte Kondem hat mich immer aus dieser Melancholie rausgeworfen, erst recht wenn er es wegwirft. Wußte gar nicht, daß Kondome so weit fliegen, daß sie es gar nicht mehr erkennen kann, was es war, vor allem, weil Kondome ja etwas größer sind als Münzen. Sorry, aber ich bin gerade unheimlich albern, wollte aber trotzdem zu einer gelungenen Story gratulieren.
bye
Daigoro

 

Moin

@Lukasch: äääähhh. Schreiberin? Wie kommst denn da drauf? Soweit ich weiß, und bisher haben mir das alle bestätigt, bin ich männlich ;)
Nicht für ungut. Aber soviel Zeit muss sein.

@Daigoro: berechtigter Hinweis. Aber es war halt ein schweres Kondom... höhö. Ne, ernsthaft. Es ging mir viel mehr um das Bild, dass das physikalisch eigentlich gar nicht möglich ist, weil Kondome schwer fliegen, hab ich dabei mal außen vor gelassen. Man möge es mir verzeihen

Gruß
(ein männlicher) deMolay ;)

 

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