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Straight Edge

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14.02.2004
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Straight Edge

Straight Edge

In diesem Moment spielte es für ihn keine Rolle, wieso. Weshalb. Aus welchem Grunde. Nein, er wusste ganz genau, was er zu tun hatte. Er hatte es immer geahnt, er hat es schon gezeigt bekommen. So muss das ablaufen. Auf diese Weise. In dieser Art. Instinktiv klappte es.
Wörter wie Raum und Zeit sprangen aus dem Kopf und fielen als erstes hinab. Daten und Fakten folgten sogleich. Sie alle verschwanden in die Ewigkeit. Geräusch und Geruch. Nicht mehr wahrzunehmen. Der Geschmack seines Schweißes, seines Blutes. Nicht mehr wahrzunehmen. Der Schmerz seines gebrochenen Armes, seiner zerschlagenen Zähne. Er war nicht mehr wahrzunehmen. Das Gefühl des ersten Kusses. Das erste Mal. Das Gefühl der ersten Umarmung. Die Familie. Das Gefühl der Weihnachtsgeschenke. Die Freunde. Das Gefühl seiner Erfolge. Sein Glück. Er nahm es nicht wahr, er lebte es. Und er tut dies heute noch. Er wusste ganz genau, was geschah. Und er lachte. Angst, Furcht ? All dies fraßen die Klippen so eben auf.
Die Berge schauten ihm zu und lächelten ihn an.
Die Bäume verabschiedeten ihn mit dem Winken ihrer Blätter. Der Regen gab ihm eine letzte Umarmung. Der Himmel geleitete ihn das letzte Stück.

In diesem Moment wusste er nicht, wieso. Er wusste auch nicht wo. Doch Raum und Zeit blieben an seiner Seite. Er ahnte nichts und fühlte doch alles. Mehr als ihm lieb war. Er roch seinen verkotzten Pullover. Er vernahm den kalten Wind, der durch die zerbrochene Scheibe wehte. Er schmeckte den Belag seiner Zunge. Er hörte die laute Musik, die sein Trommelfell strapazierte. Er spürte den brennenden Schmerz an seinem Kopf. Oder kam er von drinnen ? In seinem Kopf, wo die Daten und Fakten sich auch übergaben. Wo die Erinnerung weichen musste. Wo alle Fäden rissen. Er befand sich an einem Ort. Er war noch auszumachen.
Er flog über die Bäume durch den Himmel, während der Regen auf ihn niederprasselte, und zerschellte in den Bergen.

Ein Wohnort im Gebirge. Eine Feier. Eine organische Verbindung namens Alkohol. Eine Gewittermeldung. Eine Straße mit Reifenspuren. Ein Autowrack. Zwei Leichen.

Ein Minderwertigkeitsgefühl.

Eine Lebenseinstellung.

Der letzte Augenblick.

Er lebt ihn.

Er verpasste ihn.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Regentag,
eine mitreißende Geschichte zu einem immer mehr in Vergessenheit geratenden Thema. So sind hier doch zwei Leben sinnlos beendet worden. Der Alkohol und das Autofahren sollten einfach nicht gemeinsam genossen werden!
Zu Anfang dachte ich es gehe um einen Selbstmörder, der etwa von einer Klippe springt. Dann dachte ich hier wird ein unschuldiges Opfer von einem Verantwortungslosen Betrunkenen überfahren. Mein letzter Stand ist, das die organische Verbindung auch sinnbildlich für die Freundschaft der Beiden ist. Sie kamen demnach gemeinsam von der später genannten Party.
Hier ist also von Satz zu Satz immer mehr mit in die Geschichte hinein gewachsen. Gefällt mir gut, hab ich es auch richtig kapiert? Hat der Fahrer vielleicht doch absichtlich gehandelt?
Gruß, Lasius

 

Hallo Lasius,
erst mal vielen Dank für dein Feedback. :)
Um den Kern der Geschichte zu erfassen, ist in diesem Falle die Überschrift sehr wichtig. "Straight Edge" ist keine hohle Phrase, sondern begründet auf eine Lebensphilosophie. Diese entstand in den 80er Jahren in der US-Punk-Hardcore-Szene durch die Band Minor Threat. Mit ihren Liedern "Straight Edge" und "Out of Step" propagierten sie ein Leben ohne Drogen, Alkohol und Promiskuität. Klar ausgedrückt heißt das: "Don't Smoke - Don't drink - Don't fuck - At least i can fucking think !" Straight Edge lässt sich mittlerweile nicht mehr nur auf diese 3 Aspekte bedingen. Man könnte den Begriff als "pure Selbstkontrolle" oder Ähnliches definieren.
So, genug mit dem Exkurs... ;)
In der Geschichte schildere ich den letzten Augenblick im Leben zweier Menschen. Der eine lebt den Straight Edge Way of Life, der andere gibt sich seinen Dämonen hin. Der erste erlebt, fühlt, erkennt,... den letzten Augenblick, der zweite ist viel zu berauscht, um überhaupt irgendwas zu blicken und verpasst den Abschied von dieser Welt.
Mit diesem Text behandle ich im Prinzip eine meiner größen Ängste, dass ich mit gestörten Sinnen und ohne klaren Blick diese Welt verlassen könnte... Außerdem ist sie eine Kritik am Drogenkonsum in unserer Gesellschaft. Glaub ich zumindest ;)

Gruß

Regentag

 

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