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Strahlen der Sterne
Es war noch nie so einfach. Sie steht dort. Es war noch nie so einfach. Einmal mehr läuft der Song in ihrem Kopf. Es fühlt sich so gut an. Gefühle sind wie versteinert.
In ihrem Herzen spürt sie nur eine schwerwiegende Last, dessen Ursprung sie nicht einordnen kann. Der Wind weht wild. Sie fühlt sich wohl. Sie steht oben. Auf dem kleinen Hügel. Seit sie ein kleines Mädchen war, träumte sie von diesem Ort. Ihre nackten Füße spüren das weiche Gras. Mit ihren Zehen gräbt sie sich tiefer ins Gras.
Der Hügel ist wunderschön. An manchen Stellen steht das Grad bist zu ihren Hüften. Die verschiedensten Wildblumen streiten um die Wette. Der ganze Hügel ist wie aus einem Märchen rausgeschnitten. Jedes Mal, wenn der Wind durch die Gräser weht, bilden sich unterschiedliche Wellen. Es sieht so flüssig aus. So wunderschön. Wie Seide. Der Himmel ist blau. Strahlend blau.
Die Sonne ist wie ein Wundermittel. Sie verstrahlt Wärme. Fröhlichkeit. Glanz. Leben. Mit ihr fängt alles an. Nähert man sich jedoch zu nah an sie ran, wird sie tödlich.
Sie verbrennt. Ohne auch nur Gnade zu zeigen. So sehr man glaubt, jemanden zu lieben, reicht eine falsche Annäherung, und man verbrennt sich.
Sie blickt auf ihre Hände. Sie sind vernarbt. Mit all den Spuren. Das Blut ist schon vertrocknet erinnert jedoch an die Geschichte, die nicht mehr aus ihrem Kopf entweichen will. Kein einziger Mensch hat sie geliebt. Keine Mutter, kein Bruder, keine Freundin…keiner. Ausgesperrt. Ausgeschieden. Abgetrennt. Verbannt. Anders. Einsam. Verloren.
Traurig. Sie war immer traurig. Traurig, dass sie ein Leben hatte, welches sie nicht mehr wollte. Traurig, dass sie dieses Leben nicht verdient hatte. Traurig, dass es Menschen gibt, die dieses Leben mehr als alles andere verdient haben, aber es nicht bekommen konnten. Traurig, weil sie dieses Leben nicht einfach an andere schenken konnte. Nicht, dass sich jemand später an sie erinnern würde. Ihre Augen blicken zum Himmel. Leere.
Ist es das, was passiert, wenn ich sterbe? Werde ich keine Gefühle mehr haben? Nicht mehr fühlen zu können, wie es ist, wenn sich jemand freut dich zu sehen. Wie es ist, wenn man die Augen des anderen strahlen sieht? Wie es ist, wenn aus Enttäuschung Freude wird oder umgekehrt. Wie es ist aus tiefstem inneren sich zu verlieben. Den Schmerz im Bauch zu spüren.
Wie es ist jede Sekunde an diese Person zu denken? Wie es ist, wenn man sich glücklich im Spiegel sieht, und sich nicht mehr wiederkennt. Wie es ist, vor dem Einschlafen zu lächeln? Wie es ist zu weinen. Einfach nur zu weinen. Die Tränen auf der Wange zu spüren.
Das innere raus zu lassen. Sich selbst zu befreien oder zu brechen. Schreien.
Das ist das meiste, was sie vermisst. Aber sie kann nicht. Sie fühlt nichts mehr. Auch wenn andere sterben, würde es sie nicht mehr interessieren. Sie hat keine Gefühle. Keine Anregung.
Da ist nichts. Es war nie was da. Die ganze Zeit hat sie sich was vorgemacht und steht nun hier um alles zu beenden. Der Wind tobt heftiger. Ihre Haare fliegen durch die Luft und für einige Augenblicke glaubt sie fliegen zu können. Friedlich. Das Wort erhält einen Sinn.
Es fühlt sich friedlich an. Sie breitete ihre Arme aus. Ihr Kleid weht über ihre nackten Beine. Sie hat ein weißes Kleid an. Ein schönes ärmelloses Spitzenkleid. Ein Sommerkleid. Sie wollte es ihm zeigen. Wollte das seine Augen über sie wandern. Wollte sich begehrenswert fühlen.
Besonders sein. Individuell. Einzigartig. Anders. Sie wollte anders sein. Aber das ist nie passiert, weil sie nicht besonders ist. Sie ist nicht einzigartig oder süß. Sie ist nicht begehrenswert. Warum sollte das ein anderer glauben, wenn sie es noch nicht mal glaubt?
Nur das einzige Mal. Nur ein einziges Mal spürte sie wie ihr Herz gegen ihre Brust hämmerte und sie den Verstand verlor. Nur ein einziges Mal, spürte sie Wärme in ihren Wangen.
Nur ein einziges Mal verspürte sie Ärger. Jede Nacht ging sie raus. Sie lief die Menschen verlassenen Straßen und blickte zum Himmel. Die Sterne sind so wunderschön.
Friedlich. Auch damals war es friedlich. Es war friedlich, wie alles schlief und leise ist. Wenn man als einziger vorhanden ist. Auch damals spannte sie die Arme aus. In der Hoffnung abzuheben und wegzufliegen. Ein kindischer Traum. Ein letztes Mal hat sie sich die Lippen mit dunkel rotem Lippenstift bemalt. Ihre Haare spielten wild durch den Wind und klatschen jedes Mal genüsslich auf ihren nackten Rücken. Sie trug keine Unterwäsche.
Zum aller ersten Mal. Frei sein.
Wird sie jetzt frei sein? Wie wird es sich anfühlen? Aber sie spürt doch nichts. Nichts. Leere. Es wiegt nichts Schweres in ihrem Körper, dass ist sie selber. Das sind ihre Gedanken, die sie jetzt endlich abschalten konnte. Langsam nähert sie sich der Kante und schließt die Augen. Frieden. Sie will nur noch Frieden. Das Leben ist so anstrengend.
Sie will nicht mehr leben. Es ist nichts für sie. Sie gehört nicht in diese Welt. Sie wird sich nie willkommen heißen. Niemals. Weil sie anders ist. Weil sie verschieden ist. Akzeptiert werden ist nicht genug. Sie wollte Liebe. Zuneigung. Freundschaft. Familie. Liebe. Sie fasst sich fest in die Brust und hört das Pochen ihres Herzen.
Du bist schuld an allem. Wenn du nicht fühlen könntest, wäre das alles nicht passiert. Du hättest wie eine Maschine einfach arbeiten sollen.
Du hast mich das alles fühlen lassen. Mich leiden lassen. Mich brechen lassen. Ich bin gefallen. Immer und immer wieder. Die wenigen Glücksmomente hast du mir nicht gegönnt. Sie waren kurz und schon weg. Nie konntest du mich gut fühlen lassen.
Du hast mich hier hergetrieben, weil ich es nicht verdiene. Ich weiß, dass ich es nicht verdiene. Leben. Ich verdiene das Leben nicht. Du bist. DU BIST SCHULD: ICH HASSE SICH: ICH HASSE DICH: ES TUT WIEDER WEH: ICH WILL NICHT MEHR.
Sie läuft. Wird schneller. Ihre Brüste heben und senken sich. Ihre Füße spüren das weiche Gras unter ihren nackten Füßen untergehen. Ihre Haare wehen von der einen Seite auf die andere. Ihr Vanillen Duft verstreut sich in der Luft. Ihr Kleid rutsch weiter hoch, so dass ihre nackten Oberschenkel zu sehen sind. Ihre Hände sind angewinkelt. Ihre Arme sind blutüberströmt und verteilen sich auf dem Kleid. Nicht mehr lange. Gleich hat sie es geschafft.
Wie ein Adler streckt sie die Arme aus und sie kann es sehen. Ihre großen Flügel spannen sich auf und sie hebt ab. Ich habe es geschafft.
Ich fliege. Ihre Tränen vermischen sich mit ihrem Lächeln. Frieden. Ich spüre Frieden. Ich fliege. Ich lebe. Ich LEBE.
Sie fällt. Sie fällt die Klippe herab. Und verschwindet in den wild tobenden Wellen zwischen kargen und großen Steinen. Ihr Armand taucht auf. Sie taucht nicht auf. Sie ist weg. Eine dunkelrote Spur verteilt sich zwischen den Wellen und verwischt sofort wieder weg. Sie lebt. Sie lebt. Was zurück bleibt ist ihr lebloser Körper.
Die Sterne leuchten immer dann am schönsten, wenn der darauffolgende Tag ein schöner blau strahlender sonnige Tag wird. Ein Tag, in dem zuerst die Sonne aufgeht und Freude bringt….