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Straßentauben

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02.01.2011
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Straßentauben

Der Himmel war grau und der vertraute Geruch von Pisse und Zigarettenasche kroch in meine Nase. Ich saß da, nippte an der Flasche, spürte, wie der kalte Metallsitz sich in meine Arschbacken drückte und mir allmählich jegliches Gefühl aus dem Hintern trieb. Ich hatte sie mir schon immer gerne angesehen, die Menschen, wie sie durch die Welt stolzierten, unter ihren lächerlichen Frisuren ihre müden Gesichter umherschleppten, wie sie sich durchs Leben drängelten, wie Schlafwandler ihren Träumen hinterher trabten. Ich popelte eine Zigarette aus meiner Jackentasche, steckte sie mir an, inhalierte tief, blinzelte auf die Uhr, die neben der Anzeigetafel für Gleis Eins hing. Zwölf Uhr fünfundfünfzig. Noch ein paar Minuten. Ich ließ meinen Blick wieder über den Menschenstrom gleiten, der sich unermüdlich durch den Torbogen zu den Zügen presste. Wie gesagt, ich hatte sie mir schon immer gerne angesehen, aber mit ihnen reden, treffen, ins Kino gehen, nein, allein beim Gedanken daran sträubten sich mir die Nackenhaare. Ich kannte sie alle, die Leute, mit ihren unendlich vielen Gesichtern, hinter denen sich die immer gleichen Gestalten verbargen: Ich hatte sie alle schmerzlich kennenlernen müssen. Ich rauchte die Zigarette zu Ende, ließ die Kippe auf den Boden fallen und beobachtete, wie sie vor sich hin glimmte. Plötzlich durchschnitt eine kratzige Stimme die Luft.
"Ey!" Er torkelte wie immer aus dem Torbogen heraus, kam die letzten Meter zur Bank herüber, überschritt schließlich die gelbe Linie, die den Bahnhof zu einem schlechten Zoo und uns zu einem Ausstellungsstück vergangener Tage degradierte, ein Mahnmal für die Generation rosa Lunge und Morgensport.
"Na, alles klar, Göbler?"
"Na logo. Bist ja früh dran heute. Wie lief die Route?"
Er stockte einen Augenblick, drehte sein müdes Gesicht zu den Gleisen weg. "Na wie 's halt immer so läuft."
"Haste was gefunden?" Er sah mich immer noch nicht an, starrte in die Ferne, mit diesem Blick, als verstünde er die ganze Welt. Der Wind schlug ihm um die Nase, streifte ihn durch seine nach hinten gekämmten Haare.
"Nä." Er ließ die Plastiktüte aus seiner Linken gleiten, bückte sich und kramte in ihr herum. "Was soll 's. Weißt du, Göbler, mal ist man der Hund, mal ist man der Baum." Er hob den Kopf und sein typisches breites Grinsen zog sich bis unter beide Ohren, die dünnen Lippen so weit auseinander gerissen, als wolle er mit seinem faulen Gebiss prahlen. Ich musste schmunzeln, denn ich wusste, dass er es ernst meinte. Das war kein Spruch von einem, der eine schlechte Phase hatte, der sich absichtlich gehen ließ, auf Mitleid wartete, nein, das war das Lebensmotto, an dem er sich damals in den eisigen Zeiten auf der Straße die Finger wärmte.
"Ha ha. Da haste wohl recht, Gerd."
Er zog eine Dose aus der Tüte, drückte sie ein, hob sie nach oben. "Prost Göbler."
"Prost."
Gerd ließ sich neben mich auf die Bank fallen, stöhnte kurz, nahm einen kräftigen ersten Schluck. Der erste ist der Entscheidende, sagte er immer, geht der runter wie Öl, kann man durchzechen bis übermorgen, und wenn nicht, dann muss man entweder krank, tot, oder einer dieser Pseudosäufer sein, die in ihren sauberen Hosen und pinken Polohemden freitagabends vor unseren Bars herumlungerten, die das ganze Low-Life Ding irgendwie hip fanden und nach drei Stunden kotzend in der Hecke lagen. Denen fehlte einfach eine ordentliche Portion Wut im Bauch und Scheiße in der Hose, um zu verstehen, was wir hier wirklich machten: Die Pinten sind halt keine Theateraufführung, die man sich am Wochenende mal ansehen gehen kann, sagte er immer, die sind das Wohnzimmer, in das du gehst um zu weinen, wenn du traurig bist, und um das Leben zu feiern, wenn du wieder mal Blut geschissen hast und befürchtest, dass die zweite Halbzeit sich nun langsam ihrem Ende entgegen neigt.
Wir saßen da, sprachen kein Wort. Es war keine unangenehme Stille. Alles was gesagt werden musste, schien gesagt zu sein. Wir konnten oft stundenlang schweigend dasitzen, trinken, die Leute beobachten, mit denen wir nie reden, essen, schlafen würden, und ich brauchte keine Angst zu haben, dass er wie all die anderen war, dass er fragen würde: Göbler, wieso hast du keinen richtigen Job, kein Geld, keine Frau, keine Kinder? Er kannte die Antworten, ohne je gefragt zu haben. Das kalte Metall drückte sich in unsere Arschbacken und ich sah ihn von der Seite an, sah wie er dasaß, sah die tiefen Falten, die sich durch sein Gesicht fraßen, die schwarzen Polster, die sich unter seine Augen drückten. Ich nahm einen weiteren Schluck, und ein wohliges Gefühl sackte in meinen Magen. Ich trank die Flasche leer und kramte zwei Alufoliepäckchen aus meinem Rucksack heraus.
"Auch 'n Brötchen?"
Gerd drehte sich zu mir und starrte mich einen Moment lang so an, als hätte ich ihn gerade nach dem besten Julia Roberts-Film gefragt.
"Was?"
"Willste auch 'n Wurstbrötchen?"
Sein Mund verzog sich wieder zu einem breiten Grinsen. "Ach so, hä hä. Klar Kumpel. Mensch Göbler, du bist halt einfach einer von den Guten."
Er griff mit seiner Pranke nach dem Päckchen, faltete es geduldig auf und biss hinein. "Geil!"
Ich holte mir eine Dose aus dem Rucksack, knackte sie ein.
"Wie läuft das Zeitungsgeschäft?", fragte er, während ein paar Tauben in unsere Richtung glotzten.
"Och, wie 's halt so läuft. Man reißt sich für 'n Hungerlohn 'n Arsch auf, dass die Herrschaften sich schon im Bademantel über die da oben das Maul zerreißen können."
"Mhm." Er nickte verständnisvoll, schmatzte, beobachtete weiter die Clique Federviecher, die sich langsam in unsere Nähe hervortappte. "Scheiß Tauben", knurrte er, "sind wie Ratten mit Flügeln."
"Ja", gluckste ich, "da sagste was."
"Schau se dir doch mal an. Wie se die Scheiße vom Boden fressen, mit diesem dämlichen Blick, das macht mich krank, Göbler."
"Ha ha, mich auch, Gerd."
Er stopfte sich das restliche Brötchen zwischen die Zähne, zerknüllte die Alufolie zu einem Ball und schleuderte ihn wütend in Richtung der Tauben. Sie erschraken und flatterten davon.
Ich aß auf, spülte einen Schluck Bier nach. Die Leute zogen an uns vorbei, sahen uns nicht an. Wir waren Streuner, Aussätzige, Einsiedler.
Quietschend schob sich ein Zug vor uns auf Gleis Eins und spuckte einen kreischenden Haufen Schüler aus, wie jeden Tag um die Zeit. Eine kleinere Gruppe Halbstarker war unter ihnen, ging aber nicht zum Torbogen wie die anderen, sondern schlich sich in unsere Richtung, stellte sich ein paar Meter neben uns, druckste herum, ließ schließlich ein paar Zigaretten reihum gehen. Sie sogen den blauen Dunst in ihre pickeligen Gesichter, lachten über irgendetwas. Plötzlich verstummten sie, tuschelten, sahen zu uns herüber.
"Hey!"
Wir beachteten sie nicht, nippten weiter am kalten Blech.
"Hey, ihr da!"
Ich konnte spüren, wie sich ihre Blicke in mein Gesicht bohrten. Jetzt kamen sie die paar Meter zu uns herüber geschlendert, blieben vor uns stehen und einer trat hervor.
"Ey, seid ihr taub?"
Ich blinzelte kurz zu ihm nach oben; tief hängende Hose, Baseballcap, leichter Flaum über den Lippen, stechende Augen, hagerer Körper.
"Was is'?", schnauzte Gerd vor sich hin, sah an dem Kerl vorbei.
"Wollt ihr zwei euch 'n bisschen Geld verdienen?"
"Nä", knurrte es neben mir.
"Kommt schon, ich geb' euch", er zog den Geldbeutel aus der Innentasche seiner Jacke, kramte darin herum, "zehn Euro. Ihr kauft uns im Bahnhof 'n Sixer, der Rest is' für euch."
Gerd sah ihn immer noch nicht an, stierte ohne Miene vor sich hin.
"Zisch ab, Kurzer."
"Was?"
"Hast mich schon richtig verstanden."
Der Kerl drehte sich irritiert zu seinen Leuten um, zog sich seine Käppi zurecht. "Ich glaub' du weißt nicht, mit wem du hier redest, Opa."
"Und wenn 's der Heilige Geist wäre, zisch' ab und lass' uns in Ruh'."
Wieder blinzelte er zu seinen Leuten, die ihm mit ihren aggressiven Blicken den Rücken zu stärken schienen.
"Scheiße, denkst du, ich lass' mich von so 'nem Penner wie dir anfucken? Sag' das nochmal, und ich polier' dir die Fresse, Spast!" Er trat einen Schritt näher, holte Schwung, kickte gegen die Plastiktüte, die vor Gerd stand. Zahlreiche Dosen flogen aus ihr heraus und rollten klappernd über den Bahnsteig. Ein paar Passanten drehten sich im Vorbeigehen verdutzt zu uns um, glotzten, liefen weiter.
Einige Sekunden vergingen, in denen nichts geschah, in denen eine drückende Leere zwischen den paar Halbstarken und uns hing. Da sprang Gerd blitzschnell auf, krallte seine Finger um den Hals des Typen, zog ihn ein Stück nach oben, sodass der Kerl auf Zehenspitzen gezwungen wurde und sich der Kopf in den Nacken schob. Damit hatte er nicht gerechnet. Man konnte die Angst in seinen Augen rasen sehen, während er versuchte, sich die Hand vom Hals zu reißen, aber er schaffte es nicht. Langsam lief sein Kopf rot an.
"Jetzt hör' mir mal zu, du Scheißer!", fauchte Gerd, zog ihn etwas zu sich, schüttelte ihn, "solche Muttersöhnchen wie dich hab' ich schon zu Hackfleisch geprügelt, da hat dich deine Mami noch nich' mal rausgeschissen!" Jetzt lief auch Gerds Gesicht blutrot an, eine dicke Ader pochte an seiner Schläfe. Ich sah kurz zu dem Rest der Clique; die stand angsterstarrt da, zuckte mit keiner Faser. "Nimm deine Fickerfreunde und mach', dass du dich verpisst!"
Mit einem Ruck schubste er den Kerl einen halben Meter zurück, der stolperte, keuchte, seine Käppi rutschte ihm ins Gesicht.
"Sch-Scheiße", stammelte er, zitterte ein paar Schritte rückwärts, "scheiße, na wartet! Wenn ich euch", er zog sich die Mütze aus dem Gesicht, begann sich jetzt wieder zu fangen, "wenn ich euch Wichser wieder sehe, na wartet, ich-ich bring euch um!"
Auch seine Kumpane schienen wieder aufgetaut zu sein, hatten aber scheinbar immer noch nicht richtig verstanden, was gerade passiert war. "Ich bring euch um!"
Hektisch liefen sie den Bahnsteig abwärts, drehten sich noch ein paar Mal um, riefen uns irgendetwas zu.
"Hä hä."
Ich saß immer noch da, merkte erst jetzt, wie sehr meine Hände zitterten. Ich schaute zu Gerd hoch.
"Hä hä. Na Göbler, da siehste mal, was der alte Gerd noch so auf 'n Kasten hat."
Ich versuchte meine Lippen zu einem Lächeln zu biegen, doch der Schock saß mir noch zu frisch in den Knochen.
"J-Ja. Scheiße Gerd, du hast 's drauf."
Gerd schlenderte über den Bahnsteig, fingerte die Dosen vom Boden, steckte sie zurück in die Plastiktüte, rutschte wieder auf den Platz neben mir, streifte sich durch die Haare. "Ich pass' auf uns auf, Göbler." Er klackte eine Dose ein, ließ seinen Blick wieder zu den Menschen gleiten, die durch den Torbogen zu den Zügen trabten. "Ich pass' auf uns auf. Wir sind doch welche von den Guten."

Es war bereits Abend und die Kälte fraß sich trotz der Trinkerei tief in mein Gesicht. Ich rieb mir die Hände, faltete sie wie zum Gebet und versuchte, sie mit meinem Atem warm zu pusten. Die Hauptstoßzeit war vorbei; die Pendler waren nach Hause gefahren, die restlichen Touristen und Studenten kauerten hinter dem Torbogen in der Heizungsluft des Bahnhofs herum. Ich wollte nicht nach Hause gehen, ich hatte die ewige Stille und diese verdammten blauen Wände satt. Würden sie mich nur eine Sekunde länger anstarren, anschweigen, diese verfluchten Wände, dann ... Ich saß da und dachte darüber nach, was wohl der qualvollere Abgang wäre: Ein Sprung aus dem vierten Stock, oder der vor einen einfahrenden Zug. Ich konnte mich nicht entscheiden. Der Gedanke daran, jederzeit das Handtuch werfen zu können, gab mir ein wohliges, sicheres Gefühl. Vielleicht hatten die Christen, Moslems, Zeugen Jehovas ja doch recht, und ich könnte schon morgen mit Bernd, Knut und all den anderen über weiße Strände spazieren und über das primitive Leben hier unten lachen. Ich musste schmunzeln.
Gerd schraubte den Verschluss vom Flaschenhals, kippte sich einen großen Schluck zwischen die Backen, verzog das Gesicht.
"Auch noch einen?"
"Gern."
Ich setzte an und spürte, wie es sich meine Speiseröhre hinunter brannte. "Übler Fusel."
"Ja."
Auch Gerd schien die Kälte mitzunehmen. Ich sah in seine Augen, und da war nichts mehr vom Feuer zu sehen, das heute Mittag da gebrannt und diesem Jüngling die Angst durch die Adern getrieben hatte. Alles was davon übrig war, waren glasige, knopfgroße Punkte, umringt von herunterhängenden Hautlappen, fahl, müde, erledigt; vom Winter, vom Trinken, vom Leben.
"Gerd", sagte ich, "alles gut bei dir? Schaust nich' gut aus."
Er versuchte mir sein Lächeln zu zeigen, hob die Lippen an, aber sie sackten nach einer Sekunde wieder schlapp nach unten. "Göbler", murmelte er, "mach' nich' so 'n Theater. Scheiß Korn, scheiß Suff."
Er hob die Flasche, nippte. Seine Augen kreuzten meinen Blick, zuckten schnell zur Seite. "Und es is' so scheiße kalt."
"Dann lass' uns doch nochmal ins Seebär schauen, da ist 's wenigstens warm."
Gerd kramte eine zerknüllte Selbstgedrehte aus seiner Jackentasche heraus, steckte sie sich zwischen die Lippen. "Nä, kein' Bock mehr heute, ich bleib' noch 'n bisschen hier sitzen."
"Komm schon. Hier holste dir noch den Tod."
Ich hielt ihm mein Feuerzeug unter die Kippe, brachte sie zum Brennen. Er zog den Rauch langsam in sich hinein, schloss die Augen. Ein paar Minuten vergingen. Ich beobachtete, wie seine Zigarette vor sich hin glühte, wie blaue Rauchfäden sich langsam in Richtung Himmel schlängelten.
"Gerd?"
Er zuckte zusammen, blickte sich verwirrt um, hustete.
"Kommste nochmal mit?"
"Ach, Scheiße, dann geh' halt schon mal vor, ich hol' mir nochmal 'n bisschen Kohle, vielleicht steckt ja noch 'n bisschen Pfandzeug in den Eimern da drüben ..." Wieder schloss er die Augen, bewegte sich nicht, saß einfach da, als sei er eine rauchende Bronzestatue, gewidmet all den Trinkern, die hier schon ihre Tage, ihre Nächte verbracht hatten.
"Gerd?"
Er schob ein Augenlid nach oben, murmelte etwas wie: "Geh' schon mal vor, ich komm' dann ...", stützte sich mit den Armen auf der Bank ab, zog sich langsam auf die Beine, schwankte auf den ersten Mülleimer zu, die Glasflasche noch in der Hand, machte ein paar Ausfallschritte, fing sich wieder, wankte weiter, krallte sich am Eimer fest, spuckte die Kippe auf den Pflastersteinboden. "Na mach' schon, dass du abhaust! Denk' gar nicht erst daran, mir mein Geld zu klauen! Wir sehen uns gleich, alte Klette!" Er bückte sich, stellte die Flasche ab, zog sich wieder hoch und stopfte den Arm tief in den Schlitz.
"Na gut, dann bis gleich."
Ich stand auf, steckte mir eine Zigarette an, sah den Mond oben am Himmel leuchten, weiß und rund, sah den Bahnhof hinter mir immer kleiner werden.

Blasse Sonnenstrahlen fielen durchs Fenster und durchfluteten den Raum.
"Na Göbler", brummte er, "willste noch einen?"
Ich nickte stumm, ausdruckslos. Er beugte sich über den Tresen, füllte das kleine Glas auf, kniff die Lippen zusammen, sah mich besorgt an. "Alles klar bei dir, Kumpel?"
Das Geklimper der Jukebox und das Gelächter zweier grauer Männer neben mir schallte durch die Kneipe, aber ich nahm es gar nicht wahr, hockte bloß auf dem Barhocker, starrte vor mich hin. "Geht schon, Jürgen."
Er musterte mich ausgiebig, suchte offenbar nach ein paar passenden Worten. "Lass' dich nicht so hängen, okay?"
Ich nickte, hob das Glas, trank es leer.
"Na dann ... Prost, Göbler." Er schmiss sich das weiße Handtuch um die Schulter, sah mich noch eine Sekunde lang an und schlurfte dann zum Spülbecken. Ich blinzelte zur Uhr über dem Tresen: Halb eins. Ich dachte einen Moment lang nach, trippelte mit den Füßen herum, biss mir auf die Zunge. Ich schnappte mir meine Jacke und ging nach draußen.

Die Sonne hing müde am Himmel und tröpfelte ihr Licht durch die Wolkendecke. Ich stand da, saugte am Filter, wusste nicht wohin, lehnte mich an die Wand, beobachtete die Menschen. Sie sahen aus wie immer, beschäftigt, getrieben, gedankenversunken. Ich hasste sie. Und ich hasste mich selbst, ich hatte nicht den Mumm in den Knochen, den er gehabt hatte; nur ein paar Schritte wären es, und ich könnte dort sein, wo es keine Straßentauben mehr gibt, nur noch bunte Papageien, blauen Himmel und weiße Strände. Ich stand da und dachte darüber nach, sah mein restliches Leben an mir vorbeiziehen, sah mich verkatert durchs Viertel latschen, Zeitungen schleppen, meine Eier melken, mit den blauen Wänden reden. Ich fühlte mich leer, so leer wie noch nie zuvor, spürte Tränen, die sich in meinen Augen sammelten. Ein Zug rutschte vor mir auf Gleis Eins ein. Es gab noch genug andere Gleise. Ich schmiss die Kippe auf den Boden, zündete mir eine neue an, machte den ersten Schritt. Eine Flut aus kleinen Rucksackträgern prallte auf halbem Weg gegen mich, zwang mich dazu, stehen zu bleiben.
Plötzlich riss etwas an meiner Schulter, zerrte mich zur Seite, presste mich gegen die Wand.
"Ha ha, na Opa, heute ganz allein unterwegs?"
Ehe ich begreifen konnte, was geschah, hatten sie mich schon eingekreist, kamen ganz dicht an mich heran, setzten sich alle das gleiche Grinsen auf, ein unheimliches, dunkles Grinsen. Ich erkannte ihn sofort wieder.
"Lasst mich, ich -"
"Oh, na was los? Hab' gehört, deinen Schwuchtelfreund haben sie neulich", sein Blick schnellte zu seinen Kollegen, "von der Straße gekratzt? Musste ja schon ganz schön steif gefroren sein, was?!"
Er lachte, nahm eine unsichtbare Schaufel in die Hand und begann, etwas von den Pflastersteinen zu schippen. Dann sah er mich wieder an, seine Miene verfinsterte sich, wurde zu einer Maske des Hasses.
"Weißt du was, Spast?!" Er schob sein Gesicht ganz dicht an meines, ich konnte seinen faulen Atem riechen, sah tief in seine Augen; sie waren anders als letztes Mal, sie schrien nicht vor Angst, sie brannten, brannten vor Erregtheit, brannten vor Freude über meine Ohnmacht. "Ich feier 's! Hätte dieser Loser nicht schon schlapp gemacht, hätte ich ihm spätestens jetzt sein hässliches Gesicht zerfickt!"
Ich sah ihn vor mir und einen Moment lang geschah gar nichts, doch dann brodelte da etwas in mir, drückte in meinem Bauch, schoss mir durch die Venen, ließ mein Herz stolpern, meinen Körper taub werden. Ich sah, wie sich mein Arm hob, wie sich meine Finger zu einer Faust ballten und geradeaus flogen, wie sie in seinem erbärmlichen Gesicht landeten, und seine Nase zertrümmerten. Er fiel wie in Zeitlupe nach hinten, mit geschlossenen Augen, die Arme weit von sich gestreckt, und ich fühlte etwas, was ich lange nicht mehr gefühlt hatte, ich fühlte mich frei, leicht, schwebend, wie ein Vogel, der die Flügel ausbreitet.
Das Nächste, was ich sah, waren sie, über mir, nun ohne Grinsen, nur noch dunkle Fratzen, die stierten, stierten wie Besessene. Ihre Schuhe knallten gegen meinen Rücken, meinen Bauch, mein Gesicht, jeder Stoß raste durch meinen ganzen Körper, raubte mir den Atem, ließ die Welt um mich herum immer mehr verschwimmen. Ich hörte Schreie aus meinem Mund gellen, drückte die Augen zu, dachte an weiße Strände, an Palmen, an das Plätschern der Wellen, die meine nackten Füße streicheln; und er stand auch da, in weißen Klamotten, mit einem Papagei auf der Schulter, und er grinste, winkte ...

Ich ging nie wieder zum Bahnhof. Ich suchte mir neue Plätze, in der Stadt, im Park. Aber manchmal, wenn ich so dasitze und die Menschen beobachte, wie sie lachen, sich durch die Gegend schleppen, wenn ein paar Straßentauben sich in meine Richtung picken, dann höre ich ihn neben mir, höre seine kratzige Stimme, sehe ihn in die Ferne starren, mit diesem Blick, als verstünde er die ganze Welt. Gerd, du warst wohl einer der Wenigen, denen ich das je gesagt hätte: Du warst einer von den Guten.

 
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Servus zigga,

wenn ich an die unzähligen stilistischen Verbesserungsvorschläge denke, die dir unter deiner vorletzten Geschichte von Novak, Alex und mir nahegelegt wurden, und die du Großteils umgesetzt hast, und ich mir nun deinen neuen Text anschaue, muss ich sagen, du scheinst dir all diese Ratschläge wirklich zu Herzen genommen zu haben.

zigga schrieb:
ich sitze da vor meinem bildschirm, hacke ein paar sätze in die tastatur und bringe es danach einfach nicht übers herz viele worte rauszustreichen

schriebst du damals, beinahe entschuldigend, unter Bigger Boys, aber mittlerweile scheinst du in der entf-Taste weniger den Feind, sondern vielmehr den Freund deiner Texte zu sehen. Das merkt man der neuen Geschichte deutlich an. Die ist sprachlich viel sauberer und direkter und nicht so überladen wie noch die Urfassung von Bigger Boys.
Wir alle wissen, wie individuell und entsprechend unterschiedlich die Erwartungen und die Ansprüche der Leser sind, und gleichzeitig wissen wir, um wie viel einfacher es ist, den Rotstift bei fremden Texten anzusetzen, als bei den eigenen, wie auch immer, ich will mir jetzt, beispielhaft, deinen ersten Absatz vornehmen und ihn, subjektiv offshoremäßig sozusagen, anschauen.

Der Himmel war grau und der vertraute Geruch von Pisse und Zigarettenasche kroch in meine Nase. Ich saß da, nippte an der Flasche, spürte, wie das kalte Metallgitter sich in meine Arschbacken drückte und mir allmählich jegliches Gefühl aus dem Hintern jagte. Ich sah sie mir schon immer gerne an, die Menschen, wie sie durch die Welt stolzieren, unter ihren gelgetränkten Frisuren ihre müden Gesichter umherschleppen, wie sie sich durchs Leben drängeln, träge wie Schlafwandler ihren Träumen hinterher jagen, hinterher traben. Ich popelte eine Zigarette aus meiner Jackentasche, steckte sie mir an, inhalierte tief, blinzelte auf die runde Uhr, die neben der Anzeigetafel für Gleis Eins hing. Zwölf Uhr fünfundfünfzig. Noch ein paar Minuten. Ich ließ meinen Blick wieder auf den Menschenstrom gleiten, der sich unermüdlich durch den Torbogen zu den Zügen presste. Wie gesagt, ich sah sie mir schon immer gerne an, aber mit ihnen reden, treffen, ins Kino gehen, nein, allein der Gedanke daran jagte mir die Nackenhaare in die Höhe. Ich saß da und beobachtete die Leute, mit ihren unendlich vielen Gesichtern, hinter denen sich die immer gleichen Gestalten verbargen. Ich kannte sie alle, oder besser gesagt: Ich hatte sie alle schmerzlich kennen lernen [kennenlernen] müssen. Ich rauchte die Zigarette zu Ende, ließ die Kippe auf den Boden fallen und beobachtete, wie sie vor sich hinglomm [hin glomm]. Plötzlich durchschnitt eine kratzige Stimme die Luft.

Da habe ich wirklich wenig zu beanstanden, der Anfang zieht mich sofort in die Geschichte, vermittelt mir die Atmosphäre und ziemlich schnell weiß ich, worum es geht. Und auch stilistisch gefällt es mir, bis auf die kleinen Ausreißer, ausgesprochen gut.
Jagen scheint ein Lieblingswort von dir zu sein, aber hier empfinde ich es, abgesehen von der Häufung, in allen drei Fällen als unpassend.
Allmählich … jagte. Diese beiden Begriffe widersprechen sich ja eigentlich (langsam/schnell)
… und mir allmählich jegliches Gefühl aus dem Hintern stahl, raubte, bzw. im Hintern abtötete. Sowas in der Art gefiele mir hier besser.
Und das Bild von den Schlafwandlern, die ihren Träumen hinterherjagen, ist ähnlich schief, zumal du die vorher noch als träge bezeichnest, in diesem Fall ein vollkommen entbehrliches Adjektiv übrigens, genauso entbehrlich wie das rund vor der Uhr. Wen interessierts?
… jagte mir die Nackenhaare in die Höhe. Gefällt mir auch nicht.
… sträubte mir die Nackenhaare. Sträuben ist doch ein wunderbares Wort, fast glaube ich, es wurde extra für diesen Einsatzzweck erfunden.
unter ihren gelgetränkten Frisuren das finde ich total überzeichnet, getränkt, igitt, und außerdem betrifft das doch nur einen Teil der Passanten, na ja, gefällt mir einfach nicht.

Das schaut jetzt nach einer elendslangen Mängelliste aus, in Wahrheit sind es aber nur ganz wenige Kleinigkeiten, die ich beanstande. Und vielleicht hilft es dir, deinen Blick noch mehr zu schärfen und den Text noch einmal superkritisch auf solche kleine Mängel zu untersuchen.

Für heute muss ich es gut sein lassen, zum Inhaltlichen der Geschichte will und werde ich mich in den nächsten Tagen noch äußern.

offshore

 

grüß dich offshore,

zuerst mal danke fürs lesen und deiner investierten zeit!

wenn ich an die unzähligen stilistischen Verbesserungsvorschläge denke, die dir unter deiner vorletzten Geschichte von Novak, Alex und mir nahegelegt wurden, und die du Großteils umgesetzt hast, und ich mir nun deinen neuen Text anschaue, muss ich sagen, du scheinst dir all diese Ratschläge wirklich zu Herzen genommen zu haben.
:D habe ich mir tatsächlich zu herzen genommen und versucht umzusetzen

Das merkt man der neuen Geschichte deutlich an. Die ist sprachlich viel sauberer und direkter und nicht so überladen wie noch die Urfassung von Bigger Boys.
danke! freut mich, wenn das gelungen ist.

Und vielleicht hilft es dir, deinen Blick noch mehr zu schärfen und den Text noch einmal superkritisch auf solche kleine Mängel zu untersuchen.
ich habe gerade deine stilistischen vorschläge größtenteils umgesetzt, mir nochmal meine kritische brille aufgesetzt, den text überflogen und ein paar details 'gerade gebogen'. allerdings ist das echt schwierig, z.b. das mit dem 'jagen' ist mir trotz unzähligen durchlesens letzte woche nicht aufgefallen. ich denke, ich werde mich die tage nochmal hinsetzen und jeden einzelnen satz ein zweites mal durchdenken, schauen, ob alle bilder wirklich so da stehen, wie ich mir das dachte. aber das braucht etwas zeit, schätze ich.
für die gelgetränkten haare muss ich mir wirklich etwas anderes einfallen lassen, das ist schief. allerdings habe ich da gerade keine gute idee, werde das demnächst nachbessern!
und mit den schlafwandlern, die ihren träumen hinterherjagen... mhm, ich schrieb ja:
[...] wie sie sich durchs Leben drängeln, wie Schlafwandler ihren Träumen hinterherjagen, hinterher traben.
mir ist schon klar, dass schlafwandler sich nicht besonders schnell bewegen (jagen), aber das wollte ich ja durch den zusätzlichen einschieber des erzählers (hinterher traben) irgendwie wieder kompensieren. der erzähler spielt da ja eher mit der floskel "seinen träumen hinterherjagen" und der doppeldeutigen bedeutung des bildes des schlafwandlers: die leute denken, sie sind auf zack, aktiv, leben ihre träume, aber eigentlich traben sie bloß irgendeiner vorstellung hinterher, wie schlafwandler eben. irgendwie so war das gedacht. ich weiß nicht, ob das so rübergekommen ist, aber irgendwie gefällts mir gerade zu gut, als dass ichs blindlings löschen könnte :D ich möchte lieber mal abwarten, was andere dazu sagen!

Für heute muss ich es gut sein lassen, zum Inhaltlichen der Geschichte will und werde ich mich in den nächsten Tagen noch äußern.
ich bin gespannt! bis dann - machs gut und

grüße vom
zigga

 
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Hallo zigga

Ich hatte deine Geschichte gestern bereits ausgedruckt und gelesen.

Also ich muss dir sagen, verglichen mit "Vom harten Leben eines Couch Potatoes" hast du mir diesmal eine richtig gute Geschichte erzählt. Da gab es zu den lebendigen Bildern auch eine Story, die mir - mit klitzekleinen Abstrichen - gut gefallen hat.

Eben, der kleine Abstrich: Mir würde es besser gefallen, wenn die Schlägerbubis nicht wüssten (woher auch?), dass Gerd über den Jordan gegangen war.
"Na, wo ist denn dein Schwuchtelfreund? Heute nicht da, um dir den Arsch zu retten?" oder so.
Das gäbe noch eine Tragigkomponente mehr, aber das ist nur mein Empfinden, ansonsten passt es schon ganz gut so.

Noch etwas Textkram:

wie sie sich durchs Leben drängeln, wie Schlafwandler ihren Träumen hinterherjagen, hinterher traben.
Du magst dieses Wort einfach, gell? Aber, ich würde mich hier auf eines beschränken, entweder "jagen" oder "traben".

drehte sein müdes, müdes Gesicht zu den Gleisen weg.
wirkt eher komisch, als verstärkend. Ein "müde" reicht, noch mehr Müdigkeit brauchts nicht.;)

Er zog eine Dose aus der Tasche, [&quote]Er kramt ja in der Tüte, also holt er die Büchse sich auch aus der Tüte, oder? Tasche assoziierte bei mir eher Manteltasche.

... dann muss man entweder krank, tod, oder ...
tot

Ein paar Passanten drehten sich im Vorbeigehen geschockt zu uns um,
Das Wort finde ich hier zu stark gesetzt, "verwirrt", "irritiert", oder so, fände ich besser.

Hä hä.
Hä, hä.

diese verfluchten Wände, dann... Ich saß da und dachte darüber nach,
Abstand nach drei Punkte, wenn das Wort nicht weiter geht. Da gibt es einige Stellen im Text ... ;)

Und ja, vielleicht ist das Ende da etwas gar patetisch, aber hei, was soll's?
Mich hat die Geschichte gestern im richtigen Moment erwischt und deshalb: Gerne gelesen!

Gruss dot

 

hi dotslash,

danke fürs lesen und kommentieren!

Also ich muss dir sagen, verglichen mit "Vom harten Leben eines Couch Potatoes" hast du mir diesmal eine richtig gute Geschichte erzählt.
oje, du erinnerst dich noch an den couch potatoe ... das war meine erste story, und ja, die war wirklich schrecklich. :lol:

Eben, der kleine Abstrich: Mir würde es besser gefallen, wenn die Schlägerbubis nicht wüssten (woher auch?), dass Gerd über den Jordan gegangen war.
"Na, wo ist denn dein Schwuchtelfreund? Heute nicht da, um dir den Arsch zu retten?" oder so.
Das gäbe noch eine Tragigkomponente mehr, aber das ist nur mein Empfinden, ansonsten passt es schon ganz gut so.
ja, das könnte man auch so passieren lassen. aber irgendwie hat es sich beim schreiben so richtiger für mich angefühlt, der prot ist ja jetzt kein großer schlägertyp (er zitterte bei der ersten auseinandersetzung z.b.) und damit er sich dann doch mal gegen 'die welt da draußen' zur wehr setzt, müssen die kids ihn ja schon enorm sticheln, und das hat eben in meinen augen gut funktioniert, indem die kids auf gerd herumhacken/sich über ihn lustig machen. das war der gedanke.

und woher könnten die jugendlichen es wissen? kenne das aus kleinstädten wie meiner, wenn da mal einer irgendwie ins gras beißt und das nur einer mitbekommt, macht das schon schnell die runde.

habe deine stilistischen vorschläge alle übernommen. das mit den schlafwandlern, die jagen, was auch schon offshore kritisiert hatte, da hattet ihr wohl recht, liest sich jetzt viel besser!

danke auch für dein lob! ;)


grüße,
zigga

 

Hej zigga,

ich hab die Geschichte gestern schon gelesen (war zu müde, um noch was dazu zu schreiben) aber sie hat mir (bis auf ein paar Formulierungen) gut gefallen. Ich mochte vor allem die Dialoge von Göbler und Gerd.

Was mir aufgefallen ist: Der Erzähler ist in meiner Vorstellung deutlich jünger als dieser Gerd. Ich lese das u.a. aus seiner (jugendlich wirkenden) Herablassung fremden Menschen gegenüber raus (vor allem im ersten Absatz), oder auch aus Formulierungen wie dieser hier:

die den Bahnhof zu einem schlechten Zoo [...] degradierte, ein abschreckendes Beispiel für die Generation rosa Lunge und Morgensport

außerdem wirkt er eben nicht wie Gerd, der keine andere Wahl mehr hat (obwohl das natürlich Ansichtssache ist). Und deswegen jung oder jünger. Später sagt einer "Opa" zu ihm, das irritiert mich (vielleicht meinen diese "Halbstarken" auch, dass alle ab zwanzig Opas sind?).

Gegen Ende hatte ich echt Schiss, dass das eine Selbstmordgeschichte wird, das hätte alles verdorben. Zum Glück hast Du diese Klippe sauber umschifft.
Das Ende ist schon rührselig, aber immerhin ist der Gerd tot, da finde ich etwas Rührseligkeit schon angebracht.

Zeugs:

wie das kalte Metallgitter sich in meine Arschbacken drückte
Ich frage mich bis zum Schluss der Geschichte, was das für ein Metallgitter ist. Ein Zaun? Einer von diesen Metallsitzen an Bushaltestellen? Ich werd jetzt noch mal aufmerksam mitlesen.
Die Formulierung "in meine Arschbacken drückte" find ich fürchterlich, weil es für mich keinen guten Grund dafür gibt, mir die eines völlig unbekannten Erzählers vorzustellen. Es macht mir einfach keinen Spaß (vielleicht wolltest das Wort "Hintern" nicht zweimal hintereinander verwenden?) aber durch diese Formulierung werde ich dazu regelrecht gezwungen.

Ich ließ meinen Blick wieder auf den Menschenstrom gleiten,
oder über?

Ich kannte sie alle, oder besser gesagt: Ich hatte sie alle schmerzlich kennenlernen müssen.
Ein Hinweis auf sein Alter? Der verpufft, in den Sätzen vorher ist er allerhöchstens dreissig.

kam die letzten Meter zur Bank herüber
Eine Metallgitter-Bank?

Wie war 's beim Ruddlof?"
Muss ich das kapieren?

brachte seine nach hinten gekämmten Haare zum Wackeln.
Ich weiß nicht richtig ... Haare, die wackeln? Dazu müssten sie irgendwie aus einem Stück bestehen. Sind das Punks? Aber die kämmen sich eher selten die Haare nach hinten. Also, man kann Haare wackeln lassen, aber ich find's schwierig (in Unordnung bringen. Nach vorne wehen?).

die in ihren sauberen Hosen und pinken Polohemden freitagabends vor unseren Bars herumlungerten
Auch hier: Einer wie dieser Göbler hat vielleicht eine Bar, die "ihm gehört". Einer wie der Gerd hat so was nicht, weil er's gar nicht (mehr) braucht. Er ist Teil davon.

in das du gehst um zu weinen, wenn du traurig bist, zu vögeln, wenn du geil bist, und um das Leben zu feiern, wenn du wieder mal Blut geschissen hast und befürchtest, dass die zweite Halbzeit sich nun langsam ihrem Ende neigt.
Finde diese Konstruktion nicht so schön, obwohl dies Aussage doch wichtig ist. Du musst nicht diese vielen "zu" benutzen.
"... sich nun langsam ihrem Ende entgegen neigt."

Göbler, wieso hast du keinen richtigen Job, kein Geld, keine Frau, keine Kinder?
Aber wenn er keine Angst davor haben braucht, warum denkt er dann so? Ich hab an dieser Stelle nämlich schon wieder den Eindruck, dass Göbler jünger ist. Er könnte Frau und Kinder haben. Gerd nicht.

Das kalte Metallgitter drückte sich in unsere Hintern
Weiß ich. In ihre Arschbacken, um genau zu sein. :p

"Schau 'se dir doch mal an. Wie 'se die Scheiße vom Boden fressen, mit diesem dämlichen Blick, das macht mich krank, Göbler."
"Ha ha, mich auch, Gerd."
Lustige Stelle. Nicht nur, weil Göbler distanziert mitlacht, sondern auch, weil die beiden den Tauben gleichen könnten.

Wir waren Streuner, Aussätzige, Einsiedler. Vielleicht sogar Heilige
Das glaub ich gern, dass der Göbler sich für 'nen Heiligen hält.

Einige Zeit verging.
Überflüssig.

Eine kleinere Gruppe Halbstarker mit mehr Pickeln als Barthaaren im Gesicht
Bisschen bemüht, der Vergleich

in ihre glatten Gesichter
pickelig ist nicht glatt

Er schien der Älteste von ihnen zu sein;
Woran sieht er das. Dass der eine, sagen wir mal, im März Geburtstag hat und nicht im September?

Adern quollen aus seiner Schläfe heraus.
Hoffentlich nicht.

Hektisch begannen sie den Bahnsteig abwärts zu schreiten
Dieses "Beginnen" in Kombination mit "hektisch" ... etwas beginnen, das wäre doch "damit anfangen". Und anfangen, hektisch zu laufen? Ich würd es einfacher machen: Hektisch liefen sie den Bahnsteig ...

knopfgroße, blasse Punkte,
Seine bleichen Augen
Das find ich wieder schwierig. Wenn Die Augen blass oder bleich sind, dann sind die Pupillen klein. Sitzen die im Hellen?

Blasse Sonnenstrahlen fielen durchs Fenster und durchfluteten den Raum.
Den Absatz find ich gut.

Er lachte, nahm eine unsichtbare Schaufel in die Hand und begann, etwas von den Pflastersteinen zu schippen.
Diese Pantomime find ich jetzt irgendwie albern. Die ist einfach uncool.

Ich hörte Schreie aus meinem Mund schießen,
Schießen. Schießen? Warum kommen sie nicht einfach aus seinem Mund?

LG
Ane

 
Zuletzt bearbeitet:

hey ane,

erstmal danke fürs lesen und den kommentar!

ich hab die Geschichte gestern schon gelesen (war zu müde, um noch was dazu zu schreiben) aber sie hat mir (bis auf ein paar Formulierungen) gut gefallen. Ich mochte vor allem die Dialoge von Göbler und Gerd.
danke, freut mich, wirklich :)

Was mir aufgefallen ist: Der Erzähler ist in meiner Vorstellung deutlich jünger als dieser Gerd. Ich lese das u.a. aus seiner (jugendlich wirkenden) Herablassung fremden Menschen gegenüber raus (vor allem im ersten Absatz), oder auch aus Formulierungen wie dieser hier [...]
mhm ... also wenn du wirklich die ganze zeit einen u-30jährigen vor augen hattest, habe ich wohl was falsch gemacht. du könntest schon recht damit haben, dass dieser hass auf alle und jeden und das sich für die eigene runtergekommenheit schämen dir als leser iwie das gefühl geben, da muss es sich um einen 'jungen' menschen als erzähler handeln. wenn das wirklch so rübergekommen ist, dann ist es mir wohl tatsächlich passiert, dass meine eigene person (21j) die erzählerstimme irgendwie zu sehr durchwässert hat. das wäre echt nicht gut, da göbler tatsächlich vor meinem inneren auge ungefäht gerds alter gehabt hatte/haben sollte.

außerdem wirkt er eben nicht wie Gerd, der keine andere Wahl mehr hat (obwohl das natürlich Ansichtssache ist).
ja, da ist was dran, vllt habe ich da meine empathischen fähigkeiten überschätzt, oder wir beide haben einfach eine andere art von vorstellung von der innenwelt solcher leute, weiß nicht ;) die ständigen selbstmordgedanken, mit denen göbler spielt, dachte ich lassen ihn schon gut verbittert erscheinen. ja, aber an deiner kritik ist was dran. würde mich interessieren, was andere dazu meinen.

Gegen Ende hatte ich echt Schiss, dass das eine Selbstmordgeschichte wird, das hätte alles verdorben. Zum Glück hast Du diese Klippe sauber umschifft.
ich steh auch nicht auf geschichten mit selbstmordende ;)

Ich frage mich bis zum Schluss der Geschichte, was das für ein Metallgitter ist. Ein Zaun? Einer von diesen Metallsitzen an Bushaltestellen? Ich werd jetzt noch mal aufmerksam mitlesen.
hatte diese metallsitze in bushaltestellen/bahnhöfen vor augen, wo so eine art 'gitter' die sitzfläche ist. naja, irgendwie sollte ich das wirklich mal besser beschreiben. oder halt was anderes, mal sehen.

Die Formulierung "in meine Arschbacken drückte" find ich fürchterlich, weil es für mich keinen guten Grund dafür gibt, mir die eines völlig unbekannten Erzählers vorzustellen. Es macht mir einfach keinen Spaß (vielleicht wolltest das Wort "Hintern" nicht zweimal hintereinander verwenden?) aber durch diese Formulierung werde ich dazu regelrecht gezwungen.
:D sorry, das wird jetzt gleich etwas barsch klingen, aber mir gefällt der gedanke, dass du dir als leserin gezwungenermaßen die arschbacken vorstellen musst(est). da wirst du doch gleich in göblers welt hineingezogen, und die ist eben wie seine arschbacken: schmutzig, häßlich, da, wo keine sonne hinscheint.

Wie war 's beim Ruddlof?"
Muss ich das kapieren?
:D sie reden da ja über ihre arbeiten, und gerd meint, er hat wieder nichts gefunden.

Er lachte, nahm eine unsichtbare Schaufel in die Hand und begann, etwas von den Pflastersteinen zu schippen.
Diese Pantomime find ich jetzt irgendwie albern. Die ist einfach uncool.
finde ich auch, die kids sind richtige pseudocoole deppen ;)

deine stilistischen verbesserungsvorschläge habe ich zum größten teil übernommen! mit den wackelnden haaren, metallgitterbänken und drückenden hintern, da muss ich mir nochmal was überlegen, was ich mache, da bin ich mir noch unsicher. aber danke auf jeden fall für deinen kritischen blick, hat mich weitergebracht, glaube ich!

ich wünsche dir noch was,

bis bald,
zigga

 

Hallo zigga, Also ich finde es sehr schwierig eine Geschichte zu schreiben, in der ein Obdachloser die Hauptrolle spielt. Da gibt es so viele Klippen zu umschiffen, so viele Klischees, die einen förmlich anspringen, wenn man dieses Thema angeht, da finde ich es schon immer sehr mutig, wenn überhaupt jemand sich dieses Themas annimmt. Vor ein paar Jahren hätte ich vll gesagt, dass man am besten gar nicht über dieses Thema schreiben sollte, weil man sich damit keinen Gefallen tut, zwangsläufig in eine der zahlreichen klischeefallen stolpern muss. Vll sogar so in die Richtung argumentiert, dass da schon genug drüber geschrieben wurde und dass es dazu nicht noch ne Geschichte braucht. So in etwa vergleichbar mit Themen wie die klassische Weihnachtsschelte oder das klassische teeniesuizid-Komplettpaket.
Seit aber Übergriffe auf Obdachlose in grässlicher regelmäßigkeit die Schlagzeilen geraten, finde ich, dass dieses Thema einen eine wohlverdiente Renaissance erlebt. Das empfinde ich als einen gesellschaftlich relevanten Aspekt, darüber zu schreiben, letztlich ja auch damit eine Diskussion anzuregen oder am laufen zu halten. Aber ein Rest der eingangs genannten Bauschmerzen bleibt. Denn nach wie vor ist da diese Kluft, die es zu überwinden gilt. Ich rede von einer gefühlt authentisch erlebbaren/ nachvollziehbaren Darstellung des Lebens eines Obdachlosen. Ich finde, du machst das schon ganz gut, vor allem deswegen, weil du diesen Abstieg auf die Straße nicht in den Fokus rückst, ihn eigentlich Versuchst komplett gar nicht zu beleuchten. Aber natürlich schreibst du dennoch davon, wie ein solcher Mensch denkt, wie er seine Umgebung wahrnimmt, wie er es sich auf der Straße "häuslich" macht, was er den ganzen Tag so tut. Mja, und davon bin ich eben nicht so restlos überzeugt. Also, den überwiegenden Teil der Geschichte schaffst du es schon mich im Bann des Erzählers zu halten, aber es gibt auch immer wieder Stellen, wo ich spüre, das mein innerer Monitor anspringt und ich hinterfrage, was mir der Autor da als real verkaufen möchte.
Ich glaube, es ist sinnvoller bei solch markanten Themen nicht den ich Erzähler zu wählen. Da ist man in der Regel zu nah dran, und das erfordert schon eine gehörige Portion Können, das dann auch wirklich so hinzubekommen, dass man als Leser das Gefühl hat, der Autor weiß wirklich, was da wie Sache ist.
Mit deiner Figur hast du ja schon den Schritt in die (in meinen Augen richtigen) Schritt getan, denn dein Prot ist ja quasi mehr der Beobachter als Handelnder, und irgendwie gehört er auch gar nicht richtig dazu, habe ich den Eindruck. Aber Ich glaube, es würde den Text gut tun, wenn du dann noch ein paar mehr Schritte von weggingest. Oder aber die Situation ganz anders aufrollst. Im Prinzip, aber das wäre womöglich eine andere Geschichte, wäre es doch mal spannend, die ganze Sache aus der Sicht eines der Jugendlichen zu beschreiben. Vielleicht eher eines der Jugendlichen, der in der Gruppendynamik gefangen ist, aber eigentlich gar nicht gut heißt, was sie da tun.
Nun ja, das sind meine Gedanken zu der Geschichte. Vielleicht klingt das jetzt sehr Negativ, so soll das gar nicht verstanden sein. Deine Geschichte hat mich durchaus zum Nachdenken angeregt, und ich denke, das ist bei diesem Thema eigentlich schon ein riesiges Lob. Ich mache jetzt hier erstmal einen cut.

Grüßlichst
Weltenläufer

 

hey weltenläufer!,
erstmal danke für den kommentar.
okay, ich verstehe dein dilemma, du findest einfach, dass das thema 'obdachloser wird verprügelt' ausgelutscht ist und kannst das auch nicht los werden, wenn dir dein kopf sagt: jetzt ist wieder einmal zeit dafür! ;)

aber ehrlich gesagt bin ich mir gar nicht so sicher, ob die beiden wirklich obdachlose sind. die idee für die geschichte kam mir, da ich länger einmal pendler war und immer die gleichen typen am bahnhof rumlungern gesehen habe, und die waren zwar ziemlich abgefucked, aber trotzdem werden die wohl iwo ihre bude gehabt haben.
im text gibt es zwei stellen, die auf die wohnverhältnisse der prots anspielen:

Ich musste schmunzeln, denn ich wusste, dass er es ernst meinte. Das war kein Spruch von einem, der eine schlechte Phase hatte, der sich absichtlich gehen ließ, auf Mitleid wartete, nein, das war das Lebensmotto, an dem er sich damals in den eisigen Zeiten auf der Straße die Finger wärmte.
könnte eben auch sein, dass das obdachlosenleben hinter gerd liegt.
Ich wollte nicht nach Hause gehen, ich hatte die ewige Stille und diese verdammten blauen Wände satt. Würden sie mich nur eine Sekunde länger anstarren, anschweigen, diese verfluchten Wände, dann ... Ich saß da und dachte darüber nach, was wohl der qualvollere Abgang wäre: Ein Sprung aus dem vierten Stock, oder der vor einem einfahrenden Zug. Ich konnte mich nicht entscheiden.
also hat er ja irgendwie eine bude. gut, könnte auch ein obdachlosenheim sein, aber da ist meines wissens nach kein so ruhiger ort. wie dem auch sei

Ich glaube, es ist sinnvoller bei solch markanten Themen nicht den ich Erzähler zu wählen. Da ist man in der Regel zu nah dran, und das erfordert schon eine gehörige Portion Können, das dann auch wirklich so hinzubekommen, dass man als Leser das Gefühl hat, der Autor weiß wirklich, was da wie Sache ist.
da ist was dran! aber wenn ich das jetzt alles überarbeiten würde ... nee, das würde glaube ich alles sprengen. das wäre wirklich eine komplett neue geschichte.

auf jeden fall danke für deine gedanken!

grüß dich,
zigga

 

hi alex!
erstmal danke danke für deinen aufschlussreichen kommentar und dein lob! Hat mich gefreut und motiviert, wirklich. War mir da nämlich diesmal nicht so sicher. Auch deine ideen finde ich interessant, ich werde mich bald aber nochmal ausgebig dazu äussern, vllt sogar an einigem versuchen, mal sehen, habe gerade leider schlecht zeit! Also bis dann,

Grüsse
zigga ;)

 

hey alex,

erstmal sorry für die lange wartezeit, aber bin gerade im ausland und da dauerts immer, bis ich mal wieder ins inet komme. aber nun zu deinem kommentar:

Im Vergleich zur Urfassung von "Bigger Boys an stolen Sweethearts" ist die hier auf jeden Fall ein Fortschritt. Die Adjektive setzt du viel bewusster ein. Alles, was beim letzen Mal zu beanstanden war, hast du jetzt umgesetzt.
:D danke!

die schreibfehler sind übrigens ausgebessert. spast ist wirklich nicht im duden, das ist eine schande.

Fände ich in einem Dialog fast noch besser.[...]Nur klingt es halt ein wenig erklärend. So nach dem Motto: Schau her, das sind die echten Typen, die anderen sind die Hipster, die Pseudos.
ja, da hast du recht, in einem dialog würde das wohl etwas eingängiger rüberkommen. ich denke mal drüber nach, aber ich befürchte, dass ich mich fast nicht ran trauen werde, in dem ehemaligen schreibfluss was hereinzupflanzen

Vorsicht mit den Heiligen. Das klingt sehr leicht selbstgerecht. Die Typen sind Penner und das wissen die auch. Sie sind anders als der Rest der Gesellschaft, aber nicht besser, nur anders. Die Heiligen assozieren was anderes. Die sagen: Wir sind besser als ihr. Wir kommen in den Himmel, ihr nicht.
nach den hasstiraden gegen alle menschen am bahnhof und sowieso gegen 'die gesellschaft' hatte ich iwie das gefühl, göbler hält sich tatsächlich für was besseres... weiß nicht, ist mir beim schreiben so aus den fingern rausgeflutscht, ich überdenks mal :)

Da ist diese Gruppe Halbstarker, die sich zum Rauchen in den markierten Bereich stellt und sich anstellt, weil sie beim Rauchen erwischt werden können. Dies Gymnasiasten haben genug Kohle, um nen Sixpack für 10€ zu kaufen, weil sie halt mal ein bisschen den Rebellen raushängen lassen wollen. So und diese Typen haben genug Mumm 'nen Penner halb tot zu prügeln. Vielleicht ist das genau der Zwiespalt, den du darstellen wolltest. Dass da gar kein empfinden für den Stellenwert einer Tat vorhanden ist, dass die fast alles tun, um cool zu sein.
Nur, wie real ist das? Sind wir ehrlich, der Typ "Rebell" zieht die Eier ein, wenn es ernst wird. Jugendlich die Obdachlose kaputt schlagen, würden bei mir einfach in Kiosk gehen und das Bier klauen, oder zumindest versuchen, es für selbst zu kaufen. Weil die genug Mumm dafür haben, auch mal mit so ner Masche aufzulaufen. Aber vielleicht sind das auch nur Vorurteile von meiner Seite.
shit, damit hast du mich eiskalt erwischt. da ist natürlich ein fehler im gezeichneten charakter der jugendlichen, da kann man sich iwie auch schlecht mit "bei der prügelszene war gerd ja nicht dabei" herausreden, da passt irgendwas nicht... ich habe mich mal daran versucht, da die clique vom großen bruder des 'anführers' mit reinzubringen, aber irgendwie glaube ich, das wird nichts, das passt genauso wenig... ich versuch nochmal an ein paar schräubchen zu drehen, dass das passt. aber ich gebe dir recht, nachdem göbler dem kerl eine rein gehauen hat, müssten sie eigentlich eher wegrennen als zuschlagen, das fühlt sich beim lesen falsch an. wieso ist mir das nicht aufgefallen? ;)

Das da die Zeugen Jehovas drin sind, ist ziemlich witzig. Beabsichtigt?
ja, auch wenns sich doof anhört, irgendwie fand ich das beim schreiben total witzig und habs dann drin gelassen :D

Das Leben auf der Straße hat schon immer so einen Touch von Outlaw- Romantik. Aber deine Geschichte spiel in der brutalen Realität. Die Typen sind Penner, leben auf der Straße und frieren sich den Arsch ab. Da gibt's hauptsächlich Beton, Bahnhöfe, Scheiße, Gestank, usw. Klar hat dieses Leben auch Momente der Freiheit, aber ein Spaziergang im Mondschein, eine klimpernde Jukebox (eine JUKEBOX (!)), tröpfelndes Licht durch die Wolkendecke? Vergleich das mal mit dem Moment der Freiheit, die Göbler hat, als er von den Jugendlichen verschlagen wird. DAS ist die Freiheit der Straße. Und diese Freiheit kommt eben nicht jeden Tag, sondern halt nur einmal im Jahr in so einer Scheißsituation. Darum würde ich diesen ganzen Outlaw Kitsch weglassen. Aber das ist nur mein Geschmack.
ach mist, da haste mich schon wieder, alex ... das war mir nicht so bewusst, aber jetzt wo du es sagst, stimmt schon. ich stehe halt irgendwie auf eingängige landschaftsbeschreibungen, und das kann schon als 'outlawromantik' missverstanden werden. war von mir nicht so gemeint, ich wollte bloß die szene gut vorstellbar rüberbringen. jukebox? - ab und zu findet man eine spelunke, wo es noch eine gibt :) ne aber mal ernst, das sollte nicht als freiheitsidylle wahrgenommen werden, ist ärgerlich, wenn dus so wahrgenommen hast. mal schauen, was ich wegschneide, ich hänge halt wie gesagt schon an solchen beschreibungen!

Der hat sich doch vor den Zug (oder irgendein anderes Vehikel) geworfen. Warum dann steif gefroren? Und warum die Straße und nicht die Gleise? Wenn sich jemand vor nen fahrenden Zug wirft, sind von dem auf jeden Falle Einzelteile übrig, aber keine steif gefrorene Leiche. Aber vielleicht habe ich das auch falsch interpretiert.
also prinzipiell kann das jeder leser deuten, wie er mag! der tod war auch von mir bewusst mit etwas spielraum freigelassen, allerdings schläft gerd ja einige male im suff und in der kälte davor ein, könnte halt auch so umgekommen sein ... ich weiß es selbst nicht. ich glaube, mit 'ich hatte nicht den mumm, den er hatte' vermisst göbler auch einfach die härte, mit der sich gerd durchs leben geschlagen hatte. dem hätten die kids nicht einfach so verprügeln können. göbler ist da wohl nicht so steinhart. aber interpretierungssache.

Das vorher mit den Stränden und den Papageien. Das fand ich gut. Das hatte einen Zusammenhang mit der Geschichte. Aber jetzt rufst du überraschend Göblers Eltern auf den Plan und die alten Freunde, die er verloren hat. Das ist so: Jetzt ziehen wir mal die "er hatte eine schwere Kindheit und seine Eltern sind zu früh gestorben"- Karte, damit auch wirklich kein Auge trocken bleibt. Find ich als Ende ein bisschen over the top.
da hast du recht. das klingt echt scheiße, ich habs mal rausgeschnitten. allerdings bin ich nach deinen vielen ideen jetzt tatsächlich am überlegen, ob ich da einzelne szenen nochmal komplett über den haufen werfe und neu tippe ... aber das ist irgendwie schwerer, als ich dachte, habe mich vorhin mal dran versucht. irgendwie bringt das das 'natürliche gleichgewicht', oder wie auch immer ich es nennen soll, der geschichte bisschen durcheinander, aber mal sehen. ich hoffe, du bist mir nicht allzu böse, wenn ich deswegen kaum was von deinen ideen übernehmen werde! versteh mich nicht falsch, das sind wirklich gute einfälle, ich wünschte ich hätte die selbst beim schreiben gehabt, aber ich tue mir schwer da so viel zu verändern, das geht dann iwie in eine andere richtung als die urfassung geht, befürchte ich. ich werde mich auf jeden fall nochmal hinsetzen und versuchen so viel wie möglich umzusetzen (v.a. das mit den prügelkids, tränendrüse, pennerromantik, etc.) da hast du echt recht. aber, mhm, wenn ich da jetzt zu viel änder habe ich irgendwie angst das ganze ding zu versauen.

also danke alex für deinen aufschlussreichen kommentar!, deine ideen haben mich wirklich weiter gebracht, auch wenn ich befürchte, mich nicht noch groß zu trauen, an der story größeres herumzudoktern! wir werden sehen, ich versuchs auf jeden fall.

ach ja und:

Hab die Story auf jeden Fall sehr gern gelesen.
hat mich gefreut, wirklich!

ich wünsche dir was,
grüße vom
zigga

 

Hallo zigga,
ich hab deine Geschichte schon vor längerer Zeit gelesen, endlich komm ich dazu, sie zu kommentieren.
Ich wollte dir mal als erstes sagen: Du steigerst dich sehr. Ich freu mich. Es ist eine richtig gute Geschichte.
Mir gefällt, wie du die Szenerie entstehen lässt, man steht das Abgewrackte so ein bisschen vor sich, die triste Atmosphäre, in die sich die Geschichte einwebt.
Ich fand auch den Rahmen schön, den du der Geschicht gibst, es beginnt mit den Menschenbeobachtungen des Icherzählers und endet damit. Das macht deine story rund. Und mir gefällt auch, dass dein Icherzähler bei der Racheattacke der Halbstarken nicht ungekommen ist, sondern überlebt, in seine Traumwelt flüchtet und nur einfach die alten Plätze meidet, jedoch immer noch an seinen Freund denkend.
Die wortkargen Dialoge zwischen den beiden gefielen mir auch sehr gut. Ihre Freundschaft, Gerd Credo, dass Gögler einer der Guten sei.

Hier noch ein paar Einzelheiten, du weißt ja, was du willst nimmst du dir, was nicht, bleibt liegen.

Er torkelte wie immer aus dem Torbogen heraus, kam die letzten Meter zur Bank herüber, überschritt schließlich die gelbe Linie, die den Bahnhof zu einem schlechten Zoo und uns zu einem Ausstellungsstück vergangener Tage degradierte, ein abschreckendes Beispiel für die Generation rosa Lunge und Morgensport.
Das kommt mir ein wenig überladen vor. Ich würd es streichen, ganz oder wenigstens vergangener Tage

Der Erste ist der Entscheidende, sagte er immer,
ImSatz vorher ist das Bezugsnomen zu erste. (der erste Schluck oder so) Also hier klein.

die sind das Wohnzimmer, in das du gehst um zu weinen, wenn du traurig bist, zu vögeln, wenn du geil bist, und um das Leben zu feiern, wenn du wieder mal Blut geschissen hast und befürchtest, dass die zweite Halbzeit sich nun langsam ihrem Ende entgegen neigt.
Find ich auch zu ambitioniert. Die geh doch nicht in die Pinte oder ans Wasserhäuschen um zu vögeln, da überstrapazierst du den Vergleich des Kneipe mit der heiischen Wohnung.

Er kannte die ganzen Antworten, ohne je gefragt zu haben.
Das Füllwort ganz ist dein Lieblingswort. Und es passt (außer, dass es oft überflüssig ist) oft noch nicht mal inhaltlich. Das ist immer so bei diesem komischen ganz. Nimm mal hier die Entgegensetzung: Er kannt die halben Antworten ... klingt doch komisch oder? Ich würds rigoros streichen. Klingt viel viel besser. Viel zugespitzter.

Wir waren Streuner, Aussätzige, Einsiedler. Vielleicht sogar Heilige, aber wer weiß das schon.
Das hört sich an wie ein Superlieblingssatz. Von daher ich trau mich kaum, dran zu rühren. Aber wiso sollten sie denn Heilige für den Normalo sein?

Es war bereits Abend und die Kälte fraß sich trotz der ganzen Trinkerei tief in mein Gesicht.
s.o.

Vielleicht hatten die ganzen Christen, Moslems, Zeugen Jehovas ja doch recht, und ich könnte schon morgen mit Bernd, Knut und all den anderen über weiße Strände spazieren und über das primitive Leben hier unten lachen.
s.o.

Ich sah in seine Augen, und da war nichts mehr vom Feuer zu sehen, das heute Mittag da brannte und diesem Jüngling die Angst durch die Adern getrieben hatte.
Zeitfehler: da gebrannt und diesem Jünglig die Angst ...

Ich beobachtete, wie seine Zigarette vor sich hin glühte, wie blaue Rauchfäden langsam aus ihr herauspurzelten und sich in Richtung Himmel schlängelten.
Rauchfäden purzeln doch nicht aus den Zigaretten raus. Machen sie dann Purzelbäume? Oder Handstand? Ich uz nur, aber ich finde, dass es hier nicht passt.

Ja, lieber zigga, wirklich gern gelesen, eine traurige, ein bisschen rührende story.
Viele liebe Grüße
Novak

 

liebe novak,

danke für den kommentar und deine investierte zeit erstmal :)

Ich wollte dir mal als erstes sagen: Du steigerst dich sehr. Ich freu mich. Es ist eine richtig gute Geschichte.
Mir gefällt, wie du die Szenerie entstehen lässt, man steht das Abgewrackte so ein bisschen vor sich, die triste Atmosphäre, in die sich die Geschichte einwebt.
danke! ich freue mich :D

ich habe auch den großteil deiner verbesserungsvorschläge übernommen und verbessert, 'ganz' ist tatsächlich mein lieblingslückenfüller, das ist war mir gar nicht klar ... ich habe es überarbeitet.

Aber wiso sollten sie denn Heilige für den Normalo sein?
den satz hat auch schon alex beanstandet. mir ist das beim schreiben damals irgendwie aus den fingern gerutscht, und ich fand nach dem langen hassmonolog am anfang der geschichte irgendwie, dass göbler sich für etwas besseres hält, dass er einfach findet, dass er und seine 'spezies' mehr ahnung vom leben haben als 'die anderen'. jesus, buddah, irgendwie waren die doch auch leute am rande der gesellschaft, damals von vielen als verrükte abgestempelt. aber gut, das klingt schon ziemlich hochgestochen. aber das waren so meine gedanken bei dem satz.

Find ich auch zu ambitioniert. Die geh doch nicht in die Pinte oder ans Wasserhäuschen um zu vögeln, da überstrapazierst du den Vergleich des Kneipe mit der heiischen Wohnung.
ich denke mal drüber nach, da ist was dran, aber irgendwie gefällt mir das.

nun ja, nochmal danke für deinen kommentar und dein lob, habe mich gefreut!

grüße vom
zigga

 

so, habe die story jetzt noch einmal durchgeforstet und die letzten feinschliffrädchen gedreht. danke an die kommentatoren und ihr feedback :)

grüße
zigga

 

Wow Zigga,


was für eine gute Story! Ich bin schwer beeindruckt. Diese Atmosphäre zwischen den beiden Tippelbrüdern ist derartig verdichtet, ich befand mich direkt neben ihnen und hatte das Gefühl, dichter dran geht's nicht.
Die Kälte, die konnte ich nicht so richtig spüren, aber der Rest und das ist ja bei Weitem alles andere, war derartig plastisch, das war schon fast beängstigend.
Ich habe an der Geschichte nichts auszusetzen, bis auf die beiden Punkte weiter unten.

Ich hatte zwischendrin den Gedanken, dass du die Figuren deswegen so hautnah hast beschreiben können, weil du irgendwie einen direkten Kontakt zu dieser Szene hast oder hattest, fast als wärst du selbst mal ...

Das Problem bei Lob ist immer, das mir Worte fehlen. Wenn es ums Kritisieren geht, dann ist da viel mehr zu schreiben. Ich kann mich nun nur wiederholen: tolle Geschichte! Hut ab!


Ich saß da und beobachtete die Leute, mit ihren unendlich vielen Gesichtern, hinter denen sich die immer gleichen Gestalten verbargen.
Ich würde diesen Satz streichen, weil er nix Neues bringt.


und ich fühlte etwas, was ich lange nicht mehr gefühlt hatte, ich fühlte mich frei, leicht, schwebend, wie ein Vogel, der die Flügel ausbreitet.
Nein, so schnell geht das nicht. Ich nehm ihm nicht ab, dass er sich sofort frei fühlt. Ich würde ihn wenigstens eine Sekunde lang überrascht sein und erst dann kommt dieses Gefühl. Ist nur ein Satz mehr in deiner Geschichte. *deal*

Lieben Gruß

lakita

 

hi lakita!

freut mich irgendwie, dass du diese story von mir ausgegraben hast, und noch mehr freut mich natürlich, dass sie dir so gut gefällt, keine frage!

Ich hatte zwischendrin den Gedanken, dass du die Figuren deswegen so hautnah hast beschreiben können, weil du irgendwie einen direkten Kontakt zu dieser Szene hast oder hattest, fast als wärst du selbst mal ...
hatte wahrscheinlich mehr kontakt zu dieser szene als viele andere, aber direkt drin oder indirekt dabei war ich nie. aber die leute haben mich immer schon interessiert, nicht aus irgendwelchen falschen romantisierenden vorstellungen heraus, sondern einfach, weil diese leute in einer so anderen parallelgesellschaft zu unseren leben, und oft eine harte lebensgeschichte haben, aus der sich so eine ganz eigene sicht auf alles schließt.

Ich saß da und beobachtete die Leute, mit ihren unendlich vielen Gesichtern, hinter denen sich die immer gleichen Gestalten verbargen.
Ich würde diesen Satz streichen, weil er nix Neues bringt.
ja, da hast du recht, der bringt nichts neues, außer, dass der erzähler denkt: hinter all den gesichtern sind immer die gleichen leute. so ein grundlegendes missvertrauen gegenüber der gesellschaft, das wollte ich damit ausdrücken. werde es wohl etwas zusammenkürzen.

und ich fühlte etwas, was ich lange nicht mehr gefühlt hatte, ich fühlte mich frei, leicht, schwebend, wie ein Vogel, der die Flügel ausbreitet.
Nein, so schnell geht das nicht. Ich nehm ihm nicht ab, dass er sich sofort frei fühlt. Ich würde ihn wenigstens eine Sekunde lang überrascht sein und erst dann kommt dieses Gefühl. Ist nur ein Satz mehr in deiner Geschichte. *deal*
he he, da ist was dran. das ist ja irgendwie die schlüsselszene in dieser geschichte, finde ich jedenfalls, deswegen habe ich da angst, dass ich sie zu zäh machen würde ... ich baue die schocksekunde mit ein, aber ich versuche es unter einem satz zu halten ;)

danke lakita fürs lesen und kommentieren, dein lob hat mich wirklich sehr gefreut!

grüße,
zigga

 

Hallo zigga,

freut mich, dass du mit meiner Kritik etwas anfangen konntest.


hatte wahrscheinlich mehr kontakt zu dieser szene als viele andere, aber direkt drin oder indirekt dabei war ich nie. aber die leute haben mich immer schon interessiert, nicht aus irgendwelchen falschen romantisierenden vorstellungen heraus, sondern einfach, weil diese leute in einer so anderen parallelgesellschaft zu unseren leben, und oft eine harte lebensgeschichte haben, aus der sich so eine ganz eigene sicht auf alles schließt.
Ja und genau das spürt man in der Geschichte. Da schwingt so eine Wärme mit, die dem Leser vermittelt, dass der Autor mit sehr viel Milde auf seine Figuren schaut.


Und ein einziger Satz, um die Szene ein Stückchen realistischer zu gestalten, ist völlig in Ordnung.


Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Für heute muss ich es gut sein lassen, zum Inhaltlichen der Geschichte will und werde ich mich in den nächsten Tagen noch äußern.

Hab ich’s nicht gesagt, lieber zigga? (Am, äh, 10. Februar …)

aber ich fand’s gar nicht mal so falsch, deinen Text erst jetzt noch einmal zu lesen, über Empfehlung von lakita sozusagen, weil ich ihn so ganz unvorbelastet von der Erstversion und quasi vorurteilsfrei noch einmal auf mich wirken lassen konnte.

Also ich finde, dir ist hier eine wirklich schöne, echte, traurige Erzählung gelungen und für mein Gefühl tappst du auch in keine der Klischeefallen, die gerade bei diesem Thema an jeder Ecke lauern. Den Göbler und den Gerd hast du wirklich wunderbar gezeichnet, man mag diese traurigen Looser einfach, man leidet regelrecht mit ihnen in ihrem Elend und freut sich über ihren ungebrochenen Stolz und ihre Freundschaft. Ja, irgendwie gehören die beiden wirklich zu den Guten. Zwei tolle, tragische Figuren hast du hier erschaffen, zigga, die mir wirklich ans Herz gingen.

Aber ich wäre nicht offshore, hätte ich nicht noch die eine oder andere Kleinigkeit zu beanstanden. Und da dein Text ja jetzt quasi wieder ganz vorne in der Auslage steht, willst du vielleicht über mein Gemeckere (und das Lob, das sich dazwischen auch noch finden wird) noch einmal nachdenken.

Ich sah sie mir schon immer gerne an, die Menschen, wie sie durch die Welt stolzieren, unter ihren lächerlichen Frisuren ihre müden Gesichter umherschleppen, wie sie sich durchs Leben drängeln, wie Schlafwandler ihren Träumen hinterher traben.

Mir gefiele besser: Ich hatte mir sie schon immer gerne angesehen, … und den restlichen Satz würde ich persönlich ins Präteritum setzen.

Ich popelte eine Zigarette aus meiner Jackentasche,

Ich hätte fummeln oder kramte nach oder so geschrieben. Aber an popeln stößt sich wahrscheinlich eh nur ein Österreicher, weil wir das nämlich ausschließlich als Synonym für in der Nase bohren kennen. (Und da das Verhältnis Ösi-Leser zu Piefke-Leser auf dieser Seite vermutlich ca. 1:10 ist, kann dir der Einwand eigentlich egal sein)

Wie gesagt, ich sah sie mir schon immer gerne an,

Plusquamp, siehe oben.

schossen mir die Nackenhaare in die Höhe.

Das missfiel mir schon beim ersten Lesen, da stand noch jagte.
Warum sträubst du dich so hartnäckig, dieses so wunderbare Wort sträuben zu verwenden?
... sträubten sich mir die Nackenhaare – das klingt doch so viel schöner, meinst du nicht?

"Na, alles klar [Komma] Göbler?"

Weißt du, Göbler, mal ist man der Hund, mal ist man der Baum.

Gefällt mir.

Das war kein Spruch von einem, der eine schlechte Phase hatte, der sich absichtlich gehen ließ, auf Mitleid wartete, nein, das war das Lebensmotto, an dem er sich damals in den eisigen Zeiten auf der Straße die Finger wärmte

Das auch.

... kann man durchzechen bis übermorgen, und wenn nicht, dann muss man entweder krank, tot, oder einer dieser Pseudosäufer sein, …

Ja, der Typ hat sozusagen Standesbewusstsein. Den Gerd mag ich.

… die in ihren sauberen Hosen und pinken Polohemden freitagabends vor unseren Bars herumlungerten, die das ganze Low-life [Life] Ding irgendwie chic, hip [da reicht eines von beiden] fanden und nach drei Stunden kotzend in der Hecke lagen. Denen fehlte einfach eine ordentliche Portion Wut im Bauch und Scheiße in der Hose, um zu verstehen, was wir hier wirklich machten: Die Pinten sind halt keine Theateraufführung, die man sich am Wochenende mal ansehen gehen kann, sagte er immer, die sind das Wohnzimmer, in das du gehst um zu weinen, wenn du traurig bist, und um das Leben zu feiern, wenn du wieder mal Blut geschissen hast und befürchtest, dass die zweite Halbzeit sich nun langsam ihrem Ende entgegen neigt.

Toller Absatz.

und ich sah ihn von der Seite aus an,

aus kann weg

Julia-Roberts-Film gefragt.

Der erste Bindestrich kann weg

Wie 'se

Vielleicht ohne Apostroph?

blieben kurz vor uns stehen

ließe ich weg, klingt nämlich nach zeitlich kurz.

die ihn mit ihren aggressiven Blicken den Rücken zu stärken schienen.

ihm, Dativ

sodass der Kerl instinktiv auf Zehenspitzen gezwungen wurde

unnötig und unpassend (vor allem in Verbindung mit gezwungen)

Ein Sprung aus dem vierten Stock, oder der vor einem einfahrenden Zug.

einen, Akkusativ

Wieder schloss er die Augen, bewegte sich nicht, saß einfach da, als sei er eine rauchende Bronzestatue, gewidmet all den Trinkern, die hier schon ihre Tage, ihre Nächte verbracht hatten.

Schön.

"Lass' dich nicht so hängen, okay?"

Das ist so traurig witzig, so witzig traurig.

Also bei den letzten Zeilen hatte ich beinahe einen Kloß im Hals, zigga, kein Scheiß.


offshore

 

hi ernst,

Für heute muss ich es gut sein lassen, zum Inhaltlichen der Geschichte will und werde ich mich in den nächsten Tagen noch äußern.
Hab ich’s nicht gesagt, lieber zigga? (Am, äh, 10. Februar …)
ha ha, das hattest du tatsächlich damals geschrieben, aber kein ding, du hattest mir ja schon einen recht ausführlichen kommentar geschrieben, da ist das halb so schlimm. aber auf jeden fall habe ich mich gefreut, als ich bei meiner täglichen kg.de-runde deinen (verspäteten) kommentar entdeckt habe ;)

Also ich finde, dir ist hier eine wirklich schöne, echte, traurige Erzählung gelungen und für mein Gefühl tappst du auch in keine der Klischeefallen, die gerade bei diesem Thema an jeder Ecke lauern. Den Göbler und den Gerd hast du wirklich wunderbar gezeichnet, man mag diese traurigen Looser einfach, man leidet regelrecht mit ihnen in ihrem Elend und freut sich über ihren ungebrochenen Stolz und ihre Freundschaft. Ja, irgendwie gehören die beiden wirklich zu den Guten. Zwei tolle, tragische Figuren hast du hier erschaffen, zigga, die mir wirklich ans Herz gingen.
habe mich sehr über dein lob gefreut mister offshore, wirklich!

Und da dein Text ja jetzt quasi wieder ganz vorne in der Auslage steht, willst du vielleicht über mein Gemeckere (und das Lob, das sich dazwischen auch noch finden wird) noch einmal nachdenken.
auf jeden fall. ich bastel immer gerne auch an älteren texten herum (gut, so alt ist der jetzt auch nicht ...), weil da ja schon herzblut und sowas drinnen steckt, weißt schon.

ich bin übrigens immer wieder erstaunt, mit welch scharfen blick hier kommentatoren die texte durchleuchten. man liest die eigene buchstabensoße ja unzählige male, dann bessert man aus, und so, und ein halbes jahr später gibt's tatsächlich immer noch stilistische feinheiten, die man ausbessern kann ... ich werde das gros deiner vorschläge übernehmen, danke für's rausschreiben!

Ich hätte fummeln oder kramte nach oder so geschrieben. Aber an popeln stößt sich wahrscheinlich eh nur ein Österreicher, weil wir das nämlich ausschließlich als Synonym für in der Nase bohren kennen. (Und da das Verhältnis Ösi-Leser zu Piefke-Leser auf dieser Seite vermutlich ca. 1:10 ist, kann dir der Einwand eigentlich egal sein)
ja, hier bei mir ist popeln schon eher ein derber ausdruck, der immer in verbindung mit nasebohren gesehen wird, aber ich kenne es eben auch als niederen ausdruck für herausfummeln, und so. mir gefällt das an der stelle einfach besser, weil popeln auch von der sprache her gut dieses derbe, eklige, heruntergekommene der story rüberbringt. zumindest wünsche ich mir das ;)

schossen mir die Nackenhaare in die Höhe. Das missfiel mir schon beim ersten Lesen, da stand noch jagte.
Warum sträubst du dich so hartnäckig, dieses so wunderbare Wort sträuben zu verwenden?
... sträubten sich mir die Nackenhaare – das klingt doch so viel schöner, meinst du nicht?
es klingt schöner. nach einer sechsmonatigen bedenkzeit komme ich darauf - der februar-julian wollte noch originell sein, und wollte die nackenhaare in die höhe schießen lassen.

Also bei den letzten Zeilen hatte ich beinahe einen Kloß im Hals, zigga, kein Scheiß.
mann, was will ich mehr?

hat mich gefreut von dir zu lesen, offshore.

zigga

 

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