Storys von meinem Nachbarn........3. Butterkarpfen
3. Butterkarpfen
Scheinbar ist es im osteuropäischen Raum ein weitverbreiteter Usus zu Weihnachten einen Karpfen zu essen. Jan in Vorfreude auf das himmlische Fest, hatte auch schon fleissig die Werbetrommel gerührt und diverse „Kollegen“ und Verwandte zum Festtagsschmaus eingeladen. Butterkarpfen a la „mamma“ sollte es werden !
Akribisch wie Jan nun mal ist, musste dieses Event natürlich auch gut vorbereitet und organisiert sein.
Als erstes musste ein Weihnachtsbaum her ! Aber nicht irgendeiner, nein es sollte natürlich ein Baum sein dessen Spitze bis zur Zimmerdecke reicht, eine Wurzel hat (zwecks Wieder- oder Weiterverwendung) und gerade gewachsen wie ein Telegrafenmast. Er bat mich ihn zu begleiten, zur Unterstützung bei der Entscheidungsfindung.
Das es aber so schwierig wird, konnte ich bis dahin nicht ahnen.
Jan hatte natürlich für diesen Baum einen speziellen Topf mit Belüftung und Wasserversorgung besorgt, bedeutete bei jedem Baumverkäufer wurde erst mal der Topf rausgeholt und Mass genommen, ob denn auch die Wurzel des Baumes in dieses Gefäss hineinpasst. Nun war es so, dass die Bäume die Jans „Grössenempfinden“ entsprachen, sprich ca. 2,20 m hoch, natürlich über ein dementsprechend voluminöses Wurzelwerk verfügten.
Was soll ich da noch sagen, ungefähr nach 4 Stunden und anfahren von ca. 28 Baumverkäufen in einem Radius von vorsichtig geschätzten 40 km, haben wir dann zuguterletzt einen Baum ohne Wurzel gekauft ! (Zumindest weiss ich jetzt wo ich auf die Schnelle einen Weihnachtsbaum bekomme)
Über das schmücken und aufstellen lasse ich mich nicht aus, das ist eine extra Geschichte.
Weihnachten rückte immer näher und Jan hatte auch schon den Karpfen vorbestellt, angedacht war es den Fisch 2 Tage vor Heiligabend abzuholen und wie manch einer es vielleicht aus den „Pan Tau Filmen“ kennt, dann bis zu seiner Verwendung in der Badewanne zu hältern. (Voll abgefahren, meine Meinung !)
Fürsorglich wie Jan ist, hatte er für den Transport auch ein Sauerstoffgerät wie es die Aquarianer benutzen (er hat selber ein Aquarium) besorgt.
Natürlich musste ich Abends direkt kommen und seinen „Fang“ bewundern.
Ein wahres Monster von Fisch, ein dicker, fetter Spiegelkarpfen dessen vordere Bauchflossen so gross wie kleine Kinderhände waren !!! Geschätzte 8 - 9 kg musste dieser Koloss wohl auf die Waage bringen. Auf die Frage, in welchem Backofen er den Karpfen denn stecken würde, konnte mir Jan auch nicht so recht Antwort geben. Aber er war sich sicher, eine passende Lösung zu finden.
Ich war schon gespannt !
Das eigentliche Drama begann schon in der Nacht auf den 1. Feiertag. Jan klingelte irgendwann um 23.00 Uhr bei mir und bat mich um Hilfe.
Das Fischmonster hatte wohl Langeweile bekommen oder ahnte schon was nächsten Tag passieren sollte, auf jeden Fall hatte es beschlossen auf Erkundungstour zu gehen und hüpfte ständig aus der Wanne. Jan war total verzweifelt, die ganzen Fliesen im Bad schon voller Schleim, das Viech hatte sich auf dem Boden entleert und wälzte sich durch den ganzen Kodder. Zu zweit bekamen wir dann den Karpfen zu fassen, ich die linke Flosse, Jan die rechte. Mein Einfall war es dann den Karpfen nicht mehr in die Wanne zurück sondern in den Transportbehälter zu tun, der wenigstens verschliessbar war, zumindest noch für die eine Nacht. Gesagt, getan, den Karpfen in ein Bettlaken hinein und anschliessend in den Behälter, der im Keller zu stehen kam wegen der Kühlung.
Das Thema war damit dann erst mal erledigt.
Ungefähr um 06.30 Uhr klingelt es Sturm ! Jan, wie ein gehetztes Tier vor meiner Tür und brüllt mich an: „Der Karpfen ist geklaut worden“ Wahrscheinlich habe ich ihn ziemlich bescheuert angeguckt, auf jeden Fall zerrt er mich im Schlafanzug in den Keller. Schlaftrunken wie ich war stand ich dann vor dem umgestürzten Eimer, weit und breit kein Karpfen zu sehen. Wir suchten den ganzen Keller ab, zumindest die Bereiche die man betreten konnte, von dem Karpfen weit und breit nichts zu sehen. Jan wurde leicht depressiv, was angesichts der Tatsache das er 8 Personen zum Essen eingeladen hatte auch verständlich war.
Woran keiner von uns gedacht hatte, im Haus gab es einen Kater ! Um sich die Ausmasse dieses Ungeheuers vorstellen zu können: „Garfield ist dagegen nur Schatten“ Vom Fell her auch rot, dick wie ein Schwein und auch ebenso gefräßig, war es diesem Vielfraß wohl gelungen den Eimer umzustossen und den Karpfen irgendwie aus dem Eimer in die nächste Trommel einer Waschmaschine zu zerren.
Echt der Hammer !
Das wurde aber erst nach den Feiertagen bemerkt, nämlich als dann unsere Nachbarin ihre Tischdecken waschen wollte !!!
Ich weiss es leider auch nur aus der Erzählung, auf jeden Fall hat die Nachbarin einen Riesenschrecken bekommen, sie dachte dort lägen menschliche Teile in der Maschine, denn das erste was Sie zu sehen bekam, war eine der Riesenflossen des Karpfen.
Jan als Leidtragender war total bestürzt und entschuldigte sich tausendmal, obwohl was konnte er dafür. Das der Kater es gewesen war, konnte man nur feststellen, da einige von seinen roten Haaren dort in der Trommel verblieben waren.
Um es noch zu erwähnen: An dem Abend wo das „Butterkarpfen-Essen“ stattfinden sollte, brachte dann jeder der Eingeladenen etwas mit, so das wir trotzdem alle noch lecker was zu essen hatten. (Das Wort „Butterkarpfen“ kommt Jan bis heute nicht mehr über die Lippen).