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Stilles Erwachen
Draußen brüllte jemand laut und in meinem Zelt stieg der Wasserspiegel auf ein ungemütliches fünf Zentimeter Niveau.
Noch hatte das Wasser die obere Kante meiner Luftmatratze nicht erreicht.
Jedoch hing das Ende meines Schlafsackes bereits im Wasser und ich spürte wie das kalte Nass langsam von meinen Füßen aufwärts kroch.
Meine Taktik mit dieser Situation umzugehen lautete: ignorieren.
Dank zahlreicher Bierchen und des ein oder anderen Sambucas, Tequilas, und Wacholders funktionierte dies bisher auch ganz gut.
Weder das Wasser unter mir, noch das vom Zeltdach tropfende Wasser über mir würden mich dazu bewegen zu diesem Quälgeist zu gehen, der vor meinem Zelt krakelte und mir meinen wohl verdienten Alkoholrausch vermieste.
Doch wer immer es war, er hörte nicht auf. Nach einiger Zeit mischte sich das Geräusch von Sirenen in das Geschrei und aufgeregtes Fußgetrappel erklang.
Dann war plötzlich alles still und endlich glitt ich in ein wohlbekanntes Nichts und schlief ein.
Als die ersten Sonnenstrahlen durch die grünen Nylonwände meines Zeltes krochen, wachte ich auf. Hauptsächlich deshalb, weil ich tierisch pinkeln musste und auch weil ich komplett durchgefroren war. Doch dann hielt ich inne. Nichts. Kein Laut, keine Musik, keine Gespräche. Das war ungewöhnlich. Normalerweise schaltete irgendein Idiot bei Sonnenaufgang Musik ein und weckte damit andere Idioten, die früh aufstehen wollten. So war das bei Festivals.
Doch stattdessen umfing mich absolute Stille. Ich schälte mich aus meinem klammen Schlafsack und rollte mich vorsichtig von meiner Floßmatratze herunter. Dabei stand ich mit allen vieren im Wasser. Als ich endlich im Freien war, blickte ich mich erstaunt um. Alle Zelte waren weg! Nirgendwo war etwas zu sehen, noch nicht einmal Müll, oder das Dixieklo, das gestern Abend jemand umgeworfen hatte, samt Benutzer natürlich.
Die Wiese lag jungfräulich vor mir, ohne Brandstellen oder platt gedrücktes Gras. Die ganze Situation war dermaßen skurril, dass es dafür nur eine Erklärung geben konnte: Meine Kumpels hatten mich samt Zelt an einen andern Ort getragen, deshalb auch der Lärm gestern. Und ich Idiot hatte es nicht gemerkt, wie ärgerlich. Wütend trat ich gegen mein jämmerliches Zelt.
Doch als sich mein Blick klärte, sah ich in einiger Entfernung die Bühne und auch das große Eingangszelt.
Kalte Furcht packte mich. Ich befand mich nach wie vor auf dem Festivalgelände. Doch alle Menschen waren fort. Panik ergriff mich und ich begann zu rennen, zunächst langsam, dann immer schneller. Ich erreichte den Ausgang des Geländes. Alles stand unverändert an seinem Platz, die Absperrungen der Eingangskontrollen standen immer noch dort wo ich sie zuletzt gesehen hatte. Nur hier und dort konnte man erahnen, dass ein Kampf stattgefunden haben musste. Auf dem Boden vor dem Eingangszelt lag eine Flache Shampoo. Der Inhalt war über dem Boden verteilt, und die Flasche war platt getrampelt so als ob viele Füße in großer Hast über sie gelaufen waren.
Daneben lag ein nasses verrissnes T-Shirt. Blut, stellte ich ungläubig fest. Ich verlor keine Zeit und rannte weiter, bis zur Straße, dann über die Kreuzung. Doch überall das gleiche Bild. Leere Straßen, verwaiste Autos und Busse, keine Menschen.
In wilder Hast setze ich meine Flucht fort, wovor wusste ich nicht. Ich rannte bis meine Lungen brannten und meine Waden krampften. Und selbst dann hörte ich nicht auf zu rennen. Eine nie da gewesene Furcht trieb mich an.
Dann endlich sah ich etwas. Nach der letzten Straßenbiegung tat sich eine große Wand aus Absperrzäunen auf.
Ein roter Lichtpunkt tanzte plötzlich auf meiner Brust und eine Stimme aus einem Megaphon wies mich an, stehen zu bleiben.
Ruckartig beendete ich meine wilde Flucht und wurde nur Sekunden später von schwarz gekleideten Polizisten, die bis an die Zähne bewaffnet waren in Empfang genommen. Noch nie hatte ich mich so darüber gefreut von der Polizei angehalten zu werden.
An mehr kann ich mich nicht erinnern. Denn dann brach ich zusammen. Der Alkohol, die extreme Anstrengung und mein leerer Magen zwangen meinen Kreislauf in die Knie.
Als ich aufwachte erklärte man mir, dass ich der einzig überlebende in einem Radius von zwei Kilometern sei und dass alle Menschen innerhalb dieses Umkreises verschwunden seien.
Dann wurden mir zahlreiche Fragen gestellt und nichts davon ergab einen Sinn. Was zur Hölle war passiert? Ich wusste es doch auch nicht.
Wo waren meine Freunde? Ich wurde gegen meinen Willen ins Krankenhaus gebracht, weil ich angeblich dehydriert war.
Überall waren Uniformierte und das Krankenhaus Personal wirkte sehr ernst. Mir wurden verschiene Proben entnommen, ohne das ich wusste wieso.
Gegen Abend liefen in den Nachrichten die ersten Bilder von großen Raumschiffen, die sich über verschiedenen Orten auf der ganzen Welt positioniert hatten.
Ich versuchte meine Eltern zu erreichen, doch alle Telefonleitungen und Handynetze waren außer Betrieb.
Dann begann die Panik in der Nacht. Es ging alles sehr schnell, niemand konnte fliehen, auch ich nicht.
Der nächste Morgen sollte der stillste sein, den der Planet Erde seit langer Zeit erlebt hatte.