Stilles Butterbrot!
„Bleibe einmal auf einem Fleck ruhig liegen!“ „Bitte!“ Wie oft habe ich mir inzwischen diesen Satz ganz sacht, leise vor mich hingemurmelt. Hingemurmelt nicht einmal. Ich lasse das so heimlich passieren, kann sein, dass ich gar keinen Ton verliere und diesen Satz und das abgehackt kurze Wörtchen „Bitte“ nur denke. Mir ist das gar nicht so bewusst, so ruhig und nur für mich und in mich hinein praktiziere ich das seit Stunden. Noch immer keine Ruhe. Noch mal sage ich mir das jetzt vor, wieder mit der gleichen klanglosen Absicht, jedoch lege ich vollste Konzentration auf meine Lautstärke.
„Bleibe einmal auf einem Fleck ruhig liegen!“ „Bitte!“ „Was ist los?“ „Hast du etwas gesagt?“ Upps, also doch so laut, das es vernehmbar ist. „Hey, was hast du gesagt, es war zu leise, konnte es akustisch nicht verstehen.“ „Bitte, was? Was hast du gemeint?“ „Ich frage, was los ist!“ „Kannst du mir noch ein Butterbrot streichen, bitte?“ „Jetzt um diese Uhrzeit, es ist spät!“ Ach, der hat ja keine Ahnung, von nichts. Ich würde jetzt wirklich lieber gerne essen, als seinen unruhigen und lauten Bewegungen zu zusehen und zu hören. Essen würde mich ablenken. Das Butterbrot würde mich anschweigen, ja, das wäre mir an seiner statt lieber. Ganz ehrlich. Dann wäre endlich aufgeräumt hier mit dem ganzen Lärm. „Ich will jetzt nicht in die Küche gehen, ich bin doch so beschäftigt, das siehst du doch.“ „Mach es dir selber!“ „Nein, ist nicht so wichtig, ist ja kein richtiger Hunger, dachte mir nur ...!“ Ok., diesen Plan vergessen. Würde eine Fee oder weiß der Teufel was für ein Wesen hier auftauchen, ja genau, vielleicht Herr Teufel höchst persönlich. Mir egal! Hauptsache eine Gestalt, die mir Wünsche erfüllt, dann müsste ich nicht überlegen, wie ich kriege, was ich will.
Ganz klar, Glasklar. Glasklar ohne Schmutzstreifen, ich würde ihn in ein Butterbrot verwandeln, ihn aufessen, hinunterschlucken und mir Stille verschaffen. Höchstens mein Magen würde noch Geräusche während des Verdauens machen, aber dann wäre Ruhe hier. Ruhe! „Was hältst du jetzt davon, ist es gut so?“ „Was?“ „Sag mal, hörst du überhaupt zu, oder bist noch beim Butterbrot, vielleicht holst du dir doch besser eines.“ „Ja, ich bin in Gedanken noch beim Brot mit Butter, was meintest du?“ „Was hältst du jetzt von diesem Stück, gefällt dir der Bass?“ „Ich finde, er klingt mittlerweile perfekt!“ „Ich bin einfach großartig.“ „Willst du das Lied noch mal von vorne hören?“ „Habe den Unterschied zu vorhin nicht mitbekommen, höre es ja jetzt zum siebzehnten Mal.“ „Ok, warte, dann drehe ich noch etwas lauter, dann kriegst du das bestimmt mit, der Bass vibriert gerade zu, rumort richtig.“ „Wie ein Magen, der ein deftiges Butterbrot verdaut.“ „Glaube mir, danach ist dein Hunger nach Brot mit Milchfettschicht vergangen!“ „Los geht’s!“ „Komm schon, du musst dich mitbewegen!“ Ich hasse die Geräusche die er macht, wenn er auf dem Stuhl zum Takt wippt, mehr als seine Musik selbst. „Los, höre zu und bewege dich, du musst das fühlen.“ Ich könnte dir sagen, was ich fühle, ich würde dich am liebsten verschlingen, runterschlucken. „Nein, es ist perfekt, du hast ja Recht.“ „Komm schon, bewege dich mit mir mit.“ „Damit das Sofa auch noch zu quietschen anfängt so wie dein Stuhl, nein, wirklich nicht!“ „Wir können nicht alle Möbel in der Wohnung zerstören.“ „Warum nicht, wir machen sie alle zu Musikinstrumenten, ich baue dann alle Geräusche in meine Musik ein. Ja, genau, das ist doch eine wahnsinnige Idee, Musik die durch die Geräusche der Möbel entsteht, die wiederum durch die Bewegungen des Körpers zur Musik entstanden sind.“ „Großartig. Ich bin ein Genie.“
Ja, das bist du, aber glaube nicht, ich könnte dich nicht einfach runterwürgen, dich verstummen lassen, damit ich meinen Frieden, meine liebste Geräuschkulisse höre. Jene, die ich mir am meisten ersehne, seit ich dich kenne, Stille. Aber es war klar, will ich dich haben, dann muss ich deine Musik auch nehmen. „.... ich lebe für die Musik, meine Liebe!“ „Was hast du gesagt?“ „Sag mal, du scheinst ja wirklich vollkommen abwesend zu sein.“ „Ich gehe jetzt wirklich und mache dir ein Brötchen, Weißbrot oder Schwarzbrot?“ „Hautfarben, bitte!“ „Du spinnst, aber dein Wunsch sei mir Befehl!“ „Danke dir, my dear!“ Ja, er war ja wirklich mal mein Liebster und er ist es immer noch irgendwie, wenn doch nicht das Problem mit dem Butterbrot wäre. Unsere unterschiedlichen Geräuschwahrnehmungen, sie treiben mich in den Wahnsinn. Er weiß es nicht! Denn ich kann ihm seine Leidenschaft doch nicht einfach wegnehmen. Kompromisse schließen habe ich versucht, unmöglich. Zeitlich zu sehr beschränkt, die Kompromisse dauern mir nicht lange genug. Zwei Tage ohne laute Musik, ohne seine schnellen Bewegungen auf seinem Stuhl, der inzwischen so quietscht ...
„Hier ist dein Butterbrot!“ „Geh runter von meinem Sessel, der ist meine Inspiration!“ „Danke für das Brot.“ „Nein!!!“ „Du bist ja völlig ... scheiße, kannst du nicht aufpassen!“ „Verdammt noch mal!“ „Es tut mir leid, entschuldige!“ Entschuldinge, bitte! Ich bin schon wieder nicht ehrlich, aber dieses Mal murmle ich wenigsten so laut, sodass er auch den einen Satz vor dem „Bitte“ versteht. „Sch.... dieses verdammte Butterbrot, jetzt ist der Stuhl angesaut, mit dem Milchfettbelag, den du ja unbedingt noch essen wolltest.“ „Ahh, ich könnte ausrasten.“ Du bist schon dabei mein Lieber. „Lass mich in Ruhe!“ „Ich ziehe mir das Sofa aus und gehe schlafen.“ „Setz dich doch auf einen anderen Stuhl.“ „Nein, interessiert mich nicht!“ „Ich wasche es weg, morgen ist er trocken.“ „Ja, morgen, meine Inspiration war jetzt hier.“ „Sie wird morgen auch noch da sein.“ „Du versteht es einfach nicht!“ „Lass mich, gehe weg vom Sofa, ich will schlafen!“ Hey ... Butterbrot, oder das was noch davon übrig ist, sehr fein, wir haben gar kein Wunscherfüllungwesen, oder wie mensch die nennt gebraucht. Endlich Stille, endlich Ruhe! Und ich muss dich auch nicht mehr essen, nicht einmal mein Magen wird Geräusche machen. Ich liebe die Stille, bis morgen. Schlaf gut!