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Stille
Stille
Stille. Diese wunderbare alldurchdringende Stille.
Ich sitze am Fenster, wippe in meinem bequemen Schaukelstuhl geruhsam und ausgeglichen nach vorne, nach hinten, nach vorne und wieder nach hinten...immer den Takt der großen Standuhr einhaltend, dessen Pendel dumpf von einer Seite zur anderen schlägt.
Verträumt blicke ich aus dem Fenster vor mir. Draußen weht ein strenger Wind, klappert an den Läden, wogt eng umschlungen mit den Bäumen ein ruhiges Ballett.
Das Haus ist ruhig.
So still.
Es scheint mich belohnen zu wollen, für Jahre harter Arbeit, für Schweiß, Tränen und Wut.
Und mit geschlossenen Augen genieße ich seine Belohnung.
Ich komme mir ein bisschen vor wie ein treuer Schoßhund, der nach harter Prügel dennoch zu seinem Herrchen kriecht und sich von ihm den Kopf streicheln lässt.
Allmählich verzeihe ich alles. Dieses bisschen Ruhe, dieses bisschen Frieden macht es möglich.
Das Haus legt seine große Hand auf meine Seele und streichelt mich beruhigend.
Dunkle Wolken ziehen am Himmel auf, verfinstern den großen Garten, in dem eine Schaukel einsam vom Kind des Windes geschaukelt wird.
Laub weht über den schmalen Kiesweg, der einen vom Haus, durch den Garten bis hinüber zur breiten, vielbefahrenen Straße führt.
Eigentlich ein Ärgernis, eigentlich ein wütender Gedanke an die Harke im Schuppen, die nach mir zu kreischen scheint. Nun nicht. Versonnen beobachte ich wie schwarzes Laub auf den Kronen des Windmeeres fortgetragen wird.
Im Haus ist es mucksmäuschenstill, bloß die große Uhr, die zu jeder vollen Stunde markerschütternd schlägt, der Wind und das leise Quietschen meines Stuhles.
Irgendwo las ich einmal, dass Einsamkeit eine Strafe wäre, ich lächele bei dem Gedanken daran und mein Blick irrt hinüber zu der Holzschaukel.
Einsamkeit ist eine Belohnung. Eine Belohnung für den Körper und die Seele.
Als ich knarrende Schritte auf der Veranda vernehme, stehe ich nicht auf. Hol’s der Teufel, denke ich. Drei oder vier Stunden sitze ich nun hier, in meinem Schaukelstuhl, wippe hin und her, und her und hin und beobachte die Welt. Als es klopft reagiere ich nicht.
Ein paar Minuten noch - Emsige Fußschritte auf meiner Veranda. Geschäftiges Murmeln, das von der Stille meines Hauses inhaliert wird - vielleicht sind es auch nur noch Sekunden.
Ich spüre wie sich mein Pulsschlag erhöht, spüre wie es mir Adrenalin in die Venen pumpt. Albern. Ich blicke in meinen Schoß, umschlinge Sie etwas fester und merke fast umgehend wie wieder Ruhe in meinem Körper und somit im Haus einkehrt.
Ein Schlag erschüttert die Tür. Aber ich bin ruhig. Seelenruhig.
Langsam erhebe ich mich und lasse mich vorsichtig auf die Knie nieder. Drei Paar Augen verfolgen meine Bewegung vom Boden aus. Aufmachen! hallt es von draußen, aber ich lasse mir Zeit.
Liebevoll hauche ich einen Kuss auf jeden, für immer zum Schweigen gebrachten, Mund.
Dann stehe ich auf und bin mit einem Schritt bei der Tür.
Gemächlich hebe ich die Axt über meinen Kopf, drei Paar trübe, leblose Augen verfolgen meine Bewegungen.
Stille, oh welch göttliche Stille!