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Stille
...Stille... Der Hafen lag eingetaucht in die Dunkelheit der hellen Nacht einfach so da. Hell, weil Schnee lag, es war kalt. Nicht so kalt, dass die bewegte Wasseroberfläche des Hafenbeckens hätte zufrieren können, aber so kalt, dass Johann ab und an zitterte... Er konnte nichts dagegen tun. Und das obwohl er mehr von sich erwartete. Als Kind musste er schließlich mit seinem Vater Eisbaden gehen - "das härtet ab", dachte Johann, doch sein Körper und die unwillkürliche Reaktion des Zitterns belehrten ihn eines Besseren. Er saß da und beobachtete die Atemwolke, die zwischen seinen Zähnen hervorstieß - unkontrolliert und in kurzen Abständen.
Er rieb sich die Hände, die rissigen, großen Hände, die es ihm in solchen Momenten nicht verziehen, dass er sie nur zur Arbeit gebrauchte, ihnen darüber hinaus aber keine Beachtung schenkte. Was sollte er aber auch mit ihnen tun außer arbeiten? Was sollte er überhaupt anderes tun als arbeiten? Früher war er gepflegt, ging aus und lenkte sich so viel von allen Gedanken ab wie möglich. Heute hatte er mit seinen Gedanken Frieden gefunden.
Er sah, wie die kalte Winterluft das Wasser im Hafenbecken weiter umher schaukelte, die seichten Wellen sich an die von Menschenhand gegossene Betonwand schmiegten und im nächsten Moment ihren Schwestern zurück in die Arme geworfen wurden.
Seine Schwester hatte er lange nicht mehr gesehen und sich ihr in die Arme geworfen schon mehr als ein Leben nicht mehr. Er schüttelte den Gedanken ab und kam sofort wieder im Hafen an - "lieber im Hier und Jetzt bleiben".
Der Schnee fiel, die Wellen wiegten Johanns Boot und er atmete weiter. Sein Motor durchbrach die Stille und er trat die Reise auf offene See an. Die Reise, die ihm die Stille endlich zurückbringen sollte, die er seit langem vermisste.