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Stille Wasser

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01.08.2008
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Stille Wasser

Das kalte Wasser brannte auf seinem Gesicht. Die eingeschränkte Sicht machte jede Orientierung unmöglich. Und das schlimmste: Die Luft wurde ihm knapp. Panik. Nur raus hier, raus! Nach scheinbar endloser Zeit durchbrach er die Wasseroberfläche und sog köstlichen Sauerstoff in seine Lungen. Wie schön warm die Sonne war! Er fühlte sich wie neu geboren. Diese kalte, nasse Welt da unten war nichts für ihn.
An Land beobachteten George, Lisa und Harry den nach Luft schnappenden Stefan. Harry gab sich keine Mühe, ein hämisches Grinsen zu unterdrücken: “Da ist er ja wieder, unser Held. Wie tief war er diesmal unten, George?”
George hatte die letzten Minuten damit verbracht, Grasbüschel aus der Wiese zu rupfen. Er hatte sich vor kurzem vorgenommen, das Rauchen sein zu lassen - zu je einem Drittel wegen seiner Eltern, seiner neuen Freundin und wegen dem Geld. Jedenfalls litt er seitdem unter akuter Dauernervosität.
“Ich würde sagen, er war gut eineinhalb Meter tief. Schon besser als beim letzten Versuch. Für den Weltrekord fehlen nur noch läppische 120 Meter.”
Lisa wippte unbewusst mit dem Kopf im Rhythmus der fliegenden Grasbüschel. “Seid nicht so gemein. Ihr wisst doch selber, dass der Stefan als kleiner Bub fast mal ersoffen wäre. Klar, dass er seit damals total wasserscheu ist.” Sie sah zu Stefan hinüber, der noch ein paar vorsichtige Kraulzüge versuchte. “Aber so ein Spitzensportler verkraftet es halt nicht, dass er fast nicht schwimmen und schon gar nicht tauchen kann. Darum er probiert es immer wieder. Muss ihn viel Überwindung kosten.”
Harry warf ihr einen Seitenblick zu, und sein von der Sonne gerötetes Gesicht wurde noch ein Stückchen tomatiger. Der leiseste Hinweis, dass Lisa Stefan bewundern könnte, traf ihn hart. Die vier Freunde kannten sich schon ewig, aber seit einiger Zeit wollte Harry Lisa noch wesentlich besser kennen lernen. Auch wenn er es keinem eingestehen konnte, fühlte er sich mit jedem seiner 120 Kilo zu ihr hingezogen.

Stefan war inzwischen dem potentiell tödlichen Badesee entkommen. Breit grinsend und patschnass kam er auf seine Freunde zu. “Hör auf, du Wahnsinniger!” schrie Lisa, als er sich schüttelte und kaltes Wasser auf die drei spritzte. George, wie üblich die Intellektuellenbrille auf der käsebleichen Nase, rollte sich schnell zur Seite. Harry lies ein empörtes Grunzen hören: “Mach das noch mal, Bürschchen, und dein fesches Naserl hat einen schiachen Depscher.” Er hoffte, dass Lisa begriff, dass er damit nicht nur sich selbst, sondern vor allem sie vor zukünftigen Spritzattacken bewahren wollte. Als er sah, dass Lisa seine Drohgebärden nicht gut hieß, beeilte sich Harry, ein paar freundlichere Worte zu finden.
“Na, jetzt schau mal nicht so bös, Mädl. War ja nur Spaß. Stefan, du Aushängeschild der genetischen Auslese, wir sind stolz auf dich! Siehst du, Wasser tut gar nicht so weh. Außer, wenn man wie du schon Anfang April reingeht.” Er rollte sich auf den fleischigen Rücken und streckte wie ein Hund alle Viere von sich. “Unsereins bleibt lieber trocken und genießt das für die Jahreszeit viel zu warme Klima. Danke, liebes CO2!” Es war wirklich ein außergewöhnlich milder Frühlingstag. Trotzdem hatten sie den See fast für sich alleine.
George seufzte. “Wie oft muss ich dir noch den Unterschied zwischen Wetter und Klima erklären, Harry?”
“Und wie oft soll ich dir noch sagen, dass es mir wurscht ist, Schorschi?”
Da wurde George trotz seiner intellektuellen Überlegenheit ein wenig grantig. Er hatte seinen Eltern bis heute nicht den “Georg” und alle darauf folgenden “Schorschis” verziehen. Da er ein gewisses Faible für die Beatles hatte, nannten ihn seit Jahren alle nur noch George. Außer wenn ihn jemand ärgern wollte.
Stefan fühlte sich verpflichtet, den drohenden Streit abzuwenden. Zum einen, weil er auf den Zusammenhalt der Gruppe großen Wert legte. Zum anderen, weil George der älteste war und damit als einziger über einen Führerschein und ein Auto verfügte. Ein wütender George würde vielleicht eine Heimreise per Autostopp bedeuten. “Wartet mal, Jungs. Mir ist gerade eingefallen, dass heute der fünfte April ist. Damit ist es jetzt genau ein Jahr her.”
Lisa nickte. “In der Zeitung ist alles genau gestanden. Ungefähr an der Stelle, wo wir jetzt liegen, hat er sie in das Boot geladen”, sagte sie leise. “Mitten in der Nacht.”
Stefan deutete auf eine Stelle in der Mitte des Sees. “Und da hat er sie reingeworfen. Mit einem großen Stein um den Fuß, damit sie auch unten bleibt.” Er musste schlucken. “Das klingt jetzt blöd, aber zum Glück war sie da schon tot.”
“Schwacher Trost”, meinte George. “Mein Bruder hat sie gut gekannt. Der Tag, an dem sie die Leiche gefunden haben, war das einzige Mal, an dem ich ihn hab weinen sehen.“ Er schwieg bedrückt.
Harry gefiel die düstere Stimmung gar nicht. Alles wegen eines blöden Mörders. “Dass es solche Wichser geben darf, ich glaub es ja nicht. Wegen einem Streit hat er sie erschlagen. Manche Frauen fallen wirklich auf die allerletzten Trottel rein. Zum Glück sitzt zumindest der eine jetzt für immer im Häfen, und ich hoff, dass ihm jeden Tag ordentlich das Popscherl brennt.” Er trank einen großen Schluck aus der Bierflasche. Sehr ernst, ganz ohne seine übliche Ironie, fügte er hinzu: “Ich bin nur froh, dass unsere Lisa da so ein gescheites Mädl ist. Versprich mir, dass du dich von solchen Männern dein Leben lang fern halten wirst, okay?” Er schaute verträumt auf ihre Sommersprossen, die Stupsnase, den kaum vorhandenen Busen, und ihm dämmerte, dass er gerade seine Gefühle ihr gegenüber verraten haben musste. Sein dickes Gesicht wurde noch eine Spur rötlicher. “Ich versprech es dir, Harry”, sagte Lisa mit einem kleinen Lächeln, und legte ihre Hand auf seine Schulter. Er lächelte zurück, auch wenn das bei ihm bestimmt wesentlich weniger niedlich aussehen musste.

Die Sonne und das Bier hatten die Freunde müde gemacht, und nach einiger Zeit waren drei von ihnen eingeschlafen. Der hagere George hatte sich einen Strohhut ins Gesicht gezogen, um seine vornehme Blässe zu schützen. Lisa hatte sich auf der Seite zusammengerollt. Harry hatte noch mit matter Enttäuschung registriert, dass es sich nicht um seine Seite handelte, und war dann auch eingeschlafen.
Nur Stefan war noch munter. Zuviel Bier vertrug sich nicht mit seinen sportlichen Ambitionen. Er blickte auf seine Freunde und wurde ein bisschen wehmütig. Wahrscheinlich war es ihr letzter gemeinsamer Sommer. Nach der Matura nächstes Jahr würden sie wer weiß wohin gehen. Keiner würde es zugeben, aber jeder von ihnen würde die anderen vermissen.

Er beschloss, sich noch einmal in das Wasser zu wagen, bevor die Sonne unterging. Diesmal hatte er etwas Großes vor: Zum anderen Ufer zu schwimmen! Eine weite Entfernung. Doch beim Brustschwimmen fühlte er sich inzwischen einigermaßen sicher, solange er den Kopf nur weit genug aus dem Wasser streckte.
Die ersten Bienen des Jahres umflogen ihn, während er langsam, aber sicher vorwärtskam. Die Luft duftete, und das klare Wasser funkelte in der Sonne.
Unwillkürlich musste er wieder einmal an seinen Unfall denken. Sechs Jahre alt und Nichtschwimmer, war er im Boot des Vaters gesessen. Seine Mutter war nicht dabei gewesen; sie hätte es nie zugelassen, dass er ohne Schwimmweste mitgefahren wäre. Sein Vater hatte ihm einen prächtigen Fisch gezeigt, und Stefan sich zu weit über die Reling gebeugt. Das Boot war von den Wellen eines Ausflugsschiffes durchgeschüttelt worden, und bevor der Vater reagieren konnte, plumpste Stefan ins Wasser. 20 Sekunden dauerte es, bis sein Vater ihn herauszog. Die Erinnerung an Einzelheiten verblasste langsam, aber die Gefühle des Runtergezogen-Werdens, des Nicht-Luft-Holen-Könnens und des Beinahe-Sterbens würden sein Leben lang bei ihm bleiben.
Er hatte inzwischen die Hälfte des Weges geschafft, und fühlte die Anstrengung seiner ineffizienten Schwimmbewegungen. Umkehren hatte jetzt keinen Sinn mehr, und das andere Ufer lockte mit prächtigen Farben.
Plötzlich fiel Licht auf sein Auge. Irgend etwas blendete ihn, obwohl die Sonne seitlich von ihm stand. Stefan sah sich um. Das Licht kam von unten. Er beschloss, dass es Zeit für eine kleine Schwimmpause war. Wassertretend suchte er nach dem Gegenstand, dessen Reflektion ihn offenbar geblendet hatte. Das Wasser war an der Stelle gut drei Meter tief, doch so klar, dass er schemenhaft einen metallischen Gegenstand erkennen konnte. Wahrscheinlich einfach ein Flaschenverschluss. Aber nein, dafür war es zu unregelmäßig geformt. Die Neugierde wuchs. Wenn er es nur näher betrachten könnte… Sein Herz klopfte schneller. Gut drei Meter. Ein Klacks für einen halbwegs routinierten Taucher, aber das war er nicht. Zu tief, viel zu tief.
Unwillkürlich begann er, tiefere Atemzüge zu machen. Ohne es zu wollen, suchte er bereits nach der besten Stelle, um abzutauchen. Und dann hielt er den Atem an und tat es einfach.
Unten war er recht schnell, doch er griff ins Leere. Wo war das Ding? Er fuhr mit der Hand durch den Morast, blickte sich um, doch alles war verzerrt. Der Druck schmerzte in seinen Ohren, und es war eiskalt. Die Panik kehrte zurück. Er wollte auftauchen, das verdammte Ding liegen lassen. Doch erstaunlicherweise hatte er noch etwas Luft in der Lunge. Da fand er den Gegenstand endlich! Er ergriff ihn und begann aufzutauchen. Da merkte Stefan, dass sein Luftvorrat doch schon am Ende war. Wie weit weg die Wasseroberfläche war! Seine Lungen brannten. Mit letzter Kraft schaffte er noch zwei Schwimmzüge und war oben. Er schnappte nach Atem, beruhigte seinen Puls. Wieder das Gefühl, neu geboren zu sein. Doch diesmal hatte er etwas aus dem Geburtskanal mitgebracht. Sein Fund funkelte golden. Es war ein Schmuckstück, eine Halskette mit einem Anhänger daran. Nichts besonderes, aber ganz hübsch.
Das andere Ufer musste warten. Er hängte sich die Kette um das Handgelenk und schwamm wieder zurück.

Müde blinzelte George in die langsam untergehende Sonne. “Sag bloß, du warst noch mal im Wasser?”
“Spritz uns ja nicht wieder nass!” sagte Lisa und versteckte sich hinter dem laut schnarchenden Harry. Stefan setzte sich spritzfrei auf das Handtuch, und sie wagte sich wieder hervor. Mit seinem üblichen Grinsen präsentierte Stefan stolz seinen Fund.
“Das hast du gefunden?” gähnte der erwachte Harry. “Im Wasser?” Stefan nickte. “Und wie tief?”
“Vorher hab ich gedacht, so drei Meter. Aber es waren wahrscheinlich eher vier, wegen dem Wasserdruck.”
“Ach du Scheiße. Steht in deinem Horoskop zufällig so was wie: ‘Heute werden sie eine Herausforderung meistern?’ Zeig mal her, das Ding.”
Alle vier besahen sich die Halskette genau. Der Anhänger war eine Art abstraktes Kreuz, in dessen vier Enden blaue Steine eingearbeitet waren. “Meinst du, dass das was wert ist?”, fragte George. Stefan zuckte die Schultern.
Lisa war die ganze Zeit still gesessen. Plötzlich meldete sie sich zu Wort, so leise, dass die anderen sie fast nicht verstanden. “Ich habe die Kette schon mal gesehen. Und es gibt zwei Leute, denen ist sie sicher viel wert.”

Eine Stunde später waren die vier, geschniegelt und gekämmt, auf dem Weg zum Haus des Ehepaars Gruber.
George war von der ganzen Sache immer noch nicht überzeugt. “Seid ihr ganz sicher, dass es das beste ist, die Kette ihren Eltern zurückzubringen?”, fragte er nervös.
“Was willst du denn sonst damit machen”, antwortete Harry. “Sie selber behalten, oder den Kieberern geben?” George sah ein, dass das keine gescheiten Alternativen waren. Aber er hatte großen Schiss vor einem Besuch bei trauernden Eltern. “Warum müssen wir denn alle hin gehen? Stefan hat die Kette gefunden, und Lisa hat sich an das Foto beim Bericht in der Kronenzeitung erinnert, auf dem sie Sarah umgehabt hat. Aber was haben du und ich damit zu tun?”
Stefan mischte sich ein: “Dein Bruder hat sie gut gekannt. Und weil der im Ausland ist, kommst eben du mit. Und Harry…” Er überlegte. “Weil wir vier halt zusammen gehören.” Harry warf ihm einen seltsamen Blick zu, aber nickte dann.

Sie hatten das Haus erreicht. Ein kleines, nett hergerichtetes Häuschen am Stadtrand. Da es am Gartentor keine Klingel gab, gingen sie einfach auf das Grundstück. Lisa hoffte, dass die Grubers keinen Hund hatten.
Der Garten war überwältigend. So eine Farbenpracht hatten sie noch nie gesehen.
“Ich denke“, sagte Harry mit einem Blick auf den wohl größten Goldregen Österreichs, “die Eltern von der Sarah haben ihre ganze Energie in den Garten gesteckt, um sich abzulenken. Und weil sie etwas Buntes in ihrem Leben brauchten.”
Lisa starrte ihn an. Diese Aussage war so fernab von Harrys üblichen Sprüchen gewesen, dass sie glaubte, ein Fremder würde neben ihr stehen. Aber sie musste zugeben, dass sie Harry im Grunde kaum kannte. Also den Teil von ihm, der unter seinen Witzen und der zynischen Fassade verborgen lag.
Stefan atmete tief durch und läutete. Eine große, etwa 50-jährige Frau mit kurzen Haaren und sehr gerader Haltung öffnete die Tür. George kam es so vor, als zuckte sie ein bisschen zusammen, angesichts der vier fremden Teenager vor ihrer Tür. Es war gut, dass sie sich zumindest was ordentliches angezogen hatten. Lisa hatte darauf bestanden.
“Ja, bitte …?” fragte Frau Gruber unsicher. Da sonst keiner den Mund aufmachte, antwortete Harry. “Grüß Gott. Ich bin der Harald Sipek und das sind ein paar Freunde von mir. Wir waren heute am See, und da hat der Stefan - das ist der lange da - etwas im Wasser gefunden.” Stefan zeigte ihr das gereinigte und getrocknete Schmuckstück. Frau Grubers Pupillen weiteten sich. “Kommt’s doch bitte herein.”

Kurze Zeit später saßen sie auf der Gruberschen Ofenbank, tranken Kaffee und aßen von Oma Grubers saftigem Gugelhupf. Harry hatte sogar ein Bier und ein Paar Würstel ergattert. Er überraschte sie alle mit seinen sensiblen und erwachsenen Fragen über Sarah.
Frau Gruber musste bei der Erzählung immer wieder unterbrechen, um ihre Tränen zu trocknen. “Die Sarah war ja unser einziges Kind. Also gab es niemanden, für den wir hätten stark sein müssen. Mein Mann hat drei Monate lang fast nichts gesagt, nie geweint, nie gelacht. Dafür hat er den ganzen Tag im Garten verbracht. Erst später hat er es geschafft, seine Gefühle auch raus zu lassen. Ich bin da ganz anders. Hab alles zugelassen, die ganze Trauer, die ganze Wut, aber auch die Erinnerung an schöne Zeiten.” Sie lächelte leicht, dann kamen wieder einige Tränen. Unbewusst spielte sie mit der Kette in ihren Händen. “Die Kette hat ihr mein Mann zum 18. geschenkt. Sie hat sie sehr gemocht. Warum sie sich von ihrem Hals gelöst hat, als sie… ich kann es mir auch nicht erklären. Jedenfalls vielen, vielen Dank dass ihr sie gefunden habt. Wir werden sie zu Sarahs Foto auf den Kachelofen legen. Wenn bald mein Mann nach Hause kommt, wird er ganz schön schauen.”
Lisa sah ihre Freunde an. Es würde wohl noch einmal zu heftigen Gefühlsausbrüchen kommen. Harry dachte scheinbar ähnlich: “Frau Gruber, ich glaube, langsam sollten wir uns verabschieden. Es ist schon finster und morgen müssen wir ja wieder in die Schule.” Es war klar, dass es eine Ausrede war, aber sie hatte Verständnis. Derart viele Gefühle waren für emotional sowieso schon überforderte Jugendliche nicht einfach zu verkraften.“ Alles klar. Herzlichen Dank noch einmal. Wenn ich mal etwas für euch tun kann, meldet euch.”
“Machen wir. Danke für die gute Bewirtung”, sagte Stefan mit seinem Strahlemann-Grinsen. “Und grüßen sie ihren Mann von uns!”
“Wird gemacht. Eine gute Heimfahrt!”
Sie gaben ihr nacheinander die Hand und machten, dass sie raus kamen.

“Puh! Das hätten wir geschafft.” Harry ließ sich auf den Beifahrersitz plumpsen, so dass Georges Stoßfänger ächzten. “Ein total irrsinniger Tag.”
“Du sagst es!”, stimmte ihm George zu. “Ich hab festgestellt, dass es schlimmeres gibt als eine trauernde Mutter. Stefan, dass Wasser doch nicht ganz so furchtbar ist…”
“…und Harry, dass er eine sensible Seite hat”, lachte Stefan.
“Und ich hab gemerkt, dass ich diese Seite ziemlich gerne mag”, sagte Lisa und griff nach Harrys Hand. Der sagte ausnahmsweise gar nichts und fühlte sich einfach wohl, während George wendete und in die Dunkelheit fuhr.

 

Hi! Erste Jugenstory von mir. Für einen Schreibkurs entstanden (aber dann nicht eingereicht). Bitte fragen wenn einer der österreichischen Ausdrücke nicht bekannt ist .)
lg Irony

 

Hey Irony,

und Willkommen bei der Jugend :thumbsup:.

Das ist eine schöne Geschichte und liest sich so weg. Ein bisschen langatmig für meinen Geschmack, da gibt es so Ziehstellen ;).

Der Spannungsbogen ist recht schwach gezogen. Es stellt sich kein wirklicher Konflikt dem Leser in den Weg. Du hast da ne Menge Themen angeschnitten, traumatische Angst vor dem Wasser, ein Mord, erste Verbandelungen, die eintretende Reife aufgrund einer heftigen Situation. Das ist eine Menge für eine Geschichte.

so Kram:

und sog köstlichen Sauerstoff in seine Lungen.

köstlich klingt echt komisch in der Kombi mit Sauerstoff. Verstehe gut was Du meinst, aber köstlich klingt schräg.

George hatte die letzten Minuten damit verbracht, Grasbüschel aus der Wiese zu rupfen. Er hatte sich vor kurzem vorgenommen, das Rauchen sein zu lassen - zu je einem Drittel wegen seiner Eltern, seiner neuen Freundin und wegen dem Geld. Jedenfalls litt er seitdem unter akuter Dauernervosität.

Das legt sich zum Beispiel zäh über den Text. Eine Information, die weiter ohne Belang ist. Okay, es soll George charakterisieren, aber wie viel Charakter verleiht es ihm? Nicht viel, denke ich.

Klar, dass er seit damals total wasserscheu ist.”

Würde ich rausnehmen, wasserscheu passt nicht gut zu, über den See schwimmen. Er ist ja schon ein gutes Stück weiter.

“Aber so ein Spitzensportler verkraftet es halt nicht, dass er fast nicht schwimmen und schon gar nicht tauchen kann. Darum er probiert es immer wieder. Muss ihn viel Überwindung kosten.”

Das dagegen passt gut zu seinen Taten.

... und sein von der Sonne gerötetes Gesicht wurde noch ein Stückchen tomatiger.

Hehe.

Er rollte sich auf den fleischigen Rücken und streckte wie ein Hund alle Viere von sich. “Unsereins bleibt lieber trocken und genießt das für die Jahreszeit viel zu warme Klima. Danke, liebes CO2!” Es war wirklich ein außergewöhnlich milder Frühlingstag. Trotzdem hatten sie den See fast für sich alleine.
George seufzte. “Wie oft muss ich dir noch den Unterschied zwischen Wetter und Klima erklären, Harry?”
“Und wie oft soll ich dir noch sagen, dass es mir wurscht ist, Schorschi?”
Da wurde George trotz seiner intellektuellen Überlegenheit ein wenig grantig. Er hatte seinen Eltern bis heute nicht den “Georg” und alle darauf folgenden “Schorschis” verziehen. Da er ein gewisses Faible für die Beatles hatte, nannten ihn seit Jahren alle nur noch George. Außer wenn ihn jemand ärgern wollte.
Stefan fühlte sich verpflichtet, den drohenden Streit abzuwenden. Zum einen, weil er auf den Zusammenhalt der Gruppe großen Wert legte. Zum anderen, weil George der älteste war und damit als einziger über einen Führerschein und ein Auto verfügte. Ein wütender George würde vielleicht eine Heimreise per Autostopp bedeuten.

Solche Absätze treiben den Text jetzt auch nicht so recht voran. Ich hab die ganze Zeit des langen Einstieges drauf gewartet, worum es denn nun in der Geschichte gehen würde. Wann passiert denn jetzt endlich was?

“Wartet mal, Jungs. Mir ist gerade eingefallen, dass heute der fünfte April ist. Damit ist es jetzt genau ein Jahr her.”
Lisa nickte. “In der Zeitung ist alles genau gestanden. Ungefähr an der Stelle, wo wir jetzt liegen, hat er sie in das Boot geladen”, sagte sie leise. “Mitten in der Nacht.”

Und dann endlich ... :)

Die Sonne und das Bier hatten die Freunde müde gemacht, und nach einiger Zeit waren drei von ihnen eingeschlafen. Der hagere George hatte sich einen Strohhut ins Gesicht gezogen, um seine vornehme Blässe zu schützen. Lisa hatte sich auf der Seite zusammengerollt. Harry hatte noch mit matter Enttäuschung registriert, dass es sich nicht um seine Seite handelte, und war dann auch eingeschlafen.

Für die Geschichte auch nicht wirklich wichtig.

Die Luft duftete, und das klare Wasser funkelte in der Sonne.

duftete - mmh - da könntest Du ruhig die Sinne Deiner Leser konkret ansprechen, damit sie den Duft auch atmen - wonach? Es roch nach ...

Unwillkürlich musste er wieder einmal an seinen Unfall denken. Sechs Jahre alt und Nichtschwimmer, war er im Boot des Vaters gesessen. Seine Mutter war nicht dabei gewesen; sie hätte es nie zugelassen, dass er ohne Schwimmweste mitgefahren wäre. Sein Vater hatte ihm einen prächtigen Fisch gezeigt, und Stefan sich zu weit über die Reling gebeugt. Das Boot war von den Wellen eines Ausflugsschiffes durchgeschüttelt worden, und bevor der Vater reagieren konnte, plumpste Stefan ins Wasser. 20 Sekunden dauerte es, bis sein Vater ihn herauszog. Die Erinnerung an Einzelheiten verblasste langsam, aber die Gefühle des Runtergezogen-Werdens, des Nicht-Luft-Holen-Könnens und des Beinahe-Sterbens würden sein Leben lang bei ihm bleiben.

Das ist zwar hübsch, dass Du das noch mal genau beschreibst, aber die Info, dass er fast mal ertrunken ist, hat der Leser ja schon. Da würde so Stichpunkte reichen, die das grob umreißen. So Gedankenfetzen, wenn Du verstehst, was ich meine. So ist es wieder eine Zieh-in-die-Länge-Stelle.

und das andere Ufer lockte mit prächtigen Farben.

Ne, oder? Streich mal ;).

Plötzlich fiel Licht auf sein Auge. Irgend etwas blendete ihn,

blenden tut es sicher nicht, eher erregt es seine Aufmerksamkeit, ein Glitzern von unten. Ich weiß gar nicht, ob das in der Realitität überhaupt möglich ist, aber ich will es gern glauben.

Das Wasser war an der Stelle gut drei Meter tief, doch so klar, dass er schemenhaft einen metallischen Gegenstand erkennen konnte.

Eine Kette in drei Meter Tiefe? Die kann er schemenhaft erkennen? Wow.

Unwillkürlich begann er, tiefere Atemzüge zu machen.

Und hier dachte ich, jetzt fängt er an zu hyperventilieren. Aber nein, er taucht! Hey.

Doch erstaunlicherweise hatte er noch etwas Luft in der Lunge.

Unbedingt streichen.

Da fand er den Gegenstand endlich! Er ergriff ihn und begann aufzutauchen. Da merkte Stefan, dass sein Luftvorrat doch schon am Ende war.

Unschöne Wiederholung.

“Das hast du gefunden?”KOMMA gähnte der erwachte Harry.

Ich hör an dieser Stelle mal auf. Verdichten wäre gut, weil Du ja eh schon kein wirkliches Zugpferd von Konflikt hast.
Aber das denke ich. Und gelesen hab ich sie nicht ungern, also muss ja doch viel Gutes drin stecken.

Beste Grüße Fliege

 

Hi Fliege, vielen Dank.
Gebe allen deinen Verbesserungsvorschlägen Recht. Was das "Geschwafel" das nicht viel zur Geschichte beiträgt angeht: bin da gedanklich wahrscheinlich noch zu sehr in meinen eigenen Jugendbüchern drin. Aber eine Kurzgeschichte ist eben doch was anderes als ein Roman.
lg Irony

 

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