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Stille Nacht

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01.10.2016
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Stille Nacht

Ypern, 1914.
Er war wohl der Einzige unter ihnen, der am Himmel noch nach Sternen suchte. Doch wie konnte der Junge Sterne sehen wollen, wenn es keinen Himmel mehr gab? Über ihren Köpfen lag eine schwere Decke aus Rauch und Höllenfeuer, das ihre Häupter versenkte und sie in ihre Grotten drängte wie die Verdammten.
Und der Junge, er war nur einer, einer von Millionen anderen. Unter seinem Helm wütete die Krätze, und darunter kauerte eine Seele, die zerfressen war von Desillusionierung und der Leere der verlorengegangenen Kindheit. Seine Augen fixierten fortwährend das unerreichbare, ewige Firmament hoch über ihnen. Er dachte nicht an den Krieg, nicht an die Siege und Verluste, an die Fahnen, die Gewehre, nicht einmal an seine Kameraden. Der Junge dachte an nichts dergleichen mehr.
Der Lehrer Schnorrenberg des örtlichen Gymnasiums hatte der Klasse mit geschwelter Brust verkündet, dass ein jeder von ihnen mit Recht als Held, als Märtyrer fürs Vaterland in die Historie eingehen würde. „Bis Weihnachten seid ihr wieder daheim“, hatte er gesagt. Die Jungen waren in Jubelchöre verfallen, hatten in euphorischem, jugendlichem Tatendrang den weinenden Müttern und neidischen Gefährten vom Zugwagon aus gewunken und nationalistische Lieder angestimmt. Sie alle hatten dem Lehrer geglaubt.
„Gibt’s da was zu sehen, Moritz?“, fragte der unbekannte Mann neben ihm. Er hätte sein Vater sein können. Der Junge schüttelte den Kopf. Er spürte, wie sich um seine Füße herum etwas regte, doch es kümmerte ihn kaum. Das mussten die Ratten sein, die elendigen Mitbewohner ihrer verseuchten Löcher. Seit Monaten nun lebten sie zusammen in den Gräben, in den blutgetränkten Schlammfurchen. Dabei waren das Schlimme nicht die Ratten, ihre Kameraden ohne Uniform. Es war der verätzende Gestank der verendeten Körper, der dahingemetzelten Kameraden, der allgegenwärtig das Atmen zur Tortur machte.
DEM VATERLAND TREU BLEIBEN! FÜR REICH UND KAISER! MÖGE DER ALLMÄCHTIGE MEINEN DEGEN FÜHREN UND DEN SIEG UNS BRINGEN!
Suchen nach Gott, so wie jede Nacht. Kämpfte Er tatsächlich auf ihrer Seite, oder waren es gar die Franzmänner, die Er führte? Moritz versuchte, sich daran zu erinnern, was sie ihnen diesbezüglich in der Schule gesagt hatten. Doch all die leeren Versprechungen und Verheißungen waren nicht mehr als wahllos zusammengekleisterte Wörter in seinem Kopf. WO IST GOTT?
Neben dem Jungen lagen zwei Kameraden.
Der eine schlafend. Der andere tot.
Moritz wusste, dass er niemals die Augen schließen durfte. Niemals. Denn in jenem bodenlosen Zustand würden die Bilder, die Klänge, die Gerüche der Heimat wieder Besitz von ihm ergreifen. Sie würden ihn wieder heimbringen wollen. Er sähe seine liebe Mutter mit der Schürze voll Äpfel, den strengen und kaisertreuen Vater, das kleine Fritzchen. Er hörte ihre Stimmen in einer Kakophonie aus Sehnsucht und unsäglichem Heimweh. Das war es, was jedem von ihnen, ob Franzose oder Deutscher, den Wahnsinn in die Herzen trieb. Im Vergleich zu der zugefrorenen Hölle, in der sie sich befanden, schien die winzige, verdreckte städtische Mietskaserne und das kohleverrußte Bauernhäuschen das Paradies zu sein, aus welchem sie mit erhobenen Fahnen, frischpolierten Stiefeln und strahlenden Gesichtern hochnäsig hinausmarschiert waren. Sie alle waren verblendet gewesen. Verblendet vom Ruhm, vom Sieg, von der Überlegenheit, die ihnen eingebläut wurde. Sie alle wollten aus eigenem Willen dem Vaterlande dienen!
Auch Moritz. Besonders Moritz. Zusammen mit seinen Freunden war er einer der ersten Knaben auf der Liste gewesen. Sie hatten Späße über den Krieg gemacht, hatten sich ausrüsten und trimmen lassen. „Ich bin doch Weihnachten wieder zurück, Mutter!“
Und mit diesen Worten waren sie hinfortgezogen. In den Westen. In den persönlichen, heiligen Krieg. Moritz gefiel es unter seinen Kameraden. Ihm gefiel es, einer von ihnen zu sein, nichts tun zu müssen, außer mitzumarschieren, mitzusingen, mitzukämpfen.
Mitzuversagen, mitzuleiden, mitzusterben wie die Fliegen. Der Krieg.
Schon bald dämmerte ihm, dass es kein Zurück mehr ins Paradies gab. WILL GOTT UNS NICHT ZURÜCK?
„Sie kommen!“, brüllte der Mann neben ihm mit weitaufgerissenen Augen. „Da vorne rennen sie schon!!“ Alles, was noch lebte, griff reflexartig zu den Waffen. Der Materialkrieg. Man hielt den Atem an. SIE KOMMEN!
Moritz wandte seinen Blick vom verdeckten Himmel ab und erblickte perplex die Finsternis des Grabens. Alles war in Aufruhr. Der Schlafende, ein ehemaliger Klassenkamerad namens Helmut, hatte sich längst wieder aufgerappelt und suchte nun verzweifelt nach seinem Dolch, den er in all dem Durcheinander verloren hatte. Diejenigen unter ihnen, die unbewaffnet waren, hatten sich in die Löcher zurückgedrängt wie verschreckte Hasen. Es war ihr Ende, und das wussten sie. Moritz spürte, wie das Herz in seiner Brust brannte und von innen gegen das schwere Maschinengewehr klopfte, das er bei sich trug. Helmut und er waren zuletzt die einzigen aus der Klasse gewesen, die noch eine Waffe bei sich trugen. Die gleichaltrigen Kameraden waren tot. Der Erich, der Alfred, der Georg und Lehrer Schnorrenberg. Alle tot.
„RENNT, KAMERADEN!“, schrie der Mann mit von Panik verzehrter Stimme. „RENNT VOR DEN-“
Und in dieser Sekunde wurde sein Leib von einer Handvoll Blei durchsiebt, und er sank mit plumpem Laut zu Moritz’ Stiefeln in den Matsch. Der Junge stöhnte auf. Ekel, Panik und das schiere Entsetzen waren die Herren seiner Seele geworden.
Das gewaltige Dröhnen der Bomben in der Umgebung und das ohrenzerschmetternde Gewährsfeuer erschütterten die Welt. Die Apokalypse nahm erneut ihren Lauf. Klänge der Hölle. Bilder der Verdammnis. GOTT, WO BIST DU!

Dann rannte Moritz los. Raus aus dem Versteck. Hinein in die Mausefalle. Er stolperte über frisch gefallene, noch blutende Leiber, versank im roten Schlamm, im Rauch der Geschosse. Er musste weiter, durfte mitsamt der Waffe und der Uniform jetzt nicht halten.
Immer nur rennen, rennen, rennen. Bis zum jüngsten Gericht.

Junger Moritz, wo rennst du hin? Wo, mein Knabe, ist deine kämpferische Ehre geblieben, und wo die zügellose Vaterlandstreue? Du huschst durch Nebel und Verderben davon wie ein wildes Tier auf der Flucht, blickst dich nicht um zu deinen Kameraden! – Wer spricht da? Bist du es, Gott? – Aber nein! Wer hier spricht, das ist die Angst. Ich bin das Letzte, was dir geblieben, dein letzter, lebendiger Freund. Du weißt, selbst, wenn sie dich nicht kriegen sollten, werde ich bei dir bleiben. Ich habe dir meine Treue geschworen. Ich werde mit dir heimkehren.

Und dann war es vorbei.
Zwei Schüsse durchlöcherten ihm Oberschenkel und Hüfte.
Der Junge stürzte.
Neben ihm ertönten die Todesschreie der anderen. Womöglich waren es nicht seine eigenen Kameraden. Womöglich trugen sie andere Uniformen, hatten andere Namen und sprachen eine andere Sprache. Doch waren sie alle Menschen. Sie alle waren von Gott geschaffene und im Tode vereinte Menschen.
Nach einer geraumen Zeit ebbte der Kanon der Qualen langsam ab. Wie viele waren schon tot?
Moritz bewegte sich kaum mehr. Sein Atem ging stoßweise, und die zertrümmerte Seele begann, sich reisebereit zu machen.
„Bis Weihnachten seid ihr wieder daheim“, hatten sie ihnen 1914 gesagt.
Aber nicht, bis zu welchem Weihnachten.
Ein letztes Mal blickten die grauen Augen gen Himmel. Dort oben, hoch über den Köpfen der Verwundeten, der Verlassenen, der Mordenden, der Angsterfüllten, dort thronte der Weihnachtsstern.
Moritz wollte lächeln.
Dort oben war Er.
GOTT.

 

Hallo CatErina,
bei mir hat es gleich geklingelt: Ypern=Giftgas! Da wurde, soviel ich weiß, erstmals Giftgas eigesetzt. Du hast das nicht thematisiert. Muss man auch nicht.
Generell kannst Du gut mit Worten umgehen, aber manchmal schießt Du etwas weit. "das ihre Häupter versen(g)te" oder "das Atmen zur Tortur machte" zum Beispiel, finde ich etwas gestelzt. Sicher eine Geschmacksfrage.
Mir gefällt der Kreis, den Du vom Himmelsblick ausgehend konstruierst. Aber GOTT hat dort nichts verloren. Wenn der 1.Weltkrieg etwas bewiesen hat, dann dass Gott sich nicht um seine Schöpfung schert.
Natürlich kommt mir bei der Schilderung sofort "Im Westen nichts neues" in den Sinn und damit die Frage, welchen interessanten neuen Aspekt die Geschichte bietet. Leider habe ich nichts gefunden. So wichtig es auch ist, das Grauen des Krieges zu thematisieren, literarisch ist die Sache ziemlich ausgereizt worden.
Dass Du die gleiche Konstellation wie Remarque wählst, macht es nicht gerade interessanter.
Und so liegt der Wert der Story für mich hauptsächlich in der sprachlichen Gestaltung.

Grüße
Kellerkind

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo CatErina,

ich habe deine Geschichte gelesen und komme zu einem ähnlichen Resultat, wie Kellerkind es in seinem letzten Absatz formuliert:

... literarisch ist die Sache ziemlich ausgereizt worden.
Dass Du die gleiche Konstellation wie Remarque wählst, macht es nicht gerade interessanter.

Allerdings halte ich es für müßig, hier einen ausführlichen Kommentar zu deiner Geschichte einzusetzen, wenn ich sehe, dass Kommentare von dir gar nicht oder nur mit einem lapidaren Satz beantwortet werden.

Grüße
barnhelm

 

Hallo Kellerkind,

Giftgas hätte ich tatsächlich aufgreifen können. Hätte vielleicht gegen Ende ganz gut zur personifizierten Angst gepasst.
Mich freut, dass meine Geschichte für Dich immerhin sprachlichen Wert hat. Ich habe sie vor Ewigkeiten geschrieben und schon x-Mal überarbeitet, zuletzt, bevor ich sie hier einstellte.

Über die Sicht auf Gott kann man sich bekanntlich streiten. Die berühmte Theodizee: Gibt es Gott, wenn es Kriege gibt? Meiner Meinung nach: ja. Religionsunabhängig ja.
Auf den historischen Kontext meiner Geschichte bezogen: Viele Soldaten und Opfer dieser Grausamkeiten werden ihren Glauben spätestens auf dem Schlachtfeld verloren haben. Aber mein Protagonist ist noch so jung, ein Gymnasiast, wohl keine 17 Jahre, er ist suchend und fragend und hat keine Gelegenheit mehr, sich über diese Frage tiefgründige Gedanken zu machen, zumal er von der (in seinem Falle allmächtigen) Todesangst blockiert wird. Darum geht es in meiner Geschichte, unter anderem.

Dass mich Remarque sowohl mit "Im Westen nichts Neues" als auch anderen Texten inspiriert hat, gebe ich zu. Meine Hauptinspiration allerdings war der Geschichtsunterricht im Abitur (wie gesagt, der Text ist alt...)
Beste Grüße,
Caterina


Hallo barnhelm,

Allerdings halte ich es für müßig, hier einen ausführlichen Kommentar zu deiner Geschichte einzusetzen, wenn ich sehe, dass Kommentare von dir gar nicht oder nur mit einem lapidaren Satz beantwortet werden.
Was meinst du damit? Das habe ich nicht ganz verstanden, entschuldige!

Beste Grüße,
Caterina

 

Schau mal unter deine beiden Texte:

Inmitten des Sees
und
Der Misanthrop

Vielleicht verstehst du mich dann besser.

barnhelm

 

barnhelm

Pardon, ich hatte nicht gewusst, dass die Beantwortung von Kommentaren obligatorisch ist. Zumindest las ich davon nichts in den Regeln des Forums. Danke Dir nichtsdestotrotz für den Hinweis!
Ich lese alle Kommentare, mache mir Notizen und, je nach Zeit, schreibe eine Antwort. Wer sich übergangen oder nicht ernst genommen fühlt, der möge in Zukunft meine Texte nicht mehr kommentieren oder, um mich darauf aufmerksam zu machen, einen privaten Dialog mit mir führen.

Mit freundlichstem Gruße,
Caterina

 

Ich muss sagen, ohne mich dabei an irgendwjemanden im Speziellen zu richten, dass ich die Haltung vieler hier besonders aktiver Mitglieder deprimierend finde. Sowohl Texte wie die Autoren selbst werden voreilig abgestraft, werden, weil sie Rechtschreibfehler nicht korrigiert, Rezensionen nicht beantwortet, haben sofort mit der maximal Strafe bedacht, nämlich das Ignorieren jener Person. Nicht, dass eine Antwort und die Korrektur von Fehlern nicht wünschenswert wäre, aber die Versuche dies zu erzwingen sind merklich überzogen, daran ändern auch irgendwelche förmlichen Grüße nichts, im Gegenteil, sie wirken wie Hohn und bewahren einen Frieden, der längst aufgekündigt wurde.

Wer hier etwas veröffentlicht wird oft, wenn auch nicht immer, gleich mal gesagt, dass die Geschichte nicht funktioniert, ich sehe dies eher so, dass die Geschichte schlicht nicht verstanden wurde. Aber das ist nicht das eigentliche Problem, die schnellen Urteile, die eine starke Tendenz haben, sofort ins negative abzurutschen, dem Autor sofort Vorwürfe zu machen oder spontan ein gewisses Maß an Unfähigkeit anzunehmen, ohne sich wirklich mit dem Werk auseinander gesetzt zu haben. Verständnis ist das Schlüsselwort, auf ihrer Basis wird jede Kritik konstruktiv und jede Anregung tendenziell eher angenommen. Sicher gibt es hier viele, die das wissen, aber dennoch gibt es immer wieder so unschöne Ereignisse und das leider viel zu oft. Der Wortkrieger darf weder zum Wortopportunisten, noch zum Wortinquisitor werden. Vielleicht könnte eine Abgrenzung gegen diese beiden Extreme für ein besseres Klima sorgen. Jeder Autor schreibt doch für ein Publikum, und da man hier nichts verdient läuft sehr viel auf ein Verständnis für die eigenen Inhalte hinaus. Technik ist auch wichtig, aber längst nicht alles und sollte immer mit den Inhalten Hand in Hand gehen. Man braucht Verständnis und braucht einen Dialog, der nicht sofort abbricht, sobald jemand von einer ungeschriebenen Regel abweicht. Auch diesen Regeln tut man nämlich einen Bärendienst, wenn man sie mit unangemessener Härte vertritt.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Bael, verstehe ich grundsätzlich. Aber wenn Du schon so viele Leute erlebt hättest, die hier ihren Kram reinstellen, ernsthafte Kritik und Anregungen abfassen und dann noch nicht mal den Anstand besitzen, danke zu sagen, würdest Du das Ganze auch anders bewerten, glaub mir das. Barnhelm und Maria sprechen nur das aus, was viele langjährige Mitglieder frustriert. Man muss einfach mal sehen, dass so ein profunder Kommentar nicht nur Spass macht, sondern auch ein bisschen was mit Arbeit zu tun hat und eigentlich eine Hilfe darstellt. Einige Leute kommentieren gar keine Neuen mehr, einfach weil man oft nicht das geringste Feedback bekommt oder die Neuen sofort eingeschnappt sind, wenn man nicht jubelt. Gruß Achillus

 
Zuletzt bearbeitet:

Für grundsätzliche Diskussionen dieser Art, Bael, steht das Unterforum "Kritiker" zur Verfügung (unter: Service / Beratung/Textarbeit).

In folgendem Thread wurde schon vieles zu diesem Thema gesagt.

http://www.wortkrieger.de/showthread.php?58009-Unduldsame-(beleidigte-)-Kommentatoren

Bitte unter Geschichten nur Beiträge posten, die sich auf die Geschichte beziehen. Ich lasse das mal so stehen, weitere OT-Beiträge werden aber gelöscht.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Caterina,

Falls mein Kommentar zu lakonisch ausfiel; Gottes Existenz wollte ich hier nicht diskutieren, das sprengte den Rahmen des Forums.
Mir ging es eher um die Frage, was der Glaube den Frontsoldaten noch zu geben hatte, angesichts der realen Apokalypse, die sie erlebten, die ja unter anderem von den Kirchen abgesegnet worden war. Nicht nur die Lehrer betrieben Agitation, genauso wichtig war die moralische Instanz, die Religionsvertreter.
Das ist weniger eine Textkritik, als ein lautes Nachdenken meinerseits.
Das Ende bietet einen versöhnlichen Ansatz, sozusagen die Erlösung von den vom Menschen gemachten Grauen durch das Finden zu Gott im Angesicht des Todes. Da leuchtet eine Botschaft durch, die mir nicht behagt.
Aber das ist auch kein literarisches Problem und so möchte ich es nur erwähnt haben.

Grüße
Kellerkind

 

Hallo CatErina!

Obgleich du mit deiner Geschichte nichts Neues erzählst, gelingt es dir in meinen Augen, den Schrecken und die Angst im Kampf und im Gefecht gut und plastisch darzustellen. Die Hauptfigur erlebt ihre Furcht sehr intensiv und ergreifend.

Einige Dinge fand ich nicht so passend:
Du berichtest von den typischen Merkmalen des ersten Weltkriegs - Schlamm, Ratten, Grabenkrieg, Sturmangriffe und hohe Verluste. Das ist zwar passend, allerdings befindest du dich erst im Jahr 1914 - im ersten Jahr des Krieges. Dort war die Situation an der (West-)Front jedoch noch längst nicht so demoralisiert, erschüttert, hoffungslos und angsterfüllt. Die Sinnlosigkeit der festgefahrenen Grabenkämpfe und immensen Materialschlachten war noch überhaupt nicht so ausgeprägt wie in den Folgejahren und den Gemetzeln an der Somme oder Verdun. Du greifst also in der schrecklichen Situation den Dingen zu sehr voraus. Auch waren die (deutschen) Soldaten 1914 im Allgemeinen noch lange nicht so abgekämpft, demoralisiert und hoffnungslos wie von dir beschrieben.

Ein weiterer Punkt, der mir aufgefallen ist, war die Beschreibung der unbewaffneten Soldaten, die sich dann angstvoll in ihren Stellungen verkrochen haben. Im Kampf, insbesondere innerhalb der eigenen Stellungen, wird es in aller Regel keine "unbewaffneten" Soldaten gegeben haben. Wer sein Gewehr im Kampf verloren hat, bekam (neben einem Haufen Ärger!) halt über kurz oder lang ein neues. Hier liest sich dein Text allerdings so, als wären die deutschen Truppen schon im Zustand des Ausrüstungsmangels und des fehlenden Nachschubs - auch das ist 1914 noch viel zu früh.

Ebenfalls schreibst du, dass deine Hauptfigur ein "Maschinengewehr" an seine Brust drückt. Im Jahr 1914 waren Maschinengewehre lafettierte Ungeheuer von über 20 Kg Gewicht, die man nicht so ohne weiteres ängstlich an seine Brust drücken konnte wie ein modernes Sturmgewehr aus heutiger Zeit. Die Standardinfanteriewaffe war der klassische Karabiner 98.

Mag sein, dass das alles jetzt kleinkarriert klingt. Aber du schreibst nun einmal über den Krieg - und mir als Militaristen fallen solche Dinge halt auf.

Grüße vom EISENMANN

 

Hallo Kellerkind,
danke für die Erläuterung Deines Punktes. Jetzt verstehe ich, was gemeint ist. :) Mir war, als ich vor Urzeiten diese Geschichte geschrieben habe, gar nicht so sehr bewusst, wie stark Gott hier im Vordergrund steht. Ich wollte einen Ansprechpartner erschaffen, für einen Jungendlichen im Krieg, der mit sich und der Welt fertig ist, seine Familie und Freunde nicht mehr um sich hat, isoliert ist und nur noch von Erinnerungen und dem Glauben lebt. Ob dieser ihm nun anerzogen oder "eingeimpft" wurde, oder tatsächlich seiner tiefen moralischen Überzeugung entspringt, das sei dahingestellt.
Wie du schon sagtest, ist es auch kein literarisches Problem. Eher Ansichtssache. Trotzdem, danke für diesen Gedanken!

Beste Grüße,
Caterina


Hallo Eisenmann,

vielen lieben Dank für die fachmännische Korrektur! :) Gut zu wissen, dass es solche Mängel noch gibt, die verbessert werden sollten (wie das mit dem Gewehr, da wäre ich selber wohl nicht drauf gekommen). Zu anfangs war es nicht geplant, die Geschichte auf 1914 zu datieren; sie war undatiert, sollte bloß irgendwo an der Westfront im Stellungskrieg spielen. Das "Ypern 1914" kam erst ganz zuletzt hinzu. Es kann genauso gut entfallen, sollte es wohl auch.

Beste Grüße,
Caterina

 

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