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Stilistisches Experiment

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20.04.2002
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Stilistisches Experiment

Mit jedem lauten Ticken der großen Wanduhr wurde ein weiterer schon so schwacher Nerv bis zum Reißen gespannt.
Die trockenen Hände fuhren durch das frisch gewaschene Haar, ihre Augen verharrten beim gräßlichen Anblick der hölzernen Tür.
Jeden Moment drohte es zu läuten, das grelle Geräusch würde durch das ganze Haus fahren, und ihre starken Kopfschmerzen um das doppelte verfielfachen.
Bei diesem Gedanken zuckte sie hoch, es war eine nicht auszuhaltende Situation.
Du musst nicht öffnen, du musst die Tür nicht öffnen. Einfach läuten lassen, sitzen bleiben, nicht öffnen.
Sie würde nichts tun, die Tür nicht beachten, sich selbst belügen; ich höre nichts.
Sie stand in dieser Macht, sie fühlte sich stark, sie würde es tun.
Ein tiefer Zug von der Zigarette, was für ein Pech, der Rauch versperrte ihr die Sicht.
Die Tür war verschwunden.
Sie würde sie nicht finden, könnte nicht öffnen. Schade, schade.
Doch noch läutete es nicht.

Seine schwachen Füße trugen den übergewichtigen, kleinen Körper ohne Beschwerden, die Vorfreude auf seine Nichte machte alles andere gleichgültig.
Die dreckige Straße, die unfreundlichen Menschen, der kalte Regen in seinem Nacken.
Alldas nahm er in Kauf, er war erfreut.

Sie wirkte selbstsicher. Sie könnte es tun, einfach nicht öffnen. Böse, sie war böse.
Der arme kleine Mann. Oh nein.
Das Bein über das andere geschlagen, die Finger an der Zigarette, nur noch ein Zug.
Das Leben war schön.
Das Läuten ignorieren, nichts hören, sie könnte nichts hören.
Doch ihre Ohren erwarteten das Läuten voller Freude, denn sie würde es tun.
Der teuflische Plan, doch noch läutete es nicht.

Die kleinen Schritte wurden länger, seine Augen weiteten sich beim Anblick seines lieblichen Ziels.
Nun konnte ihn nichts mehr aufhalten. Ein vorbeifahrendes Auto spritzte seine neue Hose voll, die Leute blickten ihm unfreundlich nach.
Doch nichts machte ihm etwas aus.

Nervös klopfte ihr Fuß auf den Parkettboden. Sie konnte es nicht mehr erwarten.
Böse, böse. Sie würde nicht öffnen.
Verschmitztes Lächeln auf den schmalen Lippen, noch ein Zug von der Zigarette.

Seine Augen erblickten das Namenschild. Der kalte Finger drückte auf die Türklingel. Ein grelles Läuten schallte in seinen Ohren.

Kopfschmerzen, nur noch ein Zug.
Sie tut es. Keine Bewegung. Lächeln.

Ein weiteres Mal. Grelles Läuten. Nichts geschah.
War er an der falschen Adresse? Nein. Koflergasse 9.
War er zu früh? Nein. 19:30. Nichts geschah.
Die Tür öffnete sich.
Eine hübsche, junge Frau stand ihm gegenüber; die Arme offen für eine herzliche Begrüßung.
Das Läuten schmerzte noch in ihrem Kopf. Kopfschmerzen. Nicht auszuhalten.
Freundliches Lächeln.
"Mein Liebling."

 

Ich bitte dringend um Kritiken! Bin schon ganz nervös, ist immerhin meine erste Geschichte hier!
Also tut mir den Gefallen, okay? Thx, bäum

 

Ohje Bäum, mal ganz ruhig, ja?
Deine Story ist grad mal drei Stunden online, und Du bekommst schon Angst?
Relax! Keiner lässt sich gern hetzen! :smokin:

Ugh

P.S. Ich hab die Story auch schon vor drei Stunden gelesen, aber weiss noch nicht genau, was ich dazu sagen soll..
*grübel*

[ 21.04.2002, 20:41: Beitrag editiert von: Bibliothekar ]

 

Hi bäum!

Erstmal Herzlich Willkommen auf kg.de!!!
Zum zweiten, du brauchst dir nach drei stunden nicht schon per Posting Kritiken wünschen, dass passiert hier von ganz alleine, einfach ein wenig Geduld zeigen und nicht aufregen! :cool:

So, jez zu deiner Geschichte. Ich würde sie zu den Geschichten zählen, die man schnell liest, aufgrund der kurzen Sätze und der immer wiederkehrenden Wörter. Nur bleibt mir ein wenig verschleiert, warum die Geschichte so heisst, wie sie heisst und warum die Protagonistin die Tür nicht öffnen will. Deine Story lässt mich etwas ratlos zurück, warum soll es ein "Stilistisches Experiment" sein?
Meine Vermutung war erstmal, dass es sich um eine Prostituierte handelt, aber dein letzter Satz, "Mein Liebling" hat diese Vermutung nicht bestätigt, da Prostituierte meist einen grossen Abstand zu ihren Freiern halten wollen.
Also, ich bitte um Aufklärung!

Gruss, Sam.

[ 21.04.2002, 20:51: Beitrag editiert von: Gamdschie69 ]

 

Kann es sein, das sie vieleicht sogar als Kind von Ihrem Onkel( weil Nichte)
missbraucht wurde, und sich deshalb eckelt.

Hm..Fragen über Fragen

Rub.

[ 21.04.2002, 20:57: Beitrag editiert von: Rub. ]

 

schööööön, endlich kritiken! *gg*
sorry fürs hetzen, war aber soooo nervös... *hm*
naja, also zu meiner geschichte:
ist echt witzig, dass ihr gleich anfängt, so über die handlung zu grübeln, aber das war mir an dieser story nicht das wichtigste... eher wollte ich etwas mit dem stil experimentieren, daher auch der name! *gernaufklärentu* ;) (bin neuling, berzeiht!) naja, ich bin mir schon im klaren darüber, dass die story nicht gerade sehr handlungsreich ist; alles was ich damit bezwecken wollte, war, wie schon gesagt etwas stilistisches...
tja, aber es kommen ja noch andere stories! *freu*
also dann, schönen abend noch! muss jetzt lernen! *jipiiie* bäum

 

find den schreibstil ganz ok! allerdings nützt dir das nichts, wenn deine geschichte keine handlung hat. muss auch meinemvorschreiber beipflkichten. es geht doch nicht darum einen neuen stil auszuprobieren, denn was du schreibst ist irgendwo wichtig! vielleicht veränderst du das nochmal, denn viele offenen fragen sind immerhin nicht schön, wenn du eine gute geschichte schreiben willst!

 

Also ich fand die Geschichte gut. allerdings nicht wegen dem Schreibstiel,der ist ok , das ganze wirkt aber irgent wie zusammen gewürfelt.
Die geschichte gefällt mir deswegen , weil man eben nicht sofort einen Sinn erkennt, beim genaueren hinsehen aber aber doch Interpretationsmöglichkeiten findet.

An Instinkt: Nimm zum z.B Kafka. Denn versteht auch keiner beim ersten lesen und drotzdem ist er brilliant.

 

also ich hoffe, ich habe jetzt nach einigem grübeln die richtige erklärung für diese geschichte: ich denke, dass ich bezwecken wollte, die jeweilige situation und das momentare gefühlsleben der figuren an die leser weiterleiten wollte. einfach dem leser zeigen, wie sich die figuren wegen den banalsten situationen (sie hatte einfach keine lust, ihren onkel zu sehen) fühlen; ich glaube dass das das ziel der geschichte war... :D bäum

 

Schön und gut, deine Erklärung, aber unter Stilistisches Experiment verstehe ich was anderes. Es ist ja kein aussergewöhnlicher Stil, oder ein neuer! So schreiben viel, deswegen ist es für mich persönlich kein Experiment!

Gruss, Sam.

 

"um das doppelte verfielfachen." ???
"Sie stand in dieser Macht" ?!?!

abgesehen von solchen patzern gleich zu beginn hat die geschichte eine hm... kristallene struktur, die ruhig ein wenig mehr farbe vertragen würde. die geschichte ist nicht schlecht, aber sie bleibt auch nicht im kopf hängen.

 

Versprochen ist versprochen, hier meine Kritik!

Als Erstlingswerk ist es gut gelungen, um einiges besser als meines seinerzeit ;)
Schöner Ansatz mit den beiden Perspektiven, jedoch weckt die Beschreibung des Onkels ( "kleiner Mann", "die Leute schauten ihn unfreundlich an" usw.), auf mich recht Mitgefühl erweckend, deshalb konnte ich kaum Mitleid mit der Frau aufbauen. Hatte den Hinweis mit der Nichte übersprungen und ihn mir als häßlichen Menschen ohne Freunde vorgestellt.
Auf mich wirkte das "Mein Liebling" am Ende zu schwach, besonders, weil du ja die ganze Zeit auf die Pointe hinarbeitest. Vielleicht solltest du es mehr verschleiern, den Leser nicht so gradlinig dorthinführen.

Kleinigkeiten, die mir noch auffielen ( mach dir darüber keinen Kopf, wenn ich einmal kritisiere, dann immer seitenlang :) )

Die trockenen Hände fuhren durch das frisch gewaschene Haar, ihre Augen verharrten beim gräßlichen Anblick der hölzernen Tür.
Der Satzanfang ist schön, aber das "gräßlich" erscheint mir zu dick aufgetragen.

und ihre starken Kopfschmerzen um das doppelte verfielfachen.
"vervielfachen", von "viel"... aber der Ausdruck "um das "doppelte vervielfachen" ist nicht glücklich gewählt. Lass das "doppelt" einfach weg, sonst wär es doppelt gemoppelt.

Sie würde nichts tun, die Tür nicht beachten, sich selbst belügen; ich höre nichts
M.E. besser: "...sich selbst belügen: ich höre nichts."
Durch den Doppelpunkt gerät man nicht ( wie ich ) in Verwirrung, weil man plötzlich noch einen anderen Ich- Erzähler wahrnimmt.

Sie stand in dieser Macht
Noch nie gehört, aber nicht direkt schlecht. Nur: würde es keine andere Formulierung besser ausdrücken?

Ein tiefer Zug von der Zigarette, was für ein Pech, der Rauch versperrte ihr die Sicht.
Die Tür war verschwunden.
:bounce: Das war nichts! Mir ist schon klar, was du ( im nächsten Satz ) damit aussagen willst. Aber sie raucht eine Zigarette, und benutzt keine Nebelmaschine! Versuch dir die Situation mal bildlich vorzustellen: eine komplette, ( nahe ) Tür verschwindet komplett hinter einer undurchdringlichen Nebelwand. Neee, das wirkt eher unfreiwillig komisch, und das soll es, glaub ich, nicht. Oder etwa :stoned: ? :rotfl:

Seine schwachen Füße trugen den übergewichtigen, kleinen Körper ohne Beschwerden, die Vorfreude auf seine Nichte machte alles andere gleichgültig.
s.o. Du beschreibst den Onkel zu positiv, Bsp: "Schwache Füße". Ist er selber schwach im Vergleich zur Frau? Oder aber dominiert er über seine Nichte?

Alldas nahm er in Kauf, er war erfreut.
Bin mir selbst nicht sicher... schreibt man "Alldas" wirklich zusammen?

Sie wirkte selbstsicher. Sie könnte es tun, einfach nicht öffnen. Böse, sie war böse.
Der arme kleine Mann. Oh nein.
s.o. Das ist die Sicht der Erzählerin, klar. Du solltest den Kontrast in der BESCHREIBUNG
der beiden Menschen deutlicher machen. Ihr Gedankengang ist so ja gelungen.

Das Bein über das andere geschlagen, die Finger an der Zigarette, nur noch ein Zug.
Das Leben war schön.
Das Läuten ignorieren, nichts hören, sie könnte nichts hören.
Doch ihre Ohren erwarteten das Läuten voller Freude, denn sie würde es tun.
Der teuflische Plan, doch noch läutete es nicht.
Allgemein gut, aber die letzten beiden Sätze :confused: ?
Sie will ja nicht öffnen. Ihre Ohren freuen sich, dass sie öffnen wird? Teuflicher Plan? Führt entweder in Richtung "nicht öffnen" oder Mordgedanken. Zu unklar.

Die kleinen Schritte wurden länger, seine Augen weiteten sich beim Anblick seines lieblichen Ziels.
Meint die aus ihrer Sicht "gräßliche Tür", hmm?
Gut!

Nun konnte ihn nichts mehr aufhalten. Ein vorbeifahrendes Auto spritzte seine neue Hose voll, die Leute blickten ihm unfreundlich nach.
Doch nichts machte ihm etwas aus.
Abermals der Onkel in der Opferrolle.
Flüssiger im letzten Satz: "Doch es machte ihm nichts aus."

Kopfschmerzen, nur noch ein Zug.
Sie tut es. Keine Bewegung. Lächeln.
Sie fasst nur den Entschluss, es zu tun, tut es aber noch nicht, da: "keine Bewegung".

Stilistisch hat mir die Geschichte gefallen. Was für ein "stilistisches Experiment"? die Überschrift passt meiner Ansicht nach nicht. Die Sätze sind schnell gelesen, doch die Geschichte wirft Fragen auf, besonders bezüglich des Verhaltens der Nichte. Diese Fragen fallen jedoch erst bei weiterem Lesen auf. Plättest du sie, erhältst du eine leichtverdauliche Geschichte.
Sind einige Unklarheiten gewollt ( ich persönlich finde eher, dass sich ein paar Logikfehler eingeschlichen haben, aber lasse mich gerne von dir eines besseren belehren ), so gehen sie unter in der glatten Präsentation, werden vom Leser nicht reflektiert, sondern überlesen.
Die Anmerkung am Anfang unterscheidet sich etwas vom dieser hier. Das verdeutlicht glaub ich, dass man bei intensiverem Lesen neue Fragen aufwirft.

para

 

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