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21.12.2008
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Staunen

Eine Weihnachtsgeschichte 2008
von Michael Schmidt

Er legte einen Scheit Holz auf die Kaminglut und setzte sich wieder auf den Steinboden vor seinen Sessel. Er dachte an letztes Weihnachten, schloss seine Augen und atmete durch. «Wie sich das Leben mit einem Schlag ändern kann – genau vor einem Jahr hatte er hier auf Anett gewartet, seine Cousine, und sie war nicht gekommen.» Lange schaute er fast träumerisch ins Feuer.
Leise knarrte die Türklinke und ihr Kopf schob sich vorsichtig ins Zimmer.

«Anett!», rief er und verstummte wegen des Zeigefingers auf ihrem Mund. Sie umarmten sich still und als sie saßen fragte er leise lächelnd: «Schläft er?» Sie nickte. Er fragte: «Wie geht es dir?» «Gut. – – Es ist heute genau vor einem Jahr passiert.» «Du hast alles gesehen, oder?» «Ja, ich bin zwei Minuten nach dem Unfall dort gewesen und mit ihm ins Krankenhaus gefahren. Ich meinte zunächst, dass er keine Chance hat, dann doch, aber dann war die Fahrt wohl zu lang, wegen eines Staus. – Ich weiß nicht, ob es am Stau lag.»

Sie schauten eine Weile lang zusammen ins Feuer. «Weißt du, an was ich immer denken muss, Markus? – – – Es war alles so perfekt vorher. Stefan und ich zusammen, ich im 3. Monat schwanger mit Leon. Es war irgendwie seltsam. Es gab wirklich nichts, was hätte besser sein können – aber ich ahnte, dass etwas passieren würde, ich wusste es. Ich wusste nicht was.» Markus schüttelte den Kopf: «Und dann bei dem Unfall dieses Hin und Her, das stelle ich mir furchtbar vor.» Sie fasste ihn sanft an der Schulter: «Weißt du, wann ich wusste, dass ich alles schaffe, dass ich die Kraft habe, dass es gehen wird?» Sie lächelte. «Ganz echt! Gut, es gab noch Auf und Abs – – aber in dem Moment als ich Leon zum ersten Mal im Arm hatte, da sagten mir seine Augen einfach so: ‹Du, Mama, das mit Papa ist so in Ordnung. Ich wusste das ja!› Einfach so. Es war ein unglaubliches Vertrauen da. Alle Angst war fort. Plötzlich war ganz klar, was im Leben wichtig ist und was nicht so wichtig ist. Ich hatte ja zunächst geplant, bald in meinen Beruf zurückzugehen. Jetzt war alles anders. Als ich im Krankenhaus lag, haben sie draußen von Finanzkrise gesprochen, ich habe ja in dem Bereich gearbeitet. Ich hatte Leon im Arm und dachte: Gut! Wenn jetzt Finanzkrise ist, dann bleibe ich eben länger zu Hause, vielleicht ein paar Jahre, es wird schon gehen mit dem Geld. Wer weiß, wie lange die Ersparnisse überhaupt sicher sind. Es war ein schöner Gedanke! Und Leon hat mir gesagt: ‹Du bist wichtig. Nicht das da!›»

«Ja», meinte Markus nach einer längeren Pause, «etwas Wichtigeres tun! Und es ist auch gar nicht schlimm, wenn die Wirtschaft mal drei Prozent zurückgeht, dann esse ich eben im nächsten Jahr drei Prozent weniger. Ich glaube, dass ich zur Zeit eher 20 Prozent zu viel esse.» Er grinste schelmisch. «Anett, was meinst du, würde das Christuskind antworten, wenn ich es frage, ob es schlimm ist, dass wegen der Finanzkrise jetzt weniger Autos verkauft und Leute entlassen werden?» Er zeigte auf die Weihnachtskrippe neben dem Kamin und fuhr fort: «Ich glaube, es würde vielleicht antworten, dass weniger Autos einfach besser verteilt werden müssen und Arbeitslose mehr für die Gemeinschaft tun können, weil sie mehr Zeit für ihre Kinder haben. Man muss sich gegenseitig nur etwas mehr vertrauen.» Anett lachte: «Ja, genau! Reale Gedanken! Das war für mich das Neue. Gedanken voll von Liebe. Leon hat mir gezeigt, dass Vertrauen alles heilt, sogar die Angst.»

Markus nickte: «Genau wie beim Christuskind: Die Eltern waren selig bei der Geburt. Du kannst dir besser als ich vorstellen, was die beiden vorher an dem Tag durchgemacht haben müssen. Sie wussten ja nicht wohin. Und dann soll das Christuskind ganz ohne Schmerzen geboren worden sein. Ich meine, das heißt auch ganz ohne Angst.» «Weißt du, was ich denke, was uns Leon und das Christkind zeigen wollen?», fragte Anett. «Dass wenn wir Menschen ohne Hülle sind, einfach nur Menschen, dann haben wir Vertrauen, dann fühlen wir uns geborgen, dann sind wir zusammen, dann gibt es keine Angst. Die Welt um uns herum macht uns Angst und wir igeln uns ein.»

«Ja!», stimmte Markus zu, «das hat man wohl selten deutlicher gesehen als zur Zeit. Alle Autofirmen haben immer mehr Autos gebaut, weil sie Angst hatten, im Wettbewerb zurückzufallen. Sie haben sich die Autos im Mengen selbst abgekauft und sich dafür Geld bei den Banken geliehen. Jetzt bekommen sie wegen der Krise kein Geld mehr, die Verkäufe brechen ein. Die Arbeiter bekommen Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren und machen alles mit, was von ihnen gefordert wird. Das ist ein Angstsystem – eine Igelwirtschaft. Und die Lösung? Auf Kredit von der Regierung bessere, umweltfreundliche Autos bauen, damit der Umsatz wieder steigt und ...» Anett unterbrach: «Das sind lieblose, unreale Gedanken! Die muss man so gründlich wie möglich durchschauen. Wir bräuchten jetzt viele Reale-Gedanken-Macher, viel eher als Autobauer oder Kreditvermittler.» «Und gute Eltern, Lehrer», ergänzte Markus, «die die Kleinen zu Reale-Gedanken-Machern erziehen. – – Und Pfleger, Heiler, die sich an den Berg der vorhandenen Schäden machen, die die Angst produziert hat. Sonst wird irgendwann alles unproduktiv. Man kann eine Wirtschaft doch nicht auf Geld aufbauen, sondern nur auf Fähigkeiten. Sie sind unser Kapital, sie müssen wir pflegen. Ich finde das gut, dass du zu Hause bleibst, den Mut hast.» Er schaute sie an.

«Ich finde das selbstverständlich. Ganz normal. Das würde jeder tun, der in meiner Lage ist. Schau dir Leon an: Er kann meine Welt umdrehen, in einem Augenblick. Mein Problem ist: Wie schaffe ich es, dass er diese Kraft in seinem Leben behält? Das frage ich mich. Was kann ich machen? Seine Kräfte brauchen wir!» Markus hielt ihr die Hände entgegen: «Heute ist Weihnachten: das Heute-beginnt-etwas-Neues-Fest! Heute müssen wir damit anfangen. Aber mit was? Auch das müssten uns doch Leon und das Christuskind zeigen. Was machen sie anders als wir? Sie reden nicht, sie betrachten die Dinge nicht theoretisch, sie wissen nicht alles besser. Sie …» Anett rief «… staunen!»

(PDF-Version zum Ausdrucken: http://www.steinerquellen.de/wg2008.pdf)

 

Hallo lavisrap,

und herzlich willkommen hier. Bei deinem Nick habe ich ja eher einen aggressiveren Text erwartet. Stattdessen gibt es Belehrendes aus der Esoterikküche. Der Unfall, also die eigentliche Geschichte, wird nur verwendet, um Weltanschauung zu missionieren, die Figuren sind nur da, um eine Meinung als sich ergänzenden Dialog zu tarnen.
Im "Staunen" liegt also die Antwort auf die Finanzkrise, "Vertrauen" die Reaktion darauf, nur Menschenmaterial in der Profitorientierung kapitalistischer Unternehmer zu sein, das im Falle von Verlusten auf den sozialen Müllhaufen entsorgt wird, dem man dann auch noch erklärt, es hätte selbst schuld.
Ich bin weiß Gott ein spiritueller und religiöser Mensch, aber bei solchem Gedankengut kann ich gut verstehen, wenn "Glauben" zum Feindbild politischen Bewusstseins wird. Warum müssen erbauliche Gedanken nur so oft so irreal und verdummend sein?
Ich weiß leider auch nicht, wie die Finanzkrise entsteht oder entstanden ist oder wie man sie lösen kann.
Details:

Leise knarrte die Türklinke und ihr Kopf schob sich vorsichtig ins Zimmer
Der Kopf der Türklinke? Und knarrt die Tür nicht eher in den Scharnieren als an der Klinke?
und als sie saßen fragte er leise lächelnd: «Schläft er?» Sie nickte. Er fragte: «Wie geht es dir?» «Gut. – – Es ist heute genau vor einem Jahr passiert.» «Du hast alles gesehen, oder?» «Ja, ich bin zwei Minuten nach dem Unfall dort gewesen und mit ihm ins Krankenhaus gefahren
Bitte Zeilenumbrüche beim Wechsel der wörtlichen Rede.
Auch ist es etwas ungeschickt, hier von zwei verschiedenen Personen als "er" zu schreiben, die ich als Leser noch nicht kenne, vor allem, wenn du dazu noch nur andeutungsweise auf eine Begebenheit Bezug nimmst, von der der Leser noch nichts weiß. Das hat mit "Spannungsaufbau" nichts zu tun, sondern es demonstriert Lesern nur "Ich Autor schlau - Du Leser dumm"
Weißt du, wann ich wusste, dass ich alles schaffe, dass ich die Kraft habe, dass es gehen wird?
Oh, "dass"-Inflation.

Meine inhaltlichen Bedenken sagen natürlich nichts über die handwerkliche Qualität des Textes aus. Schließlich ist es nicht Aufgabe einer Geschichte, meine Meinung wiederzugeben, um gut zu sein. Handwerklich leidet die Geschichte meiner Ansicht nach aber daran, dass sie sich eben nur als Geschichte tarnt, obwohl es wohl eher ein Essay ist.

Lieben Gruß
sim

 

Mensch ...

Mensch sim,

das ist eine Geschichte für das Herz, das begreifen will, nicht für den reinen Verstand. Ein Essay ist für den reinen Verstand, es könnte das nicht enthalten, was ich schreiben möchte.

Sicherlich will ich mit der Geschichte einen Gedanken äußern, nicht nur einfach irgendetwas schreiben, was schön oder nett zu lesen ist. Sicherlich ist es auch esoterisch -- aber exoterisch über Weihnachten zu schreiben halte ich für ein seltsames Unterfangen, das es kaum höher als bis zum Spott bringen kann.

Aber vielen Dank für deine handwerklichen Kommentare. Da finde ich etwas drin ...

Herzliche Grüße,
Michael

 

Hallo lavisrap,

nette Geschichte, Deine Botschaft solltest Du allerdings etwas weniger mit dem Holzhammer vermitteln. Als Leser fühlte ich mich ein wenig zwangsmissioniert. Vielleicht täte es der Geschichte gut, wenn sich die beiden Protagonisten nicht so einig wären.

Zum Aufbau der Geschichte: Am Anfang erklärst Du etwas viel. Dadurch sind die einführenden Sätze gleich mit Informationen überladen. Es reicht völlig aus und täte dem Spannungsbogen sogar gut, wenn der Leser erst später im Text erfährt, wie die Verwandtschaftsverhältnisse sind, wann der Unfall war und welche Folgen er hatte.

Hallo lavisrap,

und herzlich willkommen hier. Bei deinem Nick habe ich ja eher einen aggressiveren Text erwartet.

Wieso? Was findest Du an der Nick-gebenden Sage aggressiv?

 

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