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Station 7a

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30.12.2017
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Station 7a

Neun Tage in Folge hat diese Furie mir nun den Schlaf geraubt. Wenn das so weiter geht, können sie mich eine Station tiefer legen. Wo ich nicht nach Belieben raus und rein kann. Ich frage mich, ob die Wände dort auch so kahl weiß sind. Mit diesem stechend orangen Boden, dem viel zu grellem Licht. Immer ein Hauch Desinfektionsmittel in der Luft. Von dem es hier reichlich gibt. Jedes Krankenhaus ist freundlicher eingerichtet als das hier. Die drei Bilder im Flur kommen nicht zur Geltung, dank der zahlreichen Wandspender. Und der Aufenthaltsraum, der für alles genutzt wird, ähnelt mehr einer Kantine. Der kleine alte Röhrenfernseher, über den Tischen, hängt viel zu hoch an der Wand. Bei der Spielesammlung fehlt die Hälfte. Also ist der Klinikgarten mein Zufluchtsort. Glücklicherweise ist diese Station, die 7a,direkt damit verbunden. Somit muss ich mir dieses Orchester nicht weiter anhören. Ihr schnarchen ist nicht nur extrem lästig sondern auch äußerst ekelerregend. Wie ein prudelnder Vulkan, der im Sekunden Takt ausbricht. Dazu ist sie so Voluminös, das sie die ganze Fläche des Bettes benötigt. Bei der kleinsten Bewegung knirscht und knatscht das gesamte Bett. Ich muss ganz schnell hier raus, bevor ich die Kontrolle verliere. Ich schnappe mir meine Zigaretten, werfe mir eine Patchwork Jacke über mein Mickey Mouse Pyjama. Die schlappen nehme ich in die Hand. Versehentlich schlage ich die Tür fester zu als gewollt. Jetzt habe ich vermutlich das ganze Haus geweckt. Ich schlendere, mit gesenktem Kopf, den Flur entlang. Ich stelle mir vor das ich über ein ganz dünnen Balken laufe und darauf achten muss, nicht zu fallen. Der Aufenthaltsraum ist lediglich mit drei Hüfthohen Schränken, vom Flur getrennt. Tante Betti ist jeden Morgen, auf die Minute genau, um 5:52 Uhr hier und trinkt ihren ersten Kaffee. Sie ist schon so lange hier, dass sie irgendwann zur Stations Tante erklärt wurde. Ich kenne nicht einmal ihren richtigen Namen. Um sechs ist weck Zeit. Ab halb sieben gibt es Frühstück. Die einzige Mahlzeit die erträglich ist.

„ Guten Morgen Tante Betti, wie war die Nacht?“
„Traumhaft! Eine Reise ins Land der Wolken. Herrlich. Ich muss später auf alle Fälle noch einmal dort hin. Willst du mit?“
„Ui, ich bin mir nicht sicher ob ich heute fähig bin zu reisen. Die Nacht war fürchterlich! Die Robbe hat wieder die ganze Nacht ihre Organe geölt. Darf ich nachschenken?“
„Ja, danke. Du liebes Kind!“

Ich nehme mir die Kaffeekanne und eine Tasse, kippe ein Schuss Milch rein und gehe zu ihr an den Tisch. Ich schenke ihr nach. Sie legt Ihre Hand zart auf meine, streichelt einige male über mein Handrücken. Zu ihr habe ich eine ganz besondere Bindung, wenn nicht sogar die einzige. Sie ist hier, weil sie angeblich zu viel fantasiert, nicht in der Lage wäre in der realen Welt zu leben. Ich bin die einzige die sie versteht, denn ich kann mich, eben so wie sie, in jeden Traum reindenken. Wir teilen dieselbe Vorstellungskraft. Deshalb gehe ich mit ihr natürlich ganz anders um, als die anderen. Die sie als alte kranke Verrückte abstempeln. Ich sehe es als Gabe. Jeder könnte sich glücklich schätzen, etwas davon ab zu bekommen.

„Reg dich nicht auf! Geh in den Garten, mach die Augen zu, hol tief Luft. Du wirst sehen, ob du die Wolken erreichst.“
„Was würde ich nur ohne dich machen. Gut! Ein Versuch ist es wert. Ich muss mich nur etwas beeilen, damit ich noch in aller Ruhe eine Rauchen kann.“
„Ich werde mit einem frischen Kaffee am Aschenkübel auf unserer Bank warten“
„Oh, wie lieb. Danke!“

Ok, die schlechte Angewohnheit des Rauchens, teilen wir auch. Es ist mittlerweile zu spät um in die Traumwelt zu reisen. Also gehe ich direkt an unsere Bank und stecke mir eine Zigarette an. Ich liebe den Duft von Zigarettenqualm. Er erinnert mich immer an meinen Opa. Die Zigaretten haben ihn letzten endlich ins Grab gebracht. Der erste Zug ist immer der schönste. Wenn der Stängel aufglüht, der Tabak etwas knistert und der Qualm aufsteigt.
Oh nein, die Robbe hat sich in Bewegung gesetzt. Ich sehe sie gradewegs durch die Glastür auf mich zukommen. Mein Puls steigt, ich spüre wie meine Adern an der Stirn anschwellen. Wegen ihr bekomme ich noch ein zorniges falten Gesicht. Schnell hole ich noch die Hälfte meiner Zigaretten raus und lege sie in meine Jackentasche.

„Boah, Wasen Rotz. So’n Depp hat heute Morgen ne Bombe gesprengt auf der 7b. Hat mich voll geweckt. Haste ma ne Kippe, hole später welche.“
„Bombe?“
„Jo. Haben die Sistas mir eben gesagt. Aber ich soll es nicht weiter sagen.“

Sie ist nicht nur die Dämlichkeit in Person, Nein! Das ist nicht genug. Sie hat keinerlei benehmen oder anstand. Sie akzeptiert keine Regeln. Hinterlässt überall einen Saustall. Hat eine fürchterliche Stimme, mit noch schlimmerer Aussprache. Schnorrt sich ständig, überall durch. Sie geht jedem auf die Nerven. Keiner will mit ihr reden, denn jeder hier, hat mit sich selbst zu kämpfen. Doch das interessiert sie nicht. Sie drängt jedem ihre Probleme auf, redet ohne Punkt und Komma. Sie wird ständig ausfallend und pöbelt ohne Grund rum. In den neun Tagen in den sie hier ist, wurde die Station 7a, wegen ihr, ganze drei Mal geschlossen. Ich frage mich wirklich die ganze Zeit über, warum sie nicht unten auf der 7b ist. Das ist nämlich die geschlossene.

„Krass echt ey. Die sind doch behindert. Jetzt lassen die mich nicht raus. Ich muss das doch mit meinem Freund klären. Ich bringe mich sonst um. Ich schwöre. So unnötig, echt. Ich hab nur Geld abgeholt unten, das checken die einfach nicht. Deshalb bin ich nach Sperrstunde noch raus.“
„Nach der Nacht kommt immer ein Tag, an dem keine Sperrstunde ist!“
„Hä? Das check ich nicht. Deine Märchen kannste der alten Verrückten erzählen. Gib ma noch ne Kippe.“
„Ich hab nur noch drei.“
„Jo, passt doch!“

Ich presse meine Fäuste vor Wut so stark zusammen, dass sich meine Nägel in die Haut bohren. Ich versuche tief Luft zu holen, um die Ruhe zu bewahren. Glücklicherweise hat sie ihr Handy in der Hand und ist am Tippen, sodass ich meine Augen schließen kann. Ich atme einige Male tief ein und aus. Versuche dabei alles um mich rum auszublenden. Langsam drifte ich ab. Ich sehe einen wunderschönen, klaren, hellblauen Himmel. Ich schwebe in der Luft. Die Sonne strahlt mir auf die haut. Die Luft ist so rein. Ich senke mein Blick. Unter mir erstrahlt ein weiß funkelndes Wolken Meer. Ich gleite in der Luft und… .

„Ey, hallo, halloooo! Du musst mir schon zuhören. Hast auch kein benehmen. Dafür musst du mir jetzt echt deine letzte Kippe geben, wenn nicht bin ich echt angepisst. Und Bro, das willst du wirklich nicht erleben. Ich versuch ja auch immer nett zu sein. Aber wenn jemand so ein Ego ist, muss ich ein Gang drauf legen. Außerdem gibt dir die alte Schachtel doch eh welche. Du bist doch ihr kleiner Schoßhund. Haha geil. Ich nenne dich jetzt Pfiffi. Zu Lustig. Jetzt brauch ich nur noch ein Namen für die Olle. Jo wobei, die lebt bestimmt eh nicht mehr lange.“

Ich schaue an mir herunter, weil ich ein tropfendes Geräusch höre. Auf dem Boden sind Bluttropfen. Es sind meine Hände. Das Blut presst sich durch die geballten Fäuste. Meine Nägel haben die Haut durchbohrt. Es tropft immer stärker. In mir kocht es. Ich presse meine Hände noch fester zu und starre auf meine tropfenden Fäuste. Ich muss mich von meinen Gedanken ablenken. Doch es geht nicht! Das kochende Wasser steigt immer höher. Mein ganzer Körper glüht und ist vermutlich knall Rot. Sämtliche Gefühle werden von Abneigung überströmt. In mir schürt sich purer Hass. Ich hoffe dass ich vor Wut in Ohnmacht falle. Alles, nur kein Ausbruch. Meine Fäuste zittern. Ich versuche die Luft zur Beruhigung zu nutzen. Nicht einmal Schmerz, spüre ich.

„Mist die Alte kommt. Ich hab echt schiss vor der. Ich weiß nicht warum, du die magst. Ich setz mich mal auf die Mauer“
„Gib Acht, das du nicht fällst!“
„Du laberst echt ganz schön viel Schrott.“

Ich halte es nicht länger aus. Mir schießen schreckliche Dinge durch den Kopf. Doch irgendwie finde ich diese Gedanken sehr verlockend. Sie wirken beruhigend. Wie es sich wohl anfühlt, wenn ich die Gedanken verwirkliche. Es muss das pure prickeln sein. Die Mauer ist nicht recht hoch, etwa drei oder vier Meter fall. Doch bei ihrer Masse würde es vollkommen reichen. Nur eine leichte Berührung wäre nötig, um die Robbe ins Meer zu schicken. Keiner würde je denken, dass ich etwas damit zu tun habe. Die meisten würden vermutlich denken, dass ihre eigene Blödheit daran Schuld trägt. Oder sie hat ihr Gleichgewicht verloren. Irgendwas in diese Richtung. Innerlich verspüre ich ein starkes prickeln. Blitzartig feiern meine Gefühle eine Party. Tante Betti steht plötzlich in der Tür. Ich habe nicht bemerkt dass sie gekommen ist.

„Warum hast du überall Blut an den Händen mein Kind? Und wo ist die Robbe hin?“

 

Hallo aidualk07!

Willkommen bei den Wortkriegern.

Ich bin mir sicher, du würdest mehr Kommentare bekommen, wenn du auf erhaltene Kommentare antworten würdest. (Am besten so ausführlich, wie die Kommentare waren.) Und wenn du selbst auch Kommentare zu Texten anderer schreiben würdest. Geben und Nehmen halt.

"Jedes Krankenhaus ist freundlicher eingerichtet"
=> Demnach ist der Erzähler in keinem Krankenhaus.

"Klinikgarten mein Zufluchtsort. Glücklicherweise ist diese Station, die 7a"
=> Aber er ist auf einer Station und da ist ein Klinikgarten? Sehr verwirrend. Wo ist er denn nun?

"Ich kenne nicht einmal ihren richtigen Namen."
=> Also ist deine Erzählerin Pflegerin auf irgendeiner Krankenstation? Aber sie kennt den Namen einer Patientin nicht, die schon lange da ist? Oder ist sie Mitpatientin, die sich irgendwas einbildet? (Dass sie Pflegerin ist, zum Beispiel?)
=> Für mich ist das immer noch sehr verwirrend, und das ist gar nicht gut. Ich möchte ja eine spannende Geschichte lesen, und nicht rätseln, wer, was und wieso?

Also, ich plädiere für weniger Verwirrung, aber mehr Spannung!

Grüße,
Chris

 

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