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Serie Stanislaus & Bundeslav – Wer hier wohl der Hund ist

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27.08.2000
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Stanislaus & Bundeslav – Wer hier wohl der Hund ist

Urplötzlich hocken wir wieder an unseren Stammplätzen und nippen an ein-zwei Pilsator, da steht mir der Sinn nach investigativem Journalismus.

„Einer ist hier der Hund!“, verkünde ich.

„Was faselt er da?“

„Der Hund, der Canide, der räudige Straßenköter, der Flohfänger, der Streuner, die Töle! Sabber tropft von den Lefzen, das Fell schmutzig von dem Kuhmist, in dem er sich wälzte, übersät mit Parasiten: Der Hund.“

„Und einer hier“, Stanislaus schaut sich konspirativ im Raum um, „einer hier ist es?“

„Korrekt. Einer der Anwesenden gibt nach außen hin den Anschein eines untadeligen Lebenswandels, aber wenn keiner hinsieht, wird er zum Hunde. Da fährt jegliche Moral zum Deibel!“

„Wer mag es wohl sein?“

„Ich habe da einen Verdacht, genährt von intensiver Recherche.“

„Sei gnadenlos offen, mich giert es nach Wissen.“

„Es ist einer, der täuscht vor, ein Mensch zu sein, tut so, als ginge er gerne aufrecht, als trüge er den Anzug mit Wohlgefallen, als bereite es ihm Vergnügen, aus dem Glas zu trinken und nicht aus dem Napf, jemand, der sein Pedigree Pal nicht vor Publikum verspeist und sich nur dann mit dem Hinterlauf am Ohr kratzt, wenn niemand guckt. Sein Bellen klingt wie Sprache für das menschliche Gehör. Er trotzt dem Drang zu Apportieren, und bei Tag sind alle Katzen sicher vor seinem Jagdinstinkt.“

„Das schmälert den Kreis der Verdächtigen nicht gerade.“

„Aber macht es dich nicht stutzig, dieses geballte, dieses verkrampfte Streben nach Menschlichkeit? Als wolle man alle Verdachtsmomente zerstreuen! Wer benimmt sich schon so auffallend humanoid?“

„Da ist was wahres dran. Die eine oder andere Katze jagt doch jeder mal.“

„Dieser Hund, von dem ich spreche, der verliert jedwede Hemmung, sobald er allein ist. Es ist ein perfides Doppelleben, nur erträglich durch Schizophrenie. Dieser peinliche Dackel, das ist natürlich nicht sein wahres Ich. Strikt muss er die hündische Geheimidentität von seiner menschlichen Seite trennen, für ihn sind das zwei verschiedene Welten, sonst könnte er es nicht ertragen, im einen Moment zu schnüffeln an diversen Haufen und Hinterteilen und im nächsten die Krawatte zu binden, bei Tante Irmgard Kuchen zu Essen und den Steuerjahresausgleich auszufüllen.“

„Wälzt er sich auch im Grase? Leckt sich sein Gemächt? Nagt er am Knochen, defäkiert auf der Straße, im Schein der Laternen?“

„All das und dergleichen mehr, was unsere Vorstellungskraft übersteigt. Nicht mal seine nächsten Anverwandten wissen von seiner Leidenschaft, doch nun habe ich sein doppeltes Spiel durchschaut! Der Hund denkt, was niemand sieht, das passiert auch nicht. Doch ich sah es mit eigenen Augen und nun wartet auf ihn der Hundefänger!“

„Und magst du mir verraten, wer hier wohl der Hund ist?“

„Noch nicht, Neugieriger. Erst lasse er mich schwadronieren!“

„So schwadroniere er denn!“

„Wohnt nicht in jedem von uns ein Tier, welches, im Käfig der Gesellschaft gefangen, nur dann nach außen tritt, wenn es keine Zuschauer gibt? Rixi, der Tunichtgut, zum Beispiel, der spielt heimlich mit Puppen, wenn er sich unbeobachtet wähnt.“

„Macho-Rixi, der Mann mit dem Stetson und dem männlichen Oberlippenbart?“

„Eben der. Und Forikel, der Kioskbesitzer von der Ecke, bestellt sich immer heimlich Magazine von fettleibigen, amputierten, an Akne und Inkontinenz leidenden Transvestiten mit behaarten Beinen.“

„Das ist ja abscheulich!“

„Und freilich dachte er, niemand fände es je heraus! Da hat er sich getäuscht, der perverse Wanst! Erinnerst du dich noch an Trulla, Serviererin und Thekenlakai in diesem Etablissement?“

„Aber natürlich. Kredenzte uns einen herrlichen Pilsator nach dem anderen.“

„Die war zuvor ein Mann und hält sich obendrein Hausschweine in ihrem Bette! Oh ja! Mehr möchte ich aus Gründen der Pietät jetzt nicht dazu sagen. Und da frage ich mich doch: ist denn jeder Mensch ein Ein-Mann-Schreckenskabinett? Ein Jahrmarkt der Entartungen, von dessen Existenz der Rest der Welt nie erfahren soll? Eskaliert die Widerlichkeit unweigerlich hinter jeder verschlossenen Tür? Nein, muss ich da sagen: Nicht hinter jeder. Einen kenn ich, der ist frei von derlei Gelüsten, der letzte der Tugendhaften, ein Engel der Sittsamkeit im Reiche der Ekligen.“

„Und wer soll das sein?“

„Ich, natürlich. Und nun kommen wir zu feierlichen Enthüllung. Dies Objekt hier kennst du sicher. Es ist eine Hundepfeife, deren Ton nur der wahre Köter wahrnimmt. Noch dazu ist es ein leicht modifiziertes Instrument, das einen unerträglich Hohen Pfiff hervorbringt und den Hund in die Flucht schlagen wird. Höre und staune!“

Der stumme Klang der Hundepfeife ertönt, unbemerkt von den restlichen Gästen der Kaschemme, doch Stanislaus reißt sich entsetzt die Hände hoch zu den Ohren, um sie zu verstopfen, dann jagt er winselnd und kläffend zur Tür hinaus, auf und davon.

Hab ich’s doch schon immer gewusst!

 
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hallo ben

Das ist echt eine lustig Geschicht die mir sehr gefallen hat. Und meinene Langeweile sehr verkürzt hat.
:thumbsup:

Und ab hier wirds spannend:

„Es ist einer, der täuscht vor, ein Mensch zu sein, tut so, als ginge er gerne aufrecht, als trüge er den Anzug mit Wohlgefallen, als bereite es ihm Vergnügen, aus dem Glas zu trinken und nicht aus dem Napf, jemand, der sein Pedigree Pal nicht vor Publikum verspeist und sich nur dann mit dem Hinterlauf am Ohr kratzt, wenn niemand guckt. Sein Bellen klingt wie Sprache für das Menschliche Gehör. Er trotzt dem Drang zu Apportieren, und bei Tag sind alle Katzen sicher vor seinem Jagdinstinkt.“

und der Rest ist nur noch zum brüllen. :huldig:

mfg chris

 

Moin, plattfuss.

Danke fürs Lesen und die nette Kritik!

Wenn du noch mal Langeweile haben solltest, es gibt noch zwei weitere Stanislaus & Bundeslav Geschichten. *Werbung* :D

Gruß

Ben

 

Hi Ben!

Wie die anderen beiden Geschichtchen um Stanislaus & Bundeslav (was für schreckliche Namen) war auch diese hier wieder sehr gelungen. Jedoch muss ich leider zugeben, dass sich für mich diese Art Stil langsam erschöpft... will heißen, ganz so lustig wie zu Anfang ist es nun doch nicht mehr.
Und das Ende war sehr vorhersehbar, überraschend allein die Hundepfeife.

Eines:
-> Sein Bellen klingt wie Sprache für das Menschliche Gehör.
menschliches klein, oder war das Absicht?

In diesem Sinne
c

 

Moin!

Das ist auch erst mal der Abschluss der S&B-Trilogie. Nach der Hunde-Enthüllung könnte es höchstens mit "Prequels" weitergehen.

Das "menschlich" war einer meiner Standard-Großschreibungsfehler. Die verfolgen mich. Aargh! :susp:

Gruß

Ben

 

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