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Stan
Stan
Am Rande des CDU-Bundesparteitages in Leipzig läuft mir der Ministerpräsident meines Bundeslandes über den Weg. Ich stelle mich als lokaler Journalist vor und spreche ihn an: „Sag mal Stan, da ist schon wieder eine Demo gegen deine Kürzungen bei den Hochschulen.“
Er antwortet: „Hö, wir reden nich von Kürzen. Wir reden lieber von Vorsorgen, weißte?“
„Vorsorgen?“
„Hö, wir krieg'n doch bald kein Moos mehr vom Westen, weißte? Ende Solidarzuschlag un so, weißte?“
„Aber der Freistaat ist das einzige Bundesland, das jetzt in der Krise Schulden abbaut, statt nachhaltig zu investieren. Das sieht ja so aus, als wären die Kürzungen im Sozialen und in der Bildung wegen der Krise nur vorgeschoben.“
„Hö, joar. Clever, was?“
„Ja, aber ich denke, wir brauchen Fachkräfte und Lehrer? Ja, Lehrer? Da kannste doch nich sparen! Die sind für unsere Kinder, unsere Zukunft, verantwortlich!“
„Vorsorgen, nicht sparen. Un außerdem brauch'n wir keene Deutsch- un Kunstlehrer, sondern Mathe, Bio, Chemie un so was, weißte?“
„Ja, aber können wir uns dann Abbrecherquoten leisten, die weit über der Wahlbeteiligung von 2009 liegen? Die Abiturienten können ja bei unseren Pisa-Ergebnissen gar nicht so doof sein. Ist denn da nicht einfach das Studium und die Uni scheiße?“
„Hö, das weiß ich doch auch nich.“
„Ja, woher denn auch! Es fragt die Leute ja niemand, warum sie das Studium schmeißen. Dann kann sich ja auch nichts verbessern.“
„Tja, dann müssen halt die Unis mehr Studenten aufnehmen. Dann bleiben am Ende mehr, wenn die Hälfte abbricht, weißte?“
„Was ist das denn für ne Logik? Warum investierst du denn nicht in Qualitätssicherung, damit mehr Studierende ihr Studium erfolgreich abschließen? Warum also Kürzen?
„Hö, wir reden nicht von Kürzen. Wir reden von Vorsorge, weißte?“
„Was heißt denn verdammt noch mal Vorsorge?“
„Na, haste das denn nich gelesen?“, fragt Stan. „In London hat Wissenschafler rausgefunden, Konservative sind bleeder." Ich weiß sofort, dass er auf den Artikel "Konservative haben geringeren IQ" aus Spiegel Online vom 1. März 2010 anspielt. Der Psychologe Satoshi Kanazawa legt darin dar, dass er herausgefunden habe, dass Konservative im Durchschnitt eine geringe Intelligenz aufweisen, es ihnen schwer fällt, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen und sie deshalb am Alten festhalten. "Wenn nun in Sachsen alle immer klüger werden", fährt er fort, "ja, dann find ich doch nie en geeigneten Nachfolger für den Freistaat, wenn ich Bundeskanzler werde, weißte?“
Er setzt ein Montgomery-Burns-Lächeln auf und geht. Ein großer breiter Typ in Anzug und einem Knopf im Ohr stellt sich vor mir auf, damit ich Stan nicht folgen kann.