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Stadtimpressionen
Stadtimpressionen.
(oder: Mensch: 1. Mensch, der: 1. [das höchst-entwickelte Lebenswesen der Erde], aus dem Wörterbuch der Synonyme)
Zwei elegante Damen von der Schickeria-Fraktion haben heute eine intensive Begegnung: Sie verprassen vor lauter Langeweile ihren Zaster. Gleich wollen sie sich mit schönen Düften überraschen: „Liebste! Ein sinnlich-floraler Duft, der würde zu dir passen“, sagt Fräulein Geldschein zu ihrer besten Freundin Glamour und knistert mit ihren Papierblüten.
Neben ihrem Lieblingsladen dämmert ein dunkler Vagabund. „Habe kein Geld, bin obdachlos. Bitte helfen sie mir“, sagt sein Pappschild. Der Vagabund spricht schon lange nicht mehr. Seine Augen halb offen, Speichel an den Mundwinkeln.
Der Mann steht in der Blüte seines Lebens, er duftet nach Schweiß und süßlichem Rotwein.
Zwei smarte Kavaliere im Smoking stärken sich im Stadtwind. Herr Profit und Herr Zinseszins staunen über steile Kurssteigerungen, es folgt eine Konversation über Kunden und Konkurrenz und dem Einmaleins der Einkünfte.
Ihre angefressenen Delikatessen werfen sie in den Abfall. Ihr burschikoser Blick gilt den eleganten Damen, nicht der brackigen Alten neben ihnen. Diese Buckelige, mit ihren spröden Lippen, schwarzen, fettigen Haaren und krustigen Fingernägeln.
In der New Economy hat auch sie einen Job gefunden: Im Müll nach Pfanddosen wühlen.
„Neue Freunde kennenlernen! Sag´s einfach per MMS!“, schreit ein großes Plakat. Zwei hippe Hofnarren, Honigsüß und Hörigkeit von Namen, nehmen´s sich zu Herzen und knipsen Kinkerlitzchen mit ihren blechernen Apparaten. Sie glauben gerne an ihren rosafarbenen Hirten.
An der farbenfrohen Werbetafel lehnt ein milchbärtiger Kerl. Ausgestattet mit Einstichen an der Halsschlagader und tiefen, lila Augenringen – ein zerbrochenes Gesicht. Sein flatternder Mantel gleicht einem Flickenteppich, seine Schultern hängen leblos herab.
Kein Foto wert.
Benjaminus