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Stadtbeobachtungen

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03.09.2002
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Stadtbeobachtungen

Du siehst sie.
Hunderte Autos, die der in dichten, rauen Schmutzwolken verhüllten Abendsonne entgegenirren.
Gleich einem grauen Schwarm gefühlskalter flügelloser Insekten im südamerikanischen Dschungel fallen sie gierig übereinander her, das unaufhörliche Kreischen ihrer unheimlichen Metallglieder, die hassgetränkten Blicke ihrer verachtend leuchtenden Scheinwerferaugen. Hektisch drängen sie sich von Straße zu Straße, jeder von ihnen einzig mit dem egoistischen und rücksichtslosen Verlangen des eigenen Wohles, immerzu auf der Flucht vor ihrem großen Feind, dem mystischen Dschungelgott, der mit seinen rotglühenden Augen alles zum Stillstand bringt.
Du riechst sie.
Giftige Abgase dieser stinkenden Blechkolonnen verpesten den stickigen Urwald der täglich neuen großstädtischen Interpretation von Atemluft. Diese Mixtur erstreckt sich mitsamt dem penetrant subtilen Schweißgeruch der aufgebrachten Menschen bis in die Baumkronen der Hochhäuser, wo die Falken wohnen und alles sehen und kontrollieren.
Du hörst sie.
Die fletschenden Schmatzgeräusche der Bremsen, die aufdringlichen Hupen, das gereizte Brüllen eines Taxifahrers, der Gemüsehändler, der mit einem Kunden um den Preis streitet, das Kind, das seine Mutter verloren hat, der Lärm wartet darauf, aus dem Dickicht zu springen, er wartet darauf, in deine Ohren einzudringen und er allein wäre in der Lage, dich innerlich zerbersten zu lassen. Die fieberhafte Spannung droht den seidenen Faden des erträglichen Ausmaßes an Stress zu zerreißen, ein Tropfen der das Fass zum Überlaufen bringen wird.
Die Ampeln schalten auf grün. Der mystische Dschungelgott ist ihnen heute friedlich gesinnt. Erleichterung, Entspannung, Aufatmen. Freudiges Aufheulen gepeinigter Motorenherzen.
Du spürst es.
Die Sonne taucht hinter dem Smog hervor, der malerische Sonnenuntergang wirft dir seine süße Schwüle auf das Gesicht.
Du steigst vom Dachsims herunter und freust dich.
Das Leben ist schön.

 

abgefahren!

hi romantique & herzlich willkommen,

eine interessante und hoffnungslos überzogene metapher *smile*.
ich denke, du wirst hier viele liebhaber für deine geschichte finden.

bis dann

barde

Gleich einem grauen Schwarm gefühlskalter flügelloser Insekten im südamerikanischen Dschungel fallen sie übereinander her

hinter "gefühlskalter" ein komma

 
Zuletzt bearbeitet:

Wow, Expressionismus pur! Erinnerte mich anfangs an das Gedicht "Der Gott der Stadt" von...weiß nicht. Heym? Am Ende aber nicht mehr.
Du benutzt eine sehr gewaltige, fette Sprache. Du könntest in Erwägung ziehen, mit der Zeichensetzung zu experimentieren, die Grammatik aufzulösen oder sowas, aber ist nur ein Vorschlag.
Der Text liest sich gut, ein kurzer Inhalt, der, falls er nicht sarkastisch sein soll, erholsam optimistisch ist (im Vergleich zu so vielen Selbstmordtexten, auf die man immer wieder stößt...) Die Faszination der Stadt bringst du gut rüber, eine Faszination trotz Widerwärtigkeit oder gerade deshalb und aufgrund dieser Faszination der Optimismus: "Das Leben ist schön.". Gefällt mir.

@Barde:
Überzogen ja, aber darin liegt ja gerade der Reiz eines solchen Textes: In einer gewaltigen Sprache, die kurz vor der Grenze zum Kitsch ist, aber gerade deshalb so emotional und mitreißend wirkt.

 

In einer gewaltigen Sprache, die kurz vor der Grenze zum Kitsch ist,

ich hätte es nicht annähernd so gut erklären können!

ach ja, skunk, es war heym :)

 

Danke Barde, danke skunk.

Bei

Gleich einem grauen Schwarm gefühlskalter flügelloser Insekten im südamerikanischen Dschungel fallen sie übereinander her
war ich mir auch nicht so sicher. Sind die zwei Attribute eine Aufzählung, oder gehört "flügelloser Insekten" zusammen, und "gefühlskalter" ist ein Attribut dazu?

Ich habe versucht, möglichst viele Eindrücke auf kleinem Raum unterzubringen, diese besagt faszinierende Widerwärtigkeit dem Leser bildlich darzustellen. Eine überzogene Metapher? Njo, who cares? ;)

Allerdings fehlt mir in dieser Geschichte was. Ich kann es nicht beschreiben, es ist einfach ein latentes Gefühl von Unvollständigkeit. Zwischen dem Ende und dem Mittelteil vermisse ich einfach ein überführendes Stück. Ergeht es euch genauso?

 

Hallo Romantique!

Ich habe nicht den Eindruck, dass da etwas fehlt. Ich weiß natürlich nicht, ob Du noch mehr zum Ausdruck bringen wolltest, aber ich finde den Übergang wirklich gelungen.

Die fieberhafte Spannung droht den seidenen Faden des erträglichen Ausmaßes an Stress zu zerreißen, ein Tropfen der das Fass zum Überlaufen bringen wird.
Kommt der Tropfen? Läuft das Fass über? Was wird dann passieren?
Die Ampeln schalten auf grün.
Na, Gott sei Dank! Bis zur nächsten Rotphase alles im grünen Bereich! ;)

Gruß
Silke

 

Hi romantique - gefällt mir. Beim ersten lesen war ich etwas erschlagen von der dichte an pathetischen adjektiven und wortkonstruktionen. Beim zweiten, genaueren lesen spürt man dann schon, dass du mächtige wörter gut rübergebracht hast.. der schluß hat mir ein lächeln entlockt, weil er so im widerspruch steht..

du siehst sie. du spürst es. du spürst es. - gefällt mir sehr gut als rahmen..vielleicht höre ich sie auch?? rieche sie?..

etwas stilistisches:

"Hunderte Autos, die der in dichten, rauen Schmutzwolken verhüllten Abendsonne entgegenirren"
"die der in" - ist etwas zuviel - besser "Hunderte Autos irren der in dichten, rauen Schmutzwolken verhüllten Abendsonne entgegen."

und was ich beim ersten lesen nicht verstanden habe war, dass die autos vor der roten ampel stehen - vielleicht in: "immerzu auf der Flucht vor ihrem großen Feind, dem mystischen Dschungelgott, der mit seinen rotglühenden Augen alles zum Stillstand bringt." - vielleicht kann man hier ein "jetzt" oder "plötzlich" oder ähnliches reinbringen..

viele grüße, streicher

 

Hallo romantique.
Kurz ist immer gut, und dein Text zeugt von Sprachgefühl.
Bemerkungen s.u.
...para

öööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööö


die hassgetränkten Blicke ihrer verachtend leuchtenden Scheinwerferaugen
Naja, viele Designer legen viel Wert auf freundliches Aussehen der Autos, und Hass oder Verachtung habe ich des Nachts noch nie am Straßenrand vernommen - zumindest nicht bei Maschinen.

einem grauen Schwarm gefühlskalter flügelloser Insekten im südamerikanischen Dschungel
Komma kann, denke ich, muss aber nicht.

Hektisch drängen sie sich von Straße zu Straße, jeder von ihnen einzig
"jeder"? Du beziehst dich noch auf Autos.

den stickigen Urwald der täglich neuen großstädtischen Interpretation von Atemluft.
Interessante Formulierung!

Du steigst vom Dachsims herunter und freust dich.
Pointe erscheint mir zu schnell, beinahe übergangslos, damit fast deplaziert, bedenkt man, dass 90 % deines Textes von infernalischen Großstadtbedingungen handeln.

 

Hallo Romantique!

Einerseits hat mir deine Geschichte gut gefallen, denn sie ist eine einzige Metapher, sehr bildhaft und zeigt, dass man auch hinter den hässlichen, lauten, stinkenden Seiten der Großstadt etwas Schönes finden kann.

Andererseits finde ich den Schluss etwas bitter, denn die Hauptperson wird irgendwie ignorant dargestellt. Entweder ist sie gleichgültig gegenüber städtischen Umwelt- und sozialen Problemen oder sie versucht, in eine Scheinwelt zu flüchten.
Vielleicht interpretiere ich zuviel hinein, aber für mich klingen deine "Stadtbeobachtungen" zu negativ, um durch einen einzigen Sonnenstrahl in Optimismus umgewandelt zu werden.
Nicht zuletzt ist ein Sonnenuntergang umso schöner und röter, umso verschmutzter die Luft ist... :rolleyes:

Mfg
xka

 

Whoow, danke erstmal an alle für das dicke Feedback.

@Wurfaffe:

Kommt der Tropfen? Läuft das Fass über? Was wird dann passieren?
Daran grüble ich auch gerade ;)

@Streicher:

du siehst sie. du spürst es. du spürst es. - gefällt mir sehr gut als rahmen..vielleicht höre ich sie auch?? rieche sie?..
Öhm... Jo, das ist ein Fehler meinerseits. Auf dem Papier waren tatsächlich andere Sinne auch angesprochen, aber irgendwie hab ich mich beim Abtippen vertan :confused:

"Hunderte Autos, die der in dichten, rauen Schmutzwolken verhüllten Abendsonne entgegenirren"
"die der in" - ist etwas zuviel - besser "Hunderte Autos irren der in dichten, rauen Schmutzwolken verhüllten Abendsonne entgegen."
Bei deinem Vorschlag wird irgendwie die Betonung von "Hunderte Autos" spürbar geschmälert. Der Einstieg wird, meiner Einschätzung nach, dadurch irgendwie ein wenig zu schnell...

"immerzu auf der Flucht vor ihrem großen Feind, dem mystischen Dschungelgott, der mit seinen rotglühenden Augen alles zum Stillstand bringt." - vielleicht kann man hier ein "jetzt" oder "plötzlich" oder ähnliches reinbringen..
Nunja. Ich habe das nicht als direkte Aktion, sondern eher als eine Art "Zustand" gemeint.
Wenn ich z.B. sage "Das Huhn XY legt Eier.", meine ich nicht, dass das Huhn namens XY dauernd im sekundentakt Eier legt, sondern in der Lage zum Eierlegen ist.
In der Schmierblattversion hatte ich statt "zum Stillstand bringt" "zum Stillstand bringen kann". Was denkst du, ist das so besser?

@Paranova

Autos sind böse *g*

" Hektisch drängen sie sich von Straße zu Straße, jeder von ihnen einzig "

"jeder"? Du beziehst dich noch auf Autos.

Die Menschen am Steuer? Personifizierung?
Ich weiß es nicht, aber als Neutrum hört sich das... hm... seltsam... an.

Pointe erscheint mir zu schnell, beinahe übergangslos, damit fast deplaziert, bedenkt man, dass 90 % deines Textes von infernalischen Großstadtbedingungen handeln.
Du spürst es.
Die Sonne taucht hinter dem Smog hervor, der malerische Sonnenuntergang wirft dir seine süße Schwüle auf das Gesicht.
Du steigst vom Dachsims herunter und freust dich.
Das Leben ist schön.

Meiner Meinung nach beginnt die Pointe zögerlich bei "Die Sonne..." (=>"Übergang")und "Das Leben ist schön" dient sozusagen als endgültiger Abschluss.

Ach ja: Warum die vielen "ö"s?;)

@xkaxre:

Interessante Ansicht!
Allerdings muss ich sagen, dass für Sarkasmus der Schluss umformuliert werden müsste. Der Sonnenstrahl ist eine Art Bote des Optimismus, er sagt:"Schau nach vorne!". Ignorant? Möglicherweise. Aber ich würde eher sagen, die Hauptperson findet trotz der unmenschlichen Zustände einer unmenschlichen Gesellschaft einen Hoffnungsschimmer, etwas, woran man glauben kann. Die Zukunft.

Gruß,
Roman

 

Hi Roman,

ääääääääääääääääääääääääääääääääääääääääääääääääääääääääääääääää

Das sähe doch scheiße aus.
...para

 

Servus Romantique!

Dein Text gefällt mir sehr gut. Die personifizierten Fahrzeuge hast du sehr eindringlich dargestellt. Ihre lärmenden Geräusche, die Bedrängnisse durch ihre Abgase, stehen im Vordergrund. Dann das Bild des Menschen der für einen Moment darüber hinweg sieht, auch das andere zu erkennen vermag, trotzdem, finde ich wirklich gut dargestellt und angenehm als Erfahrung.

Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 

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