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Stadt
Wenn du des Nachts auf der Autobahn einer Stadt entgegenfährst, könntest du annehmen, es ist Dämmerung, denn der Lichtschein der Stadt schimmert durch die Nacht eben wie das erste Licht der Dämmerung.
Bist du nah an der Stadt, so siehst du die schönen blinkenden Lichter, warme Farben.
Mich erinnern diese an einen Weihnachtsbaum.
Sie blinken dir fröhlich entgegen, dass es dein Herz erwärmt und deine Spannung steigt, denn du willst wissen, was von ihnen verborgen wird.
Tausende Laternenpfähle, die dir den Weg weisen. Häuserreihen, die den Laternenpfählen, manchmal ein bisschen bedrohlich, beistehen. Hochhäuser, die ihre Lichter weit in die Nacht hinausschreien, als wollten sie sagen: sieh Mond, wie hell ich bin!
Doch dann musst du dich konzentrieren, Stau, Autos, Stau, Autos….
Während du im Stau stehst, öffnest du das Fenster. Es ist eine Sommernacht, warum also nicht? Du schließt das Fenster wieder. Du denkst: Wenn ich im Auto bei geschlossenem Fenster eine rauche, atme ich bessere Luft.
Es geht weiter, doch schon beginnst du dich zu ärgern über diesen ungehobelten Kerl, der sich einfach mit seinem dicken Wagen in die Lücke reinpresst, die zwischen dir und deinem Vordermann entstanden ist. Dabei fährt er doch auch nur einen Golf.
Der Nächste. Hinter dir. Wieder so einer. Diesmal mit Baseball- Mütze! Auch ein Golf.
Du denkst darüber nach, dir ein anderes Auto zu kaufen, denn mit solchen Leuten willst du nicht gleichzeitig genannt werden.
Endlich, der Stau löst sich auf. Du atmest auf- nein aus.
Plötzlich, Sirenen, Polizei, Krankenwagen, Feuerwehr, totales Chaos, zu viel, zu laut…- alles vorbei.
Doch noch aufatmen? Ein Lächeln huscht über dein Gesicht. Du erfreust dich wieder an den vielen Lichtern der Stadt. Kinos, Geschäfte. Es ist mitten in der Nacht, aber die Stadt lebt, als wäre es mitten am Tag. Gänsehaut streicht über deinen Rücken und die Lust auf Erlebnisse kommt zurück.
Du parkst dein Auto und läufst los. Dass du für deinen Parkplatz bezahlen musst, ahnst du nicht.
Eine Katze humpelt über die Strasse. Du denkst noch kurz, dass es sogar lustig aussieht, wie sie läuft, lächelst, hast plötzlich ein dumpfes Gefühl im Magen und schiebst den Gedanken weg.
Während du die Straße so entlanggehst, fällt dir schon der zweite Kinderspielplatz auf. Eine Kreuzung, wieder ein Spielplatz, Menschen kommen dir entgegen. Wo gehen sie hin? Kaum hast du dir die Frage gestellt- ein Spielplatz. Mensch, für Kinder tun die ja wirklich viel hier in der Stadt, denkst du.
Die Hauptstraße hast du erreicht, die Menschen schieben sich durch die Masse. Masse? Menschenmasse.
Du musst ausweichen, kommst nicht durch, bleibst stehen, wartest, wirst angemacht, drängelst dich durch, bleibst stehen, wartest, wirst angemacht, willst raus, geht nicht, gehst weiter, versuchst es jedenfalls- jetzt ist die Dämmerung auch in der Stadt zu sehen. Die Zeit läuft.
Eine Seitenstraße- du fliehst dort hinein, läufst ein bisschen, weniger Menschen, ein Spielplatz, eine Katze ohne Schwanz, Steine, Asphalt. Kranke Katzen, Ratten huschen über die kleinen Grünflächen, die die Städter Parks nennen. Wohin?
Du weißt nicht, dass du das falsche Viertel gewählt hast, Punks wollen Zigaretten, du hast keine, es gibt Ärger. Nachdem du einem durch einen glücklichen Zufall die Nase rot gemacht hast, fliehst du durch die Sträucher, tust dir weh, zerreist dein T-Shirt, mit dem Gedanken, dass DIE doch sowieso nur besoffen sind.
Es ist ruhiger, du weißt nicht mehr wo du bist- egal. Warum sind die Blätter der Bäume und Sträucher eigentlich grau?
Die Sonne zeigt ihre ersten Strahlen, Vögel zwitschern, Tauben fangen an zu gurren. Du willst nach hause.
Ein Spatz setzt sich keck auf eine Mauer, zwitschert. Doch das Schöne wird übertönt, ein Krankenwagen fährt mit Sirene und Blaulicht in die Einfahrt des Krankenhauses, vor dem du stehst.
Ein paar Meter weiter siehst Du einen seltsamen Kasten, mit Licht und allem möglichen Tamtam.
Babyklappe. Schon mal in der Zeitung davon gelesen- so was gibt’s also wirklich. Ob eins drin liegt? Da kommt eine Krankenschwester, du haust ab.
Du willst nach hause, dein Auto ist unauffindbar, wenn Du Leute fragst, lachen sie über dich, wie du aussiehst, oder fragen, ob du Zigaretten hast. Spielplätze gibt es überall, keine Orientierung.
Die Stadt wird ruhiger, die Hauptstraße ist leer. Die Uhr sagt dir, dass es 6.47 Uhr ist. Dort steht dein Auto.
Ein grüner Zettel schmückt deine Autoscheibe. Du siehst hinauf in den Morgenhimmel und willst schreien, aber nicht so, wie die Hochhäuser, sondern voller Wut: Staaaadt!!!