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Stacheldraht im Gehirn

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17.10.2001
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Stacheldraht im Gehirn

Als du zu mir sagtest, „Deine Stimme zu hören ist, als ob mir jemand Stacheldraht durchs Gehirn zieht“, applaudierte ich stumm für diesen Vergleich. Natürlich schmerzte die Beleidigung auch. Aber beschwert sich ein Ast, wenn ein Bussard seine Krallen um ihm legt? Ich war deine Missbilligungen bereits gewohnt. Zum Beispiel, als du beim Frühstück mal sagtest, „Du bist so hässlich. Du bist der hässlichste Mensch, der mir je vors Gesicht gekommen ist.“ Oder, als wir in der Schlange vor der Frittenbude standen. „Ich hatte doch gesagt, du sollst das rote Hemd anziehen. Wie bist du auf die Idee gekommen, das blaue tragen zu dürfen?" Laut genug, dass es auch der Mitarbeiter hinter der Fritteuse hatte hören können.

Ich – das ist ein hagerer, schwacher Mann, der von dir in die Ecke gegeißelt wird. Du – das ist eine laute, herrische Frau, deren Augen meist starr vor Ungeduld sind.

So unkreativ. Alle von ihnen. Bis dato. Ich weiß, dass du keines meiner Bücher liest, auf allen hat sich Staub abgesetzt. Außerdem kannst du nicht gleichzeitig fernsehen und lesen.

„Deine Stimme zu hören ist, als ob mir jemand Stacheldraht durchs Gehirn zieht.“ Du dachtest, mein darauf folgendes Schweigen diente deiner Besänftigung. Warum sollte ich dich auch zusätzlich aufregen? Vor allem nicht mit dem Bügeleisen in deiner Hand, mit dem du das Hemd bügelst, dass ich heute anziehen soll. Ich bin nicht so dumm, wie du es mir einzureden versuchst.

Ich blieb stumm, weil du dich in Poesie versuchtest. Das überwältigte mich. Das war wie Gregor Samsas Erkenntnis nach dem Erwachen, Raskalnikovs Hinkehr zu Religion, wie der Moment, als Lord Henry das Portrait Dorian Grays enthüllt. Ich ließ das Lächeln in meinem Kopf einige Male umherwirbeln und suchte in Gedanken Werke ab, aus denen du das übernommen haben könntest. Kein Buch fiel mir ein, keine Zeitschrift, nicht mal ein Lied. Es musste etwas sein, dass du beim Fernsehen aufgeschnappt hattest, etwas, das wir nicht mehr gemeinsam taten, seit du mich vor vier Monaten mit den Worten „Ich kann deine Haltung nicht ausstehen. Geh und guck nebenan.“ ins Nebenzimmer delegiert hattest.

Poesie. Poetik. Ein Vergleich. Der erste, den ich je deiner giftigen Zunge entnommen hatte. Ich hätte dich küssen können, wenn du mich gelassen hättest.

Also legte ich weiter stumm die Kleidung zusammen. Das Grinsen in meinem Gesicht sahst du nicht, obwohl ich gar nicht versuchte, es zu verstecken. Ich wollte, dass du mich fragst, was denn so witzig sei. „Nichts“, hätte ich geantwortet und du hättest gefragt, „Und warum grinst du dann so blöd?“ - „Ich grinse nicht", hätte ich gesagt, und du, „Tust du doch“, und ich, „Tut mir Leid.“ Aber du schautest nicht hoch, warst dir der Wirkung deiner Aussage zu sicher. Und ich legte die Kleidung zusammen, ein Grinsen im Gesicht, meine knorrigen Finger legten sich wie Fleischerhaken um die Stoffe.

Ich faltete jedes Teil aus den vier Altkleidersäcken, die ich selbst in die Wohnung geschleppt hatte. Du wiegst dreißig Kilo mehr als ich und bist fast doppelt so stark. Aber ich hatte gar nicht erst mit dem Gedanken gespielt etwas zu sagen. Da ist dieses hörbare Pfeifen in meiner Aussprache, wann immer ich aspirierte Worte benutze – Sex, Zynismus, Kilo, Kuh – ein Umstand, den ich einer frechen Antwort verdanke, die ich dir vor dreizehn Jahren gab und auf die hin du mir einen Eckzahn ausschlugst. Ich räumte die Kleidung weg, alles an seinen angedachten Platz, hübsch zusammengefaltet, und wollte schon fragen, was ich als nächstes machen sollte, als mir dein Satz wieder einfiel. Ich machte stattdessen dein Bett, zum zweiten Mal für heute, und wischte den Fernsehschirm mit Glasreiniger ab.

Ich verließ das Zimmer, öffnete leise die Tür zum Hausflur. Ich wusste, dass du wusstest, dass ich die Wohnung verließ. Das Geschrei und Geheul der Nachbarskinder verrieten mich. Ich kam rasch mit der Post zurück, hielt den Stapel von Briefen vorsichtig in beides Händen als hielt ich statt ihnen ein zerbrechliches Küken.

„Ist die Bewilligung vom Arbeitsamt dabei“, fragtest du.
Ich schüttelte den Kopf.
„Hast du alles durchgesehen?“
Ich nickte.
„Hast du's zweimal durchgesehen?“
Ich nickte weiter.

Du last den Absender jedes Briefes laut vor. Einen wichtigen Brief schobst du dir unter die Achsel, Werbung landete neben deinen Füßen. „Du hast sogar mal was richtig gemacht“, sagtest du höhnisch. „Manchmal glaube ich, du bist gar nicht so geistlich behindert.“

Ich konnte nicht fassen, was du da sagtest. „Nicht so geistlich behindert.“ Vor einigen Minuten war da noch der exquisite Vergleich gewesen - „Deine Stimme zu hören ist, als ob mir jemand Stacheldraht durchs Gehirn zieht.“ - und jetzt solch ein scheußlicher Fehler. Hinter zusammengekniffenen Lippen biss ich auf meiner Zunge herum. Du hattest mir einen kurzen Moment von Verzückung erlaubt und warst dann zur Simplizität zurückgekehrt. Man sollte nicht Heine nachahmen, um darauf hin Pilawa zu zitieren.

Du legtest die Post auf der Couch ab, meinem Schlafplatz, und ich wollte mich schon fast beschweren, als mir einfiel, dass ich heute mit dir Alarm für Cobra 11 schauen würde, vom anderen Zimmer aus. Bis dahin waren es noch fünf Stunden, Zeit, die verbracht werden musste.

„Können wir in den Park gehen?“ In meine Stimme legte ich die Hartnäckigkeit Mephistos, der seinen Faust zum Zaubertrank verführt.
„Au“, schriest du auf.
„Was ist denn?“
„Au, au“, schriest du weiter und hieltst dir mit schmerzverzerrtem Gesicht beide Ohren zu.

Ich ließ mich auf die Knie fallen, hob einen der Umschläge auf, kroch zum anderen Ende des Couchtisches, wo dein Kugelschreiber lag, der, mit dem du in der Fernsehzeitung Sendungen markierst, G für Gucken, A für Aufnehmen, und schrieb meine Frage auf. Du jammertest weiter, während du sie last. Ich rückte weg.

„Von mir aus. Aber du ziehst das gelbe Hemd an.“

Ich ging rasch die Stapel durch, bis ich das leuchtende Gelb fand. Ich war ekstatisch. Erst hattest du in Poesie gesprochen, und nun durfte ich Enten beim Aufschnappen von Brotkrumen betrachten.

Der Weg zum Park, durch Verkehr und ungeduldiges Schubsen, erschöpfte mich. Humpelnd und nach Luft schnappend musste ich von dir gestützt werden. Ich deutete auf eine alleinstehende Bank, weil ich wusste, dass du es nicht erlauben würdest, in der Nähe anderer Leute zu sitzen. Meine Wahl war weise, meine Überlegung fiel dir nicht auf. Ich war Bradburys leerstehendes Haus, das weiter Mahlzeiten zubereitete, die Zimmer reinigte und Gedichte von Dickinson las.

Im Sitzen zog ich die drei Brotscheiben aus meiner Tasche. Ich war wie ein Magnet, ein schwarzes Loch: Fixiert eilten die Enten zu dem Stück Wiese vor unseren Füßen.

Aber meine Gedanken kreisten noch immer um deinen Vergleich. „Deine Stimme zu hören ist, als ob mir jemand Stacheldraht durchs Gehirn zieht.“ Er kennzeichnete etwas Tiefgehenderes, ein Symbol. Wie sehr wollte ich dir das erklären. In meiner Vorstellung sagte ich zu dir, „Weißt du eigentlich, was das bedeutet, dass du einen Vergleich benutzt hast?“ - „Einen was? Wovon faselst du da?“ Und ich hätte dir den Begriff Vergleich erklärt. „Ein Vergleich ist die Gegenüberstellung zweier Zustände oder Bilder, die mit einem Vergleichspartikel wie 'wie' oder 'als' verbunden werden. Du hast meine Stimme mit dem Ziehen von Stacheldraht durch dein Gehirn verglichen.“ - „Na und?“, würdest du sagen und ich würde erwidern, „Das ist nicht nur das erste Mal, dass du einen Vergleich benutzt, um mich zu beleidigen, sondern auch der Beleg für eine innere Schönheit, die du in all den Jahren immer unterdrückt hast.“ - „Was?“, würdest du sagen, und ich, „Wenn es die Musik ist, die die einfachen Gemüter beruhigt, dann ist es die Poesie, oder in diesem Fall das Denken in einem Vergleich, das die Existenz einer freundlichen Seele beweist. Daran sehe ich, dass du nicht so grausam bist, wie du immer tust, dass in deinem Inneren die Neigung zur Poesie schlummert. Und Mitgefühl.“ Und du würdest daraufhin schweigen, also würde ich fortfahren, „Das ist ein Anfang. Versuch es doch noch einmal. Sag, dass ich wie jemand laufe oder wie jemand esse. Wir können das üben.“

Aber ich sagte nichts. Ich bin nicht so dumm. Mit dir zusammen zu leben ist, als ob ich mir auf die Zunge beiße, um mir mein eigenes Blut zu spenden.

 

Hey Rabenschwarz!

Die Geschichte hat mir nicht gefallen, weil sie einfach super plakativ ist, die in einer schwarzweiß Welt spielt. Die Figuren sind überzeichnet, die Frau als Superdomina - dann auch noch körperlich stärker als der Mann. Und er ist ihr untergebener Sklave - ich frage mich, was diese zwei Menschen verbindet. Klar gibt es solche Beziehungen auch in Wirklichkeit und man fragt sich, was zwei Menschen, die so unterschiedlich sind zusammenhält. In einer Geschichte erwarte ich eine Antwort auf diese Frage, das habe ich in deiner Geschichte leider nicht gefunden.
Der Protagonist bleibt passiv, klagt seine Freundin/Frau nur an, zu recht, jedoch nur in Gedanken, so dass gar keine Dynamik in die Geschichte kommt. Die Frau - super unsympathisch - was ja dein Ziel war- aber auch in der Charakterisierung einfach übertrieben. Nur ein Masochist kann wohl bei ihr aushalten, dann sollte dieser Masochist sich aber nicht beschweren, der hier tut es - also, nein, sorry, ich finde die Charakterisierung misslungen. Der scheint ja auch noch intelligent zu sein - wieso lässt er sich dann sowas gefallen?
Und was ist ihre Motivation mit "dem hässlichsten Menschen" zusammen zu bleiben?

Ich blieb stumm, weil du dich in Poesie versuchtest.
Gut, vielleicht für den Moment, aber die Beziehung scheint ja schon länger zu laufen.

Beim bloßen Lesen hat mich ihre Beziehung auf die Palme gebracht, deshalb frage ich mich, ob sich ein normaler Mensch solchen emotionalen Brutalitäten aussetzt und warum?

Auch der letzte Satz, mit dem du offenbar eine Erklärung liefern möchtest, verfehlt die Wirkung - weil ich mich frage, worin sich ihre "Blutspende" äußert und vor allem WIE?

JoBlack

Und bei dem heißgeliebten Vergleich denke ich eher an Emozeugs. :D

 

Hallo Rabenschwarz

Ich möchte dich gerne dahingehend unterstützen, dass ich sagen möchte, du musst dem Leser keine Antwort bieten. Ich habe mich beim Lesen deines Textes nicht gefragt, warum da wer mit wem zusammen ist. Und ich hätte auch keine Antwort erhofft. Ich habe auf Poesie gehofft und den Ansatz dazu gefunden. Du betonst meiner Meinung nach falsch, versuchst zu sehr, Formulierungen, die dir gefallen, in den Vordergrund zu rücken. Ich mache oft den selben Fehler. Aber Poesie ist schüchtern und drängt sich nicht auf, muss sich nicht betonen, sondern scheint wie von selbst zu funktionieren. Aber du hast den Willen dazu keine 0815 Ende Anfang psychologisch Charakter festgelgt KG zu schreiben, sondern gehst den Weg über und zur Poetik. Das kann ich nur gut heißen.

„Ist die Bewilligung vom Arbeitsamt dabei“, fragtest du.
da fehlt das ? und generell soltest du noch mal die wörtliche Rede überarbeiten.

Du last den Absender jedes Briefes laut vor.
Das ist z. B. ein Satz, den ich irgendwie vermeiden würde. Schreib die ganze Stelle, die ganze Geschichte um, wenn es sein muss, aber so einen Satz darf es nicht geben. "Du hast den Absender des Briefes laut vorgelesen." vielleicht, aber am besten wäre es, diese Information irgendwie anders einzubringen. Von solchen Sätzen hast du viele.

Du last den Absender jedes Briefes laut vor. Einen wichtigen Brief schobst du dir unter die Achsel, Werbung landete neben deinen Füßen. „Du hast sogar mal was richtig gemacht“, sagtest du höhnisch. „Manchmal glaube ich, du bist gar nicht so geistlich behindert.“
Der ganze Absatz ist so. Die Sprache passt nicht zu dem, was passiert, ist zu gestelzt mit dem sagtest, tatest, machtest usw.

Man sollte nicht Heine nachahmen, um darauf hin Pilawa zu zitieren.
Ist ein schöner Satz, halt dich an ihn.

Du hast nämlich sehr schöne Anspielungen, wenn auch sehr direkt, und manchmal, wie bei Mephisto, sehr plumb, und dann schreibst du so was wie

Ich war wie ein Magnet, ein schwarzes Loch:
was aus einem Pur Text oder einem Pilcher Roman stammen könnte.

„Ein Vergleich ist die Gegenüberstellung zweier Zustände oder Bilder, die mit einem Vergleichspartikel wie 'wie' oder 'als' verbunden werden. Du hast meine Stimme mit dem Ziehen von Stacheldraht durch dein Gehirn verglichen.“
Auch wenn dein Prot es deiner Proteuse erklären muss, dem Leser musst du es nicht erklären.

Der Hang zur Poesie, zu Vergleichen, und, vor allem, die Leidenschaft dazu, ist bei dir zu erkennen. Mehr aber auch nicht. Du haust zu viel auf die Kacke. Das, was du an der Geschichte schön findest, die Vegleiche, versucht du zu sehr, dem Leser unterzujubeln, auf die Nase zu binden. Und das ist schade, tut mir fast schon weh!

lieben Gruß

 

Hallo JoBlack, KaGeb und und Aris,

ich danke euch fürs Lesen und Kommentieren, all eure Anmerkungen sind sehr interessant und bieten viel Stoff zum Nachdenken darüber, was ich eigentlich erzählen will und wie ich das vielleicht anders anstellen muss. Das hier war die erste Version, euer Feedback wird bestimmt in die nächste Fassung mit einfließen. Nochmals Danke für die Anregungen.

Grüße.

 

Guten Tag, Rabenschwarz!

Erstmal herzlichen Glückwunsch zu zwei fiesen Protagonisten. Ich habe sie betrachtet und bin zu dem Schluß gekommen, daß er sie an Widerlichkeit noch bei weitem übertrifft, denn sie ist zwar ein ungeduldiger, egoistischer Gewaltmensch mit Übergewicht, aber viel mehr erfahre ich ja nicht. Er hingegen ist dumm, hält sich aber für schlau, für klüger als seine Frau jedenfalls, und glaubt, seine Situation selbst gewählt zu haben, zu kennen und zu überschauen. Das lese ich in den Passagen, in denen er im Kopf durchspielt, was geschehen würde, wenn … und am Schluß.

Bemerkenswert: Das könnte stimmen, könnte aber auch Einbildung sein; vieles im Text spricht dafür, daß der Held nur glaubt, seine Motive zu kennen, daß er überhaupt nichts weiter sieht, als was er sich im Kopf zusammenstrickt; da das aber seine Wunschwelt ist, bleibt in jedem Fall eine weltferne, muffige, lächerlich pseudogebildete und eitle Widerlichkeit, die so abstoßend auf mich wirkte, daß es mir wehtat, ihn Heine erwähnen zu hören. Da hätte ich ihm am liebsten auch eins mit dem Bügeleisen in die Fresse gegeben.

Bei etlichen Stellen hatte ich überhaupt das starke Bedürfnis, mir die Haare zu raufen. Als ich vorhin in Aris Rosentrehters Kommentar las, Du hautest zuviel auf die Kacke, mußte ich lachen: Das trifft es genau.
Und dann sind mir noch … aber lies:

Als du zu mir sagtest, „Deine Stimme zu hören ist, als ob mir jemand Stacheldraht durchs Gehirn zieht“, applaudierte ich stumm für diesen Vergleich.
Die Satzzeichen bei der Wörtlichen Rede sind kaputt, finde ich. Die Kommata davor stören mich. Hier (und an Dutzenden weiteren Stellen) würde ich stattdessen einen Doppelpunkt setzen.

Aber beschwert sich ein Ast, wenn ein Bussard seine Krallen um ihn legt?
Da: Er sieht sich als Ast. Dann sieht er sich auch als Baum, den es nicht stört, wenn sich die Sau an ihm schabt, als überlegen also. In dieser Situation! Welch ein Waschlappen.

Ich war deine Missbilligungen bereits gewohnt.
Mißbilligung als Plural ist kraus.

Oder kein Komma als wir in der Schlange vor der Frittenbude standen.

So unkreativ. Alle von ihnen. Bis dato. Ich weiß, dass du keines meiner Bücher liest, auf allen hat sich Staub abgesetzt.
Aha, sie haben also getrennte Bücher. Oder er liest auch nicht. Oder er schreibt Bücher, die sie nicht liest. Die Frau wird mir zusehends sympathischer.

Vor dreizehn Jahren schlug sie ihm den Zahn aus, und alle anderen vor ihr waren auch unkreativ. So dringend nötig kann er es wohl nicht gehabt haben mit der Kreativität, daß er so lange wartet. Hier dachte ich auch: Er sieht gar nichts, lebt in seiner kaputten Scheinwelt, man kann ihm kein Wort glauben.

Vor allem nicht mit dem Bügeleisen in deiner Hand, mit dem du das Hemd bügelst, das ich heute anziehen soll.
Das finde ich unlogisch. Er beschäftigt sich in der Geschichte dauernd mit Wäsche, es ist anzunehmen, daß er bügelt und nicht seine Frau. Oder soll ich mir im Folgenden vorstellen, daß sie bügelt und er danach zusammenfaltet? Kann ich nicht!

Ich blieb stumm, weil du dich in Poesie versuchtest. Das überwältigte mich. Das war wie Gregor Samsas Erkenntnis nach dem Erwachen, Raskalnikovs Hinkehr zu Religion, wie der Moment, als Lord Henry das Portrait Dorian Grays enthüllt.
Menschenskinder, was für ein Arschloch! Dem gehört doch … wah. Ich sage: Alles, was er je gelesen zu haben glaubt, hat er nur pervertiert und besudelt. Schad' um's Sach'!

Kein Buch fiel mir ein, keine Zeitschrift, nicht mal ein Lied.
Och, mir fiel immerhin der &%$#*! Biermann ein:

Vergaß den Stacheldraht im Hirn
Die Ketten, die im Innern klirrn

ins Nebenzimmer delegiert hattest.
Das Wort paßt hier nicht. Gibt genug Alternativen.

Ich faltete jedes Teil aus den vier Altkleidersäcken, die ich selbst in die Wohnung geschleppt hatte.
Warum schleppt er vier Säcke Klamotten in die Wohnung? Das ist ein Detail, das nach Erklärung oder Rotstift schreit, denn derart schwer nachvollziehbare Handlungen einfach reinzuwerfen ist unschick. Entweder ist das wichtig oder unüberlegt.
Zur Strafe hörst Du Dir jetzt alles an, was mir Leser dazu durch den Kopf gehen mußte:

Ist die Frau zu geizig, um neue Klamotten zu kaufen? Muß er in Altkleidern gehen? Sind die am Straßenrand geklaut oder vom Recyclinghof mitgenommen? Fährt er da alleine hin? Oder sind es Billigklamotten, das Kilo für fünf Euro, und er transportiert sie halt in solchen Säcken? Aber warum dann vier auf einmal, wenn es Geld gekostet hat und eine Geizsache war?
Kauft sie für sich neue Klamotten? Offensichtlich sind ihr Kleider wichtig (die Sache mit den Hemden), bedeuten zumindest was als Machtinstrument o.ä. im Ehealltag. Ist nur wichtig, was er anzieht? Muß er womöglich zur Folter säckeweise Kleider holen, falten und wegräumen? Hat er die vorher gewaschen? Wer hat sie gebügelt? :D Zieht er sie überhaupt jemals alle an? Dann hätte er ja z.B. mehr als nur ein gelbes Hemd. Oder haben die am Ende einfach keine Waschmaschine und tragen alles in Altkleidersäcken zur Wäscherei und zurück?
Da könnte man noch lange weitermachen, aber ich will ja nur Dich strafen und nicht mich, also Schluß jetzt.

gar nicht erst mit dem Gedanken gespielt, etwas zu sagen.

hielt den Stapel von Briefen vorsichtig in beiden Händen, als hielte ich statt ihnen ein zerbrechliches Küken.
Statt ihnen streichen. Oder statt ihrer, wenn schon.

Man sollte nicht Heine nachahmen, um daraufhin Pilawa zu zitieren.
Aua! Auweia! Der schlimmste Satz von allen. Den kannst Du nicht mehr nur Deinem Helden in die Schuhe schieben. Für den mußt Du Dich selber schämen. Stundenlang!

Fixiert eilten die Enten zu dem Stück Wiese vor unseren Füßen.
Das heißt für mich: Angebunden. Oder festgeklebt, -genagelt, -geschraubt etc. Meinst Du: Wie an Fäden gezogen? Zielstrebig? Oder daß die Enten auf das Brot fokussiert waren? Auf jeden Fall kraus.

Aber ich sagte nichts. Ich bin nicht so dumm. Mit dir zusammen zu leben ist, als ob ich mir auf die Zunge beiße, um mir mein eigenes Blut zu spenden.
Daß er in seinem eigenen Vergleich, der übrigens so berauschend nicht ist, den Konjunktiv genauso verwurstet wie seine ungebildete Frau in dem überstrapazierten Vergleich vorher, geschieht ihm gerade recht. :silly:

Freundlichen Gruß!
Makita.

 

Hallo Makita,

vielen Dank für Deine Anmerkungen, die zu lesen mir großen Spaß bereitet haben. Bei vielem gebe ich dir Recht und werde das bei der weiteren Arbeit am Text mit einbeziehen, sowohl sprachliche Aspekte als auch inhaltliche.

Deine Wahrnehmung des Erzählers finde ich besonders aufschlussreich. Wenn ich daran weiter arbeite, stellt sich - wie bei anderen Lesern - vielleicht auch die Frage nach dem warum nicht mehr. Aber du und Aris habt Recht mit dem auf die Kacke hauen. Das entspricht eigentlich auch nicht meiner Intention. Früher konnte ich subtil mal ganz gut, aber die Prosa ist rostig geworden. So habe ich wohl erst mal alles rausgehauen, was an Munition gerade da war. Schritt 2 müsste sein, zwar noch einmal nachzuladen, aber mich mehr auf die Zielgenauigkeit zu konzentrieren.

Nochmals danke, und Grüße.

 

Hallo S.,

gut, mal wieder was von Dir zu hören, äh, lesen, noch besser, das alles schon gesagt ist bis hin zum Konjunktiv durch Makita, was einem faulen Hund wie mir arg entgegenkommt. Da stören dann die Satzzeichen bei der wörtl. Rede überhaupt nicht. Gleichwohl - aber da hastu ja selbst schon drauf hingewiesen - hab ich schon weitaus beeindruckenderes von Dir gelesen. Aber dennoch erscheint mir der Text derzeit geradezu notwendig, denn auch solche Beziehungen gibt es und nicht jeder Mann gleicht einem Gorilla und wird zum Graurücken (der ja eigentlich eher silbern in braunem Fell ist, für letzteres können Gorillas nix). Hier hat halt die "Partnerin" - will ja pc bleiben - die Hosen an und alle Gewalt geht von ihnen aus.

Gruß

Friedel

 

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