Stück für Stück
Sechzehnte KW. Es herrschte Totenstille, nur das Crescendo der Kreissäge, die die alten und morschen Knochen des erlegten Greises stückweise vom übrigen Körper löste, störte meine philosophischen Gedankengänge. Wer mochte er gewesen sein? War er Vater, Ehemann, Freund, Berater? Wer würde sein Fehlen bemerken? Hinterließ er Menschen, die um ihn trauerten, Menschen, die nun um seinen Nachlass stritten?
Es war geschafft, er war – aufgebrochen sagt, glaube ich, der Weidmann. Kein Teil größer als eine Einkauftüte, circa 18 würde ich benötigen. Von Aldi. Metapher für billigen Konsum. Ein Türke im Türkenkoffer. Die Idee ließ mich laut auflachen. Ob wenigstens einer der Finder die Ironie dieses Zustandes erkennen würde? Ich hoffte es, hoffte auf die Intelligenz des Finders oder des Journalisten, der darüber würde schreiben müssen, freute mich auf die daraus resultierende Schlagzeile.
Ich begann jedes Teil einzeln in eine Tüte zu verfrachten, jeweils ein ordentlich gefaltetes Sozialhilfe-Formular dabei, mit Stempelaufdruck: „Abgelehnt“, dann säuberlich zugetackert, Tüte für Tüte. Es ging mir nicht um die Staatsangehörigkeit der Menschenteile, ob Türke, Tscheche, Afghane, Italiener, Spanier, Östreicher, Israeli, oder, oder, oder. Entscheidend war der Status „Ausländer“, entscheidend der Bezug von stattlichen, staatlichen Beihilfen. Entscheidend waren finanzielle Leistungen, die nicht in deutschen Geldbörsen landeten, nicht den hier Ansässigen zugute kamen. Wichtig war, dass im vorliegenden Fall ab sofort eine Einsparung von über 625 Euro monatlich zu verzeichnen war.
Ich schaute auf meine Liste, die mir Mario besorgt hatte. Ich war meiner Zeit voraus. Der zerstückelte Alte hieß Mohamed, stand an siebzehnter Stelle von 52 Namen und Adressen. Alles Leistungsempfänger unseres Sozialstaates, alles Menschen, die zu faul waren, sich im eigenen Land um vernünftige Zustände zu kümmern, die lieber hier in Schlaraffia aufwandsminimiert absahnten. Bestens geschult von Schlepperbanden, die nicht nur den Grenzübergang topp organisiert hatten, sondern auch die notwendigen, gefälschten Formulare parat hatten, gesetzliche Bestimmungen und Möglichkeiten zur Eingliederung besser drauf hatten, als der Beste der Beamten.
Nummer achtzehn wohnte gar nicht so weit entfernt, bestimmt würde sich in den nächsten Tagen eine Gelegenheit finden. Erst musste ich die Tüten im Stadtgebiet verteilen, dann die Hausarbeit zu ende schreiben, in Strafrecht.
Wir hatten viel erreicht in den letzten zwei Jahren. Insgesamt waren wir inzwischen 194 Gleichgesinnte, verteilt über ganz Deutschland. Alle mit dem hehren Ziel, den Staat zu unterstützen, die Effizienz politischer Unzulänglichkeiten nachhaltig zu fördern. Jeder von uns mit der Vorgabe, dem Staat jede Woche mindestens monatliche Ausgaben in Höhe von 1.000 Euro zu ersparen. Im letzten Jahr waren es 150 dieser Schmarotzer, die jede Woche, reduziert werden konnten; immerhin 7.800 Ausländer die keine Sozialleistungen mehr in Anspruch nahmen, 7.800 die nicht mehr ins soziale Netz gehörten, 7.800 liquidierte Asoziale. Bei nur 1.000 Euro monatlich eine Einsparung von 93,6 Millionen p.a. Unsere Erfolge machten uns berühmt, sorgten für steigendes Interesse, sich bei uns zu beteiligen. Teilweise waren sogar schon potentielle Mitglieder unserer Vereinigung aktiv geworden, ohne bei uns registriert zu sein. Das ist sehr ärgerlich und erschwert natürlich die Buchhaltung, die Statistik bekommt dadurch zuviel Unschärfe.
Die Medien reagierten sehr unterschiedlich. Das anfängliche Stirnrunzeln über vereinzelte Morde an ausländischen Mitbürgern, wandelte sich in ständiges Entsetzen, da die ausländischen Regierungen Konsequenzen forderten und anderseits auch androhten. Die Yellow-Press bekam ein unerschöpfliches Potenzial an Schlagzeilen. Es wurden Täterprofile erstellt, Besonderheiten der „Zerlegung“ analysiert. Es half nichts, man erkannte sehr bald, dass es viele Täter waren, nicht Nachahmungs-, sondern Überzeugungstäter. Noch zögerte die Presse, noch erfolgte eine öffentliche Diskriminierung unserer Taten. Die „Bild“ war die erste Zeitung, die vor einigen Tagen Zahlen veröffentlicht hatte. In einem verhältnismäßig kleinen Artikel war von nicht mehr auszuzahlenden jährlichen 112 Millionen Euro die Rede! Wer, wenn nicht wir, machte sich mehr um den Staat verdient? Noch getraute sich niemand, es laut zu sagen, es in großen Lettern zu drucken, aber unser Leitspruch war bereits bekannt: „Sozial zu Deutschen, deutsch zu Asozialen“. Und er würde immer mehr ins Licht der Öffentlichkeit rücken, da war ich mir sicher.
Unsere Maßnahmen zeigten bereits Wirkung. Die Rate Antrag stellender Asylanten und Ausländer war drastisch zurückgegangen, nur noch wenige Ausländer stellten angesichts der Gefahr, die wir darstellten, Anträge auf Sozialleistungen jedweder Art. Und es wurden ständig weniger, weniger Antragssteller, weniger Bezieher. Erfolg auf der ganzen Linie. Höchstens noch einmal zwei Jahre und Deutschland war frei von Schmarotzern.
Bis dahin war noch viel Arbeit. Man musste es ihnen nur näher bringen, das Verständnis, die Einsicht, die Einsparung. Sie werden es begreifen, Stück für Stück. Genau das werde ich ihnen liefern / demonstrieren. Konsequente Politik.