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Spuk im Miethaus
Ich erwache in einem furchtbar kalten und kahlen Raum. Ich versuche langsam Umrisse zu erkennen, die mir erklären wo ich bin. Aus einer weiten Ecke höre ich ein Zwitschern, es wird immer lauter. Die Fliesen, auf denen ich liege, sind schwarz-weiß und weisen schon alte Gebrauchsspuren auf. Langsam erkenne ich die Form eines mir unbekannten Badezimmers. Wo bin ich? Ich versuche aufzustehen, kann aber mein Gleichgewicht schwer halten. Links von mir eine alte, dennoch sehr saubere Toilette. Ich bekomme Angst. Mein Puls steigt, mein Körper füllt sich mit Adrenalin, meine Atmung wird immer schneller. Ich versuche den Ausgang zu finden, kann aber keine Tür sehen. Die Badewanne ist seltsam, sie ist gold lackiert, ja sogar die Armaturen sind gold. An den weißen Wänden nehme ich plötzlich ein eingerahmtes Foto, auf dem eine mir unbekannte Frau abgebildet ist, wahr. Der Rahmen wirkt sehr alt, und gleichzeitig auch sehr teuer. Er sieht für mich richtig antik aus. Die Dame auf diesem Foto wirkt in ihren 60ern, sehr gepflegt und sicherlich in ihrem Leben sehr erfolgreich. Anhand ihres ins Auge stechenden Eherings kann ich erkennen, dass sie wohl verheiratet ist. Ein hellgrünes Kleid, dazu passend ein wunderschöner, großer Hut mit einer großen Blume auf der linken Seite, lassen mich fast an die Queen aus England denken. Nur ihre blonden, gelockten Haare und ihre eisblauen Augen erinnern mich daran, dass sie eine eigentlich eine Unbekannte ist. Eine innere Stimme sagt mir jedoch, dass ich diese Frau wohl kennen sollte. Immer mehr versuche ich auf kleine Details zu achten, die mir erklären wer die mysteriöse, alte Dame ist.
„Chantal! Chantal“, höre ich meinen Vater mit erboster Stimme rufen. „So geht es nicht weiter Madam! Du musst endlich lernen dir deinen Wecker zu stellen! AUFSTEHEN!“
„Es ist sieben Uhr, haben dich alle guten Geister verlassen mich jetzt zu wecken?“
„Du hast es deiner Mutter versprochen!“
Mist, dachte ich mir. Es kann doch nicht sein, dass ich immer alles vergesse. Ich muss mir dringend ein Notizbuch kaufen.
Als ich zum bereits von meinem Vater gedeckten Frühstückstisch komme esse ich meine geliebten pochierten Eier und trinke dazu meinen liebsten Orangensaft. Ich beginne diesen Tag, als wäre es jeder andere Tag, doch er ist es nicht.
Ich habe meinen Eltern versprochen mein Leben in den Griff zu bekommen. Letzte Woche hatte ich ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch in einer Werbeagentur, endlich ein Lichtblick. Doch jetzt drängen meine Eltern darauf, dass ich mein schönes Zimmer verlasse und in eine neue Wohnung ziehe. Nur weil meine Mutter ein Baby erwartet. Wie gemein. Es gibt genug andere, die mit 27 Jahren noch zuhause wohnen. Das alte Huhn vertreiben, damit das süße Küken Platz hat. Manchmal denke ich Eltern bekommen nur Kinder, weil sie wenn sie noch Kleinkinder sind, süß sind. Weil sie sie gerne hübsch anziehen, Kleidchen kaufen, und mit ihnen spielen können. Doch wenn sie älter werden, dann haben sie plötzlich Erwartungen und Hoffnungen, ohne Rücksicht zu nehmen ob ihr Sprössling die selben Träume hat. Ich bin davon überzeugt, dass meine Eltern einfach ihre eigenen Träume und Wünsche damit kompensieren wollen. Und dann, anstatt mir zu helfen, setzen sie einfach ein neues kleines "Wunder" in die Welt, und die Spirale dreht sich von vorne.
Jedenfalls muss ich, das alte Huhn, jetzt wohl Platz schaffen. Ich bin wütend.
In unserem Badezimmer, ja heute darf ich es noch unseres nennen, binde meine langen, schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz, ziehe meinen Pullover an, und mache mich auf den Weg. Die erste Wohnungsbesichtigung, allein. Insgeheim hoffe ich, dass die Mieter mich nicht akzeptieren und ich die Wohnung nicht bekomme.
Die Maklerin hat mir die Adresse per E-Mail geschickt, die ich jetzt natürlich so tollpatschig wie ich bin, in meinem E-Mail Account nicht mehr finden kann. Ich setze mich kurz eine alte Parkbank und durchsuche meinen Posteingang. Plötzlich bekomme ich eine neue E-Mail. Ich schrecke hoch, denn es ist die selbe E-Mail, die ich gesucht habe. Ich versuche die seltsame Tatsache zu ignorieren, und freue mich, dass ich nun endlich die Adresse habe. Als ich an dem Wohnhaus ankomme, fällt mir sehr schnell auf, dass dieses Haus sehr alt wirkt. Es wirkt richtig antik auf mich. Alle Fensterrahmen sind gold lackiert, und alle Vorhänge sind zugezogen. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich mich beeilen muss. Schnell laufe ich auf das Haus zu, und versuche verzweifelt die Eingangstür zu finden. Mindestens zwei Mal habe ich mich bereits um dieses verdammte Haus gedreht und alles was ich sehe, sind Fenster. Naja, zumindest Einbruchssicher, muss ich schmunzeln. Die Maklerin, die sich mit mir bereits vor vierzig Minuten treffen wollte, ruft mich ungeduldig an. Ich nehme ab, und wie aus dem Nichts erscheint mir diese Tür plötzlich. Mein Atem stockt. Zuerst die E-Mail, jetzt diese Tür, irgendwas stimmt hier doch nicht.
Die Dame an der anderen Leitung bittet mich in den 4. Stock zu kommen, sie würde am Ende des Treppenaufgangs auf mich warten. Na toll, kein Aufzug, das fängt ja toll an.
Als ich endlich im vierten Stock ankomme, und sie begrüße möchte, erkenne ich sie wieder. Sie ist die Frau auf dem Bild, in meinem Traum. Mir wird schlecht. Ich möchte gehen, kann aber plötzlich keine Treppen hinunter mehr sehen. „Geht es Ihnen gut?“, höre ich die Stimme rufen.
Ich erwache in einem furchtbar kalten und kahlen Raum. Ich versuche langsam Umrisse zu erkennen, die mir erklären wo ich bin. Aus einer weiten Ecke höre ich ein Zwitschern, es wird immer lauter. Die Fließen, auf denen ich liege, sind schwarz-weiß und weisen schon alte Gebrauchsspuren auf. Langsam erkenne ich die Form eines mir unbekannten Badezimmers. Wo bin ich?