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Sprinkler
Die Sprinkler hatten uns völlig durchnässt.
Wir standen in der großen Empfangshalle des Museums hinter der erst gestern eröffneten Brunnenanlage dicht beieinander, der allgegenwärtigen Gefahr bewusst.
Ich richtete meinen Blick auf die breite Treppe, die etwa fünf Meter vor uns ins Dunkle führte. Auch sie wurde von den Sprinklern nicht verschont und es bildeten sich Pfützen in den ausgetretenen Stufen, die schnell überliefen.
Für einen Moment musste ich an einen reißenden Strom denken, der alles, was er erfassen kann, mit sich zieht und niemals mehr aus seinen schaumigen Fängen freigibt.
Nicholson, einer der beiden Sicherheitsbeamten, versuchte immer lauter werdend über sein Walky-Talky die Polizei zu erreichen. Als auch endlich er verstand, dass das ganze zwecklos war, schleuderte er es mit den Worten: „Du verdammtes Scheißding“, auf den glitschigen Boden.
„Jetzt kriegen Sie sich wieder ein.“ mahnte Professor Sportan, der Museumsleiter.
„Halten Sie's Maul!“ brüllte Nicholson mit weit aufgerissenen Augen zurück. „Wir sterben hier und ich soll mich wieder einkriegen?“
Sportan holte tief Luft. Er war immerhin Nicholsons Chef. Doch bevor er ihn zurechtweisen konnte, zog ihn seine Frau Emily, die neben ihm am Brunnenrand saß, zu sich. Sie flüsterte dem hageren Professor beruhigende Worte ins Ohr und die Spannung verließ seinen Körper.
Für Nicholson war die Angelegenheit allerdings noch nicht erledigt. Er beschimpfte Sportan weiter, gab ihm sogar mit kreischender Stimme die Schuld an unserer Situation, bis er sich völlig in seinen Tränen verlor. Martin, sein Kollege, versuchte erfolglos ihn zu beruhigen.
Erst ein müdes Händeklatschen, getragen von einem ebenso müden Lachen zerschnitt das Gejammer. Eine dunkle Gestalt stand am oberen Ende der Stufen und ihre schleichende Stimme lähmte uns.
„Bravo! Immer weiter Nicholson...“
Stufe um Stufe näherte Er sich uns, ganz langsam, und ich konnte in den gelegentlichen Lichtzuckungen der wenigen noch funktionierenden Neonröhren Seine Augen sehen. Sehen? Nein, meine Umwelt verzerrte sich, trat dann völlig in den Hintergrund, so fesselte mich dieser Blick. War dort im letzten Lichtblitz noch kalte Leere, so fand sich im nächsten berstender Wahn, dann große Furcht, schließlich, als Seine Augen die meinen fanden, vertraute Einsamkeit.
Er lächelte sanft.
Nicholsons Schrei erst ließ mich wieder aus meiner Lethargie erwachen: „Du elender Hurensohn!“ Der Beamte griff nach seiner Waffe, und sogleich fiel auch ein Schuss. Nicholsons toter Körper sank erst leise platschend auf die Knie, dann vornüber auf den voll gesogenen Teppich, der kreisrund vor uns lag. Dort sah man, wie sich eine fast schwarze Flüssigkeit, die aus einer klaffenden Kopfwunde floss, mit dem künstlichen Regen vermischte.
Ungläubig sah ich zu Ihm hinauf, die Waffe mit Seinem Arm eine Einheit bildend, die Augen unablässig auf mich gerichtet, lächelnd.
Wieder griff ein Beamter fluchend zu seiner Dienstwaffe, wieder fiel ein Schuss und wieder sank der Körper des Fluchenden zu Boden.
Ich kann nicht sagen, wie lange Er mich mittlerweile fixierte, meine Wahrnehmungen waren getrübt.
Neben mir, und doch unendlich weit entfernt, schluchzten Herr und Frau Sportan eng aneinander gekauert.
Nun trat Er die restlichen Stufen hinunter, bis Er vor mir stand. Seine Augen verengten sich.
„Nun Jack, wie geht es dir?“ wollte diese unwirkliche Stimme wissen.
„Was?“ stammelte ich.
Er atmete, schmatzte: „Nun Jack, ich erkundige mich nach deinem Wohlergehen. Also, bitte, wie geht es dir?“
Von irgendwoher drangen Worte in meinen Mund: „Danke der Nachfrage, mir geht's beschissen. Und ich heiße nicht Jack.“
Seine Mundwinkel entfernten sich von einender, Seine Lippen wurden schmaler: „Immer noch zu Scherzen aufgelegt, was Jack? Ach und das mit deinem Namen...spielt das denn noch eine Rolle?“
Erst jetzt wanderte Seine Aufmerksamkeit auf die jammernden Geschöpfe zu Seinen Füßen.
„Bitte vielmals um Verzeihung Herr und Frau Sportan, ich bin natürlich auch an ihrem Wohlbefinden interessiert“, höhnte er, doch ohne eine wohl nie erhaltene Antwort abzuwarten feuerte Er mehrmals auf das Ehepaar.
Ich schloss meine Augen, und die Furcht, die zwischen meinen inneren Organen seit langem umher schlich schloss sich mit einem Ruck, als wäre eine Würgeschlange in mir gefangen.
„Sieh hin!“ Befahl mir der Mörder. Doch ich sah das Bild vor mir, ohne hinzusehen, und Tränen rannen in meinen Mund.
„SIEH HIN!“ brüllte Er feurig, während Er den ebenso feurigen Lauf seiner Pistole an meinen Gaumen presste. Ich würgte, rang nach Luft, öffnete die Augen.
„Gut...“ gefiel es Ihm. „Gibt es noch etwas, das du loswerden möchtest?“
Ich nickte. Er zog die Waffe zurück.
„Da gibt's was“, ich spuckte, „was mich wirklich interessieren würde.“
„Ja?“
„Warst Du das, der die Sprinkler angemacht hat? Ich meine, hier brennt es doch nirgends, oder?“
Er lachte unheilschwanger. „Ja! Ja, das war ich!“
„Na dann“, entgegnete ich „muss ich mich bei dir bedanken.“
„Weshalb?“
„Nun, so hat niemand bemerkt, wie ich mir gerade in die Hose gepisst hab’.“