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Sprachkurs in Polen
Alles auf Polnisch. Hatte ich mir gleich gedacht. Wenn ich den Text richtig verstehe, dann soll ich hier eine kleine Geschichte darüber schreiben, wie meine Wohnung eingerichtet ist. Schade ist nur, dass ich gerade den Begriff für “mahagoni furniert” nicht parat habe. Gut, dann lüge ich eben. Den Tisch wollte ich sowieso los werden. Mein Glück ist, dass ich nicht viele Möbel habe. Somit beschränkt sich auch der Wortschatz. So greife ich auf Grundausstattungen zurück. Dass der Spiegel bei mir über dem Bett an der Decke angebracht ist, lasse ich im konservativen Polen lieber weg. Sonst bekomme ich noch Ärger mit Radio Maryja.
Als ich nach ca. 40 Minuten den Test abgebe, verschweige ich, dass ich zweimal bei Elli abgeschrieben habe. Ich merke, dass pubertäres Schülerverhalten von mir Besitz ergreift und ich mich mit hochrotem Kopf aus dem Klassenraum schleiche.
Im Flur treffe ich eine Dame aus dem Sekretariat, die mich verwundert fragt, ob ich schon mit meiner Arbeit fertig sei. Schon viele haben mir gesagt, dass ich ständig den Eindruck mache, keine Arbeit zu haben. Das sieht jedoch immer nur so aus. In Wirklichkeit bin ich nur so schnell, dass ich ständig fertig bin. Ein kleiner und nicht unwesentlicher Unterschied.
So langsam macht mich der Regen wahnsinnig. Wie haben sie in der Heimat doch gepredigt, dass Krakau im Juli am schönsten ist. Das Wetter sei dann besonders schön. In den fast zwei Wochen, die ich hier schon verbringe, hat es nur am Tag der Anreise nicht geregnet. Dadurch bin ich gezwungen, mich überwiegend in Lokalitäten aufzuhalten, deren Enge mir nun zunehmend missfällt. Die Polen mögen es einfach, wenn man enger zusammenrückt. Mir ist es inzwischen unangenehm. Ich stoße überall gegen; nicht nur mit meinem Kopf. Ein Tisch, der für vier Personen ausgelegt ist, wird mit sieben Sitzgelegenheiten bestuhlt. Den schlechten Atem des Sitznachbarn zu erdulden, hat nichts mit Toleranz zu tun, sondern mit schlechter Luft.
Auch ist der WC-Besuch nicht ohne Komplikationen über die Bühne zu bringen. Setze ich mich, dann stoße ich mit den Knien die Tür auf. Eine unangenehme Sache, wenn man sich vorstellt, dass die offene Tür den direkten Blick in den Gastronomieraum gewährt. Die Möglichkeiten, in peinliche Situationen zu schliddern sind hier weit gestreut. Polen ist einfach für den deutschen Mann ab 1,90 m nicht gemacht. Insofern stelle ich die berechtigte Frage, was die deutsche Wehrmacht hier wollte.
Nach dem schriftlichen Test beschäftigten wir uns im weiteren Unterricht mit dem historischen Thema: “Einwandfreie Grammatik an einer polnischen Tankstelle” Diese bedeutungsvolle Problematik linguistischer Spitzfindigkeit nimmt mich, seiner ganzen Tragweite entsprechend, sehr mit; die Folgen sprachlicher Ungereimtheiten verspüre ich nahezu täglich. Das führt soweit, dass ich mich fast nicht mehr traue, überhaupt mein vorlautes Mundwerk zu öffnen. Und das kommt wirklich selten vor. Ich überlege, ob ich mein Quartier aufsuchen soll. Dort redet wenigstens niemand mit mir. Oma wird nicht zu meiner sprachlichen Fortbildung beitragen. Es ist schon 23.00 Uhr als ich an diesem regnerischen Abend die Höhle des Löwen betrete. Zum Glück schläft das Raubtier, und ich muss keine sprachliche Auseinandersetzung mittels Wörterbuch fürchten. Wäre mir jetzt auch egal. Ich will nur noch pennen. Zuvor aber noch auf´s Klo. Wieder einmal stoße ich mit meinen Knien die Klotür auf, nur weil ich mich setze. Da will man(n) mal nicht im Stehen und dann das.
Zu den besonderen Eindrücken unseres kleinen Nachbarn gehören auch deren Männer. Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass der Schnurrbart hier in Polen erfunden wurde. Da fast alle Männer eher klein und gedrungen wirken, verleiht ihnen der Schnurrbart das Aussehen eines kleinen Braunbären. Das mag niedlich erscheinen, wenn man sich die satinierten Jogginghosen wegdenkt, die auch gerne in der Öffentlichkeit getragen werden. Die Frage, warum sich die Vielzahl der schönen Frauen in diesem Land auf solch eine modische Missgeburt einlässt, kann nur mit dem eisernen Vorhang erklärt werden. Frau musste sich mit dem zufrieden geben, was vorhanden war. Eine andere Erklärung will mir nicht einfallen.
Die Ergebnisse meiner Abschlussarbeit ließen dann auch nicht lange auf sich warten. 85 von 100 möglichen Punkten. Da hatte sich das Abschreiben doch gelohnt. Ich war zufrieden. Elly hatte ein ähnliches Ergebnis erreicht, und nun warteten wir darauf, dass uns die entsprechenden Zertifikate ausgehändigt wurden. Ich fühlte mich zum ersten Mal heimisch. Die deutsche Scheinwelt hatte ihre bürokratischen Fangarme nun auch bis Polen ausgedehnt; EU-Erweiterung sei Dank.