Sprachgewalt
Ist Sprache an sich gewalttätig? Nein, werden Sie sagen, wir schreiben doch hier auf KG so nette Geschichtchen! Wo denken Sie hin!
Aber was bedeutet es, wenn man von Sprachgewalt spricht? „Mit unglaublicher Sprachgewalt hielt er seine Eröffnungsrede...“
Nehmen wir z.B. einen Sänger,dem man immer wieder „Stimmgewalt“ bescheinigt. Dieser ist sicher stolz, denn das ist ja etwas Positives. Mit Stimmgewalt tut man niemandem weh. Mit Sprachgewalt schon. Sprache kann durchaus Gewalt ausüben. Psychische Gewalt.
Wenn man aber die Rede eines Mitbürgers, den Vorsitzenden des Festausschusses oder Karnevalsvereins, als „sprachgewaltig“ bezeichnet, meint man das natürlich nicht im Sinne von „Gewalt“. Das zielt eigentlich eher auf die Bewunderung eines großen Wortschatzes hin, auf die Benutzung desselben. Was also ist wirkliche Sprachgewalt? Ist es etwa die Art von Sprache, wenn ein Mann seine Frau mit „Du fette Schlampe“ betitelt? Wenn einem ausländischen Mitbürger hinterher gerufen wird, „geh dorthin zurück, wo Du herkommst, Buschmann“? Wenn man zu seinem eigenen Kind sagt, „Du kleine Kröte, ich hätte Dich nie bekommen dürfen?“ Wenn ein Vater immer wieder zu seinem Sohn sagt: „Du taugst nichts, aus Dir wird nie was?“
Ganz wenige Worte, zum richtigen Zeitpunkt richtig gewählt, können zutiefst verletzen. Können tiefer verletzen als körperliche Gewalt. Sitzen auch nach Jahrzehnten noch in unseren Hirnwindungen. Und üben weiterhin dort Gewalt aus, Druck auf Psyche und Unterbewusstsein. Veranlassen uns, unser Leben lang falsche Entscheidungen zu treffen.
Und das nur, weil diese wenigen Wörter einmal, ein einziges Mal, an der richtigen Stelle platziert wurden.
Da die meiste körperliche Gewalt von Männern ausgeht, bedienen sich Frauen sehr gerne der Sprachgewalt, können zutiefst verletzende, hämische, nervtötende, giftige Wortstacheln setzen. Jawoll, meine Herren, darin sind wir Meisterinnen. Leider bleibt uns oft nichts anderes übrig als diese Form der Gegengewalt. Warum bedienen wir uns nicht alle der Sprache als Transportmittel für Schönes, für Phantastisches, für Liebevolles, für Tröstendes? Oder schweigen in manchen Situationen besser?