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Sprachgewalt

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08.08.2003
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Sprachgewalt

Ist Sprache an sich gewalttätig? Nein, werden Sie sagen, wir schreiben doch hier auf KG so nette Geschichtchen! Wo denken Sie hin!

Aber was bedeutet es, wenn man von Sprachgewalt spricht? „Mit unglaublicher Sprachgewalt hielt er seine Eröffnungsrede...“
Nehmen wir z.B. einen Sänger,dem man immer wieder „Stimmgewalt“ bescheinigt. Dieser ist sicher stolz, denn das ist ja etwas Positives. Mit Stimmgewalt tut man niemandem weh. Mit Sprachgewalt schon. Sprache kann durchaus Gewalt ausüben. Psychische Gewalt.
Wenn man aber die Rede eines Mitbürgers, den Vorsitzenden des Festausschusses oder Karnevalsvereins, als „sprachgewaltig“ bezeichnet, meint man das natürlich nicht im Sinne von „Gewalt“. Das zielt eigentlich eher auf die Bewunderung eines großen Wortschatzes hin, auf die Benutzung desselben. Was also ist wirkliche Sprachgewalt? Ist es etwa die Art von Sprache, wenn ein Mann seine Frau mit „Du fette Schlampe“ betitelt? Wenn einem ausländischen Mitbürger hinterher gerufen wird, „geh dorthin zurück, wo Du herkommst, Buschmann“? Wenn man zu seinem eigenen Kind sagt, „Du kleine Kröte, ich hätte Dich nie bekommen dürfen?“ Wenn ein Vater immer wieder zu seinem Sohn sagt: „Du taugst nichts, aus Dir wird nie was?“
Ganz wenige Worte, zum richtigen Zeitpunkt richtig gewählt, können zutiefst verletzen. Können tiefer verletzen als körperliche Gewalt. Sitzen auch nach Jahrzehnten noch in unseren Hirnwindungen. Und üben weiterhin dort Gewalt aus, Druck auf Psyche und Unterbewusstsein. Veranlassen uns, unser Leben lang falsche Entscheidungen zu treffen.
Und das nur, weil diese wenigen Wörter einmal, ein einziges Mal, an der richtigen Stelle platziert wurden.
Da die meiste körperliche Gewalt von Männern ausgeht, bedienen sich Frauen sehr gerne der Sprachgewalt, können zutiefst verletzende, hämische, nervtötende, giftige Wortstacheln setzen. Jawoll, meine Herren, darin sind wir Meisterinnen. Leider bleibt uns oft nichts anderes übrig als diese Form der Gegengewalt. Warum bedienen wir uns nicht alle der Sprache als Transportmittel für Schönes, für Phantastisches, für Liebevolles, für Tröstendes? Oder schweigen in manchen Situationen besser?

 

Um was geht es Dir eigentlich in diesem Thread? Um Gewalt durch Sprache oder was andere User unter dem Begriff "Sprachgewalt(ig)" verstehen?

Sprachgewaltig ist für mich das Gleiche wie das von Dir angeführte Stimmgewaltig eines Sängers: Jemand kann zB bei Reden gut mit Sprache umgehen, andere mitreissen (im positiven) oder ihenen zB Mut zusprechen, auch ein Buch kann sprachgewaltig sein: von einer intensieven mitreissenden Sprache, voller Bilder und Emotionen. Für mich also etwas positives.

Sprache als Gewalt ist da mMn etwas ganz anderes: Naämlich das was du schon angeführt hast....

 

Hi!

ICh muss mich da Jadzia anschliessen.
Wer "sprachgewaltig" ist, kann mit seiner Sprachgewalt eine Menge bewirken. Mit wohlgewaehlten und wohlplatzierten Worten.
Nicht sprachgewaltig sind dagegen all diese Bespiele, die Du an gefuehrt hast. Das sind alles Beleidigungen und Beschimpfungen.

Verbale Gewalt, meinetwegen...
Aber mitnichten Sprachgewalt.

Wenn jemand etwas sprachgewaltiges "fabriziert", dann kann es einen "guten" oder "boesen" Hintergrund haben, wenn wir mal schwarz-weiss denken wollen, aber das aendert nichts an der Qualitaet der Sprache, nur an der des Inhalts.

Frauke

 

Zum Thema Sprachgewalt fallen mir als erstes die Romane von Elfriede Jelinek ein.

 
Zuletzt bearbeitet:

Aus einem Etymologie-Lexikon:

'giwalt' = 'Gewalt, Herrschaft, Macht' (von 'gi hal tan' = 'zusammen halten')
"Gewalt" hat also auch eine neutrale Bedeutung im Sinne von "etwas beherrschen". "Sprachgewalt" bedeutet also zunächst einmal nur so viel wie "Sprachbeherrschung", hat also erst mal nichts mit dem negativ konnotierten anderen Bedeutungsfeld von (physischer) Gewalt zu tun. Insofern ist "Gewalt" also ein ziemlich ambivalentes Wort - das verwirrende kleine Scheißerchen! :D

Nachsatz: Ein ganz anderes Thema wäre natürlich "Sprachgewalt als Beherrschung durch Sprache"!

 

also in der literatur haben die männer immer noch die nase vorne in puncto sprachgewalt, bösartigkeit & häme.

 

Ich verstehe unter Sprachgewalt, das perfekte beherrschen der Sprache. Als erstes fällt mir da Goethe ein.
Auf jedenfall ist sie ausdrucksstark, gefällig und verständlich - da das aber subjektiv ist... kann man es nur statistisch eingrenzen.

 

Geschrieben von I3en
Zum Thema Sprachgewalt fallen mir als erstes die Romane von Elfriede Jelinek ein.

Wer?

braindead: Jap Goethe, wenn man erst mal mit seiner Art zu schreiben klarkommt :D

Tobias: Sprachgewalt ist nicht Bösartigkeit und Häme ....

 

hallo renate,
also ich verstehe den begriff "sprachgewalt" auch so, wie die kollegen davor. allerdings ist deine betrachtungsweise interessant - sie geht über das gewöhnliche begriffs-verständnis hinaus. natürlich kann man mit sprache gewalt ausüben - sogar recht "hinterfotzige", wie wir in bayern sagen! dass dem so ist beweist allein schon die tatsache, dass es bei uns ein heer von psychiatern gibt, die die opfer "betreuen". natürlich kannst du viele begriffe aus dem sprachgebrauch anders beleuchten; z.b. ist "eifersucht" wirklich eine sucht? oder sucht man mit eifer?....du siehst, es gibt viele möglichkeiten. aber egal was du tust: interessant ist es immer wieder eine völlig unübliche perspektive zu eröffnen und neue erkenntnisse daraus zu gewinnen.
ernst

 

wer? wie wäre es ween du nicht nur mit Namen um dich wirfst sondern erklärst wer das sein soll ....

 

Elfriede Jelinek = eine Romanautorin

Sagte ich doch schon.

 

Charlotte Link auch ... nenn ruhig weiter irgendwelche Namen ...

 

z.b. ist "eifersucht" wirklich eine sucht? oder sucht man mit eifer?

Diese Zerlegung verstehe ich nicht ganz und erkenne keinen Sinn dahinter. Wieso zerlegst du das Wort?

In Eifersucht sind zwar die Worte "Sucht" und "Eifer" enthalten, aber zusammengesetzt ist es ein eigenes Symbol mit einer eigenen Semantik.
Ich finde, daran erkennt man einen der Nachteile unserer Lautschrift, dass die Wörter als Symbole übersehen werden und sofort auf die Bedeutung geblickt wird.

 

Auszug aus dem Duden:

Ei|fer|sucht, die <Pl. selten> [urspr. verdeutlichende Zus. mit Eifer = Eifersucht]: starke, übersteigerte Furcht, jmds. Liebe od. einen Vorteil mit einem anderen teilen zu müssen od. an einen anderen zu verlieren:
rasende E.;
aus E. handeln.

Ich finde, dass das Wort Eifersucht durchaus mit dem Suchen und dem Eifer in Verbindung gebracht werden kann. Mit Eifer nach Zeichen für das Fremdgehen des Partners suchen, das ist eben Eifersucht. Das ist natürlich nur eine Möglichkeit.

Wenn man das Wort wörtlich - also Eifer und Sucht – nimmt, ergibt das auch einen Sinn: jemand der süchtig ist, sucht krankhaft oder eifrig nach Alkohol, Erfolg, Geld – es kann ihm also nicht schnell genug gehen. Süchtig kommt zwar von Sucht, nicht von Suchen, doch im übertragenen Sinne ist hier das eifrige, fieberhafte Suchen gemeint. Oder irre ich mich da?

Nun ja, das alles ist nebensächlich, dennoch hat mir Spaß gemacht, ein wenig darüber nachzudenken.

 

Hallo,

Erstens

zum richtigen Zeitpunkt richtig gewählt, können zutiefst verletzen. Können tiefer verletzen als körperliche Gewalt.

Das ist goldrichtig! Wenn jemand sagt, die Welt wäre friedlicher, wenn man sich nicht schlüge sondern alle Konflikte mit Worten lösen würde, dann spricht das wahrlich nicht für einen fernen Geisteshorizont...

Körperliche Gewalt verletzt den Körper, und damit die Seele. Verbale Gewalt verletzt die Seele direkt, und da das auf lange Zeit auch den Verlust von Endorphinen bedeutet, ist auch der Stoffwechsel gehemmt und...

Jaja, 's ist halt das altbekannte Gutmenschengeschwafel, buji hat ein bisschen recht, ein ganz bisschen.

Aber dass Worte mehr bewirken können als körperliche Gewalt, so kann man das auch wieder nicht sagen. Zum Beispiel kann man einen Menschen durch körperliche Gewalt töten, durch verbale ist das sehr schwer ;).
Es gilt trotz allem also umgekehrt.

Warum bedienen wir uns nicht alle der Sprache als Transportmittel für Schönes, für Phantastisches, für Liebevolles, für Tröstendes? Oder schweigen in manchen Situationen besser?
Weil das Menschsein, wie alles, das Gute und das Schlechte auf sich vereint. Gäbe es das Schlechte nicht, würden wir auch das Gute nicht kennen und umgekehrt.
Das Leben wäre sonst indifferent und kontrastlos, ergo identisch mit dem Tod.

Und das spiegelt sich natürlich auch in der Sprache wieder, warum sollte es nicht?

Aber tu Du doch den ersten Schritt, sei Du doch Vorbild deiner eigenen Lebens- bzw. Sprachphilosophie... Sag nur noch Phantastisches, Liebevolles, Tröstendes und Du wirst sehen, dass will gelernt sein, wenn man nicht grad Talent dazu hat. Wenn doch, dann sei Dir wenigstens bewusst, dass es genauso gut jemanden gibt auf der Welt, der sich im selben Moment sagt: "Pah, ich hab die Gutmenschen sowas von satt. Ich bin fortan so böse wie nur möglich. Die sollen meine dreckigen Phrasen fressen, davon sich die Seele aus dem Leibe kotzen, an ihrem Erbrochenen elends ersticken und in der siebten Hölle schmor'n..."
... Nimmt sich nichts ... Such dir 'ne Seite aus ... egal, welche. (Obwohl, nimmst Du die Gute, hast Du meine Sympathie und meinen Respekt wenn sie was wert sind. Allerdings unter der Bedingung, dass Du trotzdem sagst - mit netten Worten -, wenn Dir was missfällt und eben nicht! schweigst.)

Überhaupt ist das Gutmenschentum, wie Du es ja hier in Hinsicht auf seine Sprache propagierst (oder verstehe ich dich falsch?) eine Art Resignation, ein Augenverschließen, eine Verleumdung der Realität in meinen Augen. Es hat am Ende schon alles seinen Grund so wie es ist, ehrlich. Und wenn sich der Mensch mit schlechten Worten selbst beseitigt ... soll er doch, die Natur lacht sich nur ins Fäustchen (vorausgesetzt, sie überlebt das "Ende der Menschheit"). - Naja, ziemlich heikel diese Ansicht, egal.

Zweitens

Sprachgewalt haben ja schon meine Vorredner hinreichend definiert. Ich würde es so formulieren, dass sei mal nur
hinzugefügt, dass es eigentlich ein Verhältnismaß zwischen der Anzahl benötigter Wörter und der Höhe der damit geschlagenen Gefühlswellen beim Leser/Hörer ist. Zugegeben ziemlich pseudowissenschaftlich, aber das ist das beste was ich heute um halb zwei noch zu Stande bekomme ;).

FLoH.

 

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