Spielzeug
Als kleines Kind hatte er es geliebt, Gegenstände nach seiner Mutter zu werfen. Er wusste, er tat ihr weh. Doch genau das war der Grund seines Handels gewesen. Manchmal begann sie zu weinen und wimmerte, dass dies niemals ihr Kind sei, es in dem Krankenhaus vertauscht worden sein musste. Er ging dann zu ihr hin und legte eine Hand auf ihren Arm. Eigentlich tat es ihm leid, dass er ihr weh tat. Aber er konnte nicht anders, etwas in ihm drängte ihn dazu.
Seine Mutter schickte ihn schließlich auf eine Schule für schwer erziehbare Kinder. Da war er gerade acht Jahre alt geworden. Er vermisste sie schon in dem Auto, dass ihn fortbrachte, doch er weinte nicht. Schließlich wollte er stark sein.
In der Schule schlugen sie ihn. Schwer erziehbare Kinder seien nur so zu heilen, sagten die Erzieher. Wenn er schrie oder widersprach, wurde er für einen Tag in einen dunklen Raum im Keller gesperrt. Wenn er nach diesem langen Tag wieder herausgeholt wurde, war er so hungrig, durstig und erschöpft, dass er versprach, nie wieder böse zu sein. Anfangs tat er es trotzdem immer wieder. Nach einer Zeit ließ er es. Er blieb nur noch in seinem Zimmer, Freunde hatte er ohnehin nicht gehabt. Sie durften sich untereinander nicht anfreunden. Es war auch so gut wie unmöglich, schließlich bekamen sie ihr Essen in ihre Zimmer gebracht, während des Unterrichts wurden Gespräche mit Schlägen bestraft. Sie hatten Einzelzimmer. Sogar in den Waschräumen waren Betreuer dabei, deren Blicke schamfrei über die Körper der Jungen glitten. Die ganz jungen ließen sie noch in Ruhe, soviel Anstand hatten sie. Doch sobald die Kinder etwa 10 wurden, bekamen sie oft nächtlichen Besuch. Nicht jede Nacht, es gab schließlich viele Kinder, unter denen sich die Betreuer einen Jungen aussuchen konnten. Aber oft genug, um eine Kinderseele endgültig zu zerstören.
Seiner Mutter schrieb er nicht. Er wollte sie mit Stille bestrafen, denn sie war ja Schuld, dass er hier war. Sie hatte ihn weggegeben. Sie hatte ihn allein gelassen, völlig allein.
Nach einer Zeit sprach er nicht mehr. Die Betreuer wurden böse und schlugen ihn noch mehr. Doch er schwieg weiter. Selbst wenn Nachts ein Betreuer zu ihm kam, sagte er nichts mehr, wehrte sich nicht mehr. Irgendwann kam fast jede Nacht jemand zu ihm, da es die Runde gemacht hatte, dass er willig war.
Innerlich brannte es ihn ihm, doch nach außen hin war er Eis. Er wollte ihnen nicht die Genugtuung geben seine Angst und Verachtung zu spüren.
Im Alter von 15 schickten sie ihn nach Hause. Er sei unheilbar, meinten die Betreuer. Sie hatten alles versucht. In Wahrheit war er ihnen einfach zu alt.
Er fuhr mit dem Bus. Auf halber Strecke hielt er an, um einzukaufen. Er wollte seiner Mutter ein Geschenk mitbringen. Schließlich hatte er sie sehr lange nicht mehr gesehen.
Als er ankam, war seine Mutter im Garten. Sie sonnte sich, sie schien glücklich zu sein. Er ging durch das Tor hinter das große Haus um sie zu begrüßen.
Sie erschrak, als sie ihn sah. Sie frage ihn, wer er sei. Er antwortete nur knapp, dass er ihr unglücklicher, missbrauchter Sohn sei. Dass er all die Jahre geschlagen worden war, dass er jede Nacht innerlich getötet worden war. Dass er allein gewesen war und dass er sie hassen würde. Sie sagte nichts, konnte nichts sagen. Der Schock saß zu tief.
Mittlerweile stand er vor ihr und holte das Geschenk aus seiner Tasche. Es war ein Messer mit scharfer Klinge. Er stach einige Male auf sie ein, bis ihr Körper leblos zu Boden fiel. Doch er fühlte nichts. Er würde nie mehr fühlen.