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Spielsucht
Und noch eins. Und noch eins. Nur noch ein Dorf, dann ist aber Schluss, dachte sich Henry beim Clash of Clans spielen. Er schaute auf sein Tablet, dass auf seinem Kissen lag nach, wie spät es war. Zwei Uhr. Verdammt, morgen muss ich noch zur Schule. Er legte sich schlafen, doch er konnte nicht aufhören, daran zu denken. Noch eine Verbesserung. Noch einmal Elixier und Gold einsammeln. Schnell nachschauen, was im Clanchat steht. War er eigentlich mit dem Zaubertränke brauen fertig? Es brachte nichts und er öffnete die App. Er wurde angegriffen, von einem Spieler namens „Cursxedw2“ und verlor ganze 6 Million Gold! Er hatte sein ganzes Dorf zerstört. Was für ein Bastard! Dabei war Henrys Verteidigung doch perfekt. Frustriert schaffte er es dann doch noch, schlafen zu gehen.
Am nächsten Tag im Unterricht, konnte er an nichts anderes denken, als an den Spieler, der es schaffte, sein Dorf zu zerstören. Es wurde kein Video vom Kampf hinterlassen, sodass er sich nicht ansehen konnte, wie stark die gegnerischen Truppen waren. Das machte ihn verrückt!
„Wegen gestern am Grübeln?“, hörte er eine Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss. Tom schaute ihn verstohlen an. „Du warst das also?“, fragte ihn Henry und fuhr fort: „Wie hast du das hingekriegt, he? Kleiner Scheißcheater! Los! SAG ES MIR!“ Je länger er daran dachte, desto wütender wurde er. „Wovon sprichst du?!“, erwiderte Tom geschockt: „Ich meinte die schwere Mathe-Hausaufgabe. Was ist bloß los mit dir, du Psycho?!“ Professor Benett bemerkte dies und ermahnte daraufhin beide, ruhig zu sein. Nach dem Klingeln, das die Pause verkündet hatte, rannte Henry auf die Schultoilette. Währenddessen hörte er die Stimme seines Vaters in seinem Kopf: „Spielst du immer noch dieses Spiel? Geh sofort ins Bett, Psycho!“ Ich bin kein Psycho, dachte sich Henry und hielt die Tränen zurück. Dieser Tom ist ein Psycho! Meint, er könne einfach so mit mir spielen. Meint, er könne mein Dorf zerstören. Meint, er könne cheaten und ungestraft davon kommen! Er schlug mit voller Kraft gegen die Wand. Seine Hand blutete. Während er sich das Blut von der Hand wusch, hörte er die Stimme seiner Mutter: „Du verbringst so viel Zeit mit diesem Spiel. Das macht mir Angst, Henry! Verstehst du? Es macht mir höllische Angst! Für so jemanden kommt doch nur noch ein Psychiater in Frage!“ Er biss sich auf die Lippe. Nein, ich bin kein Psycho. So bin ich doch nicht! Es schallte immer wieder durch seinen Kopf. Psycho. Psycho. Psycho. Er würde dem ein Ende setzen!
Nach der Schule ging er sofort nach Hause und in sein Zimmer. Er schloß ab. Seine Mutter bemerkte das und versuchte vergeblich, in sein Zimmer zu gelangen. „Henry, bist du das? Mach auf! Henry, was soll das?!“ Er schaute auf sein Tablet. Erregung erfüllte ihn. Er drückte den Home-Button. Das blaue Licht ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Er strich mit dem Finger zärtlich den Lockscreen nach rechts und gab den Code ein. Je länger er das Tablet berührte, desto mehr verfiel er in eine Art Trance. Er konnte nur noch dumpf die Stimme seiner Mutter hören. „Henry, mach auf! Wir können über alles reden, ich bitte dich!“ Plötzlich stockte sein Atem. Er sah sie. Die Höllenapp. Er hielt sein Finger drauf, bis alle Apps anfingen, sich zu schütteln. Das „X“ poppte oben links auf dem Appsymbol auf. „Henry! Mach verdammt nochmal die Tür auf!“ „Mach dir keine sorgen, Mama…ich werde es beenden.“. Stille. „Henry, du machst mir wieder Angst. Rede doch endlich mit uns. Wir wollen wissen, was los ist!“ Er ignorierte sie und löschte schwerenherzens die App.
Es war endlich vorbei. Es schien, als ob sich unsichtbare Ketten von ihm gelöst hätten. Das Gewicht von seinen Schultern fiel ab. Er konnte seit so langer Zeit wieder durchatmen. Es war still. Friedlich. Nach so langer Zeit war alles endlich vorbei.
Dann schoss er sich in den Kopf.