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Spiel ein Spiel mit mir

Kew

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26.05.2009
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Spiel ein Spiel mit mir

Ein Tisch trennte Sabina von Timo. Sie hatte ihren Salat kaum angerührt und das Dressing weichte Parmesan und Blätter auf, verschmolz beides zur amorphen Masse.
„Schmeckt dir dein Essen nicht?“ Timo beugte sich über den Tisch, die Ellbogen aufgestützt, die Haare verwuschelt und braun.
„Doch, doch. Ich hab nur keinen Hunger.“
Sie saßen vor dem Restaurant, nahe der Straße, wo keine Autos fuhren, weil das hier ein Wohngebiet nach Feierabend war. Vom Pflaster stieg Restwärme auf, erinnerte an den klebrigen Asphalt und die Backofenluft der Mittagsstunden. Kein Wind brachte Abendkühle in die Stadt und Sabinas Körper schwitzte in Jeans und langärmligen T-Shirt – Hitzestau unter den Achseln, glitschiges Gefühl auf der Haut, feuchter BH und feuchte Hose. Sie trank von ihrem Cocktail, alkoholfrei und süß. Neben ihrem Teller stand eine leere Flasche Mineralwasser.
„Du gehst noch zur Schule, oder?“, fragte Timo.
„Ja.“
„Und gehst du gerne hin?“
„Geht so.“
„Also ich hab die letzten zwei Jahre gehasst …“
Während er redete, von Ausbildung und Arbeit, betrachtete Sabina Studenten, die zu viert hinter Timo saßen und über einen Aufenthalt in Südafrika sprachen und über Sport und das Trainingsprogramm für die Sonne Kapstadts, die weißen Strände und die Mädchen in Bikini, für die Surfer mit Brett und triefender Badehose, ihre Muskeln wirkten wie Kabelstränge unter der Haut. Sie brach den Gedanken ab; sie würde diesen Sommer keinen Bikini tragen.
Timo erzählte noch immer und vom Nachbartisch kam ein Hund gelaufen. Sie kraulte sein Fell, heiß wie ihre Haut, er schnupperte an ihrem Knie und drängte unter den Tisch. „Oh, entschuldigen Sie.“ Die Besitzerin, die allein saß und Wein zur Pasta trank, zog den Hund an der Leine fort.
„Du magst Hunde?“, fragte Timo.
Sabina nickte.
Und wieder dehnte sich das Schweigen und Sabina stocherte in ihrem Salat, aß eine Gabel voll. Es schmeckte fad und wässrig.
„Sollen wir gehen?“, fragte Timo.
„Können wir.“
Also trank sie ihren Cocktail aus und Timo zahlte für beide.
Inzwischen glommen Straßenlaternen über jeder Kreuzung – hypertrophierte Glühwürmchen an Kabeln. In ihrem kränklich gelben Licht erzählte Timo von einem Motorrad, an dem er schraubte, obwohl er keinen Führerschein dafür besaß, und seinem Auto mit Boxen im Kofferraum und 120 PS. Weil außer Gehen nichts zu tun war, zählte Sabina ihre Schritte und simultan die Fenster im zweiten Stock, bis sie durcheinander kam.
„Ist dir eigentlich nicht warm in deinen Sachen?“
Sie zuckte mit den Schultern und schwieg. Sie hatte ihren Körper bereits vergessen, jetzt kam er wieder, mit klebriger Haut und Eigenwärme, müden Muskeln und Kopfschmerzen.
„Warum lässt du dich einladen, wenn ich dich nur nerve?“
Sie spürte Leere neben sich und drehte sich um. Timo war zurückgefallen, stand zwei Meter entfernt. Über ihm hing keine Straßenlaterne und sie konnte sein Gesicht kaum sehen, nur Tintenschwarz zwischen Hals und Haar.
„Findest du nicht, du könntest netter sein?“
Sie zuckte die Schultern.
„Dir ist es egal?“
„Ja.“
„Wirklich?“ Er klang eher überrascht als wütend und Sabina malte sich entsprechend sein Gesicht, der Mund leicht offen, die Augen geweitet.
„Ich bin Nihilistin.“

Als Sabina die Haustür öffnete, vorsichtig, damit Vater nichts merkte, sah sie flackerndes Licht aus dem Wohnzimmer und hörte Fernsehstimmen: Ein Mann und eine Frau unterhielten sich. Sie sprachen über Liebe und Zukunft. Sabina schlüpfte ins Haus und schloss geräuschlos die Tür. Sie verharrte vor der Garderobe, zählte zehn Sekunden an den Fingern ab und lauschte, ob Vater sie bemerkt hatte, ob er aufstand und kam. Aber nichts geschah und sie schlich in die Küche, holte Obst und Jogurt aus dem Kühlschrank.
Sie aß auf ihrem Zimmer, hörte Musik über Kopfhörer und sah aus dem Fenster. Zwei Fahrräder fuhren von links nach rechts. Den Jogurtbecher warf sie in den Papierkorb. Bevor sie ihr Zimmer verließ, horchte Sabina an der Tür – noch immer murmelten die Stimmen. Sie ging ins Bad und putze sich die Zähne mit Wasser aus ihrer Trinkflasche, um kein Geräusch zu machen.
Später lag sie im Bett, endlich nackt unterm Nachthemd, die Nachtluft fast kühl auf der Haut, und hoffte, dass kein Besuch kommen würde.

Der Pausengong hatte bereits geschlagen, aber Sabina stand vor der Tür zur Sportumkleide und wartete, dass die Stimmen dahinter verstummten. Kein Mensch war zu sehen. Sabina stellte ihren Rucksack ab, kramte nach ihrer Trinkflasche, 1,5 Liter stilles Mineralwasser. Sie trank hastig, wie unter Zeitdruck.
Inzwischen waren die Stimmen verstummt und Sabina betrat die Umkleide. Sie war nicht allein – nur in Unterwäsche, wandte Xenia ihr den Rücken zu. Das Violett des Sport-BHs stach ab gegen das Papierweiß ihrer Haut. Zum Zopf gebunden fiel blondes Haar über ihre Schulter. „Ist was?“
Sabina schüttelte den Kopf, betrachtete aber weiter Xenias Körper ohne Flecken, während diese sich anzog, kurze Hose, kurzes Top und Schuhe von Puma. Erst als Xenia gegangen war und sie allein war im Milchlicht der Deckenfenster, zog Sabina sich um. Ihre Kleidung war lang: blaue Trainingshose, weißes Oberteil.
Auf dem Weg zum Sportplatz federten ihre Schritte wegen der Turnschuhe, das Gehen fühlte sich wie Hüpfen an. Die anderen Mädchen saßen bereits am Rand der Aschenbahn, während die Lehrerin die Namensliste durchging. Sie warf Sabina einen Blick zu und machte ihr Häkchen – Kommentare hatte sie aufgegeben. Sabina setzte sich zum Rest und schaltete auf Durchzug, bis das Laufen begann.
Nach drei Runden kamen die Schmerzen. Ihrem Körper rann Schweiß in die Augen, seine Beine brannten, das Atmen fiel ihm schwer. Die Aschenbahn schluckte das Federn der Schuhe, bremste jeden Schritt. Ihr Körper lief weiter, überrundete die ersten – dicke Mädchen, die lange Kleidung trugen wie Sabina, und später die Schönen des Jahrgangs, deren Beine im Sonnenlicht glänzten und deren Haar blond war oder brünett. Ihr Körper überholte sie und Sabina schaltete das Denken ab, ließ sich treiben vom Herzschlag. Sechstklässler betraten den Sportplatz und spielten Fußball in Gruppen, ihre Stimmen echoten zwischen Schulgebäude und den Hochhäusern hinterm Pausenhof. Die Sportlehrer standen am Rande und unterhielten sich.
Nach dem Laufen lag Sabina im Gras. Übelkeit drängte vom Magen aufwärts und sie wusste nicht, ob sie aufs Klo gehen sollte und kotzen. Über ihr hing das Gesicht der Lehrerin und Worte fielen auf Sabina wie Regen und sie nickte, damit das Gesicht verschwand und sie mit ihrem Körper allein sein konnte. Schließlich ging die Lehrerin, nicht ohne Glückwünsche, Sabina war die Schnellste.

Vor der Schule saß Timo in seinem Auto. Er trug eine Sonnenbrille und winkte Sabina, als sie ins Freie trat. Seine Musik beschallte den Schulhof und seine Windschutzscheibe reflektierte das Sonnenlicht, blendete Sabina auf den Metern zur Parkbucht. Timo fuhr das Seitenfenster herunter. „Hi. Wie war die Schule?“
Sabina legte einen Arm aufs Autodach, heißes Metall unterm Stoff, und beugte sich zum Fenster. „Was willst du hier?“
„Steig ein.“
„Ich hatte Sport. Ich muss nach Hause und duschen.“
„Mich stört das nicht. Du kannst auch später duschen.“ Er grinste, fühlte sich offensichtlich cool dabei.
„Kann ich nicht.“ Ihr Tonfall schien Timo zu verwirren, denn er nahm die Sonnenbrille ab. Seine Augen waren blassblau. „Warum nicht?“
„Weil später mein Vater kommt.“ Die Erklärung war ein Fehler gewesen, das wusste sie, während Timos Gesicht noch immer nicht verstand.
„Und?“
„Egal.“ Sie lief ums Auto herum, stieg ein. Die Luft war klimaanlagenkühl, die Musik zu laut. Sie drehte sie leiser.
„Was jetzt?“
„Fahr los.“
Sie fuhren über Nebenstraßen zum Gewerbegebiet – Lagerhallen hinter Zaun und Stacheldraht, wenige benutzt, mit Lieferwagen und Menschen davor, die meisten mit eingeschmissenen Scheiben und rostigen Türen. Sabina sah ein geschlachtetes Auto, einen zerfallenen LKW, zwei Hunde, die zwischen Bauschutt und Holzresten stöberten. Timo parkte am Straßenrand und dem Motorbrummen folgte Grillenzirpen und Stimmen in der Ferne, Bauarbeiter in Orange gekleidet.
„Was willst du hier?“
„Wart’s ab.“
Sie stiegen aus. Nach der Luft im Auto fühlte Sabina sich in einer Sauna. Sie wollte trinken, am liebsten Wasser mit klickenden Eiswürfeln, aber ihre Flasche war leer. Timo stieg durch eine Lücke im Zaun und ging auf die Lagerhalle zu. Auf halben Weg blieb er stehen und winkte ihr zu. Sie folgte ihm nicht. Ein Schweißtropfen lief hinter ihrem Ohr den Hals entlang. „Komm schon. Ich will dir was zeigen.“ Auf dem rissigen Asphalt, mit glänzendem Gesicht, wirkte er sehr jung, trotz Bart und Poloshirt, ein Spielkind bloß, und Sabina bückte sich durch den Zaun und folgte ihm.
Die Tür der Lagerhalle war mit einem Vorhängeschloss versehen und Timo zog einen Schlüssel aus der Tasche. „Das Schloss hab ich wegen den Jugendlichen und Penner. Die lassen sonst überall ihren Müll liegen und pissen in die Ecken. Durch die Dachfenster kommen sie nicht rein.“
„Dir gehört die Halle?“
„Jetzt schon.“ Er grinste wieder und stieß die Tür auf.
Im Inneren wirkte die Luft tot wie aus dem Backofen und doch roch es nach dem Moder langer Winter. Von der Decke hingen die Ketten der Lastenzügen, glitzernde Schnüre im Sonnenlicht. Der Boden wirkte wie leergefegt, kein Schutt, kein Staub, und ihre Schritte hallten darauf. „Was wollen wir hier? Es ist zu heiß.“
Timo deutete in eine Ecke der Halle. Auf einem Teppich standen dort ein Sofa und zwei Sessel, bedeckt mit Kissen und Decken, ein Schlafsack lag daneben; es gab eine Petroleumlampe und einen Gaskocher, dazu Kochtopf und Pfanne. „Die Sachen sind von mir. Ich kam früher öfter her, wenn ich meine Ruhe haben wollte. Hab auch gelegentlich mit Freunden gekifft. Hier riecht niemand den Rauch.“
„Idiot. Deswegen hast du mich hergeholt?“
„Du hast echt Ansprüche.“
„Es ist heiß.“
Timo ging zu einem der Sessel, räumte Kissen und Decken beiseite und setzte sich. „Mach’s dir bequem.“ Sabina blieb stehen. Sie überlegte, ob sie gehen sollte, aber ohne Auto war der Weg zu weit. Ihr eigener Schweiß ekelte sie.
„Okay. Wir sind noch wegen etwas anderem hier. Du hast doch gesagt, dir wäre alles egal. Du wärst Nihilistin.“ Sabina sah zur Decke, durch die Fabrikfenster sah sie Ausschnitte des Himmels, das Weiß winziger Wolken wirkte durchsichtig gegen das grelle Blau. „Der Punkt ist, ich glaube dir nicht. Deswegen habe ich mir ein Spiel überlegt. Ich wette, dir ist nicht alles egal.“
Sabina fixierte Timo – er lag halb auf dem Sessel, ließ ein Bein über die Lehne hängen und erinnerte an ein Männermodel oder einen Playboy. Sein Bart umrahmte einen begeisterten Mund. Die Sonnenbrille schien ihm zu groß zu sein, sie war auf seine Nasespitze gerutscht und er schob sie mit dem Zeigerfinger wieder hinauf. Die Haare auf seinen Armen glänzten feucht, als hätte er geduscht.
„Mach 20 Liegestützen“, forderte Timo.
„Was?“
„Ist es dir wirklich wichtig, das nicht zu machen? Oder ist es dir letztlich egal?“
„Ich hab gerade Sport gemacht.“
„Na und?“
Sabina schüttelte den Kopf, aber ihr Körper ging in die Knie, stütze sich auf Hände und Füße.
Es brauchte mehrere Pausen, in denen ihr Körper mit offenem Mund nach Luft schnappte und auf den Boden starrte, wo es nur Haarrisse gab und winzige Löcher. Auf dem rauen Beton schmerzten ihre Hände, beim Bewegen ihre Arme. Als sie aufstand, sah sie Sterne und wieder kam die Übelkeit und der Wunsch, ihren Körper aufzugeben. Sie hörte Timo klatschen, als wäre sie beim Zirkus. Er saß noch immer in Lebemannhaltung im Sessel und zwinkerte ihr zu. „Du siehst fertig aus. Komm, ich fahr dich nach Hause.“
Timo verließ die Halle, Sabina folgte. Grell grüßte die Sonne und Sabina schlug die Augen nieder und folgte Timo zum Auto.

Als sie aufschloss, fiel ihr ein, dass sie zu früh war. Aus der Küche kamen Schritte und Vater stand in der Tür, breit und schwer, mit sonnenverbranntem Gesicht und Seemannsbart, dabei war er Bauarbeiter und hatte nie das Meer befahren.
„Wo warst du so lange?“
Sie versuchte ein Lächeln. „Ich war noch Eisessen mit den Mädchen vom Sport.“
Für Sekunden hielt sich die Spannung und Sabinas Herz pumpte Adrenalin, dann wandte Vater sich ab und ging zurück in die Küche. „Komm essen.“
Auf dem Tisch stand Brot und Butter, zwei Sorten Wurst, zwei Sorten Käse. Vater saß bereits und trank Bier. Sabina holte sich Brettchen und Messer und setzte sich ihm gegenüber. Während sie eine Scheibe Brot belegte und hastig aß, behielt sie Vater im Blick und wartete auf die nächste Frage. Sie war fast mit dem Essen fertig, als sie kam: „Wie sind die Mädchen so?“
„Nett.“ Und sie versuchte zu klingen, als hätte sie einen unbeschwerten Nachmittag gehabt und säße Vater gerne gegenüber, wäre nicht lieber in ihrem Zimmer bei verschlossener Tür und Musik in den Ohren. Vater trank noch einen Schluck Bier und verzog den Mund.
„Wahrscheinlich ziehen sie sich an wie Schlampen.“
„Nein, tun sie nicht. Sie ziehen sich ganz normal an.“
„Was ist denn heute noch normal.“
Sabina sagte nichts mehr. Sie aß auf und brachte Vater ein frisches Bier – leises Zischen beim Öffnen, halbes Lächeln beim Trinken. „Ich geh dann schlafen.“ Sie wandte sich zum Gehen.
„Du hast was vergessen.“ Vater deutete sich auf die Wange, als wäre Sabina noch sein kleines Puppenkind, dem er Geschichten vorlas und dabei Pfeife rauchte. Flüchtig streiften ihre Lippen seinen Bart, Stacheln piksten ihre Haut. Sie roch Schweiß, Männerdeo und Bier, und ganz schwach die Brillantine, mit der Vater sich die letzten Haare über die Glatze strich. Mit knurrendem Magen ging sie auf ihr Zimmer.
Nachts erwachte Sabina und sah Vater an der Tür, ein Besucher aus der Traumwelt eines Puppenmädchens, das die falschen Zeitungsberichte gelesen und die falschen Bücher. Sie bewegte sich nicht, damit er nicht merkte, dass sie nicht schlief. Sie versuchte ihren Atem ruhig zu halten. Ihr Körper war jetzt überpräsent, sie spürte den leichten Stoff auf ihren Brüsten, die Nacktheit ihrer Scham, und hoffte, dass Vater sich nicht zu ihr legen würde. Auf seiner Brust wuchs Bärenhaar, kratzig auf der Haut und schwarz.

Timo hielt Sabinas Hand, zog sie die Fußgängerzone entlang und Sabina hatte das Gefühl, ihre Füße kämen ihrem Körper nicht nach. „Hey, nicht so schnell.“
Über die Schulter lachte Timo sie an. „Komm schon. Ich hab ein neues Spiel für dich.“
„Was denn?“
„Wart’s ab.“
Er zog sie auf einen Platz hinaus. In der Mitte schossen Wasser aufwärts, fächerte sich auf vorm Himmel, vor den Gebäuden im Hintergrund. Als sie näher kamen und die Sonne durch die Tropfen schien, sah Sabina einen Regenbogen.
„Da wären wir.“
Auf dem Platz stauten sich Menschen – Jugendliche vor einem McDonalds, eine Gruppe Punker, mit grün-blauen Haaren und Stachelbändern, Frauen mit Einkaufswagen, mit Sonnenbrillen, mit Kopftüchern und ohne, eine Gruppe Asiaten in Schuluniformen, und am Rande Zeugen Jehovas, die Flyer verteilten und Zeitschriften und ein Schild in die Höhe hielten, auf dem stand, dass Gott dich liebt. Neben Sabina küsste sich ein Pärchen, das Mädchen scheinbar zu alt für ihren Partner. Timo lachte. Auch er wirkte jünger als er war. Er hielt noch immer ihre Hand, seine Finger waren warm und trocken.
„Los lauf.“
„Wohin?“
„Durchs Wasser.“
„Klar.“
Er lachte wieder. „Ich mein’s ernst. Das ist ein Teil unserer Wette.“
„Idiot.“ Sie schüttelte spöttisch den Kopf und lief zwischen die Fontänen. Das Wasser flutete ihre Klamotten, klebte den Stoff an ihre Haut, spülte ihre Frisur davon, Strähnen hingen ihr ins Gesicht. Sie schloss die Augen gegen die Tropfen. Sie kreischte, sie lachte, dass man sie sah und hörte, war ihr egal. Kühl lief das Wasser in ihre Schuhe, matschiges Gefühl bei jedem Schritt.
„He, mach die Augen auf. Du siehst ja gar nichts.“
Timo stand neben ihr, sein Haar über den Schädel geklebt, Jeans und T-Shirt dunkel vom Wasser. „Schau nach oben.“
Sie sah wieder den Regenbogen und spürte Timos Hand an ihrer Schulter. Mit offenem Mund fing sie das Brunnenwasser, es schmeckte nach Metall und Fäulnis, doch das war egal. Neben sich hörte sie noch weitere Menschen durchs Wasser laufen, das Platschen der Schritte zog an ihr vorbei.
„Na, gefällt dir unser Spiel?“

Vater wartete bei gelöschtem Licht im Flur und als Sabina die Deckenlampe einschaltete und ihn sah, hätte sie fast geschrien. Gesicht und Haltung verrieten, was kommen würde, sie beide waren starr und steif, als hätte Vater seine Mimik abgelegt wie Kleidung.
„Mach die Tür zu.“
Sie kam herein, hielt aber Abstand zu Vater, für sie waren es drei Schritte, für ihn nur zwei.
„Ich hab dich heute mit einem Jungen gesehen.“ Noch klang seine Stimme ruhig, ein wenig rauchig nur und müde, seine Stimme nach Feierabend. In Gedanken fächerte Sabina den Nachmittag auf und fand das Bild der Baustelle – Kräne ragten in den Himmel, Arbeiter schwitzten, trugen Stahlträger und schoben Schubkarren.
„Bist du etwa eine Schlampe? Ist meine Tochter eine Hure? Antworte mir.“
„Wir haben nichts gemacht. Wir waren nur Eis-Essen. Wir haben uns nur unterhalten.“
„Er hat dich angefasst.“
„Vater.“
„Ich bemühe mich, dass eine Frau aus dir wird. Eine anständige Frau.“
Sein Finger stach in ihre Richtung, als wäre Vater Onkel Sam und trüge Anzug und Zylinder. Sabina wich diesem Finger aus, ließ ihren Blick über die Wände schweifen, über Garderobe und Schuhregal.
„Geh ins Wohnzimmer, ich komme gleich nach. “
Später lag ihr Körper im Bett. Ihm schmerzten Rippen und Bauch. Durchs gekippte Fenster kam die Musik einer Gartenfeier, das Zirpen von Grillen im Garten. Sie wartete auf Vaters Besuch, auf kratzige Haare, auf schwielige Hände und feuchte Worte an ihrem Hals: „Es tut mir so leid, mein Häschen, mein Liebling. Ich mach alles wieder gut. Es tut mir so leid.“

Timo saß oberkörperfrei auf seinem Sessel. Ihm wuchs kein Haar auf Brust und Bauch, aber seine Haut wirkte verbrannt – vielleicht war er gestern am See gewesen, hatte auf sonnentotem Gras gelegen und hatte Mädchen gesehen, die Bikinis trugen, die aus dem Wasser kamen, deren Haut weiß war oder braun wie Brot. Sabina würgte den Gedanken ab. „He, worauf wartest du?“ Timo hob überrascht den Kopf, als hätte er Sabina über sein Grübeln vergessen. Die Sonnenbrille machte seine Augen unsichtbar und sein Gesicht nur halbbekannt.
„Stell dich in die Hallenmitte. Ja, so. Mit dem Rücken zu mir.“
Sabina sah zu den Deckenfenstern; diesmal war der Himmel voller Wolken, vielleicht gäbe es später ein Gewitter, die Luft war danach. Sie schmeckte Schweiß auf ihren Lippen. In ihrem Rücken hörte sie Schritte, Timo reduziert auf ein Geräusch, und Unsicherheit kam auf – flaues Gefühl in den Kniekehlen, Nachhall des Herzschlags in Hals und Schädel. Sie versuchte, Timo zu orten, aber das Echo der Halle verzerrte die Distanz, er konnte direkt hinter ihr sein, oder Meter entfernt.
„Was wird das?“
„Dreh dich nicht um.“
Er stand direkt hinter ihr, sein Atem auf ihrer Haut, seine Stimme in ihrem Ohr. Für einen Augenblick stellte sie sich ihren Nacken vor, wie er ihn sehen musste, weiß und zerbrechlich wie ein Strohhalm. Der Gedanke gefiel ihr und ein Kribbeln lief den Rücken hinab. Sie zuckte leicht zusammen, als seine Lippen ihr Ohr berührten, dann hielt sie still und schloss die Augen, während seine Zunge über ihre Haut leckte und seine Zähne sanfte Wundmale setzten. Seine Wärme drang durch ihr T-Shirt.
„Küss mich!“
Ihre Zunge schmeckte seinen Schweiß, salzig und herb; ihre Hände blieben auf Abstand, ihre Augen geschlossen. Während der Kuss andauerte und Timo ihren Bauch und ihre Brüste abtastete, schien die Hitze zuzunehmen, ihr Kopf fühlte sich diesig an und die Lichtblitze hinter ihren Augen spielten tiefer ins Rot – sie dachte an Lava und glühende Kohlen, an Lagerfeuer und sterbende Sterne. Timo löste sich von ihr und Sabina war wieder allein mit ihrem Körper. Ihr Speichel löschte die Erinnerung an seine Zunge.
„Zieh dich aus!“
Reflexartig schlug sie die Augen auf. Timo stand zwei Meter vor ihr, mit roten Flecken auf den Wangen, und leckte sich die Lippen.
„Hallo, geht’s noch?“
„Was hast du?“ Er zuckte die Schultern und blieb souverän. „Das ist nur ein Teil unserer Wette.“
Sabina überlegte, ob sie gehen sollte, aber der Weg war in der Hitze zu weit.
„Ich wusste doch, du bist nur ein Schulmädchen. Du spielst dich nur auf, um interessant zu sein. Aber eigentlich bist du total verklemmt. War wahrscheinlich dein erster Kuss.“
Sabina zog T-Shirt und Jeans ab, BH und Höschen. Zu ihren Füßen häufte sich der durchweichte Stoff. Für ein paar Sekunden kam ihr die Luft kühl vor, sie fröstelte, dann gewöhnte sich ihr Körper an die neue Temperatur. Nackt in der Halle fühlte sie sich schutzlos. Timo starrte sie an, aber nicht lüstern oder geil, sondern sprachlos. Sein Mund stand leicht offen und seine Augen waren riesengroß. Sie wusste, was er sah; sie half ihm nicht, sie schwieg.
„Zieh dich wieder an.“ Von seiner Stimme war kaum etwas geblieben, nur ein heiseres Flüstern, lächerlich gegen die Weite der Halle, lächerlich gegen seinen Bart und seine verbrannte Brust.
Wieder gehorchte Sabina und ihr Körper schwitzte stärker als zuvor.
Timo fuhr sie schweigend nach Hause. In den Straßen kreuzten Fahrräder, Kinder mit Eis und Jugendliche mit Bier. Bevor sie ausstieg, fragte Sabina: „Wann kommt das nächste Spiel?“ Für einen Augenblick dachte sie, Timo wolle etwas Wichtiges sagen, sein Zögern war danach und der gequälte Ausdruck seines Gesichts.
„Ich ruf dich an.“

Vater war nicht daheim und Sabina öffnete die Haustür ohne Vorsicht. Sie ging ins Bad, warf ihre Klamotten in den Wäschekorb, wusch sich unter der Dusche den Schweiß von der Haut. Mit zurückgelegtem Kopf und offenem Mund trank sie vom Wasser, das auf sie herabfiel. Ihr Durst schien ewig zu halten.
Nackt unterm Bademantel, das Haar in ein Handtuch geschlungen, ging sie in die Küche, kochte sich Nudeln mit Zucchinistreifen und Frischkäse. Im Wohnzimmer nahm sie das Hochzeitsvideo ihrer Eltern aus dem Blue-Ray-Player und sah beim Essen Horror-Filme. Später trank sie Bier und zappte Kanäle.
In der Nacht wachte Sabina auf, als Vater nach Hause kam. Sie hörte seine trunkenen Schritte, sein Weinen und Klagen, blubbernde Sätze, die sie nicht verstand; sie hörte die Stimmen des Fernsehers – ein Liebespaar sprach von der Zukunft und einem Kind. Auf dem Nachttisch fingerte sie nach Oropax, und drehte sich mit verstopften Ohren auf die Seite und schlief.

Der Welpe war so klein, dass er über den Boden robbte, sein Kopf war zu schwer für den Körper. Doch er fiepte vor Vergnügen und reckte sich nach Sabina, die ihm einen Finger zum Schnuppern reichte.
„Wo hast du ihn her?“
Timo befand sich wieder im Nichts hinter ihrem Rücken, aber sie wusste, wo er war: auf seinem Sessel, mit angezogenen Beinen und leerem Gesicht, er hatte auf der Hinfahrt kaum gesprochen.
„Von einem Kumpel. Sein Hund hat Babys bekommen und er versucht sie loszuwerden.“
Der Welpe wälzte sich im Staub, ließ Sabina seinen Bauch streicheln, während sein braunes Fell sich grau verfärbte. Von Zeit zu Zeit hielt er inne und hechelte, versuchte die Hitze abzustrahlen, die Sabina unter ihren Finger spürte, als wäre der Hund eine Wärmflasche.
„Und warum hast du ihn mitgebracht?“ Timo schwieg, bis Sabina sich umwandte und winkte. „Hallo? Noch da?“
Er zuckte die Schulteren, setzte beide Füße auf die Erde, stieß sich mit den Händen ab. Betont lässig schlenderte er in Richtung Sabina und Hund, seine Beine vollführten kleine Halbkreise bei jedem Schritt, seine Schuhe schlurften über den Beton, und doch klang seine Stimme kläglich, als er sprach. „Du sollst ihn umbringen.“
Der Welpe leckte Sabinas Finger und fiepte. Sie streichelte seinen Bauch, spürte seinen Pulsschlag und seinen Atem, flattrig wie ein Schmetterling.
„Es ist am einfachsten, wenn du ihm das Genick brichst.“
„Mhm.“ Sie nickte.
Ihre Hände drehten den Welpen auf den Bauch, kraulten sein Rückgrat, wanderten zum Nacken hinauf. Der Welpe merkte nichts und war weiterhin glücklich, sein Schwanz fegte den Boden.
„Ich hatte Recht, du machst es nicht.“ Timo stand hinter ihr, sie glaubte seinen Atem zu spüren, Hitze auf Ohr und Nacken, wo Schweiß in kleinen Perlen stand. „Ich hab unsere Wette gewonnen.“ Er klang erleichtert, als wäre eine schwere Prüfung geschafft, das Abitur vielleicht oder die Qualifizierung für einen Sportwettbewerb. In einem Comic würde er Sabina umarmen und tanzen, in Kreisen durch die leere Halle.
Ein Knacken und der Welpe fiepte nicht mehr. Sein Schwanz zuckte zweimal und lag still.
„Scheiße, du hast ihn umgebracht.“ Timo hatte die Fassung verloren. Seine Hände zitterten und er sah aus, als wäre ihm schlecht, was Sabina seltsam fand, weil es sie an miese Filme denke ließ.
„Aber ich habe trotzdem Recht. Wäre dir wirklich alles egal, hättest du dich auf das Spiel gar nicht eingelassen. Du hättest dich nicht beweisen müssen. Der Hund heißt ich hab gewonnen.“
Sabina verließ die Halle. Hinter dem Gebäude erstreckte sich Brachland, rissiger Asphalt und Unkraut. Sie setzte sich und schloss die Augen – Leere in ihren Gedanken, der Welpe nur eine abstrakte Erinnerung, seine reglosen Pfoten ohne Bedeutung. Timo hatte nicht bewiesen, was zu beweisen war.

 

Hallo Kew

Ein Tisch trennte Sabina von Timo, darauf standen Teller und Gläser. Sie hatte ihren Salat kaum angerührt und das Dressing weichte Parmesan und Blätter auf, verschmolz beides zur amorphen Masse.

Der erste Absatz spricht mich noch nicht besonders an. Der zweite Teil des ersten Satzes klingt überflüssig, auch das "darauf" ist nicht besonders glücklich gewählt, da man es in Bezug zu Timo setzen könnte (obwohl man es natürlich besser weiss, aber so klingt es halt).

Auch das "verschmelzen" im zweiten Satz ist mMn keine gute Wahl, besser vielleicht "vermischen" oder "vermengen"? Warum sollte das Dressing die Blätter zum Schmelzen bringen? Dann auch: "zu einer amorphen Masse", finde ich besser als "zur amorphen Masse", überhaupt klingt "amorph" sehr (dh. zu) wissenschaftlich für die Beschreibung einer Salatpampe :).

Sie zuckte mit den Schultern und schwieg. Sie hatte ihren Körper bereits vergessen, jetzt kam er wieder, mit klebriger Haut und Eigenwärme, müden Muskeln und Kopfschmerzen.

Hier kam ich zunächst ins Stutzen, dass es da diese Trennung von der Figur zu ihrem Körper gibt. Aber das kommt ja noch öfter vor, und auch an anderen Stellen wird deutlich, dass sie, wohl aufgrund der Verletzungen, ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Körper hat. Insofern finde ich diese Umschreibung gut, man hat immer das Gefühl, sie schleppt ihn wie ein lästiges Anhängsel mit sich herum.
Generell hab ich das mit Spannung gelesen, weil vieles in der Richtung zu Beginn nur angedeutet und später ausgeführt wird, das fand ich gut.

„Ich bin Nihilistin.“

Sehr philosophischer Begriff, und das Mädchen ist natürlich keine Nihilistin, auch wenn sie vielleicht glaubt, eine zu sein. So wie sie versucht, sich von ihrem Körper abzuschotten, möchte sie das auch gegenüber der Gesellschaft tun, scheitert aber daran. Irgendwie will sie schon dazugehören, lässt sich aber selbst nicht.

Ich finde, du zeigst oft, was die Figuren machen, aber nur sehr selten, warum sie das tun oder was sie dabei denken. So werde ich aus Timo nicht so richtig schlau. Zunächst dachte ich, es geht ihm nur darum, sie rumzukriegen, aber als er ihre Verletzungen sieht, würde er das Interesse verlieren. Aber dann kommt dieser Abschnitt zum Schluss (dazu schreib ich gleich noch was), mit dem Hund, und er bekräftigt wieder, es sei ihm darum gegangen, zu zeigen, dass ihr nicht alles egal sei. Was ist seine Motivation? Er kommt mir ein wenig oberflächlich rüber, vielleicht sogar angeberhaft, wie er da mit seinem Auto und lauter Musik im Schulhof wartet. Dem geht es noch nicht darum, hier irgendwem was zu beweisen, der will halt schauen, wie weit er bei ihr gehen kann, oder?

Und dann ist da die Sache mit dem Vater und den Missbräuchen. Da bringst du schon viel auf einmal, körperliche Misshandlung, sexuelle Misshandlung, Alkoholismus, deutest durch die Videos, die er sich immer wieder anschaut, den Tod der Mutter an (wären die Eltern nur getrennt, würde das Mädchen vermutlich bei ihr leben). Das ist viel und schwerer Stoff, ich denke, da könnte man die eine oder andere Schippe wegnehmen (bspw. dieses "du verhältst dich wie eine Hure" oder den Alkoholkonsum oder überhaupt den sexuellen Missbrauch, wofür braucht es den?).
Was ich gut daran finde, ist, dass du diese Szenen mit einiger Distanz beschreibst, aber doch so, dass das Leiden des Mädchens für den Leser glaubhaft wirkt. Das sind so Kleinigkeiten, wie dass sie zum Zähneputzen Wasser aus einer Flasche trinkt, um den Wasserhahn nicht laufen zu lassen. Auch die Sache mit den Videos, wo man auch erst spät erfährt, was er immer schaut, finde ich einen guten Einfall.

Aber erklärt das alles, warum das Mädchen bei den Spielen mitmacht? In meinen Augen nur bedingt ... was findet sie überhaupt an diesem Timo, so richtig deutlich wird das für mich an keiner Stelle, aber vielleicht hab ich es auch überlesen. Sie macht halt, was er sagt. Mag sie seine Aufmerksamkeit, ist das ihr "Hilfreruf" an die Gesellschaft, oder will sie ihm wirklich beweisen, dass ihr alles egal ist (was damit ja eigentlich zum Paradoxon wird, wie Timo am Ende treffend bemerkt). Ist das ihr Versuch, sich selbst eine Rolle zu beweisen, die sie zwar einnehmen will, aber nicht kann? Ich hab mir schon solche Fragen gestellt, aber keine richtigen Antworten dazu im Text gefunden - das ist ein bisschen einer von denen Texten, da frag ich mich, ob ich die entscheidenden Stellen einfach überlesen, nicht verstanden habe oder ob sie nicht da sind.

Ähnlich ist es beim letzten Absatz:

„Du sollst ihn umbringen.“

Ich hätte beim Lesen schwören können, er meint ihren Vater. Obwohl er ja nicht wissen kann, dass sie die Verletzungen von ihm hat. Selbst hier hab ich mich noch gewundert:

„Es ist am einfachsten, wenn du ihm das Genick brichst.“

Das Genick eines erwachsenen Mannes dürfte für ein Mädchen schwer zu brechen sein. Aber dann sieht es doch so aus, als ob Timo den Hund meint, und spätestens da steig ich dann aus, was soll das Ganze? Wer will hier wem was beweisen? Ich hätte mir gewünscht, die parallel erzählten Handlungsstränge laufen irgendwie zusammen, und Timo verlangt vielleicht wirklich von ihr, den Vater zu töten, um sie aus ihrem Gefängnis zu befreien, aber so ist es ja nicht. Das Ende lässt mich ein wenig fragend zurück.

Auch wenn mir jetzt einige Dinge unklar sind, finde ich es eine gute Geschichte. Ich hab sie mit Spannung und Interesse gelesen, vielleicht müsste ich sie noch ein-, zweimal lesen, um schlauer daraus zu werden. Aber ich wollte dir zumindest auch meinen ersten Eindruck nicht vorenthalten.

Sonst noch Dinge zum Text:

Auf halben Weg blieb er stehen und winkte ihr zu.

Auf halbem Weg

„Mach 20 Liegestützen.“, forderte Timo.

Da ist ein Punkt zu viel.

Nachts erwachte Sabina und sah Vater an der Tür, ein Besucher aus der Traumwelt eines Puppenmädchens, das die falschen Zeitungsberichte gelesen und die falschen Bücher.

Aus diesem Satz werde ich weder inhaltlich noch grammatikalisch schlau.

Sie bewegte sich nicht, damit er nicht merkte, dass sie nicht schlief.

Kann man das auch ohne drei "nicht"s formulieren ;)?

Vater wartete bei gelöscht Licht im Flur

gelöschtem

Er zuckte die Schultern und blieb Souverän.

souverän

Einen Knacken und der Welpe

Ein

Viele Grüsse,
Schwups

 

„Ich bin Nihilistin.“
Behauptet die Protagonistin – Sabina - dieser Geschichte von sich. Diese selbsternannte Anarchistin ist Spielgefährtin eines Timo, dessen höchstes Glück zu sein scheint, mit dem Auto herumzukurven, Eis zu essen und zu wetten – mit Sabina als Wettpartner oder Gegner – so genau leuchtet es mir nicht ein. Timo ist die neben Sabinas der Gewalt zuneigendem Vater die agierende Figur in Deiner neuen Erzählung,

lieber Kew,

und ist doch nicht einmal eine re-agiernde Figur, was schon jeder ordentliche Nichtnihilist wäre. Denn – sehen wir von literarisch überhöhtem Begriff des Nihilismus von Jean Paul (der Vorschule der Ästhetik) bis Nietzsche ab, tritt der Nihilismus literarisch im Roman Väter und Söhne (1862) auf, wenn es da heißt „»Er ist ein Nihilist.« / »Wie?«, fragte der Vater. […] / »Ja, er ist ein Nihilist«, wiederholte Arkad. / »Ein Nihilist!«, sagte Kirsanoff. »Das Wort muss aus dem Lateinischen nihil: nichts, kommen, soweit ich es beurteilen kann, und bedeutet mithin einen Menschen, der ... nichts anerkennen will.« / »Oder vielmehr, der nichts respektiert,« sagte Paul, der wieder sein Butterbrot zu streichen fortfuhr. / »Ein Mensch, der alle Dinge vom Gesichtspunkte der Kritik aus ansieht«, erwiderte Arkad. / »Kommt das nicht auf dasselbe heraus?«, fragte der Onkel. / »Nein, durchaus nicht; ein Nihilist ist ein Mensch, der sich vor keiner Autorität beugt, der ohne vorgängige Prüfung kein Prinzip annimmt, und wenn es auch noch so sehr im Ansehen steht.« / »Und damit bist auch du einverstanden? Das ist recht und gut?«, erwiderte Paul. / »Je nachdem, lieber Onkel. Es gibt Leute, die sich dabei wohl befinden, wie im Gegenteil andere, die sich ganz schlecht darein zu finden wissen.« / »Wahrhaftig? Nun, ich sehe, das geht über meinen Gedankenkreis. Leute der alten Zeit wie ich, denken, dass es durchaus nötig ist, gewisse Prinzipien […] ohne Prüfung, um d einen Ausdruck zu gebrauchen, anzunehmen. Ihr wollt uns das alles umstoßen. Gebe euch Gott Gesundheit und den Generalsrang! Was uns anbetrifft, so wollen wir uns damit begnügen, euch zu bewundern, meine Herren – wie sagtest du doch?« / »Nihilisten!«, antwortete Arkad, indem er auf jede Silbe Nachdruck legte. / »Ja, wir zu unserer Zeit, wir hatten Hegelisten, jetzt sind es Nihilisten. Wir werden sehen, wie ihr es angreift, um im Nichts, im Vakuum, wie unter einer pneumatischen Maschine zu existieren. Und jetzt, lieber Bruder, sei so gut und ziehe die Glocke, ich möchte meinen Kakao trinken.«" [Väter und Söhne von Ivan Sergeeviç Turgenev (angepasst an die neuere deutsche Rechtschreibung durch mich)]
Real wird der Nihilismus verkörpert in Sozialrevolutionären wie der russische Anarchismus sie erzeugt. Bakunin wie Kropotkin waren weiß Gott keine willenlosen Spielgefährten von machthungrigen Potentaten und auch nicht des Nationalbolschewismus’. Folgerichtig kann die Protagonistin kein Nihilist (geschweige denn Anarchist) sein, erscheint sie mir doch willenlos zwischen den Mächten eines gewalttätigen Vaters und eines vergnügungssüchtigen Freundes / Bekannten (eher letztgenanntes, weil Freundschaft wohl doch anders aussieht als diese Beziehung). Sabina ist und gibt sich als ein willenloses Nichts!, gebrochen nicht nur gegenüber den genannten Personen – womit sie ihrem Namen alle Ehre macht:
Sabina bedeutet „die Sabinerin“, die dem römischen Gründungsmythos zu folge von den frauenlosen Leuten des Romulus dem auf einem der sieben Hügel lebenden Stamm der Sabiner (einer Unterabteilung der historischen Italiker) geraubt wurde, ohne dass die Sabiner etwas daran ändern konnten … Die Frauen waren's aber in der Erzählung, die dem Grauen ein Ende bereiteten.

Nun ja, bissken mehr Kleinkram in der Reihenfolge seines Auftritts:

… und Sabinas Körper schwitzte in Jeans und langärmligen T-Shirt - …
Besser Dativ: im T-Shirt

Sie verharrte vor der Garderobe, zählte zehn Sekunden an den Fingern ab und lauschte, ob Vater sie bemerkt hatte, ob er aufstand und kam.
Besser Konjunktiv
… und lauschte, ob Vater sie bemerkt ha[be / besser sogar Konj. II: hätte]tte, ob er aufst[ände] und k[äme].

… war im Milchlicht der Deckenfenster, …
Gibt’s diese Zusammensetzung? Besser „im milchigen Licht“

Asche[n]bahn
(kommt wenigstens zwei Mal vor)

Ihrem Körper rann Schweiß in die Augen, seine Beine brannten, das Atmen fiel ihm schwer.
Warum wird Sabinas Körper ausdrücklich hervorgehoben?
Als Trennung von Leib (!) und Seele, aber auch, dass sie sich selbst fremd sei wäre schon in Ordnung, wäre da nicht die befremdende Betonung, dass ihr Schweiß (sogar) ins Auge fließe.
Aber nicht nur wegen des „Körpers“: ist Sabina ohne Augenbrauen, ohne Wimpern? Ein Glatzeköpfchen?

Ohne Kommentar:

Sportplatzt

„Mach 20 Liegestützen.“, forderte Timo.
Punkt vorm Gänsefüßchen ist entbehrlich.

… und wieder kam die Übelkeit und der Wunsch[,] ihren Körper aufzugeben.

… Komm[,] ich fahr dich nach Hause.“
…, dem er Geschichte vorlas und dabei Pfeife rauchte.
entweder
…, dem er [eine] Geschichte vorlas und …
oder
…, dem er Geschichte[n] vorlas und ….
Sehr hypothetisch
…, dem er Ge[d]ichte vorlas und dabei Pfeife rauchte.

…, und hoffte[,] das Vater sich nicht zu ihr legen würde.

Vater wartete bei gelöscht Licht im Flur …
gelöschtem

Kräne ragten in den Himmel, Arbeiter schwitz[t]en, trugen …

…, vielleicht gab es später ein Gewitter, …
Konjunktiv oder Futur I

Sie versuchte[,] Timo zu orten, …

… er konnte direkt hinter ihr sein, oder Meter entfernt.
Komma entbehrlich!

Er zuckte die Schultern und blieb Souverän.
Das Volk ist der Souverän. Er ist souverän …
Nackt in der Halle, fühlte sie sich schutzlos.
Komma entbehrlich.

…, nur ein heißeres Flüstern, …
heiseres

Er zuckte die Schulter …
Nur eine? Wahrscheinlich doch beide Schultern.

…, sein Schwanz fegte den Boden.
Timo mag einen haben, der Welpe trägt schon eine Rute …

Timo hatte nicht bewiesen, was zu beweisen war,
lässt nix offen!

Gruß, verbunden mit dem Wunsch, dem Mädchen ein Training in Selbstbewusstsein zu gönnen - auch gegen Marke(ti)n(g), vom

Friedel

 

Hallo Kew,

ich habe deine Geschichte zweimal gelesen, und ich habe sie gerne gelesen. Sie ist leicht verstörend, und lässt den Leser unschlüssig zurück, was ich prinzipiell immer sehr gut finde.

Der Begriff "Nihilist", ob der jetzt wie bei Turgenew besetzt ist oder nicht, scheint mir egal. Ich denke, was du sagen möchtest, ist, dass ihr alles egal ist, dass sie nicht agiert, passiv bleibt. Dann wäre sie vielleicht eine ethische Nihilisten, auch egal.

Einige Zusammenhänge, die haben sich mir nicht erschlossen, ist auch einem anderen Kommentatoren genauso gegangen: Dieser Timo, wie funktioniert er in dieser Geschichte? Für mich ist er irgendwie der ungewollte Katalysator, der, der die Handlung mehr oder weniger unbewusst vorantreibt, und sie lässt es geschehen. Diese gebrochene Protagonistin, eigentlich ist sie ja schon kaputt, die zeigst du aber immer nur als Oberfläche. Mich würde ihre Selbstreflektion, ihre persönliche Historie viel mehr reizen, da steckt doch auch erzählerisches Potential drin, oder irre ich mich da? Keine Ahnung. Da ist der Konflikt mit ihrem Körper, und ihr Vater, aber da fehlt mir etwas, mir fehlt da die Motivation. Warum lässt sie sich auf so ein Spiel ein?

Vielleicht möchtest du den Leser auch nur auf eine falsche Fährte locken, ihm eine Karthasis nur andeuten, so als Lockangebot, und nachher endet alles in einem symbolischen Akt, der stellvertretende Tod (hier des Welpens), Niedergang, und dann nichts mehr, nur noch Tristesse, der Leser weiß, es geht genausoweiter, es gibt keine Progression?

Gerne gelesen.

Gruss,Jimmy.

 

Hallo Kew,

ausnehmend gut gefallen mir die Ruhe der Erzählstimme, die vielen detaillierten Beschreibungen und wie sich die Geschichte nach und nach entfaltet. Es ist viel, was hier passiert, da sollen verschiedene Ausschnitte ihres Lebens zu einem Bild werden, du deutest einiges an, lässt einige Leerstellen, definierst sie eher durch Taten als durch Worte. Wenn auch die Erlebnisse im Leben eines Menschen den Menschen formen, dann haben wir hier ein ganzes Bündel von schwerwiegenden Missständen in ihrem Leben, die dafür verantwortlich sein sollen, dass sie am Schluss diese ungeheuerliche Handlung vollzieht.
Das Spiel ist ein roter Faden, der die Geschichte trägt, die für mich in erster Linie der Erforschung und Darstellung einer Sabina gewidmet ist, die auf teuflisch-traurige Art über sich hinauswächst. Das Spiel steht auf den ersten Blick auf tönernen Füßen: es gibt keine Regeln und für sie nichts zu gewinnen.
Normalerweise würde ich so was schreiben: Timo müsste stärker sein, und beide beispielsweise entweder etwas zu verlieren haben (den anderen in der Hand haben), oder jeweils ein Geheimnis voneinander wissen, oder auch nur vor richtungsloser Vitalität berstende Charaktere sein, die von ihren eigenen Energien in die Knie gezwungen werden und sich deshalb entscheiden, das freie Spiel der Kräfte durch Regeln und Grenzen zu limitieren, sich selbst ein Handicap zu geben. Das wären die Bedingungen für ein faires Spiel, mag es abgefahren sein, aber dann hätte man zwei Gegner, die es eigentlich braucht, damit ein Spiel attraktiv ist.
Timo jedenfalls ist weit davon entfernt, der Gegenpol von Sabina sein zu können. Der ist eine Figur aus einer Highschool-Serie, wie er da mit seinem Auto den Schulhof beschallt, stets Sonnenbrille trägt und einen Ort hat, von dem er sagt, er habe da gekifft. Du gibst ihm diese kindisch-verzogenen Züge, man meint ihn jammern zu hören, wenn er fragt, warum sie sich überhaupt mit ihm trifft, an einer Stelle wird er Spielkind genannt. Da ist schon die Verknüpfung zu dem Titel, ja, und es lässt sich auch so verstehen, dass es diesem Mädchen egal ist, wer über ihr Leben bestimmt, das ist so ein Gipfel der Beziehungslosigkeit - sowohl zu sich selbst, als auch zu dem Gegenüber. Das Spiel ist vordergründig das von Timo geleitete, mit dem er sie jugendlicher Schwärmerei für eine romantische Idee überführen will. Das glaubt er bis zum Schluss, da passt seine Schulhof-Coolness, er ist ein Blender, der davon ausgeht, dass sie eine Blenderin ist.
Eher dürfte es für sie zweierlei sein: Erstens eine Möglichkeit der Selbsterfahrung, sie lässt sich von ihm über Limits treiben, die sie allein nicht überschritten hätte. Ihre Gewalt ist bis zum Tiermord gegen sich selbst gerichtet. Zweitens eine Möglichkeit, ein Spiel zu spielen, das sie gewinnen kann. Die Entlarvung Timos geschieht fast nebenbei, sie weiß, dass er ein Spielkind ist, das ihrem Ernstmachen nichts entgegen zu setzen hat. Im Spiel bricht sie aus den festgefahrenen Verhaltensmustern aus, und gewinnt so die Gewalt über ihr Leben zurück, das bis dato von Selbstverletzung und Ohnmacht geprägt ist. Nach dieser Aggression sind auch andere Aggressionen denkbar, warum nicht gegen den Vater, der die Regeln des heimischen Lebensspiels außer Kraft gesetzt hat, der, körperlich stark und willensschwach, eine Gefahr für die Tochter ist, die er laut den Spielregeln beschützen sollte.
Und sie, die ihm in diesem Spiel ausgeliefert ist, setzt die Regellosigkeit ihres Lebens so um, dass sie sich als Nihilistin erklärt, für die keine Regeln gelten. Sie kämpft gegen das, was in der Übermächtigkeit hier schicksalhafte Züge trägt, nicht an, sondern macht sich gleich. Erst einmal im Wort. Ihr dahingesagtes Bekenntnis, sie sei eine Nihilistin, ist eine Absichtserklärung. Bisher betäubt sie ihren Schmerz über die Haltlosigkeit und die Verletzungen mit Sport bis über die Schmerzgrenze hinaus, das finde ich gut aufgezeigt und schlüssig. Dann mögen da noch Wundmale auf ihrem Körper sein, das, was Timo, der da Macho-Mimikry übt, schockiert. Ich glaube diese Selbstverletzungen sind sehr verbreitet, ich habe diese Narben an Armen und Beinen schon so oft gesehen bei Mädchen. Gerade vor ein paar Wochen bei einer schönen Frau, die auf den ersten Blick aussah wie das blühende Leben, deren Arme voller Wundmale waren, dicht an dicht die verblassten Narben.
Sabina hat keine richtigen Beziehungen, außer der zu ihrem Vater, die von Angst geprägt ist.
Sie ist ja nur vordergründig erkaltet und gleichgültig, sie empfindet Angst vor dem Alten, spürt Wärme und sieht Bilder beim Küssen, ekelt sich vor den Ausdünstungen des Körpers. Immer wieder schmeckt und fühlt sie etwas.
Warum tötet sie den Welpen? Du zeigst hier eine getriebene Figur, die sich von ihrem Körper emanzipieren will, die sich auf ein Spiel einlässt, dessen Regeln sie gestalten kann, weil die allgemeinen Konventionen ihres Lebens andauernd und empfindlich gestört werden.
Dass sie innerhalb dieses Spiels ungewöhnliche Dinge tut und Grenzen überschreitet macht Sinn, es spielt auch keine große Rolle, was sie da tut, eher darum, bisher undenkbares möglich zu machen. Bis zum Genickbruch bleibt alles in der Schwebe, da passiert etwas, aber was es ist und was es bedeutet, das wird nicht klar. Es ist wie in einem Rausch oder einem Traum.

Nach ihrem Beweis lässt du Timo sagen, er habe das Spiel gewonnen, weil sie etwas beweisen wollte. Und sie sagt etwas, das ich nicht ganz verstehe: Dass Timo nicht bewiesen hat, was zu beweisen war. Angesichts der Figurenzeichnung wird vllt nahelegt, dass es eigentlich Sabina ist, die mit Timo die ganze Zeit gespielt hat. Falls es das bedeutet, könnte es eine nachträgliche Behauptung sein, ein Kommentar zum Faktischen, aber das ist wohl weniger wichtig. Bedeutender: Der Mord an einem wehrlosen vertrauensvollen Lebewesen verschiebt die Figur der Sabina unvermittelt auf den letzten Metern ihres Laufs durch diese Geschichte ins Psychopathische.
Timo fordert sie heraus, sie beweist ihm und sich selbst, dass ihre Worte keine Lippenbekenntnisse sind. Gleichzeitig besiegt sie sich selbst, weil sie das Menschliche, das zwischendurch aufblitzt, verrät, das tauscht sie, die in heimischer Umgebung Ohnmächtige, gegen das Gefühl, selbst Aggressor zu sein und Macht auszuüben.
Ich war jetzt so sehr mit nachvollziehendem Interpretieren beschäftigt, dass ich die inhaltlichen Kritikpunkte unterwegs aus den Augen verloren habe. Falls da noch Interesse besteht, kann ich die nachliefern, stilistisch kannst du hier ebenfalls noch Punkte holen. Da sind einige Formulierungen, über die man reden könnte und Rechtschreibung, die gemacht werden müsste. Trotzdem und vor allem: Mutiger Entwurf, konsequent durchgezogen, starke Geschichte.

Grüße
Kubus

 

Antworte ich mal, wird ja langsam Zeit:

@ Schwups
Danke fürs Lesen und Kommentieren.

Der erste Absatz spricht mich noch nicht besonders an. Der zweite Teil des ersten Satzes klingt überflüssig, auch das "darauf" ist nicht besonders glücklich gewählt, da man es in Bezug zu Timo setzen könnte (obwohl man es natürlich besser weiss, aber so klingt es halt).

Auch das "verschmelzen" im zweiten Satz ist mMn keine gute Wahl, besser vielleicht "vermischen" oder "vermengen"? Warum sollte das Dressing die Blätter zum Schmelzen bringen? Dann auch: "zu einer amorphen Masse", finde ich besser als "zur amorphen Masse", überhaupt klingt "amorph" sehr (dh. zu) wissenschaftlich für die Beschreibung einer Salatpampe .

Die erste Anmerkung übernehm ich, der Halbsatz kommt raus. Die Salatüberzeichnung möchte ich aber behalten. Aber es wird "zu einer armorphen Masse".

Hier kam ich zunächst ins Stutzen, dass es da diese Trennung von der Figur zu ihrem Körper gibt. Aber das kommt ja noch öfter vor, und auch an anderen Stellen wird deutlich, dass sie, wohl aufgrund der Verletzungen, ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Körper hat. Insofern finde ich diese Umschreibung gut, man hat immer das Gefühl, sie schleppt ihn wie ein lästiges Anhängsel mit sich herum.
Generell hab ich das mit Spannung gelesen, weil vieles in der Richtung zu Beginn nur angedeutet und später ausgeführt wird, das fand ich gut.
Hat sich auch beim Schreiben erst komisch angefühlt, aber bin froh es drin zu haben, wenn es für dich funktioniert. Dass Spannung aufgekommen ist, freut mich natürlich. An den Andeutungen probiere ich mich noch aus - dass es teilweise noch schiefgeht, kommt bei dir dann später.

Sehr philosophischer Begriff, und das Mädchen ist natürlich keine Nihilistin, auch wenn sie vielleicht glaubt, eine zu sein. So wie sie versucht, sich von ihrem Körper abzuschotten, möchte sie das auch gegenüber der Gesellschaft tun, scheitert aber daran. Irgendwie will sie schon dazugehören, lässt sich aber selbst nicht.
Genau. :)

Ich finde, du zeigst oft, was die Figuren machen, aber nur sehr selten, warum sie das tun oder was sie dabei denken. So werde ich aus Timo nicht so richtig schlau. Zunächst dachte ich, es geht ihm nur darum, sie rumzukriegen, aber als er ihre Verletzungen sieht, würde er das Interesse verlieren. Aber dann kommt dieser Abschnitt zum Schluss (dazu schreib ich gleich noch was), mit dem Hund, und er bekräftigt wieder, es sei ihm darum gegangen, zu zeigen, dass ihr nicht alles egal sei. Was ist seine Motivation? Er kommt mir ein wenig oberflächlich rüber, vielleicht sogar angeberhaft, wie er da mit seinem Auto und lauter Musik im Schulhof wartet. Dem geht es noch nicht darum, hier irgendwem was zu beweisen, der will halt schauen, wie weit er bei ihr gehen kann, oder?
Da haben wir die zu schwachen Andeutungen bzw. ich hab mir was dabei gedacht und es kommt nicht so rüber, wie geplant.
Timo versucht an Sabina ranzukommen, sie weißt ihn aber ab und er nutzt das Spiel quasi als letzten Versuch der Annäherung. Und siehe da, sie geht darauf ein. Er treibt die Sache bis zum Aussziehen und merkt dann, dass er eine Grenze überschritte hat, einen Fehler gemacht hat. Ist aber zu schwach das Spiel einfach abzubrechen, sondern will ihr eine Aufgabe stellen, von der er denkt, sie wird sie nicht ausführen. Dann wäre das Spiel beendet. Aber ich sehe schon, dass das mehr Idee als Umsetzung ist.

Und dann ist da die Sache mit dem Vater und den Missbräuchen. Da bringst du schon viel auf einmal, körperliche Misshandlung, sexuelle Misshandlung, Alkoholismus, deutest durch die Videos, die er sich immer wieder anschaut, den Tod der Mutter an (wären die Eltern nur getrennt, würde das Mädchen vermutlich bei ihr leben). Das ist viel und schwerer Stoff, ich denke, da könnte man die eine oder andere Schippe wegnehmen (bspw. dieses "du verhältst dich wie eine Hure" oder den Alkoholkonsum oder überhaupt den sexuellen Missbrauch, wofür braucht es den?).
Also den sexuellen Missbrauch braucht es für das gestörte Körperverhältnis. Und für die ständige Bedrohung. Weil solange sie ncihts falsch macht, ist sie vor Schlägen sicher. Dieses Risiko ist kalkulierbarer.
Ich hab über den Text schon im Chat mit Quinn und Möchtegern gesprochen und wegen dem Missbrauch kam eigentlich raus - ich will den nur als Hintergrund, also als Erklärung für Sabinas komisches Verhalten, aber das funktioniert nicht - Missbrauch geht nciht als Hintergrund, dafür ist das Thema zu krass.
Quinn meinte, ich solle mal die Perspektive des Jungen ausprobieren (danke noch mal an dieser Stelle), weil ich dann den Missbrauch ausklammern kann.
So geht das eigentlich nicht. Ich hab mir da quasi selbst ein Bein gestellt. Weil ich diese Themen für meine Haupthandlung brauche, sie gleichzeitig aber nicht richtig behandeln kann/will und es deshalb "zu viel" ist.

Was ich gut daran finde, ist, dass du diese Szenen mit einiger Distanz beschreibst, aber doch so, dass das Leiden des Mädchens für den Leser glaubhaft wirkt. Das sind so Kleinigkeiten, wie dass sie zum Zähneputzen Wasser aus einer Flasche trinkt, um den Wasserhahn nicht laufen zu lassen. Auch die Sache mit den Videos, wo man auch erst spät erfährt, was er immer schaut, finde ich einen guten Einfall.
Das freut mich natürlich. Hängt zum Teil auch damit zusammen, dass ich mir nicht anmaßen kann zu wissen, was in einem solchen Mädchen wirklich vor sich geht.

Aber erklärt das alles, warum das Mädchen bei den Spielen mitmacht? In meinen Augen nur bedingt ... was findet sie überhaupt an diesem Timo, so richtig deutlich wird das für mich an keiner Stelle, aber vielleicht hab ich es auch überlesen. Sie macht halt, was er sagt. Mag sie seine Aufmerksamkeit, ist das ihr "Hilfreruf" an die Gesellschaft, oder will sie ihm wirklich beweisen, dass ihr alles egal ist (was damit ja eigentlich zum Paradoxon wird, wie Timo am Ende treffend bemerkt). Ist das ihr Versuch, sich selbst eine Rolle zu beweisen, die sie zwar einnehmen will, aber nicht kann? Ich hab mir schon solche Fragen gestellt, aber keine richtigen Antworten dazu im Text gefunden - das ist ein bisschen einer von denen Texten, da frag ich mich, ob ich die entscheidenden Stellen einfach überlesen, nicht verstanden habe oder ob sie nicht da sind.
Mit nicht da, fährst du wahrscheinlich am besten. :). Also ich meine Idee war, sie will, dass sie das Spiel verliert, dass Timo ihr eine Aufgabe stellt, die sie nicht erfüllen kann. Sie will, dass er ihr beweist, dass nicht alles egal ist. Und eben das schafft er nicht. Wobei das wohl in der Umsetzung nicht rüber kommt.

Auch wenn mir jetzt einige Dinge unklar sind, finde ich es eine gute Geschichte. Ich hab sie mit Spannung und Interesse gelesen, vielleicht müsste ich sie noch ein-, zweimal lesen, um schlauer daraus zu werden. Aber ich wollte dir zumindest auch meinen ersten Eindruck nicht vorenthalten.
Das freut mich. Vielen Dank dafür.

Der Kleinkram wird übernommen.

@ Friedrichard

Auch dir vielen Dank fürs Lesen und kommentieren.

Das Zitat gefällt mir, weil es sehr gut als Definition des Nihilismus funktioniert. Auch das der Arkard keine moralische Wertung abgibt, sondern nur die möglichen Folgen aufzeigt, finde ich gut.

Und ja, Sabina ist keine Nihilistin. Sie versteckt sich nur hinter dem Begriff. Sie versucht, ihrem Leid zu entgehen, indem sie sich abkapselt, von ihrem Körper (der quasi ein Werkzeug des Schmerz ist), und ihrer Umwelt. Und sie bezeichnet sich als Nihilistin, weil in ihrer Welt alles an Wert verloren hat, und deshalb alles erlaubt zu seien scheint.

Den Kleinkram übernehme ich größtenteils.

@jimmysalaryman

Vielen Dank dir, fürs Lesen und Kommentieren.

ich habe deine Geschichte zweimal gelesen, und ich habe sie gerne gelesen. Sie ist leicht verstörend, und lässt den Leser unschlüssig zurück, was ich prinzipiell immer sehr gut finde.
Das freut mich. Das sind drei Sachen die ich selbst an Geschichten anderer mag.

Der Begriff "Nihilist", ob der jetzt wie bei Turgenew besetzt ist oder nicht, scheint mir egal. Ich denke, was du sagen möchtest, ist, dass ihr alles egal ist, dass sie nicht agiert, passiv bleibt. Dann wäre sie vielleicht eine ethische Nihilisten, auch egal.
Das mit dem alles egal ist der Punkt. Den Begriff Nihilistin verwendet Sabina sicher nicht ganz korrekt. Mehr als Schlagwort.

Diese gebrochene Protagonistin, eigentlich ist sie ja schon kaputt, die zeigst du aber immer nur als Oberfläche. Mich würde ihre Selbstreflektion, ihre persönliche Historie viel mehr reizen, da steckt doch auch erzählerisches Potential drin, oder irre ich mich da?
Das mit der Oberfläche hat den Grund, dass ich mit einer tiefer gehenden Darstellung völlig überfordert wäre. Weil ich nicht glaube, dass ich das von außen nachvollziehen kann bzw. eine glaubwürdige Darstellung hinbekäme Ich denke, das würde nicht funktionieren. In gewisserweise ist das mit der Distanz also ein Kompromis. Ich wollte aus dieser Perspektive schreiben, konnte es aber nicht im vollem Umfang. Dass es so aber nicht ganz geklappt hat, sehe ich ein.

Vielleicht möchtest du den Leser auch nur auf eine falsche Fährte locken, ihm eine Karthasis nur andeuten, so als Lockangebot, und nachher endet alles in einem symbolischen Akt, der stellvertretende Tod (hier des Welpens), Niedergang, und dann nichts mehr, nur noch Tristesse, der Leser weiß, es geht genausoweiter, es gibt keine Progression?
Ja die Regression wollte ich haben. Timo ist gescheitert und Sabina hat nichts erreicht.

@ Kubus
Vielen Dank fürs Lesen und deine aufführliche Interpretation.

ausnehmend gut gefallen mir die Ruhe der Erzählstimme, die vielen detaillierten Beschreibungen und wie sich die Geschichte nach und nach entfaltet.
Das freut mich.

Deine Interpretation hat mir sehr gefallen, es fällt mir nur nicht leicht, etwas dazu zu sagen. Weil für mich eine Leseweise dann richtig ist, wenn sie den Text erschließt - und das tut deine - auch wenn sie an der Intention des Autoren vorbei geht - was bei dir jetzt stellenweise der Fall ist.
Aber ich versuche mich mal:

Das wären die Bedingungen für ein faires Spiel, mag es abgefahren sein, aber dann hätte man zwei Gegner, die es eigentlich braucht, damit ein Spiel attraktiv ist.
Timo ist klar der schwächere Part. Aber ich fand das auch interessant: Dass er trotzdem die Richtung vorgibt. Er sagt ja, mach dies, mach das. Und treibt die Handlung voran. Obwohl Sabina ihm eigentlich überlegen ist.
Du gibst ihm diese kindisch-verzogenen Züge, man meint ihn jammern zu hören, wenn er fragt, warum sie sich überhaupt mit ihm trifft, an einer Stelle wird er Spielkind genannt.
Ja. Timo ist der Part, der nicht rafft, was vor sich geht, bis er Sabina nackt sieht und dann quasi einen Schimmer der Wahrheit erhascht. Aber anstatt die Sache abzubrechen, verrennt er sich.

Eher dürfte es für sie zweierlei sein: Erstens eine Möglichkeit der Selbsterfahrung, sie lässt sich von ihm über Limits treiben, die sie allein nicht überschritten hätte. Ihre Gewalt ist bis zum Tiermord gegen sich selbst gerichtet. Zweitens eine Möglichkeit, ein Spiel zu spielen, das sie gewinnen kann. Die Entlarvung Timos geschieht fast nebenbei, sie weiß, dass er ein Spielkind ist, das ihrem Ernstmachen nichts entgegen zu setzen hat. Im Spiel bricht sie aus den festgefahrenen Verhaltensmustern aus, und gewinnt so die Gewalt über ihr Leben zurück, das bis dato von Selbstverletzung und Ohnmacht geprägt ist. Nach dieser Aggression sind auch andere Aggressionen denkbar, warum nicht gegen den Vater, der die Regeln des heimischen Lebensspiels außer Kraft gesetzt hat, der, körperlich stark und willensschwach, eine Gefahr für die Tochter ist, die er laut den Spielregeln beschützen sollte.
Die Sichtweise finde ich gut. Also Sabina als starke Figur, die aus ihrer Gebrochenheit heraus wächst. Ob sie jetzt aber den Vater angreift, da muss glaube ich noch einiges passieren.

Bisher betäubt sie ihren Schmerz über die Haltlosigkeit und die Verletzungen mit Sport bis über die Schmerzgrenze hinaus, das finde ich gut aufgezeigt und schlüssig.
Das freut mich.

Dass Timo nicht bewiesen hat, was zu beweisen war.
Damit meinte ich, dass Timo nicht bewiesen hat, dass es etwas konkretes gibt, was für Sabina Bedeutung hat. Seine Argumentation ist ja mehr eine hilflose Trickserei.

Timo fordert sie heraus, sie beweist ihm und sich selbst, dass ihre Worte keine Lippenbekenntnisse sind. Gleichzeitig besiegt sie sich selbst, weil sie das Menschliche, das zwischendurch aufblitzt, verrät, das tauscht sie, die in heimischer Umgebung Ohnmächtige, gegen das Gefühl, selbst Aggressor zu sein und Macht auszuüben.
Das ist quasi das Gegenteil von meinen Gedanken: Für mich versucht Sabina ihre Menschlichkeit wiederzufinden. Und gibt Timo mit der Teilnahme an diesem Spiel quasi die Aufgabe diese für sie zu suchen.
Aber deine Sichtweise funktioniert auch.
Die Entstimmung ist halt verschieden: Entweder Ressignation. Oder unmenschlicher Triumph. Mir gefallen beide. Und ich sage sicher nicht, dass meine Sichtweise die richtige ist.

So allen nachmal vielen Dank.

Gruß,
Kew

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kew

Sprachlich ist die Geschichte schön abgefasst, trotz Überzeichnungen, die ich nicht alle nachfolgend anführte. Was mir jedoch fehlte, war die Spannung. Im Prinzip konnte ich darin eine Jugendgeschichte erkennen, deren mehr oder weniger gelangweilte Alltag die beiden mit einem sinnlosen Spiel durchsetzten. Der angedeutete Missbrauch kommt wie beiläufig in die Geschichte eingeflossen, als wäre es ein Schwanken zwischen Realität und Irrealität. Hierbei überzeugten das Verhalten und die Merkmale der Protagonistin mich diesbezüglich nicht recht, erschien mir durch unzulängliche Klarheit beinah mehr wie eine Verniedlichung. Eine multiple Zwittergeschichte.

Nachfolgend einige Stellen, die mich aus dem Lesefluss warfen:

Sie saßen vor dem Restaurant, nahe der Straße, wo keine Autos fuhren, weil das hier ein Wohngebiet nach Feierabend war.

Ist es tagsüber denn kein Wohngebiet? Es dünkte mich treffender, wenn es etwa lautete: weil am Abend kein Durchgangsverkehr erlaubt war.

über einen Aufenthalt in Südafrika sprachen und über Sport und das Trainingsprogramm für die Sonne Kapstadts,

Das klingt mir interessant aber utopisch. Vielleicht eher: Trainingsprogramm unter der (oder: in der) Sonne Kapstadts,

Inzwischen glommen Straßenlaternen über jeder Kreuzung – hypertrophierte Glühwürmchen an Kabeln.

Hier sehe ich den Sinn dieses medizinischen Fachausdrucks im Zusammenhang nicht gegeben. Was mir an einem Sommerabend unter Strassenlaternen auffällt, sind Insekten, die im Licht schwirrend, irreale Leuchtstreifen erzeugen. Glühwürmchen nimmt man hingegen nur im Dunkeln wahr, als leuchtende Punkte.

Ihrem Körper rann Schweiß in die Augen, seine Beine brannten, das Atmen fiel ihm schwer.

Dieser Satz verwirrt mich gleich mehrfach. Schweiss in die Augen kommt von der Stirn, der Körperschweiss zieht hingegen abwärts, es sei denn, sie machte den Kopfstand. Und wieso seine und ihm? Soll damit ein Bezug zu Hermaphroditos der griechischen Mythologie gesetzt werden? Nun ja, mal sehen, was da kommt.

Ihr Körper überholte sie und Sabina schaltete das Denken ab, ließ sich treiben vom Herzschlag.

An diesem Satz studierte ich länger herum, da es den Bogen der Realität überspannt. Wenn der Körper sich anscheinend verselbständigte und der der Herzschlag ihr vorgeblich antrieb gab, würde diese Überspannung wegfallen. Aber vielleicht ist es auch eine Redensart?

Die Erklärung war ein Fehler gewesen, das wusste sie, während Timos Gesicht noch immer nicht verstand.

Ein Gesicht drückt allenfalls mit seiner Mimik Verständnis oder Unverständnis aus. Aber verstehen, das vermag es nicht.

Auf seiner Brust wuchs Bärenhaar, kratzig auf der Haut und schwarz.

Brusthaare sind an sich von der Beschaffenheit her nicht kratzig.

Sie wusste, was er sah; sie half ihm nicht, sie schwieg.

Also doch … oder doch nicht? So wie er dasteht, bleibt mir der Satz fraglich und nichtssagend.

Jetzt habe ich noch die andern Kommentare gelesen, mich fragend, wie es die andern Leser und Kritiker wahrnahmen, und auch, welche Erläuterungen von dir dazu erfolgten.

Mit wenigen Ausnahmen was Spannung und Glaubwürdigkeit anbelangt, gelangten die Kommentatoren zu einem ähnlichen Bild wie ich.

Und ja, Sabina ist keine Nihilistin. Sie versteckt sich nur hinter dem Begriff. Sie versucht, ihrem Leid zu entgehen, indem sie sich abkapselt, von ihrem Körper (der quasi ein Werkzeug des Schmerz ist), und ihrer Umwelt. Und sie bezeichnet sich als Nihilistin, weil in ihrer Welt alles an Wert verloren hat, und deshalb alles erlaubt zu seien scheint.

Hier bezweifle ich stark, dass der Begriff Nihil dem Kontext, wie du ihn deutest, angemessen ist. Als Schlagwort mag es hier angehen, aber nicht als Identifikation.

Das ist quasi das Gegenteil von meinen Gedanken: Für mich versucht Sabina ihre Menschlichkeit wiederzufinden. Und gibt Timo mit der Teilnahme an diesem Spiel quasi die Aufgabe diese für sie zu suchen.

Auch hier, in deiner Interpretation, dass die Protagonistin Menschlichkeit suchte, reflektierte sich mir im Text nicht.

Du hast dich mit der Darstellung eines Missbrauchsopfers an eine schwierige Thematik herangewagt. Es gibt hierfür nicht einfach nur ein Bild, insofern kann es natürlich von verschiedenen Seiten des Spektrums betrachtet werden. Nur ganz glücklich, nachdem die Geschichte sich auf dieses Thema zugespitzt erwies, fand ich die Darstellung nicht. Doch ich zolle dir Respekt, dass du dich daran gewagt hast. Vielleicht erlauben dir meine kritischen Lesergedanken ja, das eine oder andere aus einer etwas verschobenen Perspektive zu betrachten.

Insofern mit etwas gemischten Gefühlen gelesen, wobei der weitgehend angenehme Sprachfluss mich darin geruhsam treiben liess. :)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hi Kew

Eine Anmerkung noch:

Also den sexuellen Missbrauch braucht es für das gestörte Körperverhältnis.

In Zeiten von Germany's next Top Model und einem in der Gesellschaft sehr stark verankerten Schönheits- und Fitness"wahn" braucht es bei einem jungen Mädchen weit weniger als elterlichen Missbrauch, um ein gestörtes Verhältnis zum eigenen Körper zu haben.

Ich hatte in meiner letzten Geschichte ja auch einen Teenager drin, der unter seiner Akne litt. Wenn du hier eine pummelige Aussenseiterin wählst, nimmt dir jeder Leser das gestörte Körperverhältnis sofort ab. Auch eine entstellende Narbe reicht dafür aus.

Ist jetzt halt die Frage, ob die Teilnahme an dem Spiel dann immer noch nachvollziehbar ist, aber ich sehe da kein Problem. Ich hatte mit der Stelle ja in der jetzigen Version auch schon Schwierigkeiten, also mit der Nachvollziehbarkeit der Handlungen.
Prinzipiell kannst du mMn auch den Missbrauch drinlassen; normalerweise ist er ein so starkes Thema, dass er eine Kurzgeschichte dominiert; warum nicht mal versuchen, ihn in den Hintergrund zu rücken (was du ja schon tust)?

Ich würde halt die Sache mit dem Keller rausnehmen, Mädchen - Keller - Folter, da werden Assoziationen an ganz andere Geschichten wach, das finde ich störend hier und wirklich unnötig. Wenn du dann noch glaubhaft schilderst, wie der Missbrauch die Ursache (oder eine davon) für die Teilnahme an dem "Spiel" ist, dann ist das wirklich eine tolle Leistung.

Viele Grüsse,
Schwups

 

Hallo Anakreon und danke fürs lesen und kommentieren.

Was mir jedoch fehlte, war die Spannung.
Das ist natürlich schade.

Ist es tagsüber denn kein Wohngebiet? Es dünkte mich treffender, wenn es etwa lautete: weil am Abend kein Durchgangsverkehr erlaubt war.
Der Punkt ist, Abends fährt in dem Wohngebiet kein Auto.

Glühwürmchen nimmt man hingegen nur im Dunkeln wahr, als leuchtende Punkte.
Das soll eigentlich ein Bild für die Lampe sein: Lampe =Glühwürmchen. Weil tatsächliche Glühwürmchen würde man, wie du sagst, nicht leuchten sehen.

Schweiss in die Augen kommt von der Stirn, der Körperschweiss zieht hingegen abwärts, es sei denn, sie machte den Kopfstand. Und wieso seine und ihm? Soll damit ein Bezug zu Hermaphroditos der griechischen Mythologie gesetzt werden? Nun ja, mal sehen, was da kommt.
Sabina hat da eine gespaltene Selbstwahrnemung: Sie trennt zwischen sich und ihrem Körper, wenn es ihr schlecht geht. Deswegen läuft ihrem Körper schweiß ins Auge und nicht ihr selbst. Mit Körper meine ich die gesamtheit nicht nur den Rumpf.

Ein Gesicht drückt allenfalls mit seiner Mimik Verständnis oder Unverständnis aus. Aber verstehen, das vermag es nicht.
Da hab ich quasi einen Schritt übersprungen. Aber ich gebe zu, das Bild ist etwas schräg. Aber ich behalte es erstmal.

Auch hier, in deiner Interpretation, dass die Protagonistin Menschlichkeit suchte, reflektierte sich mir im Text nicht.
Das gebe ich gerne zu, dass das nicht richtig raus kommt. Aber an der Version werde ich jetzt erstmal nicht groß rumdoktorn, sonder ich schau mal, wie's mit der Version aus der Sicht von Timo klappt. Ich hoffe ja, damit einige der hier genannten Probleme beseitigen zu können.

@Schwups

In Zeiten von Germany's next Top Model und einem in der Gesellschaft sehr stark verankerten Schönheits- und Fitness"wahn" braucht es bei einem jungen Mädchen weit weniger als elterlichen Missbrauch, um ein gestörtes Verhältnis zum eigenen Körper zu haben.
Nun eine Essstörung etc. wollte ich nicht in dem Text. Ich bleibe deshalb bei dem Missbrauch. Das mit dem Keller werde ich allerdings nochmal überlegen. Wahrscheinlich streiche ich den einfach. Wegen der Motivationsproblematik, da versuche ich es auch erstmal mit der neuen Version, bevor ich schaue, ob ich hier noch große Sachen ändere.

Aber danke nochmal.

Gruß,
Kew

 

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