Spezialanfertigung Mensch
Es war einmal ein junger Mann. Voller Freude und mit einem wirklich guten Herz. Seine Seele war rein, und doch hatte er nicht genug Einsicht in die Welt. Eine Brille hatte man ihm aufgesetzt, mit der man alles in seiner Lieblingsfarbe sieht. Seine war rotgold.
So fing er, wie all die andern auch, an zu sparen. Er sparte und sparte, bis er sich endlich kaufen konnte, wonach er sich so lange gesehnt hatte: Einen Menschen.
Er ging in den nächsten Laden und verlangte an der Kasse einen Menschen. Die Verkäuferin war sehr freundlich und fragte ob er wohl irgendwelche Sonderwünsche habe. Er meinte nur, dass das Aussehen auch akzeptabel sein sollte. Sie bot ihm einen verbilligten Menschen an, der aufgrund seiner Unpünktlichkeit herabgesetzt war, doch der junge Herr lehnte dankend ab. So bekam er einen anderen Menschen und nahm ihn mit nach Hause.
Irgendwann schaute er dem Menschen genau auf die Finger und merkte, dass die Fingernägel bis aufs Fleisch abgekaut waren. Empört über das störende Nägelkauen des Menschen lief er zurück in den Laden, ließ eine Beschwerde laut werden und verlangte ausdrücklich den Menschen umzutauschen.
Die Verkäuferin meinte beschämt, dass es ihr leid tue und das so etwas mal passieren könnte. Sofort händigte sie ihm einen neuen Menschen aus.
Zu Hause wollte der junge Mann ein Gespräch mit dem Menschen beginnen, aber schon nach wenigen Minuten wurde es ihm zu ermüdend, weil der Mensch stotterte und man ihn kaum verstehen konnte. Verärgert rannte der Mann mit dem Menschen in den Laden zurück und rief, dass hier wohl wieder ein Fehler unterlaufen sei.
Auch dieses Mal gab die Verkäuferin nach und brachte dem Mann einen neuen Menschen. Der wäre eindeutig ohne Fehler. Nach einer strengen Visite und der Beobachtung, dass dieser Mensch keinen Fehler habe, wurde auch er mit nach Hause genommen.
Doch schon bald fiel dem jungen Herr auf, dass auch bei diesem Menschen ein Produktionsfehler unterlaufen war. Man erkannte sehr schnell, dass dieser Mensch wohl homosexuell war, und er leugnete es auch nicht. "Herrschaftszeiten", entfuhr es dem jungen Mann, als er zum dritten Mal aufgebracht im Laden stand, "bekommt man denn hier keinen normalen Menschen?"
Der Verkäuferin wurde es jetzt schon langsam peinlich und sie entschloss, ihm noch eine Chance zu geben. Sie entschuldigte sich vielmals, meinte aber, dass dies das letzte Mal sei, dass er einen Neuen bekomme, schließlich sei das dort keine Tauschbörse, bei der man nach Lust und Laune die Sachen wieder zurückbringen kann.
Den vierten Menschen schaute sich der Mann sehr genau an, bevor er sich schließlich dafür entschied, dass der wohl fehlerfrei sei und ihn mit nach Hause nahm.
Mit diesem Menschen schien tatsächlich alles in Ordnung zu sein, und die Verkäuferin bekam den jungen Mann erst nach einem halben Jahr wieder zu Gesicht. Zufällig traf sie den Herrn in einer Kunstausstellung. Zufrieden ging sie auf ihn zu und meinte, dass die Herstellerfirma wohl ganze Arbeit geleistet habe, weil der junge Mann seither nie wieder ihr Geschäft betreten habe.
Der Mann erkannte sofort die Verkäuferin wieder und erzählte ihr, wie wunderbar es mit dem neuen Menschen laufe. Dass er so pflegeleicht wäre, nie widerspreche und sich auch sonst recht ruhig verhalte, genauso also, wie man es von einem perfekten Menschen wohl erwarten durfte.
Die Verkäuferin schmunzelte über ihren eigenen Erfolg und meinte nur: "Tja, wissen sie. Das dachte ich mir schon. Vielen Leuten ging es so wie ihnen. Fast allen, um es ehrlich zu sagen. Genau deswegen habe ich beschlossen, mein Geschäft umzustellen! Die Art von Mensch, die ich ihnen verkauft habe, macht einfach die besseren Verkaufzahlen. "
"Und was ist das für eine Art Mensch?"
"Spezialanfertigung. Aus Plastik und extra ohne Seele, die kommen immer besser an!"